Bundesarbeitsgericht Urteil, 22. Sept. 2016 - 2 AZR 700/15

ECLI: ECLI:DE:BAG:2016:220916.U.2AZR700.15.0
published on 22/09/2016 00:00
Bundesarbeitsgericht Urteil, 22. Sept. 2016 - 2 AZR 700/15
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Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 16. September 2015 - 17 Sa 48/14 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit mehrerer außerordentlicher, hilfsweise ordentlicher Kündigungen.

2

Der Kläger war bei der Beklagten seit April 1996 beschäftigt, zuletzt als „Leiter Revision Bereich Corporate Audit“. Beim Kläger wurde am 27. Juni 2013 eine Leukämie diagnostiziert. Unter dem 3. September 2013 wurde er rückwirkend zum 28. Juni 2013 als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 70 anerkannt.

3

Im Verlauf des Jahres 2013 verdächtigte die Beklagte den Kläger, vertrauliche Informationen an Dritte weitergegeben zu haben. Bei den von ihr durchgeführten Ermittlungen stieß sie auf eine nach ihrem Dafürhalten auffällige Aufstellung des Klägers über die Betankung seines Dienstwagens. Ferner ergab sich, dass der Kläger während der Arbeitszeit zu privaten Zwecken das Internet und E-Mail-System der Beklagten genutzt hatte.

4

Anfang Juli 2013 teilte der Klägervertreter der Beklagten mit, dass sein Mandant arbeitsunfähig erkrankt sei und daher nicht an einem vorgesehenen Personalgespräch zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen teilnehmen könne. Der Kläger lehnte unter Hinweis auf seine andauernde Arbeitsunfähigkeit auch die Teilnahme an einem weiteren Gespräch ab.

5

Die Beklagte kündigte nach Anhörung des Betriebsrats das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 13. August 2013 außerordentlich, hilfsweise ordentlich.

6

Mit weiterem Schreiben vom 13. August 2013 hörte die Beklagte den Kläger zu den Sachverhalten an, die ihres Erachtens zumindest den Verdacht erheblicher Pflichtverletzungen begründeten und forderte ihn auf, bis zum 3. September 2013 Stellung zu nehmen. Der Kläger teilte mit Schreiben vom 29. August 2013 mit, dass er aufgrund einer ernsthaften Erkrankung nicht in der Lage sei, sich mit den Vorgängen zu befassen. Zugleich wies er darauf hin, dass er einen Feststellungsantrag nach § 69 SGB IX gestellt habe. Das Schreiben ging der Beklagten spätestens am 6. September 2013 zu.

7

Die Beklagte hörte mit Schreiben vom 9. September 2013 den Betriebsrat zu einer weiteren außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Tat- und Verdachtskündigung an. Darin führte sie unter anderem aus, der Kläger habe von der Möglichkeit, den gegen ihn bestehenden Verdacht auszuräumen, keinen Gebrauch gemacht, wodurch sie sich in ihrer „Auffassung bestätigt“ sehe, „daß er dieses Fehlverhalten begangen“ habe, jedenfalls habe sich der dahingehende Verdacht bestätigt. Sie habe Zweifel „am Wahrheitsgehalt der Aussage (des Klägers) zur Krankheit und zur Behinderung“. Nach Ablauf der Stellungnahmefrist am 3. September 2013 wisse sie, „dass [er] dem Verdacht nichts entgegensetzen kann oder will“.

8

Nachdem die Beklagte den Feststellungsbescheid über die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers erhalten hatte, beantragte sie am 11. September 2013 beim Integrationsamt die Zustimmung zur außerordentlichen und ordentlichen Kündigung.

9

Mit Schreiben vom 16. September 2013 hörte die Beklagte den Betriebsrat erneut zu einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Tat- und Verdachtskündigung an. Dem Schreiben war das Anhörungsschreiben vom 9. September 2013 als Anlage beigefügt. Der Betriebsrat antwortete nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts „am 19. September 2013“.

10

Ebenfalls am 19. September 2013 fand ein Termin zur mündlichen Anhörung vor dem Integrationsamt statt. Die Beklagte erlangte bei dieser Gelegenheit Kenntnis von der Art und Schwere der Erkrankung des Klägers. Dieser übergab den Vertretern der Beklagten eine 26-seitige Stellungnahme zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen.

11

Nachdem das Integrationsamt die beantragten Zustimmungen erteilt hatte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 26. September 2013 erneut außerordentlich und mit Schreiben vom 28. Oktober 2013 hilfsweise ordentlich.

12

Gegen sämtliche Kündigungen hat sich der Kläger rechtzeitig mit der vorliegenden Kündigungsschutzklage gewandt. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigungen vom 13. August 2013 seien bereits mangels vorheriger Zustimmung des Integrationsamts unwirksam. Ein Kündigungsgrund liege nicht vor. Bei den außerordentlichen Kündigungen sei außerdem die Kündigungserklärungsfrist von zwei Wochen nicht eingehalten. Hinsichtlich der Kündigungen vom 26. September 2013 und vom 28. Oktober 2013 fehle es überdies an einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats.

13

Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche noch durch die vorsorgliche ordentliche Kündigung vom 13. August 2013 aufgelöst wurde;

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung vom 26. September 2013 noch durch die vorsorgliche ordentliche Kündigung vom 28. Oktober 2013 aufgelöst wurde.

14

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, das Arbeitsverhältnis aufzulösen. Die Kündigungen seien ua. wegen Arbeitszeitbetrugs und wegen Tankbetrugs gerechtfertigt, zumindest aber wegen eines entsprechenden Verdachts. Die Kündigungserklärungsfrist für die außerordentlichen Kündigungen sei eingehalten. Bezogen auf die Kündigungen vom 13. August 2013 könne sich der Kläger nicht mit Erfolg auf einen Sonderkündigungsschutz als schwerbehinderter Mensch berufen. Sie habe keine Kenntnis von seiner Schwerbehinderung gehabt, sie sei ihr auch nicht innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt worden.

15

Das Arbeitsgericht hat die Kündigungen vom 13. August 2013 und vom 26. September 2013 als rechtsunwirksam, die Kündigung vom 28. Oktober 2013 hingegen als wirksam angesehen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers und unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten der Klage insgesamt stattgegeben sowie den Auflösungsantrag der Beklagten abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte vorrangig die vollständige Klageabweisung.

Entscheidungsgründe

16

Die Revision hat keinen Erfolg. Die Kündigungen haben das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Der Auflösungsantrag der Beklagten ist unbegründet.

17

I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, die außerordentliche und die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 13. August 2013 seien gem. § 85 SGB IX iVm. § 134 BGB nichtig.

18

1. Die Kündigungen bedurften gem. §§ 85, 91 Abs. 1 SGB IX der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts. Diese lag bei deren Zugang nicht vor. Die Kündigungen verstießen damit gegen ein gesetzliches Verbot iSd. § 134 BGB. Der Kläger war zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 70 anerkannt (§ 2 Abs. 1 und Abs. 2 SGB IX). Der Sonderkündigungsschutz ist nicht gem. § 90 Abs. 2a SGB IX ausgeschlossen. Der Kläger hatte mehr als drei Wochen vor Zugang der Kündigung den Antrag auf Anerkennung als schwerbehinderter Mensch gestellt (§ 90 Abs. 2a iVm. § 69 Abs. 1 Satz 2, § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IX).

19

2. Der Kläger hat das Recht, sich auf den Sonderkündigungsschutz als schwerbehinderter Mensch zu berufen, nicht nach § 242 BGB verwirkt.

20

a) Hat der schwerbehinderte Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits einen Bescheid über seine Schwerbehinderteneigenschaft erhalten oder wenigstens - wie hier - rechtzeitig einen entsprechenden Antrag beim Versorgungsamt gestellt, steht ihm der Sonderkündigungsschutz nach §§ 85 ff. SGB IX auch dann zu, wenn der Arbeitgeber von der Schwerbehinderteneigenschaft oder der Antragstellung keine Kenntnis hatte (BAG 23. Februar 2010 - 2 AZR 659/08 - Rn. 16, BAGE 133, 249; 12. Januar 2006 - 2 AZR 539/05 - Rn. 15). Allerdings unterliegt das Recht des Arbeitnehmers, sich nachträglich auf eine Schwerbehinderung zu berufen und die Zustimmungsbedürftigkeit der Kündigung geltend zu machen, der Verwirkung (§ 242 BGB). Diese ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung. Mit der Verwirkung wird ausgeschlossen, Rechte illoyal verspätet geltend zu machen. Sie dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn der Gläubiger sich längere Zeit nicht auf seine Rechte berufen hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckt haben, dass er sein Recht nicht mehr wahrnehmen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist. Dies ist mit Blick auf den Sonderkündigungsschutz eines Arbeitnehmers nach §§ 85 ff. SGB IX der Fall, wenn der Arbeitgeber von der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch keine Kenntnis hatte und der Arbeitnehmer sich nicht innerhalb einer angemessenen Frist nach Zugang der Kündigung gegenüber dem Arbeitgeber auf seine bereits festgestellte oder zur Feststellung beantragte Schwerbehinderteneigenschaft beruft (BAG 23. Februar 2010 - 2 AZR 659/08 - aaO; 12. Januar 2006 - 2 AZR 539/05 - Rn. 16).

21

b) Für die Beurteilung der Länge der angemessenen Frist ist § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG nicht analog anzuwenden. Der Gesetzgeber hat von der Möglichkeit einer entsprechenden Regelung für die Mitteilung der Schwerbehinderteneigenschaft oder einer darauf bezogenen Antragstellung keinen Gebrauch gemacht. Er hat auf den ihm bekannten Konflikt zwischen dem Interesse des Arbeitgebers an der möglichst schnellen Kenntnis der rechtlichen Voraussetzungen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses und dem des Arbeitnehmers, die tatsächlichen Voraussetzungen für das Vorliegen des besonderen Kündigungsschutzes für schwerbehinderte oder ihnen gleichgestellte Menschen nicht zu offenbaren, allein mit der Einfügung von § 90 Abs. 2a SGB IX durch Art. 1 Nr. 21a Buchst. b des Gesetzes zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen vom 23. April 2004 (BGBl. I S. 606) reagiert. Allerdings konnte der Gesetzgeber bei der mit Wirkung zum 1. Mai 2004 erfolgten Änderung der Voraussetzungen für den Kündigungsausspruch gegenüber schwerbehinderten bzw. diesen gleichgestellten Menschen von der ständigen Senatsrechtsprechung ausgehen, wonach sich der Arbeitnehmer innerhalb einer Regelfrist von einem Monat gegenüber dem Arbeitgeber auf das Feststellungsverfahren oder die Antragstellung berufen muss, weil das Gebot der Rechtssicherheit im Kündigungsrecht eine zeitliche Begrenzung auch bei der Geltendmachung des Kündigungsschutzes durch den Arbeitnehmer erfordert (zuletzt BAG 7. März 2002 - 2 AZR 612/00 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 100, 355). Hat der Arbeitnehmer die Mitteilung unterlassen, ist die Kündigung jedenfalls nicht bereits wegen der fehlenden Zustimmung des Integrationsamts unwirksam.

22

c) Als Maßstab für die Rechtzeitigkeit der Geltendmachung ist vielmehr seit der Änderung des Kündigungsschutzgesetzes durch Art. 1 des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002) von der Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG auszugehen(BAG 24. September 2015 2 AZR 347/14 - Rn. 34, BAGE 153, 1; 23. Februar 2010 - 2 AZR 659/08 - Rn. 21, BAGE 133, 249). Binnen dieser Frist muss der Arbeitnehmer entscheiden, ob er gegen die Kündigung vorgehen will. Dieser Zeitraum steht ihm deshalb grundsätzlich auch für die Entscheidung zur Verfügung, ob er sich auf eine dem Arbeitgeber noch nicht bekannte Schwerbehinderteneigenschaft berufen möchte. Hinzuzurechnen ist die Zeitspanne, innerhalb derer er den Zugang der Mitteilung über den bestehenden Sonderkündigungsschutz beim Arbeitgeber zu bewirken hat. Ein Berufen auf den Sonderkündigungsschutz innerhalb dieses Zeitraums ist regelmäßig nicht als illoyal verspätet anzusehen. Hierbei darf es dem Arbeitnehmer auch nicht zum Nachteil gereichen, wenn er - etwa zu Beweiszwecken - eine schriftliche Information wählt. Mit diesen Grundsätzen ist einerseits keine starre Grenze von drei Wochen, innerhalb derer der Arbeitgeber informiert sein müsste (dafür Gehlhaar NZA 2011, 673, 675 f.), zu vereinbaren. Andererseits kann sich ein Arbeitnehmer, der seine Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch allein in der bei Gericht eingereichten Klageschrift mitteilt, nicht auf den Rechtsgedanken des § 167 ZPO berufen, wenn die Zustellung außerhalb der für eine unmittelbare Übermittlung an den Arbeitgeber zuzugestehenden Zeitspanne erfolgt(aA Nägele NZA 2010, 1377, 1379).

23

d) Welche Zeitspanne noch als angemessen anzusehen ist, um den Zugang der Information über das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen für das Eingreifen des besonderen Kündigungsschutzes nach § 85 SGB IX beim Arbeitgeber zu bewirken, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Der Kläger hat den Sonderkündigungsschutz nicht verwirkt. Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten hat sie die Mitteilung des Klägers über seine Antragstellung am 6. September 2013, und damit am 22. Tag nach dem Zugang der Kündigung vom 13. August 2013 erhalten. Die Beklagte hatte demnach von den möglicherweise den Sonderkündigungsschutz begründenden Umständen bereits am Tag nach Ablauf der Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG Kenntnis.

24

II. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend die fristlose Kündigung vom 26. September 2013 und die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 28. Oktober 2013 gem. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG für unwirksam gehalten.

25

1. Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Gemäß Satz 2 der Bestimmung hat ihm der Arbeitgeber die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine Kündigung ist dabei nach Satz 3 nicht erst unwirksam, wenn eine Unterrichtung ganz unterblieben ist, sondern schon dann, wenn der Arbeitgeber seiner Unterrichtungspflicht nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 773/10 - Rn. 30; 22. September 1994 - 2 AZR 31/94 - zu II 1 der Gründe, BAGE 78, 39). Der notwendige Inhalt der Unterrichtung gem. § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG richtet sich nach Sinn und Zweck der Anhörung. Dieser besteht darin, den Betriebsrat in die Lage zu versetzen, sachgerecht, dh. ggf. zugunsten des Arbeitnehmers auf den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers einzuwirken. Der Betriebsrat soll die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe überprüfen und sich über sie eine eigene Meinung bilden können. Die Anhörung soll dem Betriebsrat nicht die selbständige - objektive - Überprüfung der rechtlichen Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung, sondern ggf. eine Einflussnahme auf die Willensbildung des Arbeitgebers ermöglichen (BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - Rn. 14, BAGE 152, 118; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 22).

26

a) Der Inhalt der Unterrichtung nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist deshalb grundsätzlich subjektiv determiniert. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Dem kommt der Arbeitgeber dann nicht nach, wenn er dem Betriebsrat einen schon aus seiner eigenen Sicht unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt unterbreitet. Schildert er dem Betriebsrat bewusst einen solchen irreführenden Kündigungssachverhalt, der sich bei der Würdigung durch den Betriebsrat zum Nachteil des Arbeitnehmers auswirken kann, ist die Anhörung unzureichend und die Kündigung unwirksam (BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - Rn. 15 f., BAGE 152, 118; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 14).

27

b) Die subjektive Überzeugung des Arbeitgebers von der Relevanz oder Irrelevanz bestimmter Umstände ist für den Umfang der Unterrichtung nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dann nicht maßgeblich, wenn dadurch der Zweck der Betriebsratsanhörung verfehlt würde. Der Arbeitgeber darf ihm bekannte Umstände, die sich bei objektiver Betrachtung zugunsten des Arbeitnehmers auswirken können, dem Betriebsrat nicht deshalb vorenthalten, weil sie für seinen eigenen Kündigungsentschluss nicht von Bedeutung waren (BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - Rn. 19, BAGE 152, 118; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 15). In diesem Sinne ist die Betriebsratsanhörung - ausgehend vom subjektiven Kenntnisstand des Arbeitgebers - auch objektiv, dh. durch Sinn und Zweck der Anhörung determiniert (BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - aaO).

28

2. Es kann dahinstehen, ob das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen hat, die Beklagte habe das Ergebnis eines von ihr intern durchgeführten Betankungsversuchs dem Betriebsrat unabhängig von ihrer subjektiven Einschätzung schon deshalb mitteilen müssen, weil es objektiv geeignet gewesen sei, den Kläger zu entlasten. Bedenken hiergegen bestehen insofern, als das Landesarbeitsgericht gemeint hat, bei den Bedingungen des Tankversuchs habe es sich um ein „nicht ganz ungewöhnliche(s) Tankverhalten“ gehandelt, ohne dass erkennbar würde, aufgrund welcher Tatsachen es zu dieser Annahme gelangt ist.

29

3. Dies bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Das Landesarbeitsgericht hat jedenfalls im Ergebnis zutreffend erkannt, dass die Anhörung des Betriebsrats nach den der Beklagten anlässlich des Termins beim Integrationsamt am 19. September 2013 bekannt gewordenen Umständen nicht mehr ordnungsgemäß war.

30

a) Das Landesarbeitsgericht hat die mit Schreiben vom 16. September 2013 eingeleitete Anhörung dahin verstanden, die Beklagte werte den Umstand, dass der Kläger keine Stellungnahme abgegeben habe, (zusätzlich) zu seinen Lasten. An ihrer Kündigungsabsicht wolle sie insofern auch deshalb festhalten, weil sie Zweifel daran habe, dass der Kläger tatsächlich erkrankt sei. Diese Würdigung lässt weder einen revisiblen Rechtsfehler erkennen noch hat die Revision eine hiergegen gerichtete Verfahrensrüge nach § 286 Abs. 1 ZPO erhoben.

31

aa) Die Beklagte hat im Berufungsverfahren selbst vorgetragen, dem Anhörungsschreiben an den Betriebsrat vom 16. September 2013 sei als Anlage ihr Schreiben vom 9. September 2013 beigefügt gewesen. Sie hat sich zwar darauf berufen, dieses habe „keine Rolle mehr gespielt“. Sie hat aber nicht dargelegt, aufgrund welcher Umstände dies für den Betriebsrat erkennbar gewesen sei.

32

bb) Im Schreiben vom 9. September 2013 hatte die Beklagte darauf hingewiesen, dass der Kläger von der Möglichkeit, den gegen ihn bestehenden Verdacht auszuräumen, keinen Gebrauch gemacht habe. Sie sehe sich dadurch in ihrer „Auffassung bestätigt, daß er dieses Fehlverhalten begangen“ habe, jedenfalls sei der dahingehende Verdacht bestätigt. Sie habe Zweifel „am Wahrheitsgehalt (seiner) Aussage zur Krankheit“. Das darauf bezogene Verständnis des Berufungsgerichts, die Beklagte habe damit dem Betriebsrat die Tatsache, dass der Kläger ihres Erachtens ohne nachvollziehbaren Grund keine Stellungnahme abgegeben hatte, selbst als einen für ihren Kündigungsentschluss relevanten, (zusätzlich) belastenden Umstand mitgeteilt, hält sich im Rahmen einer zulässigen tatrichterlichen Würdigung. Das Landesarbeitsgericht konnte die Ausführungen der Beklagten im Schreiben vom 9. September 2013 auch dahingehend verstehen, dass diese nicht nur auf die Verdachts-, sondern auch auf die Tatkündigung bezogen sein sollten. Dem Anhörungsschreiben vom 16. September 2013 lässt sich nicht entnehmen, die Beklagte habe an ihrer Bewertung nicht mehr festgehalten. In den Vorbemerkungen teilt diese zwar mit, ihr liege zwischenzeitlich der Bescheid über die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers vor. Sie weist aber ausdrücklich weiter darauf hin, ihr seien außer der Anerkennung der Schwerbehinderung „keine neuen wesentlichen Gesichtspunkte … bekannt geworden“.

33

b) Nachdem die Beklagte anlässlich des Termins vor dem Integrationsamt und damit noch vor Zugang der Kündigung Kenntnis davon erlangt hatte, dass der Kläger tatsächlich schwer erkrankt war, und sie nunmehr außerdem seine ausführliche schriftliche Stellungnahme zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen erhalten hatte, hätte sie den Betriebsrat auf diese veränderte Sachlage hinweisen und ihre Mitteilung gegenüber dem Gremium ergänzen müssen. Für ihre bisherige negative Bewertung der unterbliebenen Reaktion des Klägers war, nachdem keine Zweifel mehr an der Erkrankung bestanden und auch eine Stellungnahme des Klägers mittlerweile vorlag, die tatsächliche Grundlage entfallen. Die zuvor erfolgte Unterrichtung war nunmehr irreführend. Zwar hielt die Beklagte im Ergebnis an ihrem Kündigungsentschluss fest. Sie musste aber aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen Änderung des dem Betriebsrat mitgeteilten Sachverhalts diesem erneut die Möglichkeit zur Stellungnahme eröffnen. Dies gilt selbst dann, wenn das mit Schreiben vom 16. September 2013 eingeleitete Anhörungsverfahren durch eine der Beklagten zugegangene abschließende Stellungnahme des Betriebsrats bereits abgeschlossen gewesen sein sollte. Es lag eine wesentliche Änderung des von der Beklagten selbst bisher als für ihren Kündigungsentschluss maßgeblich dargestellten Sachverhalts vor (zu diesem Erfordernis BAG 20. Januar 2000 - 2 AZR 378/99 - zu B II 2 der Gründe, BAGE 93, 255; 18. Mai 1994 - 2 AZR 626/93 - zu B II 2 a der Gründe).

34

III. Den Auflösungsantrag der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zu Recht abgewiesen. Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung auf Antrag des Arbeitgebers nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG kommt nur in Betracht, wenn eine ordentliche Kündigung allein aufgrund ihrer Sozialwidrigkeit und nicht aus anderen Gründen iSv. § 13 Abs. 3 KSchG rechtsunwirksam ist(BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 434/13 - Rn. 44; 24. November 2011 - 2 AZR 429/10 - Rn. 19, BAGE 140, 47). Dies ist aus den vorgenannten Gründen bei den ordentlichen Kündigungen vom 13. August 2013 und vom 28. Oktober 2013 nicht der Fall.

35

IV. Als unterlegene Partei hat die Beklagte gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

        

    Koch    

        

    Niemann    

        

    Rachor    

        

        

        

    Niebler     

        

    Alex    

                 
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(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.
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Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

Werden Menschen mit Behinderungen in ihren Rechten nach diesem Buch verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände klagen, die nach ihrer Satzung Menschen mit Behinderungen auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selbst am Prozess beteiligt sind. In diesem Fall müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den Menschen mit Behinderungen selbst vorliegen.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

Werden Menschen mit Behinderungen in ihren Rechten nach diesem Buch verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände klagen, die nach ihrer Satzung Menschen mit Behinderungen auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selbst am Prozess beteiligt sind. In diesem Fall müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den Menschen mit Behinderungen selbst vorliegen.

(1) Eingliederungshilfe erhält, wer die erforderliche Leistung nicht von anderen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

(2) Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen, bleiben unberührt. Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil dieser Teil entsprechende Leistungen vorsieht; dies gilt insbesondere bei einer gesetzlichen Verpflichtung der Träger anderer Sozialleistungen oder anderer Stellen, in ihrem Verantwortungsbereich die Verwirklichung der Rechte für Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten oder zu fördern.

(3) Das Verhältnis der Leistungen der Pflegeversicherung und der Leistungen der Eingliederungshilfe bestimmt sich nach § 13 Absatz 3 des Elften Buches.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

(1) Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es, Leistungsberechtigten eine individuelle Lebensführung zu ermöglichen, die der Würde des Menschen entspricht, und die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern. Die Leistung soll sie befähigen, ihre Lebensplanung und -führung möglichst selbstbestimmt und eigenverantwortlich wahrnehmen zu können.

(2) Besondere Aufgabe der medizinischen Rehabilitation ist es, eine Beeinträchtigung nach § 99 Absatz 1 abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, eine Verschlimmerung zu verhüten oder die Leistungsberechtigten soweit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen.

(3) Besondere Aufgabe der Teilhabe am Arbeitsleben ist es, die Aufnahme, Ausübung und Sicherung einer der Eignung und Neigung der Leistungsberechtigten entsprechenden Beschäftigung sowie die Weiterentwicklung ihrer Leistungsfähigkeit und Persönlichkeit zu fördern.

(4) Besondere Aufgabe der Teilhabe an Bildung ist es, Leistungsberechtigten eine ihren Fähigkeiten und Leistungen entsprechende Schulbildung und schulische und hochschulische Aus- und Weiterbildung für einen Beruf zur Förderung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen.

(5) Besondere Aufgabe der Sozialen Teilhabe ist es, die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Absatz 4 des Fünften Buches. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung insgesamt nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu und unterrichtet hierüber den Antragsteller. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden und ist diese Klärung in der Frist nach Satz 1 nicht möglich, soll der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet werden, der die Leistung ohne Rücksicht auf die Ursache der Behinderung erbringt. Wird der Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit gestellt, werden bei der Prüfung nach den Sätzen 1 und 2 keine Feststellungen nach § 11 Absatz 2a Nummer 1 des Sechsten Buches und § 22 Absatz 2 des Dritten Buches getroffen.

(2) Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf anhand der Instrumente zur Bedarfsermittlung nach § 13 unverzüglich und umfassend fest und erbringt die Leistungen (leistender Rehabilitationsträger). Muss für diese Feststellung kein Gutachten eingeholt werden, entscheidet der leistende Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang. Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen. Wird der Antrag weitergeleitet, gelten die Sätze 1 bis 3 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend; die Frist beginnt mit dem Antragseingang bei diesem Rehabilitationsträger. In den Fällen der Anforderung einer gutachterlichen Stellungnahme bei der Bundesagentur für Arbeit nach § 54 gilt Satz 3 entsprechend.

(3) Ist der Rehabilitationsträger, an den der Antrag nach Absatz 1 Satz 2 weitergeleitet worden ist, nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung insgesamt nicht zuständig, kann er den Antrag im Einvernehmen mit dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger an diesen weiterleiten, damit von diesem als leistendem Rehabilitationsträger über den Antrag innerhalb der bereits nach Absatz 2 Satz 4 laufenden Fristen entschieden wird und unterrichtet hierüber den Antragsteller.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten sinngemäß, wenn der Rehabilitationsträger Leistungen von Amts wegen erbringt. Dabei tritt an die Stelle des Tages der Antragstellung der Tag der Kenntnis des voraussichtlichen Rehabilitationsbedarfs.

(5) Für die Weiterleitung des Antrages ist § 16 Absatz 2 Satz 1 des Ersten Buches nicht anzuwenden, wenn und soweit Leistungen zur Teilhabe bei einem Rehabilitationsträger beantragt werden.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Der Arbeitgeber hat bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen einer schwangeren oder stillenden Frau alle aufgrund der Gefährdungsbeurteilung nach § 10 erforderlichen Maßnahmen für den Schutz ihrer physischen und psychischen Gesundheit sowie der ihres Kindes zu treffen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls den sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Soweit es nach den Vorschriften dieses Gesetzes verantwortbar ist, ist der Frau auch während der Schwangerschaft, nach der Entbindung und in der Stillzeit die Fortführung ihrer Tätigkeiten zu ermöglichen. Nachteile aufgrund der Schwangerschaft, der Entbindung oder der Stillzeit sollen vermieden oder ausgeglichen werden.

(2) Der Arbeitgeber hat die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass Gefährdungen einer schwangeren oder stillenden Frau oder ihres Kindes möglichst vermieden werden und eine unverantwortbare Gefährdung ausgeschlossen wird. Eine Gefährdung ist unverantwortbar, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Gesundheitsbeeinträchtigung angesichts der zu erwartenden Schwere des möglichen Gesundheitsschadens nicht hinnehmbar ist. Eine unverantwortbare Gefährdung gilt als ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber alle Vorgaben einhält, die aller Wahrscheinlichkeit nach dazu führen, dass die Gesundheit einer schwangeren oder stillenden Frau oder ihres Kindes nicht beeinträchtigt wird.

(3) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass die schwangere oder stillende Frau ihre Tätigkeit am Arbeitsplatz, soweit es für sie erforderlich ist, kurz unterbrechen kann. Er hat darüber hinaus sicherzustellen, dass sich die schwangere oder stillende Frau während der Pausen und Arbeitsunterbrechungen unter geeigneten Bedingungen hinlegen, hinsetzen und ausruhen kann.

(4) Alle Maßnahmen des Arbeitgebers nach diesem Unterabschnitt sowie die Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 10 müssen dem Stand der Technik, der Arbeitsmedizin und der Hygiene sowie den sonstigen gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen. Der Arbeitgeber hat bei seinen Maßnahmen die vom Ausschuss für Mutterschutz ermittelten und nach § 30 Absatz 4 im Gemeinsamen Ministerialblatt veröffentlichten Regeln und Erkenntnisse zu berücksichtigen; bei Einhaltung dieser Regeln und bei Beachtung dieser Erkenntnisse ist davon auszugehen, dass die in diesem Gesetz gestellten Anforderungen erfüllt sind.

(5) Der Arbeitgeber kann zuverlässige und fachkundige Personen schriftlich damit beauftragen, ihm obliegende Aufgaben nach diesem Unterabschnitt in eigener Verantwortung wahrzunehmen.

(6) Kosten für Maßnahmen nach diesem Gesetz darf der Arbeitgeber nicht den Personen auferlegen, die bei ihm beschäftigt sind. Die Kosten für Zeugnisse und Bescheinigungen, die die schwangere oder stillende Frau auf Verlangen des Arbeitgebers vorzulegen hat, trägt der Arbeitgeber.

(1) Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es, Leistungsberechtigten eine individuelle Lebensführung zu ermöglichen, die der Würde des Menschen entspricht, und die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern. Die Leistung soll sie befähigen, ihre Lebensplanung und -führung möglichst selbstbestimmt und eigenverantwortlich wahrnehmen zu können.

(2) Besondere Aufgabe der medizinischen Rehabilitation ist es, eine Beeinträchtigung nach § 99 Absatz 1 abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, eine Verschlimmerung zu verhüten oder die Leistungsberechtigten soweit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen.

(3) Besondere Aufgabe der Teilhabe am Arbeitsleben ist es, die Aufnahme, Ausübung und Sicherung einer der Eignung und Neigung der Leistungsberechtigten entsprechenden Beschäftigung sowie die Weiterentwicklung ihrer Leistungsfähigkeit und Persönlichkeit zu fördern.

(4) Besondere Aufgabe der Teilhabe an Bildung ist es, Leistungsberechtigten eine ihren Fähigkeiten und Leistungen entsprechende Schulbildung und schulische und hochschulische Aus- und Weiterbildung für einen Beruf zur Förderung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen.

(5) Besondere Aufgabe der Sozialen Teilhabe ist es, die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.

Werden Menschen mit Behinderungen in ihren Rechten nach diesem Buch verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände klagen, die nach ihrer Satzung Menschen mit Behinderungen auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selbst am Prozess beteiligt sind. In diesem Fall müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den Menschen mit Behinderungen selbst vorliegen.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1.
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
2.
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
3.
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
4.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1.
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
2.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder
3.
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

(1) Die Vorschriften über das Recht zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses werden durch das vorliegende Gesetz nicht berührt. Die Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung kann jedoch nur nach Maßgabe des § 4 Satz 1 und der §§ 5 bis 7 geltend gemacht werden. Stellt das Gericht fest, dass die außerordentliche Kündigung unbegründet ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat auf seinen Antrag das Gericht das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzulegen, zu dem die außerordentliche Kündigung ausgesprochen wurde. Die Vorschriften der §§ 10 bis 12 gelten entsprechend.

(2) Verstößt eine Kündigung gegen die guten Sitten, so finden die Vorschriften des § 9 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 und der §§ 10 bis 12 entsprechende Anwendung.

(3) Im Übrigen finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 auf eine Kündigung, die bereits aus anderen als den in § 1 Abs. 2 und 3 bezeichneten Gründen rechtsunwirksam ist, keine Anwendung.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)