Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 19. Feb. 2018 - L 11 AS 85/18 B PKH

published on 19/02/2018 00:00
Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 19. Feb. 2018 - L 11 AS 85/18 B PKH
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Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 19.12.2017 wird verworfen.

Gründe

I.

Streitig ist die Erstattung von Kosten eines Widerspruchsverfahrens.

Nach anfänglicher vollständiger Ablehnung (Bescheid vom 21.03.2017) bewilligte der Beklagte nach vom Kläger eingelegtem Widerspruch mit Bescheid vom 05.05.2017 in der Fassung des Bescheides vom 23.05.2017 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) gemäß dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.03.2017 bis 30.04.2017, nicht aber für die Zeit vom 01.05.2017 bis 31.08.2017. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein; Leistungen seien bereits ab 01.12.2016 zu erbringen und es sei zudem zu hohes Einkommen angerechnet worden. Mit Änderungsbescheid vom 29.06.2017 bewilligte der Beklagte Alg II bereits für die Zeit ab 01.12.2016. Zudem bewilligte er mit dem weiteren, streitgegenständlichen Änderungsbescheid vom 29.06.2017 höheres Alg II für die Zeit vom 01.03.2017 bis 30.04.2017 und für Mai 2017. In der Rechtsbehelfsbelehrung:führte der Beklagte aus, der Widerspruch sei statthafter Rechtsbehelf. Dies korrigierte er mit Schreiben vom 17.07.2017: der Änderungsbescheid vom 29.06.2017 sei Gegenstand des bereits gegen den Bescheid vom 05.05.2017 laufenden Widerspruchsverfahrens geworden.

Mit Schreiben vom 26.07.2017 erhob der Kläger dennoch Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 29.06.2017. Die Einkommensanrechnung sei fehlerhaft. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.08.2017 zurück. Der Widerspruch sei unzulässig. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen würden nicht übernommen werden.

Allein wegen der Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid vom 02.08.2017 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren begeht. Der Beklagte habe durch die unzutreffende Rechtsbehelfsbelehrung:den Rechtsschein einer eigenständigen, mit Rechtsbehelfen angreifbaren Verwaltungsentscheidung gesetzt. Entweder seien die notwendigen Aufwendungen zu erstatten oder es sei im Rahmen des bereits laufenden Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 05.05.2017 samt Folgebescheiden über die Kostentragung zu entscheiden.

Mit Beschluss vom 19.12.2017 hat das SG die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Eine hinreichende Erfolgsaussicht bestehe nicht. Der Widerspruchsbescheid vom 02.08.2017 sei nicht zu beanstanden. Der Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 29.06.2017 sei unzulässig, denn dieser Bescheid sei Gegenstand eines bereits laufenden Widerspruchsverfahrens geworden; somit sei die Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid vom 02.08.2017 zutreffend, denn der Widerspruch sei nicht erfolgreich gewesen. Eine analoge Anwendung des § 63 Abs. 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf Fälle einer unzutreffend erteilten Rechtsbehelfsbelehrung:sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 19.06.2012 - B 4 AS 142/11 R - veröffentlicht in Juris) nicht möglich und ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch scheide aus (BSG, Urteil vom 20.10.2010 - B 13 R 15/10 R - SozR 4-1500 § 193 Nr. 6).

Dagegen hat der Kläger Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhoben. Der Beklagte hätte darauf hinweisen müssen, dass über die Kosten des unzulässigen Widerspruchs im Rahmen des bereits laufenden Widerspruchsverfahrens entschieden werden würde. Der Beklagte habe aber im Widerspruchsbescheid vom 02.08.2017 eine eigenständige Kostenregelung getroffen.

Der Kläger ist vom Senat auf die Frage der Zulässigkeit der Beschwerde hingewiesen worden. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig, denn sie ist gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 2b Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen.

Gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 2b SGG ist die Beschwerde ausgeschlossen gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte. Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung im Urteil des Sozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 € nicht übersteigt.

Ein Wert des Beschwerdegegenstandes von 750,00 € wird vorliegend nicht erreicht. Streitig ist allein die Kostenentscheidung des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2017. Gemäß § 63 Abs. 2 SGB X sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts für das vorliegende Widerspruchsverfahren übersteigen gemäß §§ 1 ff Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in Verbindung mit dem Vergütungsverzeichnis (VV) nicht 750,00 €.

Der Bevollmächtigte, der für mehrere Auftraggeber (Nr. 1008 VV) in derselben Angelegenheit (§ 7 Abs. 1, § 15 Abs. 2 RVG) tätig wird, die keine besonderen Schwierigkeiten oder besonders umfangreich ist (Nr. 2302 VV), erhält einen Schwellenwert von 300 €, der wegen weiterer Kläger um 90% zu erhöhen ist, so dass sich daraus ein Schwellenwert von 570 € ergibt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 02.04.2014 - B 4 AS 27/13 R - veröffentlicht in Juris). Unter Berücksichtigung der Nrn. 7002 und 7008 VV wird damit ein Wert des Beschwerdegegenstandes von 750 € nicht erreicht.

Damit war die Beschwerde unabhängig davon zu verwerfen, dass die Ausführungen des SG zur Kostenentscheidung als zutreffend erscheinen, der Kläger zudem mit Schreiben vom 17.07.2017 bereits auf die Einbeziehung des Änderungsbescheides vom 29.06.2017 in das laufende Widerspruchsverfahren aufmerksam gemacht worden ist und nach dem Urteil des BSG vom 19.06.2012 (aaO) die Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid vom 02.08.2017 nicht aufzuheben ist (vgl. Rn. 20 des Juris-Ausdrucks).

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

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published on 02/04/2014 00:00

Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 8. November 2012 aufgehoben. Das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 28. Oktober 2011 wird insoweit g
published on 19/06/2012 00:00

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published on 20/10/2010 00:00

Tenor Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 12. Februar 2010 und des Sozialgerichts Heilbronn vom 27. August 2008 aufgehoben und die Klage
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Annotations

(1) Soweit der Widerspruch erfolgreich ist, hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Dies gilt auch, wenn der Widerspruch nur deshalb keinen Erfolg hat, weil die Verletzung einer Verfahrens- oder Formvorschrift nach § 41 unbeachtlich ist. Aufwendungen, die durch das Verschulden eines Erstattungsberechtigten entstanden sind, hat dieser selbst zu tragen; das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren sind erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war.

(3) Die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat, setzt auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest; hat ein Ausschuss oder Beirat die Kostenentscheidung getroffen, obliegt die Kostenfestsetzung der Behörde, bei der der Ausschuss oder Beirat gebildet ist. Die Kostenentscheidung bestimmt auch, ob die Zuziehung eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten notwendig war.

(1) Gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte findet die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Vertagungsbeschlüsse, Fristbestimmungen, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen und Sachverständigen können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Die Beschwerde ist ausgeschlossen

1.
in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte,
2.
gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn
a)
das Gericht die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint,
b)
in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte oder
c)
das Gericht in der Sache durch Beschluss entscheidet, gegen den die Beschwerde ausgeschlossen ist,
3.
gegen Kostengrundentscheidungen nach § 193,
4.
gegen Entscheidungen nach § 192 Abs. 4, wenn in der Hauptsache kein Rechtsmittel gegeben ist und der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro nicht übersteigt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Soweit der Widerspruch erfolgreich ist, hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Dies gilt auch, wenn der Widerspruch nur deshalb keinen Erfolg hat, weil die Verletzung einer Verfahrens- oder Formvorschrift nach § 41 unbeachtlich ist. Aufwendungen, die durch das Verschulden eines Erstattungsberechtigten entstanden sind, hat dieser selbst zu tragen; das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren sind erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war.

(3) Die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat, setzt auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest; hat ein Ausschuss oder Beirat die Kostenentscheidung getroffen, obliegt die Kostenfestsetzung der Behörde, bei der der Ausschuss oder Beirat gebildet ist. Die Kostenentscheidung bestimmt auch, ob die Zuziehung eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten notwendig war.

(1) Wird der Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig, erhält er die Gebühren nur einmal.

(2) Jeder der Auftraggeber schuldet die Gebühren und Auslagen, die er schulden würde, wenn der Rechtsanwalt nur in seinem Auftrag tätig geworden wäre; die Dokumentenpauschale nach Nummer 7000 des Vergütungsverzeichnisses schuldet er auch insoweit, wie diese nur durch die Unterrichtung mehrerer Auftraggeber entstanden ist. Der Rechtsanwalt kann aber insgesamt nicht mehr als die nach Absatz 1 berechneten Gebühren und die insgesamt entstandenen Auslagen fordern.

(1) Die Gebühren entgelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit.

(2) Der Rechtsanwalt kann die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern.

(3) Sind für Teile des Gegenstands verschiedene Gebührensätze anzuwenden, entstehen für die Teile gesondert berechnete Gebühren, jedoch nicht mehr als die aus dem Gesamtbetrag der Wertteile nach dem höchsten Gebührensatz berechnete Gebühr.

(4) Auf bereits entstandene Gebühren ist es, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, ohne Einfluss, wenn sich die Angelegenheit vorzeitig erledigt oder der Auftrag endigt, bevor die Angelegenheit erledigt ist.

(5) Wird der Rechtsanwalt, nachdem er in einer Angelegenheit tätig geworden ist, beauftragt, in derselben Angelegenheit weiter tätig zu werden, erhält er nicht mehr an Gebühren, als er erhalten würde, wenn er von vornherein hiermit beauftragt worden wäre. Ist der frühere Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt, gilt die weitere Tätigkeit als neue Angelegenheit und in diesem Gesetz bestimmte Anrechnungen von Gebühren entfallen. Satz 2 gilt entsprechend, wenn ein Vergleich mehr als zwei Kalenderjahre nach seinem Abschluss angefochten wird oder wenn mehr als zwei Kalenderjahre nach Zustellung eines Beschlusses nach § 23 Absatz 3 Satz 1 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes der Kläger einen Antrag nach § 23 Absatz 4 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes auf Wiedereröffnung des Verfahrens stellt.

(6) Ist der Rechtsanwalt nur mit einzelnen Handlungen oder mit Tätigkeiten, die nach § 19 zum Rechtszug oder zum Verfahren gehören, beauftragt, erhält er nicht mehr an Gebühren als der mit der gesamten Angelegenheit beauftragte Rechtsanwalt für die gleiche Tätigkeit erhalten würde.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.