Bundesarbeitsgericht Urteil, 24. Feb. 2016 - 5 AZR 425/15

ECLI: ECLI:DE:BAG:2016:240216.U.5AZR425.15.0
published on 24/02/2016 00:00
Bundesarbeitsgericht Urteil, 24. Feb. 2016 - 5 AZR 425/15
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Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 1. Juli 2015 - 1 Sa 194/15 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Anrechnung von Zwischenverdienst auf Vergütungsansprüche wegen Annahmeverzugs.

2

Die Beklagte ist eine in Abwicklung befindliche sog. geöffnete Betriebskrankenkasse. Die Klägerin war bei ihr seit 1998 zwölf Stunden wöchentlich beschäftigt. Das Bundesversicherungsamt ordnete die Schließung der Beklagten zum 31. Dezember 2011 an. Die Beklagte teilte der Klägerin mit, das Arbeitsverhältnis werde mit dem Tag der Schließung enden, und kündigte das Arbeitsverhältnis hilfsweise außerordentlich zum 31. Dezember 2011 sowie äußerst hilfsweise ordentlich. Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage. Mit Beschluss vom 9. April 2014 stellte das Bundesarbeitsgericht Zustandekommen und Inhalt eines Vergleichs fest, der ua. regelt:

        

„1. Es besteht Einigkeit, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2013 beendet worden ist.

        

2. Die Beklagte verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis bis zu diesem Zeitpunkt auf der Basis des Monatsgehalts zum Zeitpunkt der Schließung zuzüglich vertraglicher Sonderzahlungen … abzurechnen und sich hieraus ergebende Nettoansprüche an die Klägerseite auszuzahlen, soweit Ansprüche nicht auf Dritte, insbesondere Sozialversicherungsträger, übergegangen sind.“

3

Seit 1. Januar 2012 ist die Klägerin in einem anderen Arbeitsverhältnis wöchentlich 17 Stunden beschäftigt.

4

Die Beklagte berechnete den Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs für das Jahr 2012 mit 13.846,80 Euro brutto und für das Jahr 2013 mit 13.839,31 Euro brutto. Da die Klägerin im neuen Arbeitsverhältnis im Jahr 2012 Vergütung iHv. 14.947,57 Euro brutto und im Jahr 2013 iHv. 15.593,63 Euro brutto bezogen hatte, lehnte die Beklagte eine Zahlung unter Hinweis auf die Anrechnung dieser Vergütung ab.

5

Die Klägerin meint, der Vergütungsanteil, den sie wegen der neuen längeren Arbeitszeit bezogen habe, sei nicht anrechnungsfähig.

6

Die Klägerin hat - soweit in der Revision noch von Relevanz - beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6.127,61 Euro brutto zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

7

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Der anderweitig erzielte Verdienst sei vollständig anzurechnen.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klägerin den noch streitigen Betrag nebst Zinsen zugesprochen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Rechtsstreit zutreffend entschieden. Die Klägerin muss sich auf den Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs nicht den gesamten von ihr erzielten Zwischenverdienst anrechnen lassen.

10

I. Der Vergütungsanspruch für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2013 folgt aus § 611 Abs. 1 iVm. § 615 Satz 1 BGB.

11

1. Nach § 615 Satz 1 BGB kann der Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung verlangen, wenn der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug kommt. Der Arbeitnehmer muss die infolge des Annahmeverzugs ausgefallene Arbeit nicht nachleisten. Unstreitig geriet die Beklagte mit Ablauf des 31. Dezember 2011 in Annahmeverzug. Dieser endete zu dem im Prozessvergleich vereinbarten Beendigungszeitpunkt, dem 31. Dezember 2013.

12

2. Dahinstehen kann, ob die Parteien im Prozessvergleich die Anrechnung von Zwischenverdienst auf den Vergütungsanspruch gemäß § 615 Satz 2 BGB ausgeschlossen haben. Der in der Revision noch streitige Teil der Forderung unterliegt keiner Anrechnung.

13

a) Nach § 615 Satz 2 BGB ist auf den Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs ua. das anzurechnen, was der Arbeitnehmer durch anderweitige Verwendung seiner Dienste verdient hat. Im Streitfall haben die Parteien eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2013 durch Prozessvergleich geregelt. Damit fehlt es an einer Entscheidung des Gerichts zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses iSd. § 11 KSchG, weshalb diese Norm als Anrechnungsvorschrift ausscheidet.

14

b) Doch muss sich die Klägerin nach § 615 Satz 2 BGB nicht den gesamten von ihr erzielten Zwischenverdienst anrechnen lassen. Anzurechnen ist nur derjenige Zwischenverdienst, den sie während der Arbeitszeit erzielt hat, in der sie im Annahmeverzugszeitraum bei der Beklagten hätte Arbeitsleistungen erbringen müssen. Die Gesamtberechnung darf sich nicht ausschließlich an der Höhe der Vergütung orientieren, sondern muss auch die gegenüber der Beklagten geschuldete Arbeitszeit berücksichtigen.

15

aa) Der anderweitige Verdienst des Arbeitnehmers ist auf die Vergütung für die gesamte Dauer des Annahmeverzugs anzurechnen und nicht nur auf die Vergütung für den Zeitabschnitt, in dem der anderweitige Erwerb gemacht wurde. Für die erforderliche Vergleichsberechnung (Gesamtberechnung) ist die Vergütung für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste zu ermitteln. Dieser Gesamtvergütung ist gegenüberzustellen, was der Arbeitnehmer in der betreffenden Zeit anderweitig erwirbt (BAG 12. Dezember 2006 - 1 AZR 96/06 - Rn. 33, BAGE 120, 308; 16. Mai 2012 - 5 AZR 251/11 - Rn. 29, BAGE 141, 340).

16

bb) Anzurechnen ist ausschließlich das, was der Arbeitnehmer durch anderweitige Verwendung desjenigen Teils seiner Arbeitskraft erwirbt, die er dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen verpflichtet war. Gegenüberzustellen ist damit der Vergütungsanspruch für die Zeit, für welche Arbeitsleistungen zu erbringen waren, und der Verdienst, den der Arbeitnehmer in dieser Zeit anderweitig erworben hat (RG 12. Juli 1904 - III 146/04 - RGZ 58, 402). Also ist Zwischenverdienst auf den Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs in dem Umfang anzurechnen, wie er dem Verhältnis der beim Arbeitgeber ausgefallenen Arbeitszeit zu der im neuen Dienstverhältnis geleisteten entspricht. Es ist anhand der Umstände des Einzelfalls festzustellen, ob der anderweitige Verdienst kausal durch das Freiwerden von der bisherigen Arbeitspflicht ermöglicht wurde (BAG 6. September 1990 - 2 AZR 165/90 - zu III 3 d der Gründe).

17

c) Demnach muss sich die Klägerin nur das anrechnen lassen, was sie in der Arbeitszeit erwarb, in der sie bei der Beklagten zur Arbeitsleistung verpflichtet gewesen wäre. Die bezogene Vergütung für darüber hinaus erbrachte Arbeitsleistungen ist nicht in die Gesamtberechnung einzubeziehen. Anrechenbar ist somit nicht der anderweitige Verdienst für 17, sondern lediglich für zwölf Wochenstunden. Es verbleibt ein Anspruch der Klägerin iHv. 6.127,61 Euro brutto.

18

II. Der Anspruch auf Prozesszinsen folgt aus § 291 iVm. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Als Beginn der Verzinsung haben die Vorinstanzen zutreffend den Tag nach Zustellung der Klage festgesetzt ( vgl. BAG 19. August 2015 - 5 AZR 1000/13 - Rn. 30 mwN).

19

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Volk    

        

        

        

    Ernst Bürger    

        

    A. Christen    

                 
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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

#BJNR001950896BJNE028103377 (1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. (2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, betr

Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch de

Besteht nach der Entscheidung des Gerichts das Arbeitsverhältnis fort, so muß sich der Arbeitnehmer auf das Arbeitsentgelt, das ihm der Arbeitgeber für die Zeit nach der Entlassung schuldet, anrechnen lassen, 1. was er durch anderweitige Arbeit verdi
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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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published on 09/01/2019 00:00

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Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.

Besteht nach der Entscheidung des Gerichts das Arbeitsverhältnis fort, so muß sich der Arbeitnehmer auf das Arbeitsentgelt, das ihm der Arbeitgeber für die Zeit nach der Entlassung schuldet, anrechnen lassen,

1.
was er durch anderweitige Arbeit verdient hat,
2.
was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen,
3.
was ihm an öffentlich-rechtlichen Leistungen infolge Arbeitslosigkeit aus der Sozialversicherung, der Arbeitslosenversicherung, der Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch oder der Sozialhilfe für die Zwischenzeit gezahlt worden ist. Diese Beträge hat der Arbeitgeber der Stelle zu erstatten, die sie geleistet hat.

Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)