Bundesarbeitsgericht Urteil, 08. Dez. 2010 - 5 AZR 697/09
Gericht
Tenor
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1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 13. August 2009 - 2 Sa 128/09 - aufgehoben.
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2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 20. Januar 2009 - 21 Ca 392/08 - wird zurückgewiesen.
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3. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Dauer der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
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Die privat krankenversicherte Klägerin war vom 15. März 1979 bis zum 30. April 1981 in einem Krankenhaus in Hamburg und vom 1. März 1991 bis zum 30. April 1995 bei der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales der Freien und Hansestadt Hamburg beschäftigt. Seit dem 15. Mai 1995 ist sie beim Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgänger auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 22. Mai 1995 tätig.
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Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich aufgrund einzelvertraglicher Regelung nach dem Manteltarifvertrag für Beschäftigte der medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK-T) sowie den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen und sonstigen tariflichen Vereinbarungen.
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Im MDK-T heißt es ua.:
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„§ 14 Beschäftigungszeit
(1) Beschäftigungszeit ist die beim Arbeitgeber und seinen Rechtsvorgängern zurückgelegte Beschäftigungs- und Ausbildungszeit. Eine Beurlaubung gemäß §§ 30 und 37 gilt nicht als Beschäftigungszeit.
(2) Zeiten des Grundwehr- und Bundesgrenzschutzdienstes … werden, … als Beschäftigungszeit angerechnet. ...
(3) Bei Wiedereinstellung innerhalb von fünf Jahren nach der Entbindung wird die Beschäftigungszeit ... angerechnet. ...
(4) Andere Zeiten können auf Antrag angerechnet werden.
Protokollnotiz zu Abs. 4:
Die nach § 14 Abs. 4 MDK-T anerkannten Beschäftigungszeiten können hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Leistungen nach § 22 und § 26 MDK-T beschränkt werden. Dies gilt nicht für bisher anerkannte Beschäftigungszeiten.
§ 22 Leistungen bei Arbeitsunfähigkeit
(1) Den Beschäftigten werden im Falle einer unverschuldeten Arbeitsunfähigkeit oder während der Dauer eines durch die Sozialversicherungsträger, einer sonstigen öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung genehmigten - bzw. bei nicht gesetzlich kranken- oder rentenversicherten Beschäftigten einer ärztlich verordneten - stationären Vorsorge - oder medizinischen Rehabilitationsmaßnahme die Bezüge bis zur Dauer von 6 Wochen weitergezahlt, bei einer Beschäftigungszeit zu Beginn des auslösenden Ereignisses
von mindestens 2 Jahren bis zur Dauer von 9 Wochen,
von mindestens 3 Jahren bis zur Dauer von 12 Wochen,
von mindestens 5 Jahren bis zur Dauer von 15 Wochen,
von mindestens 8 Jahren bis zur Dauer von 18 Wochen,
von mindestens 10 Jahren bis zur Dauer von 26 Wochen.
(2) Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis nach dem 30.06.1994 beginnt, werden die Bezüge gemäß Abs. 1 bis zur Dauer von 6 Wochen weitergezahlt. Einmalig in jedem Kalenderjahr besteht nach Ablauf von 6 Wochen für die Zeit des sich anschließenden Krankengeldbezuges Anspruch auf Krankengeldzuschuss, und zwar bei einer Beschäftigungszeit
zu Beginn des auslösenden Ereignisses
von mehr als einem Jahr längstens bis zum Ende der 13. Woche,
von mehr als drei Jahren längstens bis zum Ende der 26. Woche
seit dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit. ...
(3) ...
(4) ...“
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Der Beklagte legte mit Schreiben vom 21. August 1996 den Beginn der Beschäftigungszeit auf den 1. Februar 1989 fest. Mit Schreiben vom 23. März 2000 teilte der Beklagte der Klägerin Folgendes mit:
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„§ 22 MDK-T Leistungen bei Arbeitsunfähigkeit
Sehr geehrte Frau Dr. W,
in den letzten Monaten wurde dem Referat 13 häufiger die Frage gestellt, wie lange bei Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge besteht.
Wir teilen Ihnen hierzu mit, dass Ihnen unter Berücksichtigung Ihrer Beschäftigungszeit im Falle einer unverschuldeten Arbeitsunfähigkeit seit dem 01.12.99 die Bezüge bis zu einer Dauer von 26 Wochen weiter gezahlt werden.
Mit freundlichen Grüßen
…“
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Ein entsprechendes Schreiben des Beklagten ging allen dort beschäftigten privat krankenversicherten Ärzten zu.
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Im Juni 2007 leistete der Beklagte anlässlich einer längeren Erkrankung der Klägerin Entgeltfortzahlung für lediglich sechs Wochen. Auf eine Beschwerde der Klägerin erklärte er sich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht bereit, einmalig das Entgelt für längstens 26 Wochen fortzuzahlen.
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Die Klägerin hat geltend gemacht, der Beklagte sei tariflich zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bis zu einer Dauer von 26 Wochen verpflichtet. Mit den Schreiben vom 21. August 1996 und vom 23. März 2000 habe der Beklagte jedenfalls eine entsprechende Entgeltfortzahlung zugesagt.
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Die Klägerin hat beantragt
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festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin im Falle einer unverschuldeten Arbeitsunfähigkeit Entgeltfortzahlung für die Dauer von 26 Wochen zu leisten.
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Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, „Beschäftigungszeit“ und „Beginn des Arbeitsverhältnisses“ seien nach dem Tarifvertrag zu unterscheiden. Eine übertarifliche Leistung habe er nicht zugesagt.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer von bis zu 26 Wochen.
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I. Die Klägerin hat, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, keinen tariflichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer von bis zu 26 Wochen. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgänger begann erst am 15. Mai 1995, denn die vorherigen Arbeitgeber der Klägerin waren keine Rechtsvorgänger des Beklagten. Beschäftigten wie der Klägerin, deren Arbeitsverhältnis nach dem 30. Juni 1994 begonnen hat, werden Krankenbezüge gemäß § 22 Abs. 2 MDK-T lediglich bis zur Dauer von sechs Wochen weitergezahlt. Der Wortlaut dieser ausschließlich auf den Beginn des Arbeitsverhältnisses abstellenden Tarifnorm ist eindeutig. Die beim Arbeitgeber oder die bei einem anderen Arbeitgeber zurückgelegte und nach § 14 MDK-T angerechnete Beschäftigungszeit kann lediglich zu einer Verlängerung des Anspruchs auf den Zuschuss zum Krankengeld nach § 22 Abs. 2 MDK-T führen. Dies setzt einen Beginn des Arbeitsverhältnisses nach dem 30. Juni 1994 voraus. Ebenso wenig enthält die Protokollnotiz zu § 14 Abs. 4 MDK-T eine „Besitzstandsregelung“ in dem von der Klägerin vertretenen Sinne. Die Protokollnotiz betrifft lediglich bestimmte Rechtsfolgen einer entsprechenden Anerkennung, zB gerade die Dauer der Zahlung eines Krankengeldzuschusses, sie besagt jedoch nicht, dass die Anerkennung von Beschäftigungszeiten zu einer Vorverlegung des Beginns des Arbeitsverhältnisses führt.
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II. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für bis zu 26 Wochen wegen der von dem Beklagten am 21. August 1996 berechneten Beschäftigungszeit. Diese Berechnung bezog sich ausschließlich auf die Anerkennung von Vordienstzeiten nach § 14 MDK-T.
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III. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die im Sommer 2007 erfolgte Zusage des Beklagten, einmalig Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall über die Dauer von mehr als sechs Wochen zu leisten, keinen Anspruch auf eine dauerhafte Gewährung entsprechender übertariflicher Leistungen begründete.
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IV. Der Beklagte hat mit Schreiben vom 23. März 2000 keine Gesamtzusage über eine übertarifliche Leistung von Entgeltfortzahlung erteilt.
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1. Eine Gesamtzusage ist die an alle Arbeitnehmer des Betriebs oder einen nach abstrakten Merkmalen bestimmten Teil von ihnen in allgemeiner Form gerichtete ausdrückliche Willenserklärung des Arbeitgebers, bestimmte Leistungen erbringen zu wollen. Eine ausdrückliche Annahme des in der Erklärung enthaltenen Antrags iSv. § 145 BGB wird dabei nicht erwartet. Ihrer bedarf es nicht. Das in der Zusage liegende Angebot wird gem. § 151 BGB angenommen und ergänzender Inhalt des Arbeitsvertrags. Die Arbeitnehmer erwerben einen einzelvertraglichen Anspruch auf die zugesagten Leistungen, wenn sie die betreffenden Anspruchsvoraussetzungen erfüllen (BAG 23. September 2009 - 5 AZR 628/08 - Rn. 22 mwN, AP BGB § 157 Nr. 36 = EzA BGB 2002 § 151 Nr. 1).
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Trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins liegt eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung vor, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte, und wenn der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat (vgl. nur BGH 2. November 1989 - IX ZR 197/88 - mwN, BGHZ 109, 171, 177). Dies gilt auch, wenn die Willenserklärung als Gesamtzusage abgegeben wird. Deren Auslegung ist voll revisibel (vgl. BAG 23. September 2009 - 5 AZR 628/08 - Rn. 22 mwN, AP BGB § 157 Nr. 36 = EzA BGB 2002 § 151 Nr. 1).
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2. Das an das ärztliche Personal gerichtete Schreiben des Beklagten vom 23. März 2000 stellte keine Willenserklärung in Form einer Gesamtzusage dar, mit der übertarifliche Ansprüche begründet wurden. Es enthält lediglich eine falsche Rechtsauskunft. Diese war durch Fragen nach „bestehenden“ Ansprüchen auf Fortzahlung der Bezüge bei Arbeitsunfähigkeit veranlasst. Bereits die Überschrift des Schreibens („§ 22 MDK-T“) und die Schilderung des Anlasses verdeutlichen, dass der Beklagte lediglich die bestehende Rechtslage erläutern wollte. Der bloße Erläuterungscharakter ergibt sich im Weiteren aus dem vom Beklagten verwendeten Begriff „mitteilen“. Es gab für die Klägerin und ihre gleichfalls angesprochenen ärztlichen Kollegen keinen Grund zu der Annahme, der Beklagte, vertreten durch einen Mitarbeiter des Referats Personalwesen, wolle die Rechtslage dahingehend gestaltend ändern, dass er über die tarifvertraglich begründete Verpflichtung hinaus Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bis zu 26 Wochen Dauer gewähre. Die Klägerin hat dies auch nicht angenommen, sondern das Schreiben als Auskunft aufgefasst. Denn sie selbst stützt ihren Anspruch auf § 22 Abs. 1 MDK-T. Kündigt ein Arbeitgeber aber einen bestimmten tariflichen Normvollzug an, den der Arbeitnehmer selbst für zutreffend hält, geht der Arbeitnehmer nicht davon aus, dass der Arbeitgeber mit der Ankündigung zugleich eine übertarifliche Leistung zusagen wolle.
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V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Laux
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Feldmeier
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Wer einem anderen die Schließung eines Vertrags anträgt, ist an den Antrag gebunden, es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat.
Der Vertrag kommt durch die Annahme des Antrags zustande, ohne dass die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat. Der Zeitpunkt, in welchem der Antrag erlischt, bestimmt sich nach dem aus dem Antrag oder den Umständen zu entnehmenden Willen des Antragenden.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Der Vertrag kommt durch die Annahme des Antrags zustande, ohne dass die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat. Der Zeitpunkt, in welchem der Antrag erlischt, bestimmt sich nach dem aus dem Antrag oder den Umständen zu entnehmenden Willen des Antragenden.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Der Vertrag kommt durch die Annahme des Antrags zustande, ohne dass die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat. Der Zeitpunkt, in welchem der Antrag erlischt, bestimmt sich nach dem aus dem Antrag oder den Umständen zu entnehmenden Willen des Antragenden.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)