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| Die Klage ist zulässig (A.) und begründet (B.). |
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| Der Antrag auf Gutschrift von Urlaubstagen ist zulässig. |
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| Der Kläger verlangt in Form der Leistungsklage, dass die Beklagte seinem Urlaubskonto weitere fünf Urlaubstage gutschreibt. Eine solche Klage ist zulässig (BAG 17. Mai 2011 – 9 AZR 197/10 –, BAGE 138, 58-67, Rn. 9). Das Klageziel richtet sich darauf, dem Urlaubskonto weitere Tage gutzuschreiben und damit letztendlich fünf Tage Urlaub nachzugewähren (vgl. BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 164/08 - Rn. 14, BAGE 129, 46). |
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| Die Umstellung des Klageantrags von Freistellung für die Bildungsmaßnahme auf Gutschrift der dafür aufgewendeten Urlaubstage ist eine Klageänderung (1.), die zulässig ist (2.). |
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| 1. Eine Änderung der Klage liegt vor, wenn der Klageantrag oder der Klagegrund geändert wird. |
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| Nach § 264 Nr. 3 ZPO ist nicht als Änderung der Klage anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird. |
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| Zwar fand das streitgegenständliche Seminar nach Rechtshängigkeit statt, weshalb die ursprünglich geforderte Freistellung zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht mehr verlangt werden konnte und der Kläger deshalb statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes einen anderen fordert. Der Kläger stützte seine Klage nunmehr aber auf einen anderen Klagegrund. Statt des gesetzlichen Anspruchs auf Freistellung aus dem BzG BW stützt der Kläger die nachträgliche Gutschreibung der geforderten Urlaubstage auf einen später mit der Beklagten geschlossenen Vertrag. |
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| 2. Die Klageänderung ist aber gemäß § 263 1. Alt. ZPO zulässig, weil die Beklagte einwilligte. Im Übrigen wäre die Klageänderung gemäß § 263 2. Alt. ZPO auch sachdienlich. |
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| Der Kläger hat einen vertraglichen Anspruch auf Gutschrift von fünf Urlaubstagen (I.) nachdem die streitgegenständliche Schulung nach dem BzG BW hätte bewilligt werden müssen (II.) |
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| Die Parteien schlossen einen wirksamen Vertrag über die Voraussetzungen zur nachträglichen Gutschrift von Urlaubstagen. |
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| 1. Die Vereinbarung der Parteien ist dahingehend auszulegen, dass dem Kläger Urlaub für den Zeitraum der Bildungsmaßnahmen mit der Maßgabe bewilligt wird, dass dieser gegebenenfalls später nach Klärung der Rechtslage durch die Gerichte unter Verrechnung des gesetzlichen Freistellungsanspruchs nach dem BzG BW wieder auf seinem Urlaubskonto gutgeschrieben wird. Bedingung für die Gutschrift ist damit ein theoretisches Obsiegen des Klägers in dem bis dahin rechtshängigen Streit. Dies wäre der Fall, wenn die Beklagte den Kläger für das streitgegenständliche Seminar nach dem BzG BW hätte freistellen müssen. |
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| 2. Eine solche Vereinbarung ist rechtlich möglich. Sie erhält den Arbeitsvertragsparteien die Möglichkeit, den Streit über die Qualität einer Bildungsveranstaltung nachträglich zu führen. Der Arbeitgeber wird nicht gezwungen die Freistellung abzulehnen. Der Arbeitnehmer muss sie nicht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu erreichen suchen (BAG, Urteil vom 09. Februar 1993 – 9 AZR 648/90 –, BAGE 72, 200-210, Rn. 17). |
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| Für das Seminar „Arbeitnehmer(innen) in Betrieb, Wirtschaft und Gesellschaft“ hätte die Beklagte den Kläger nach dem BzG BW bezahlt freistellen müssen, nachdem die allgemeinen Voraussetzungen vorlagen (1.) und der Bewilligung keine Einwendungen der Beklagten entgegen standen (2.). |
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| 1. Die allgemeinen Voraussetzungen für eine Bewilligung liegen vor (a)-h)), insbesondere ist das streitgegenständliche Seminar eine Maßnahme der politischen Weiterbildung (i)). |
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| a) Der Kläger ist als Arbeitnehmer mit Tätigkeitsschwerpunkt in Baden-Württemberg Anspruchsberechtigter gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 BzG BW. |
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| b) Bei dem seit 01.10.2007 bei der Beklagten beschäftigten Kläger ist die 12-monatige Wartezeit vor erstmaligem Erwerb des Anspruchs nach § 4 BzG BW längst abgelaufen. |
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| c) Der schriftliche Antrag auf Bildungszeit ging der Beklagten am 28.04.2016 und damit mehr als acht Wochen vor dem im September 2016 stattfindenden Seminar zu, § 7 Abs. 1 BzG BW. |
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| d) Die Dauer des streitgegenständlichen Seminars beträgt fünf Arbeitstage und ist damit von § 3 Abs. 1 BzG BW umfasst. |
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| e) Die Inhalte stehen mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Verfassung des Landes Baden-Württemberg in Einklang, § 6 Abs. 1 Nr. 1 BzG BW. |
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| f) Das Bildungszentrum der IG Metall Lohr – Bad Orb ist eine in der Liste nach § 10 Abs. 7 BzG BW aufgeführte Bildungseinrichtung im Sinne von §§ 6 Abs. 1 Nr. 3, 9 BzG BW. |
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| g) Die gegenständliche Maßnahme hat einen durchschnittlichen Unterrichtsumfang von mehr als sechs Zeitstunden pro Tag, § 6 Abs. 1 Nr. 4 BzG BW. |
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| h) Ausschlusskriterien nach § 6 Abs. 2 Nr. 1-7 BzG BW liegen nicht vor, insbesondere war die Teilnahme nicht von der Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft abhängig, § 6 Abs. 2 Nr. 1 BzG BW. Ein unmittelbarer Ausschluss von Arbeitnehmern lag nicht vor. Das Seminar wendete sich ausdrücklich an „interessierte Arbeitnehmer(innen)“ und nicht nur an Gewerkschaftsmitglieder. Hiervon hätten auch nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer Kenntnis nehmen können. Das Bildungsprogramm der IG Metall ist und war für jedermann im Internet zugänglich. Hierbei handelt es sich mittlerweile um ein anerkanntes und gebräuchliches Informationsmedium, welches eine allgemein zugängliche Kenntnisnahmemöglichkeit gewährleistet (BAG, Urteil vom 21. Juli 2015 – 9 AZR 418/14 –, Rn. 31, juris). |
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| Ob darüber in den Geschäftsräumen der Veranstalterin und/oder des Betriebsrat eine entsprechende Broschüre allgemein zugänglich auslag, kann dahingestellt bleiben. |
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| In der Übernahme der Kosten für Gewerkschaftsmitglieder liegt auch kein mittelbarer Ausschluss von Nichtmitgliedern. Eine Veranstaltung ist auch dann für nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer offen zugänglich, wenn ein gewerkschaftlicher Veranstalter mit Rücksicht auf die satzungsgemäß geleisteten Beiträge seinen Mitgliedern die kostenlose Teilnahme ermöglicht und von Nichtmitgliedern einen angemessenen Beitrag erhebt (st. Rspr., vgl. BAG Urteile vom 21. Oktober 1997 - 9 AZR 253/96 - AP Nr. 24 zu § 1 BildungsurlaubsG NRW, vom 2. Dezember 1997 - 9 AZR 584/96 -, juris und 09. Juni 1998 – 9 AZR 466/97 –, juris). |
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| i) Nach dem zugrunde zulegenden Begriffsverständnis (aa)) handelt es sich bei dem Seminar um eine „politische Weiterbildung“ im Sinne des BzG BW (bb)). |
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| aa) Die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „politische Weiterbildung“ ergibt, dass der Gesetzgeber bei diesem unbestimmten Rechtsbegriff das durch die Rechtsprechung zu den Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzen anderer Länder geprägte weite Begriffsverständnis zugrunde legte. |
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| (1) Für die Auslegung von Gesetzen ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist (BVerfG 17. Mai 1960 - 2 BvL 11/59 und 11/60 - zu B I 1 der Gründe, BVerfGE 11, 126; 20. März 2002 - 2 BvR 794/95 - zu B II 1 a der Gründe, BVerfGE 105, 135; 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 ua. - Rn. 66, BVerfGE 133, 168). Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte, die einander nicht ausschließen, sondern sich gegenseitig ergänzen. Der Wortlaut gibt nicht immer hinreichende Hinweise auf den Willen des Gesetzgebers. Unter Umständen wird erst im Zusammenhang mit Sinn und Zweck des Gesetzes oder anderen Auslegungsgesichtspunkten die im Wortlaut ausgedrückte, vom Gesetzgeber verfolgte Regelungskonzeption deutlich. Für die Beantwortung der Frage, welche Regelungskonzeption dem Gesetz zugrunde liegt, kommt daneben den Gesetzesmaterialien und der Systematik des Gesetzes eine Indizwirkung zu (vgl. BVerfG 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 ua. - Rn. 66, BVerfGE 133, 168). |
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| (2) Der Begriff Politische Weiterbildung wird im Gesetz nicht definiert. Die Erläuterungen des Begriffs in § 1 Abs. 4 BzG BW, wonach politische Weiterbildung der „Information über politische Zusammenhänge und der Mitwirkungsmöglichkeit im politischen Leben“ dient, konkretisiert durch die Wiederverwendung des Begriffs „politisch“ die Merkmale desselben nicht. Ob der Gesetzgeber ein enges Verständnis von politischer Weiterbildung zugrunde legte, wonach nur die Kenntnisse über den Aufbau des Staates, der demokratischen Institutionen und die Verfahren der Verfassung sowie die Rechte und Pflichten der Staatsbürger umfasst sind (so Merkel/Dodt, BB 2016, 693, 695) und somit das streitgegenständliche Seminar nicht, oder ein weites Verständnis - wie es die Rechtsprechung zu den Gesetzen zur Arbeitnehmerweiterbildung anderer Länder ausbildete - wonach die Verbesserung des Verständnisses der Arbeitnehmer für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge und die in einem demokratischen Gemeinwesen anzustrebende Mitsprache in Staat, Gesellschaft und Beruf der politischen Weiterbildung dient, wird damit nicht klargestellt. |
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| (3) Das BzG BW wurde in Kenntnis der entsprechenden Gesetze anderer Länder beschlossen (vgl. LT Drs. 15/6403, S. 10 unter A. 1.). Nach Ansicht von Merkel/Dodt ist das durch die Rechtsprechung zu den Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzen anderer Länder geprägte weite Begriffsverständnis von „politischer Weiterbildung“ auf das BzG BW nicht anwendbar. Dies ergebe sich daraus, dass der baden-württembergische Landesgesetzgeber in Kenntnis und im Gegensatz zu den Bildungszeitgesetzen anderer Bundesländer im Gesetzeswortlaut zu § 1 BzG BW davon abgesehen habe, auch einen Bezug auf gesellschafts-, wirtschafts- oder sozialpolitische Zusammenhänge herzustellen (Merkel/Dodt, BB 2016, 693, 695). |
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| (4) Dieser Auffassung folgt die Kammer nicht. Dem Rückschluss, der Landesgesetzgeber habe den Kontext zu gesellschafts-, wirtschafts- oder sozialpolitische Zusammenhängen im Gesetzestext nicht hergestellt, weil er „politische Weiterbildung“ enger verstanden haben wollte, als der durch die Rechtsprechung geprägte Begriff, steht die vom Landtag herausgegebene Begründung des Regierungsentwurfs entgegen. Dort heißt es: „Die politische Weiterbildung dient der Information über gesellschaftliche Zusammenhänge und einer Verbesserung der Teilhabe und Mitwirkung am gesellschaftlichen, sozialen und politischen Leben“ (LT Drs. 15/6403, S. 11 unter A. 4. a)). |
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| Im Rahmen der Einzelbegründung wird ausgeführt, dass unter politischer Weiterbildung die Befähigung zur Teilhabe und Mitwirkung am politischen Leben zu sehen ist. „Darunter ist auch die Teilnahme an Tagungen, Lehrgängen und Veranstaltungen zu verstehen, die staatsbürgerlichen Zwecken dienen oder an denen ein öffentliches Interesse besteht“ (LT Drs. 15/6403, S. 13 unter B. zu § 1). Der direkte Bezug auf „Teilhabe und Mitwirkung am gesellschaftlichen, sozialen und politischen Leben“ und der Umstand, dass „auch“ Tagungen etc. zu staatsbürgerlichen Zwecken oder in öffentlichem Interesse von dem Begriff der politischen Weiterbildung umfasst sind, spricht für die Anknüpfung an das weite Verständnis des Begriffs, wie es durch die Rechtsprechung zu den Gesetzen anderer Länder geprägt ist. |
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| (5) Nach dem weiten Begriffsverständnis setzt eine Veranstaltung zur politischen Bildung den Arbeitnehmer in die Lage, seinen eigenen Standort in Betrieb und Gesellschaft sowie gesellschaftliche Zusammenhänge zu erkennen, und befähigt ihn, staatsbürgerliche Rechte und Aufgaben wahrzunehmen, wenn sie nicht nur sein Verständnis für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge verbessert, sondern wenn die vermittelten Kenntnisse und Befähigungen für den Arbeitgeber ein auch nur gering einzuschätzendes Mindestmaß von greifbaren Vorteilen mit sich bringen. Das bedeutet einerseits nicht, dass nur solche politischen Themen zur politischen Bildung i. S. des Gesetzes gehören, die im Unternehmen unmittelbar verwertbar sind. Es genügt die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in allgemeiner staatsbürgerlicher Hinsicht, die den Arbeitnehmer in die Lage versetzen, auch betriebspolitische Entscheidungen nach ihrem Inhalt und ihrer Bedeutung besser beurteilen und bewerten, sie als zutreffend oder vertretbar erkennen oder allein oder im Rahmen von Interessenvertretungen Änderungs- oder Ergänzungsvorschläge einbringen zu können (BAG, Urteil vom 09. Februar 1993 – 9 AZR 648/90 –, BAGE 72, 200-210). |
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| (6) Verfassungsrechtliche Schranken stehen einem weiten Begriffsverständnis nicht entgegen. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1987 ist der Eingriff in Art. 12 GG auch bei einem weiten Begriffsverständnis von „politischer Weiterbildung“ durch Gründe des Allgemeinwohls gemäß Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG gerechtfertigt (BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 1987 – 1 BvR 563/85 –, BVerfGE 77, 308-340, Rn. 92). |
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| Das Bundesverfassungsgericht führt dazu aus: |
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| „Unter den Bedingungen fortwährenden und sich beschleunigenden technischen und sozialen Wandels wird lebenslanges Lernen zur Voraussetzung individueller Selbstbehauptung und gesellschaftlicher Anpassungsfähigkeit im Wechsel der Verhältnisse. Dem Einzelnen hilft die Weiterbildung, die Folgen des Wandels beruflich und sozial besser zu bewältigen. Wirtschaft und Gesellschaft erhält sie die erforderliche Flexibilität, sich auf veränderte Lagen einzustellen. Da bei Arbeitnehmern die Bereitschaft zur Weiterbildung schon wegen der begrenzten Verfügung über ihre Zeit und des meist engeren finanziellen Rahmens nicht durchweg vorausgesetzt werden kann, liegt es im Interesse des Allgemeinwohls, die Bildungsbereitschaft dieser Gruppe zu verbessern. |
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| Unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohls begegnet es auch keinen Bedenken, dass Bildungsurlaub nicht nur für berufsbildende, sondern auch für politisch bildende Veranstaltungen vorgesehen ist. Der technische und soziale Wandel bleibt in seinen Auswirkungen nicht auf die Arbeits- und Berufssphäre beschränkt. Er ergreift vielmehr auch Familie, Gesellschaft und Politik und führt zu vielfältigen Verflechtungen zwischen diesen Bereichen. Daraus ergeben sich zwangsläufig Verbindungen zwischen beruflicher und politischer Bildung, die der Gesetzgeber bei der Verfolgung seines Ziels berücksichtigen durfte. Es liegt daher im Gemeinwohl, neben dem erforderlichen Sachwissen für die Berufsausübung auch das Verständnis der Arbeitnehmer für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge zu verbessern, um damit die in einem demokratischen Gemeinwesen anzustrebende Mitsprache und Mitverantwortung in Staat, Gesellschaft und Beruf zu fördern.“ |
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| bb) Das Seminar "Arbeitnehmer(innen) in Betrieb, Wirtschaft und Gesellschaft " dient der Arbeitnehmerweiterbildung im Sinne von § 1 Abs. 2 BzG BW. |
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| Mit seinen Themen zu dem Spannungsfeld sozialer Interessen innerhalb und außerhalb eines Betriebes, dem Betriebsrat als Interessenvertretung, der Lage und Stellung der Arbeitnehmer in der Gesellschaft, der Rolle von Verbänden etc. dient es dazu, das Verständnis der Arbeitnehmer für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge zu verbessern, um damit die in einem demokratischen Gemeinwesen anzustrebende Mitsprache und Mitverantwortung in Staat, Gesellschaft und Beruf zu fördern (vgl. BAG zu fast inhaltsgleichen Seminaren gleichen Titels unter dem Regime des nordrhein-westfälischen AwbG und des hessischen BildungsurlaubsG; BAG, Urteil vom 21. Oktober 1997 - 9 AZR 253/96 -, BAGE 87, 16-24; BAGE 72, 200, 210 = AP Nr. 1 zu § 9 BildungsurlaubsG Hessen). |
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| 2. Die Zustimmung wird wegen form- und fristgerechter Entscheidung der Beklagten nicht fingiert (a)), die Beklagte kann aber nicht gemäß § 7 Abs. 3 2. Alt. BzG BW einwenden, dass bereits 10 % der den Beschäftigten zustehenden Bildungszeit bereits genommen oder bewilligt wurde, da nach dem Wortlaut dieser Vorschrift nur Bildungszeit nach dem BzG BW zu berücksichtigen ist (b)) und im Übrigen die von ihr vorgebrachten Weiterbildungsmaßnahmen auch nicht nach § 5 Abs. 2 BzG BW anrechenbar wären (c)). |
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| a) Die Zustimmung gilt nicht als erteilt, da die Beklagte mehr als vier Wochen vor Beginn der Bildungsveranstaltung schriftlich unter Darlegung der Gründe den Antrag des Klägers ablehnte, § 7 Abs. 4 BzG BW. Zwar enthält § 7 Abs. 4, 1. HS BzG BW den Imperativ unverzüglich über den Antrag des Arbeitnehmers zu entscheiden; Abs. 4 S. 3 knüpft die Bewilligungsfiktion aber an die „in Satz 1 genannte Frist“ und damit an Satz 1 2. HS, wonach spätestens vier Wochen vor Beginn der Bildungsmaßnahme schriftlich gegenüber den Beschäftigten zu entscheiden ist. |
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| b) Nach § 7 Abs. 3 BzG BW kann nur „Bildungszeit“ zur Erreichung der Zehn-Prozent-Grenze berücksichtigt werden. |
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| aa) Der Wortlaut „Bildungszeit bereits genommen oder bewilligt“ spricht dafür, nur die nach dem BzG BW beantragten Bildungszeiten anzuerkennen. Der bewusst gewählte Begriff „Bildungszeit“ (vgl. LT Drucksache 15/6403, S. 12) meint die mit dem Gesetz vom 17.03.2015 geschaffene Möglichkeit der Weiterbildung während bezahlter Freistellung - auch in Abgrenzung zu anderen Freistellungen zum Zwecke der Weiterbildung, wie in § 5 Abs. 1 deutlich wird. Die Formulierung „genommen oder bewilligt“ korrespondiert mit dem in § 7 BzG BW vorgesehenen Verfahren. |
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| bb) Zweck der Ablehnungsmöglichkeiten in § 7 Abs. 2 und 3 BzG BW ist ein Überforderungsschutz des Arbeitgebers (LT Drucksache 15/6403, S. 15). Während § 7 Abs. 2 BzG BW den Arbeitgeber im Hinblick auf eine konkrete Inanspruchnahme von Bildungszeit schützt, regelt Abs. 3 den Schutz vor quantitativer Überforderung von Kleinbetrieben und vor mehr als der Inanspruchnahme von zehn Prozent der den Beschäftigten in einem Jahr zustehenden Bildungszeit. Aus dem Zweck des Überforderungsschutzes ergibt sich aber nicht zwingend, dass auch die nach § 5 Abs. 2 BzG BW anrechenbaren Weiterbildungsmaßnahmen zu berücksichtigen sind (so aber Merkel/Dodt, BB 2016, 693, 695). Zwar würde dies einen weitergehenden Überforderungsschutz bedeuten. Ob dieser bezweckt ist, lässt sich aber weder dem Gesetz, noch der Begründung des Regierungsentwurfs entnehmen. Gesetzgeberisches Ziel ist nicht die Beschränkung auf 10 % – hierin liegt vielmehr eine Einschränkung des Ziels –, sondern Arbeitnehmerweiterbildung. Dem BzG BW ist eine Belastung des Arbeitgebers durch Fortzahlung des Entgelts während einer Freistellungszeit zum Zwecke des Allgemeinwohls immanent. |
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| Der Umstand, dass der Gesetzgeber für den einzelnen Arbeitnehmer nur einen Mindestanspruch etablieren wollte (§ 5 Abs. 1 BzG BW) lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass er im Rahmen des Überforderungsschutzes durch die Zehn-Prozent-Grenze des § 7 Abs. 3 BzG BW auch die nach § 5 Abs. 2 BzG BW anrechenbaren Weiterbildungsmaßnahmen unter Bildungszeit verstehen wollte. Individueller Mindestanspruch des Arbeitnehmers und Überforderungsschutz des Arbeitgebers sind unterschiedliche Regelungen, die nicht in logischer Abhängigkeit stehen. |
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| cc) Ein Hinweis darauf, dass für das Erreichen der Zehn-Prozent-Grenze des § 7 Abs. 3 BzG BW auch die nach § 5 Abs. 2 BzG BW anrechenbaren Weiterbildungsmaßnahmen zu berücksichtigen sind, findet sich in der Begründung des Regierungsentwurfs nicht (LT Drucksache 15/6403). Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bewusst nur auf die Bildungszeit abstellen wollte, wenn er nicht gleichzeitig auf § 5 Abs. 2 BzG BW verweist. |
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| Hätte der Gesetzgeber Weiterbildungsmaßnahmen außerhalb des BzG BW einwenden lassen wollen, so hätte er dies durch eine einfache Formulierung klargestellt, wie im Falle des individuellen Anspruches in § 5 Abs. 2 BzG BW. Stattdessen stellte er explizit auf den von ihm eingeführten Begriff „Bildungszeit“ ab. Anhaltspunkte für ein diesbezügliches redaktionelles Versehen sind nicht ersichtlich. |
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| c) Die Beklagte kann auch dann nicht mit Erfolg einwenden, dass bereits 10 % der den Beschäftigten am 1. Januar eines Jahres zustehenden Bildungszeit bereits genommen oder bewilligt wurde, wenn man im Gegensatz zu vorstehenden Ausführungen davon ausgeht, dass auch solche Zeiten als Bildungszeit im Rahmen des § 7 Abs. 3 BzG BW zu berücksichtigen sind, die nach § 5 Abs. 2 BzG BW anrechenbar sind. Nach dieser Vorschrift werden bezahlte Freistellungen auf den Anspruch auf Bildungszeit angerechnet, die aufgrund der in § 5 Abs. 1 BzG BW genannten Regelungen erfolgen (aa)), wenn durch sie die Erreichung der in § 1 niedergelegten Ziele ermöglicht wird (bb)) und die Weiterbildung nicht der Einarbeitung auf bestimmte betriebliche Arbeitsplätze (cc)) oder überwiegend betriebsinternen Erfordernissen dient (dd)). |
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| aa) Es ist bereits nach dem Vorbringen der Parteien nicht erkennbar, inwieweit die von der Beklagten angeführten Bildungsmaßnahmen aufgrund einer Regelung von § 5 Abs. 1 BzG BW erfolgten. Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen sind als Grund von den von der Beklagten genannten einzelnen Weiterbildungen nicht vorgetragen. Es bleiben bezahlte Freistellungen aufgrund von Einzelverträgen. Mit „Einzelverträgen“ können jeweils eigens abgeschlossene Verträge über die Teilnahme an konkreten Fortbildungsmaßnahmen gemeint sein, oder abstrakte Regelungen über den jährlichen Anspruch auf bezahlte Weiterbildungen im Arbeitsvertrag. Aufgrund der Reihung in § 5 Abs. 1 S. 2 BzG BW spricht die systematische Auslegung für Letzteres. Derartige Vertragsgrundlagen für die von der Beklagten angeführten Weiterbildungen sind nicht genannt. |
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| Aber auch wann durch welche Willenserklärungen Einzelverträge über konkrete Ausbildungen zustande kamen, ist nicht ersichtlich. Der von der Beklagten skizzierte Ablauf zur Genehmigung von Fortbildungen lässt nicht erkennen, von wem wann Erklärungen mit Rechtsbindungswillen für bestimmte Fortbildungen abgegeben werden. |
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| Dass die jeweiligen Schulungen im Vorfeld von beiden Seiten stornierbar sind, spricht gegen einen Rechtsbindungswillen. Ebenso erscheint fraglich, inwieweit man bei solchen Schulungen von einem Rechtsbindungswillen der Beklagten ausgehen kann, die sie im Wege des Direktionsrechts anweisen könnte. |
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| Selbst wenn man auf dieses Merkmal im Rahmen des § 7 Abs. 3 BzG BW verzichtet, weil es mit dem individuellen Anspruch der einzelnen Beschäftigten korrespondiert, ist die Erfüllung der 10 % Grenze nicht dargelegt, weil die durchgeführten Weiterbildungsmaßnahmen im überwiegenden Interesse der Beklagten waren (s.u.). |
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| bb) Die von der Beklagten durchgeführten Weiterbildungen ermöglichen sämtlich oder jedenfalls überwiegend die Erreichung der in § 1 BzG BW niedergelegten Ziele. Von einer näheren Prüfung sah die Kammer mangels Relevanz ab. Nicht erforderlich ist, dass die Fortbildung von einer nach den §§ 9, 10 BzG BW anerkannten Bildungseinrichtung durchgeführt wird. Diese Voraussetzung ist in § 5 BzG BW nicht als Voraussetzung genannt. |
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| cc) Dahingestellt bleiben kann auch, welche Weiterbildungsmaßnahmen der konkreten Einarbeitung auf bestimmte betriebliche Arbeitsplätze dienten. Unter Maßnahmen der Weiterbildung zur Einarbeitung sind solche zu verstehen, die in unmittelbarem Zusammenhang bei Beginn eines Arbeitsverhältnisses oder bei einer Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz erfolgen (so auch Merkel/Dodt, BB 2016, 693, 696). Für diese einschränkende Auslegung spricht, dass Anpassungs- und Aufstiegsfortbildungen nach der Gesetzesbegründung ausdrücklich zu den Bereichen der beruflichen Weiterbildung im Sinne des § 1 BzG BW zählen sollen (LT Drs. 15/6403, S. 13). |
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| dd) Der Anrechenbarkeit der von der Beklagten angeführten Weiterbildungsmaßnahmen steht nach Ansicht der Kammer entgegen, dass sie überwiegend betriebsinternen Erfordernissen dienten. |
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| aaa) Nicht relevant für die Anerkennung ist, ob die gegenständlichen Weiterbildungen bei der Beklagten stattfanden. Eine Anrechnung von Weiterbildungsmaßnahmen nach § 5 Abs. 2 S. 1 BzG BW ist auch dann möglich, wenn die Weiterbildung beim Arbeitgeber als sogenannte In-House-Veranstaltungen unter Entbindung von der Arbeitsverpflichtung innerhalb der Arbeitszeit stattfindet (LT Drs.15/6403, S. 14). |
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| bbb) Nach Merkel/Dodt ist für die Frage, ob eine Weiterbildungsmaßnahme überwiegend betriebsinternen Erfordernissen dient, auf den objektiven Nutzen der Weiterbildung abzustellen. Kann der Beschäftigte die erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten oder Fertigkeiten auf dem Arbeitsmarkt zukünftig (z. B. bei einem Arbeitgeberwechsel) verwerten, diene die Qualifizierung nicht überwiegend betriebsinternen Erfordernissen. Dies müsse unabhängig davon gelten, ob der Arbeitgeber aktuell einen konkreten Nutzen aus der Weiterbildung ziehen kann (Merkel/Dodt, BB 2016, 693, 697). Danach wären die von der Beklagten aufgelisteten Weiterbildungsmaßnahmen sämtlich, jedenfalls weit überwiegend anrechenbar. |
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| ccc) Nach Ansicht der Kammer ist der objektive Nutzen der Weiterbildung kein Kriterium. Vielmehr kommt es nach der Begründung des Regierungsentwurfs darauf an, in wessen überwiegenden Interesse die Weiterbildung ist. Dort heißt es zu den Negativkriterien von § 5 Abs. 2 S. 2 BzG BW: „Diese Weiterbildungsmaßnahmen liegen ganz überwiegend im Interesse des Arbeitgebers bzw. Dienstherrn. Der Anspruch auf Bildungszeit ist hingegen ein Weiterbildungsanspruch, dessen Inhalt und dessen zeitliche Umsetzung die Beschäftigten grundsätzlich frei wählen können.“ (LT Drs. 15/6403, S. 14). Eine teilweise Anrechnung von dienstlich veranlassten Bildungsveranstaltungen, wie sie beispielsweise § 4 Abs. 2 AwbG NRW vorsieht – nach dieser Vorschrift kann der Arbeitgeber bis zu zwei Tage im Kalenderjahr für die Teilnahme an einer betrieblich veranlassten Bildungsveranstaltungen auf den fünftägigen Freistellungsanspruch des AwbG anrechnen –, hat der baden-württembergische Landesgesetzgeber im BzG BW nicht vorgesehen. |
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| In wessen überwiegenden Interesse eine die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 BzG BW ansonsten erfüllende Weiterbildung ist, muss nach der Konzeption des Gesetzgebers im Einzelfall ermittelt werden. Ein Indiz hierfür kann sein, von wem die Initiative für die konkrete Weiterbildung ausgeht. Darlegungs- und beweisbelastet für das Vorliegen der Voraussetzungen der Anrechenbarkeit ist der Arbeitgeber. Die Anrechenbarkeit ist eine für ihn positive Tatsache zur Begründung seiner Einwendung gegen den Anspruch des Arbeitnehmers auf Freistellung nach dem BzG BW. Jedenfalls nachdem der Kläger dies rügte, hätte die Beklagte darlegen müssen, dass die von ihr eingewandten Bildungsmaßnahmen nicht überwiegend betriebsinternen Erfordernissen dienten. |
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| ddd) Die von der Beklagten genannten Weiterbildungen dienen danach überwiegend betriebsinternen Erfordernissen der Beklagten. |
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| Für keine der genannten Weiterbildungen ist vorgetragen, dass sie nicht im überwiegenden Interesse der Beklagten ist. Das Procedere zur Genehmigung einer Weiterbildung impliziert einen solchen Schluss nicht. Weiterbildungen sind nicht bereits dann freiwillig, wenn die Beschäftigten sich dagegen nicht wehren, sondern nur dann, wenn sie deren „Inhalt und dessen zeitliche Umsetzung“ grundsätzlich selbst bestimmen können (LT Drs. 15/6403, S. 14). |
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| Soweit die Schulungen in Gesprächen zwischen den Beschäftigten und ihren Vorgesetzten vereinbart wurden, ist nicht erkennbar, in wessen überwiegenden Interesse sie jeweils durchgeführt wurden. So kann beispielsweise die Ausbildung zum Gabelstaplerfahrer im überwiegenden Interesse des Arbeitgebers sein, weil er ein Bedürfnis für einen weiteren Gabelstaplerfahrer identifiziert hat. Die gleiche Bildungsmaßnahme kann aber auch im überwiegenden Interesse des Arbeitnehmers sein, wenn er diese zusätzliche Qualifikation erwerben möchte, ohne dass dies betrieblich veranlasst ist. Die Fortbildungen im Rahmen des Konzepts „Strategie 20“ sind betrieblich veranlasste Weiterbildungen zur Verwirklichung eines Konzepts der Beklagten und dienen somit im Zweifel betriebsinternen Erfordernissen. |
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| Die zwischen den Parteien streitige Frage, ob für die Zehn-Prozent-Grenze des § 7 Abs. 3 BzG BW der Zeitpunkt der Antragstellung oder der Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag maßgeblich ist, kann dahingestellt bleiben. |
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| Der Rechtsmittelstreitwert ist gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Tenor festzusetzen. Er entspricht dem arbeitstäglichen Verdienst für die streitigen fünf Urlaubstage, § 3 ZPO. |
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| Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG gesondert zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, weil sie die Auslegung verschiedener Begrifflichkeiten eines neuen Gesetzes erfordert. Angesichts des Rechtsmittelstreitwerts ist die Berufung aber ungeachtet dessen nach § 64 Abs. 2 lit. b) ArbGG zulässig. |
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