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| Die Klage hat Erfolg. Der Kläger hat Anspruch auf die von der Beklagten vorzunehmende Zeitgutschrift auf dem Arbeitszeitkonto (Mitarbeiterkonto) infolge eines Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Zeitraum 12. bis 16. Dezember 2016 nach § 1 Abs. 1 BzG BW. |
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| Die Klage ist zulässig. Insbesondere mangelt es dem Antrag nicht an der notwendigen streitgegenständlichen Bestimmtheit. |
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| 1. Der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden „gutzuschreiben“, ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können. Gleichermaßen kann der Arbeitnehmer die Korrektur eines oder mehrerer auf seinem Arbeitszeitkonto ausgewiesener Salden beantragen (BAG 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 11 mwN, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3; 17. November 2011 - 5 AZR 681/09 -; BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 424/09 - Rn. 27, NZA 2012, 281). Allerdings ist dafür eine Konkretisierung des Leistungsbegehrens dahingehend erforderlich, an welcher Stelle des Arbeitszeitkontos die Gutschrift erfolgen soll (vgl. BAG 28. September 2016 - 7 AZR 248/14 - Rn. 21, NZA 2017, 335; 29. Juni 2016 - 5 AZR 617/15 - Rn. 14, AP BGB § 615 Nr. 148; 19. März 2014 - 5 AZR 954/12 - Rn. 10, AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 45 = EzA BGB 2002 § 611 Nr. 5; 21. März 2012 - 5 AZR 670/11 - Rn. 15, AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 37). |
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| 2. Unstreitig führt die Beklagte zugunsten des Klägers zwei Arbeitszeitkonten (Betriebsvereinbarung zur „Flexiblen Arbeitszeit“ vom 30. Mai 2014, kurz: BV Flex ArbZ; Bl. 66-80 d. Akte), auf denen noch Gutschriften erfolgen können. Der Kläger hat das maßgebliche Konto ausreichend individualisiert und dazu angegeben, dass die Gutschrift auf dem Mitarbeiterkonto (Ziffer 3.2 der BV Flex ArbZ) erfolgen soll. Der Kläger hat den Umfang der begehrten Gutschrift und die Stelle, an welcher die Gutschrift erfolgen soll, genügend mit „Saldo (MK gesamt)“ angegeben. Damit ist der Antrag ausreichend bestimmt. |
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| Die Klage ist vollumfänglich begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Wiedergutschrift von 35 Stunden im Saldo seines Mitarbeiterkontos. Die Beklagte hat zu Unrecht 35 Stunden vom Mitarbeiterkonto des Klägers wegen der Seminarteilnahme in Abzug gebracht bzw. bisher noch nicht wieder gutgeschrieben. |
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| 1. Geht es um die Korrektur der Arbeitszeiterfassung auf einem Arbeitszeitkonto, kommt dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf korrekte Führung des Arbeitszeitkontos aus § 611 Abs. 1 BGB zu, wenn das Arbeitszeitkonto den Vergütungsanspruch nach der zugrunde liegenden Abrede verbindlich bestimmt(BAG 27. März 2014 - 6 AZR 621/12 - Rn. 21, ZTR 2014, 409; 24. Oktober 2013 - 6 AZR 286/12 - Rn. 21, ZTR 2014, 215). Ein Arbeitszeitkonto hält fest, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht nach § 611 Abs. 1 BGB erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestandes nicht erbringen musste. Es drückt damit - in anderer Form - seinen Vergütungsanspruch aus (vgl. BAG 23. September 2015 - 5 AZR 767/13 - Rn. 20, NZA 2016, 295; 18. März 2014 - 1 ABR 75/12 - Rn. 20, BAGE 147, 313; 21. März 2012 - 6 AZR 560/10 - Rn. 21, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 6; 16. Juli 2014 - 10 AZR 242/13 - Rn. 16, ZTR 2014, 609). Die nachträgliche Gutschrift auf einem Arbeitszeitkonto setzt voraus, dass der Arbeitnehmer Arbeitsstunden erbrachte oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestands nicht erbringen musste und diese bisher nicht vergütet und nicht in das Arbeitszeitkonto eingestellt wurden (vgl. BAG 29. Juni 2016 - 5 AZR 617/15 - Rn. 17, AP BGB § 615 Nr. 148). Wegen der Dokumentationsfunktion des Arbeitszeitkontos darf der Arbeitgeber nicht ohne Befugnis korrigierend in ein Arbeitszeitkonto eingreifen und dort eingestellte Stunden streichen. Kürzt oder streicht der Arbeitgeber zu Unrecht ein Guthaben auf einem Arbeitszeitkonto, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf (Wieder-)Gutschrift der gestrichenen Stunden (BAG 31. Juli 2014 - 6 AZR 759/12 - Rn. 20, NZA-RR 2015, 28; 21. März 2012 - 5 AZR 676/11 - Rn. 20, 25 f., BAGE 141, 88). |
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| 2. Die Beklagte ist danach verpflichtet, dem Mitarbeiterkonto im Saldo 35 Stunden gutzuschreiben. Dies allerdings noch nicht deshalb, weil die Beklagte den Kläger überhaupt auf seinen Antrag freigestellt hat. Erfüllt der Arbeitgeber den Anspruch auf Freistellung, indem er auf den Antrag des Arbeitnehmers die Freistellung nach dem BzG BW für einen bestimmten Zeitraum zum Besuch einer Bildungsveranstaltung erklärt, so hat der Arbeitnehmer nach § 1 Abs. 1 Satz 2 BzG BW den Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte, wenn er der Arbeit ferngeblieben ist und die Veranstaltung besucht hat; auf den Inhalt der Veranstaltung kommt es dann nicht mehr an (vgl. zum AWbG NRW: BAG 11. Mai 1993 - 9 AZR 231/89 - zu II der Gründe, BAGE 73, 135). Vorliegend hat die Beklagte den Kläger aber nicht auf seinen Antrag auf Freistellung nach dem BzG BW, sondern auf seinen Antrag auf Freistellung unter Anrechnung aus dem Mitarbeiter-Zeitkonto freigestellt. Die Parteien haben sich bereits im Gütetermin darauf verständigt (siehe Protokoll des Kammertermins), dass die Frage der Entgeltzahlungspflicht gerichtlich geklärt werden und dementsprechend der Kläger einen Anspruch auf (Wieder-)Gutschrift von ausgebuchten Stunden haben soll, wenn die Voraussetzungen nach dem BzG BW in Bezug auf das von ihm besuchte Seminar „Aktiv im Betrieb“ vorliegen. Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Kläger hat im Zeitraum 12. bis 16. Dezember 2016 einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung infolge seines Seminarbesuchs nach § 1 ff. BzG BW. |
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| a) Der Kläger ist Arbeitnehmer der Beklagten und damit nach § 2 Abs. 1 Beschäftigter, also Anspruchsberechtigter iSd. § 1 Abs. 1 BzG für die Inanspruchnahme von Bildungszeit. Ebenso hat der Kläger die Wartezeit (zwölfmonatiger Bestand des Beschäftigungsverhältnisses) nach § 4 BzG BW erfüllt. Unstreitig ist das IG Metall Bildungszentrum L eine nach §§ 9, 10 BzG BW anerkannte Bildungseinrichtung. |
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| b) Der Kläger hat auch das nach § 7 Abs. 1 BzG BW vorgesehene Verfahren für die Inanspruchnahme von Bildungszeit eingehalten und dazu spätestens acht Wochen vor Beginn der Bildungsmaßnahme den Anspruch auf Bildungszeit schriftlich geltend gemacht. Auch wenn der Kläger im Antrag einen Zeitraum vom 11. Dezember (Sonntag) bis 16. Dezember 2016 (Freitag) nennt, so ergibt sich ohne Weiteres aus dem Umstand der fehlenden Arbeitspflicht an Sonntagen, dass der Kläger mit seinem Antrag auch nur einen Anspruch von fünf Arbeitstagen - also den maximalen Anspruch nach § 3 Abs. 1 BzG BW - auf Bildungszeit, dh. bezahlte Freistellung, gegenüber der Beklagten geltend gemacht hat. |
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| c) Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei dem Seminar „Aktiv im Betrieb“ des IG Metall Bildungszentrums L auch im Übrigen um eine Bildungsmaßnahme nach § 6 Abs. 1 BzG BW. Das Seminar wurde unstreitig als Veranstaltung durchgeführt, die durchschnittlich einen Unterrichtsumfang von mindestens sechs Zeitstunden pro Tag umfasste, § 6 Nr. 4 BzG BW. Zudem entsprach die Bildungsmaßnahme dem Themenbereichen des § 1 BzG BW (§ 6 Nr. 2 BzG BW). Neben Maßnahmen für die berufliche Weiterbildung und für die Qualifizierung zur Wahrnehmung ehrenamtlicher Tätigkeiten kann Bildungszeit auch für Maßnahmen der politischen Weiterbildung in Anspruch genommen werden, § 1 Abs. 2 BzG BW. Nach § 1 Abs. 4 BzG BW dient die politische Weiterbildung der Information über politische Zusammenhänge und der Mitwirkungsmöglichkeit im politischen Leben. Diesem Informationsziel entsprach die vom Kläger besuchte Veranstaltung. |
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| aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz für Nordrhein-Westfalen vom 6. November 1984 (AWbG) dient eine Veranstaltung dann dem Ziel der politischen Weiterbildung, wenn das Verständnis der Arbeitnehmer für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge verbessert sowie die in einem demokratischen Gemeinwesen anzustrebende Mitsprache und Mitverantwortung in Staat, Gesellschaft und Beruf gefördert werden soll. Dazu ist erforderlich, dass nach dem Didaktischen Konzept der Veranstaltung sowie der zeitlichen und sachlichen Ausrichtung der einzelnen Lerneinheiten das Erreichen dieses Ziels uneingeschränkt ermöglicht wird (vgl. BAG 21. Juli 2015 - 9 AZR 418/14 - Rn. 21, juris; 19. Mai 1998 - 9 AZR 395/97 - zu I 1 der Gründe, EzB AWbG § 1 Nr. 74; 9. Mai 1995 - 9 AZR 185/94 - zu III 1 der Gründe, BAGE 80, 94). Diese Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts lässt sich auf das BzG BW übertragen. Zwar hat der Landesgesetzgeber in Nordrhein-Westfalen in § 1 Abs. 4 AWbG ausdrücklich aufgenommen, dass durch die politische Arbeitnehmerweiterbildung das Verständnis der Beschäftigten für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge verbessert und die in einem demokratischen Gemeinwesen anzustrebende Mitsprache und Mitverantwortung in Staat, Gesellschaft und Beruf gefördert werden soll. Durch die in § 1 Abs. 4 BzG BW gewählte Formulierung „politische Zusammenhänge“ und „Mitwirkungsmöglichkeiten im politischen Leben“ hat der Landesgesetzgeber in Baden-Württemberg jedoch keine Einschränkung auf Informationsinhalte über staatsbürgerliche Rechte und Pflichten vorgenommen, sondern „politische Weiterbildung“ in einem sehr viel weiteren, auch Fragen der Mitwirkung und Mitverantwortung in Gesellschaft und Beruf erfassenden Sinne verstanden(ebenso: ArbG Lörrach 24. August 2016 - 5 Ca 198/16 - nV). Dies ergibt die Auslegung der Norm. |
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| (1) Schon aus dem Wortlaut, „politische Weiterbildung dient der Information über politische Zusammenhänge und der Mitwirkungsmöglichkeit im politischen Leben“, ergibt sich keine Einschränkung auf einen engen Politikbegriff im Sinne staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten. Der Begriff „Politik“ stammt vom griechischen Wort „polis“ ab. Die Polis bezeichnete die Gemeinde der Bürger und deren Verbund. Schon aus diesem Wortursprung wird deutlich, dass mit dem Begriff „Politik“ Fragen des Gemeinwohls weitergehend angesprochen sind. Politik bezeichnet alle Maßnahmen, die sich auf die Führung einer Gemeinschaft beziehen und eine Methode, bestimmte eigene Vorstellungen gegen andere Interessen durchzusetzen (vgl. Duden, Bedeutungswörterbuch „Politik“). Sie umfasst allgemein jegliche Einflussnahme, Gestaltung und Durchsetzung von Forderungen und Zielen in privaten oder öffentlichen Bereichen (siehe Wikipedia „Politik“). Dementsprechend fallen auch solche Inhalte unter den Begriff der „politischen“ Zusammenhänge oder des „politischen“ Lebens, welche gesellschaftliche und soziale Dimensionen des Gemeinwesens betreffen und über Mitwirkungsmöglichkeiten in Gesellschaft und Beruf unterrichten. Dem Gesetzeswortlaut kann keine Einschränkung des Politikbegriffs entnommen werden. Vielmehr wurde das Gesetz am 17. März 2015 verkündet, weshalb schon deshalb davon auszugehen ist, dass der Landesgesetzgeber von einem modernen, weiten Politikbegriff ausgegangen ist. |
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| (2) Auch aus Sinn und Zweck des Gesetzes und einer völkerrechtskonformen Auslegung folgt, dass „politische Weiterbildung“ iSv. § 1 Abs. 4 BzG BW weit über die Vermittlung von Inhalten zu staatsbürgerlichen Rechten und Pflichten hinaus, auch Inhalte umfasst, die das Verständnis der Arbeitnehmer für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge verbessern sowie die in einem demokratischen Gemeinwesen anzustrebende Mitsprache und Mitverantwortung in Staat, Gesellschaft und Beruf fördern soll. Damit bewegt sich der Landesgesetzgeber in dem durch das Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Rahmen, dh. eine weite Auslegung des Begriffs „politische Weiterbildung“ ist auch verfassungskonform. |
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| (a) Der Landesgesetzgeber verfolgt mit dem BzG BW das Ziel, die Weiterbildungsbereitschaft von Beschäftigten in Baden-Württemberg zu erhöhen und zu fördern (Landtag von Baden-Württemberg, Drucks. 15/6403 S. 1). Vor dem Hintergrund der technologischen Entwicklung, des strukturellen Wandels in Wirtschaft und Gesellschaft und der demographischen Veränderungen gewinnt vor allem die berufliche Weiterbildung zunehmend an Bedeutung. Daneben geht es in einem funktionierenden demokratischen Gemeinwesen aber auch um die gesellschaftliche Teilhabe seiner Bürgerinnen und Bürger. Deshalb sind nach dem Willen des Gesetzgebers auch die politische Bildung und die Stärkung des ehrenamtlichen Engagements Bestandteil des Gesetzes geworden (Drucks. 15/6403 S. 1, 10). Der Landesgesetzgeber verfolgt ausdrücklich das Ziel, mit der politischen Weiterbildung der Information über gesellschaftliche Zusammenhänge und der Verbesserung der Teilhabe und Mitwirkung am gesellschaftlichen und politischen Leben zu dienen. Diese elementare Grundlage für ein funktionierendes demokratisches Gemeinwesen soll explizit gestärkt werden (Drucks. 15/6403 S. 11). Nach Einschätzung des Landesgesetzgebers dient auch die politische Weiterbildung der Persönlichkeitsentwicklung des Beschäftigten, die sich positiv auf die betrieblichen Belange auswirken kann (Drucks. 15/6402 S. 11). Deshalb versteht des Landesgesetzgeber unter politischer Weiterbildung die Befähigung zur Teilhabe und Mitwirkung am politischen Leben, worunter auch die Teilnahme an Tagungen, Lehrgängen und Veranstaltungen fallen soll, die staatsbürgerlichen Zwecken dienen oder an denen ein öffentliches Interesse besteht (Drucks. 15/6403 S. 13). Damit verfolgt der Gesetzgeber - wenn er ausdrücklich auch Veranstaltungen nennt, an denen bzw. an deren Inhalten ein öffentliches Interesse besteht - ein sehr viel weitergehendes Ziel als die bloße Unterrichtung über staatsbürgerliche Rechte und Pflichten. Vielmehr soll umfassend, anknüpfend an das Gemeinwohl, die Teilhabe in der Gesellschaft gefördert werden. Mitsprache und Mitverantwortung in allen gesellschaftlichen Lebensbereichen, dh. auch im Beruf soll zur Stärkung des Gemeinwesens gefördert werden. |
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| (b) Das so gefundene Ergebnis entspricht auch einer völkerrechtskonformen Auslegung. |
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| (aa) Mit dem BzG BW will der Landesgesetzgeber ausdrücklich das Übereinkommen Nr. 140 der Internationalen Arbeitsorganisation über den bezahlten Bildungsurlaub vom 24. Juni 1974 (ILO Übereinkommen Nr. 140) umsetzen (Drucks. 15/6403 S. 10). Danach haben sich die Unterzeichnerstaaten verpflichtet, gesetzliche Regelungen zur Bildungsfreistellung zu schaffen. Nachdem jedoch die Bundesrepublik ihrer Verpflichtung hierzu bislang nicht nachgekommen ist, haben mehrere Bundesländer - hierunter nunmehr auch Baden-Württemberg - von ihrer konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz (Art. 74 Nr. 12 GG) Gebrauch gemacht. |
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| (bb) Nach der deutschen Fassung des Art. 2 des ILO Übereinkommens Nr. 140 hat jedes Mitglied eine Politik festzulegen und durchzuführen, die dazu bestimmt ist, mit Methoden, die den innerstaatlichen Verhältnissen und Gepflogenheiten angepasst sind, und zwar nötigenfalls schrittweise, die Gewährung von bezahltem Bildungsurlaub zu fördern, und zwar zum Zwecke a) der Berufsbildung auf allen Stufen, b) der allgemeinen und politischen Bildung, c) der gewerkschaftlichen Bildung. Nach Art. 10 des ILO Übereinkommens Nr. 140 können die Voraussetzungen für die Gewährung von bezahltem Bildungsurlaub unterschiedlich sein, je nachdem, ob der bezahlte Bildungsurlaub einem der folgenden Zwecke dienen soll: a) der Berufsbildung auf allen Stufen, b) der allgemeinen und politischen Bildung bzw. c) der gewerkschaftlichen Bildung. Schon nach dem Wortlaut der deutschen Fassung ergibt sich kein Hinweis darauf, dass das Völkerrecht, dh. das ILO Übereinkommen Nr. 140 eine politische Bildung zu staatsbürgerlichen Fragen verlangt bzw. vor Augen hat. Nach Art. 10 Buchst. b des ILO Übereinkommens Nr. 140 wird die allgemeine und die politische Bildung gemeinsam genannt. Schon mit der deutschen Fassung des ILO Übereinkommens Nr. 140 wäre eine verengende Auslegung von „politische Weiterbildung“ als Weiterbildung zu staatsbürgerlichen Rechten und Pflichten nicht zu vereinbaren. Vor allem ergibt sich aus Art. 3 Buchst. b des ILO Übereinkommens, dass die nach Art. 2 festzulegende und durchzuführende Politik, falls erforderlich auf verschiedene Weise, einen Beitrag zur sachkundigen und aktiven Beteiligung der Arbeitnehmer und ihrer Vertreter am Geschehen im Betrieb und in der Gemeinschaft und (Buchst. c) zum persönlichen, sozialen und kulturellen Fortschritt der Arbeitnehmer zu leisten hat. Dies setzt ein weites Verständnis von „politischer Bildung“ gerade voraus. |
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| (cc) Die Auslegung des ILO Übereinkommens Nr. 140 selbst hat allerdings nach völkerrechtlichen Grundsätzen und in erster Linie im Wege der authentischen Interpretation (vgl. dazu bspw.: BFH 25. Oktober 2006 - I R 81/04 - Rn. 20, BFHE 215, 237) zu erfolgen, dh. maßgeblich kann nur die französische und die englische Sprachfassung sein (Art. 19 ILO Übereinkommen Nr. 140). Art. 2 der englischen Sprachfassung spricht nicht von „politischer“ Bildung, sondern von „general, social and civic education“ (Buchst. b). Art. 10 der englischen Sprachfassung sieht vor, dass die Voraussetzungen für den bezahlten Bildungsurlaub unterschiedlich sein können, je nachdem, ob dieser vorgesehen ist für „a) training at any level, b) general, social or civic education or c) trade union education“. Aus der maßgeblichen englischen Textfassung ergibt sich aus Art. 2 und Art. 10 des ILO Übereinkommens Nr. 140 ein sehr breiter Bereich für mögliche Bildungsinhalte, insb. auch für soziale (social) und bürgerliche (civic), nicht notwendig staatsbürgerliche Inhalte. Indem in der deutschen Textfassung stattdessen lediglich von „politischer Bildung“ gesprochen wird, zeigt sich, dass diesem Begriff von „politischer Bildung“ ein weites Verständnis zugrunde liegt; nur ein weites Verständnis wird einer authentischen Interpretation gerecht. Wenn der Landesgesetzgeber, wie dies aus den Gesetzesmaterialen ersichtlich ist, von einem weiten Verständnis von „politischer Weiterbildung“ ausgegangen ist, so deckt sich dieses weite Verständnis mit der völkerrechtlichen Verpflichtung, welche die Bundesrepublik Deutschland eingegangen ist. |
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| (c) Mit einem weiten Verständnis von politischer Weiterbildung und der Anknüpfung am öffentlichen Interesse bzw. dem Gemeinwohl verlässt der Landesgesetzgeber auch nicht den verfassungsrechtlichen Rahmen. Wie das Bundesverfassungsgericht schon ausgeführt hat, hilft die Weiterbildung dem Einzelnen, die Folgen des Wandels beruflich und sozial besser zu bewältigen. Wirtschaft und Gesellschaft erhält sie die erforderliche Flexibilität, sich auf veränderte Lagen einzustellen. Da bei Arbeitnehmern die Bereitschaft zur Weiterbildung schon wegen der begrenzten Verfügung über ihre Zeit und des meist engeren finanziellen Rahmens nicht durchweg vorausgesetzt werden kann, liegt es im Interesse des Allgemeinwohls, die Bildungsbereitschaft dieser Gruppe zu verbessern. Unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohls begegnet es auch keinen Bedenken, dass Bildungsurlaub nicht nur für berufsbildende, sondern auch für politisch bildende Veranstaltungen vorgesehen ist. Der technische und soziale Wandel bleibt in seinen Auswirkungen nicht auf die Arbeits- und Berufssphäre beschränkt. Er ergreift vielmehr auch Familie, Gesellschaft und Politik und führt zu vielfältigen Verflechtungen zwischen diesen Bereichen. Daraus ergeben sich zwangsläufig Verbindungen zwischen beruflicher und politischer Bildung, die der Gesetzgeber bei der Verfolgung seines Ziels berücksichtigen durfte. Es liegt daher im Gemeinwohl, neben dem erforderlichen Sachwissen für die Berufsausübung auch das Verständnis der Arbeitnehmer für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge zu verbessern, um damit die in einem demokratischen Gemeinwesen anzustrebende Mitsprache und Mitverantwortung in Staat, Gesellschaft und Beruf zu fördern (vgl. BVerfG 15. Dezember 1987 - 1 BvR 563/85, 1 BvR 582/85, 1 BvR 974/86, 1 BvL 3/86 - zu C II 2 a der Gründe, BVerfGE 77, 308). Diese Bewertung gilt uneingeschränkt auch für das BzG BW. Es ist davon auszugehen, dass der Landesgesetzgeber in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht den Begriff der „politischen Weiterbildung“ verwendet, wofür besonders spricht, dass Tagungen erfasst sein sollen, an denen ein öffentliches Interesse besteht (Drucks. 15/6403 S. 13). |
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| (3) Der Beklagten kann auch nicht darin gefolgt werden, infolge des Fehlens eines Maßnahmenanerkennungsverfahrens nach dem BzG BW, dh. aus systematischen Gründen müsse von einem engen Verständnis des Begriffs „politische Weiterbildung“ ausgegangen werden. |
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| (a) Richtig ist zunächst im Ausgangspunkt dass im BzG BW nur eine Trägeranerkennung (§ 9 BzG BW) und ein dazu geschaffenes Trägeranerkennungsverfahren (§ 10 BzG BW), nicht aber eine Maßnahmenanerkennung und ein dazugehöriges Verfahren statuiert wurde. Damit ist die Frage, ob eine vom Arbeitnehmer besuchte bzw. zu besuchende Veranstaltung eine solche im Themenbereich des § 1 BzG BW war bzw. ist und der Arbeitnehmer daher Anspruch auf bezahlte Freistellung zum Besuch dieser Veranstaltung hat, im Streitfall von der Gerichten für Arbeitssachen zu klären. |
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| (b) Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt aber aus der in anderen Landesgesetzen (bspw. Bildungsgesetz Hessen) zu findenden Maßnahmenanerkennung gerade nicht, dass mit der Anerkennung der Maßnahme auch über die Voraussetzungen des Bestehens eines Anspruchs auf bezahlte Freistellung entschieden wäre. Vielmehr folgt aus verfassungsrechtlichen Gründen, dass der Anerkennung einer Bildungsveranstaltung nach dem Recht anderer Bundesländer keine weitere Bedeutung als der eines zusätzlichen Tatbestandsmerkmals zukommt, weil anderenfalls die betreffenden Regelungen nicht mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG iVm. Art 12 Abs. 1 Satz 1 GG vereinbar wären. Folglich kann im Streitfall auch nach den Gesetzen anderer Bundesländer - von den Gerichten für Arbeitssachen - überprüft werden, ob eine thematisch umstrittene Bildungsveranstaltung inhaltlich den gesetzlichen Leitvorgaben entspricht (vgl. zum Bildungsurlaubsgesetz Hessen: BAG 9. Februar 1993 - 9 AZR 648/90 - zu B I 3 der Gründe, BAGE 72, 200; 9. Februar 1993 - 9 AZR 203/90 - zu I 3 der Gründe, AP BildungsurlaubsG Hessen 1984 § 1 Nr. 1 = EzA HBUG § 9 Nr. 1). Damit sind die Anspruchsberechtigten nach den Landesgesetzen anderer Bundesländer nicht dadurch besser gestellt, dass die einzelne Maßnahme in einem gesetzlich bestimmten Verfahren anerkannt wurde. Vielmehr kann in diesem Fall weiter vom Arbeitgeber geltend gemacht werden, die einzelne Maßnahme sei keine in den Anwendungsbereich der maßgeblichen Norm fallende Veranstaltung. Deshalb gebietet es das Fehlen eines Maßnahmenanerkennungsverfahrens auch nicht, die Tatbestandsvoraussetzungen einer „politischen Weiterbildung“ eng bzw. einschränkend auszulegen. Ein gesetzliches Maßnahmenanerkennungsverfahren hat auf die Rechtsschutzmöglichkeiten von Arbeitgebern keinen Einfluss. |
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| (4) Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich auch aus der Gesetzgebungshistorie kein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber nur Tagungen, die über staatsbürgerliche Rechte und Pflichten unterrichten, unter den Begriff der „politischen Weiterbildung“ fassen wollte. |
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| (a) Richtig ist, dass sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt, dass der Landesgesetzgeber im Rahmen der Regelungsfolgenabschätzung und Nachhaltigkeitsprüfung die tatsächliche Inanspruchnahme von Bildungsfreistellungen in anderen Bundesländern mit jährlich ca. einem Prozent der Anspruchsberechtigten herangezogen und angenommen hat, ein solcher Umfang der Inanspruchnahme von Bildungsfreistellungen sei (für die Anspruchsgegner) zumutbar (Drucks. 15/6403 S. 11). |
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| (b) Daraus folgt jedoch gerade nicht, dass der Landesgesetzgeber in Baden-Württemberg von einem engeren Verständnis des Begriffs „politische Weiterbildung“ ausgegangen wäre. Vielmehr zeigt der angestellte Vergleich, dass der Gesetzgeber in Baden-Württemberg davon ausgegangen ist, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Bildungsurlaub in den - einen Anspruch vorsehenden - Bundesländern im Wesentlichen gleich sind. Der andernorts zu findende Umfang der Inanspruchnahme ist bei dieser Grundannahme folglich auch für eine Regelungsfolgenabschätzung für Baden-Württemberg tragfähig. Dies ist auch insoweit nachvollziehbar, als die mögliche Reichweite von Bildungsurlaubsregelungen verfassungsrechtlich determiniert (BVerfG 15. Dezember 1987 - 1 BvR 563/85, 1 BvR 582/85, 1 BvR 974/86, 1 BvL 3/86 - aaO) und davon auszugehen ist, dass der Landesgesetzgeber verfassungskonformes Recht schaffen will. Deshalb ergibt sich aus dem vom Gesetzgeber angestellten Vergleich gerade, dass er von einem weiten Anwendungsbereich des BzG BW und damit auch von einem weiten Verständnis des Begriffs der „politischen Weiterbildung“ ausgegangen ist. |
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| bb) Das vom Kläger besuchte Seminar „Aktiv im Betrieb“ fällt nach dem Vorstehenden unter die politische Weiterbildung und diente der Information über politische Zusammenhänge und der Mitwirkungsmöglichkeiten im politischen Leben iSv. § 1 Abs. 4 BzG BW. Dies hat der Kläger unter Vorlage der entsprechenden Seminarunterlagen dargelegt (vgl. zur Darlegungs- und Beweislast: BAG 9. Februar 1993 - 9 AZR 203/90 - zu II der Gründe, aaO). Maßgeblich ist insoweit zunächst das vom Veranstalter herausgegebene Programm und dessen Erklärungen, bspw. im Einladungsschreiben (vgl. BAG 9. Mai 1995 - 9 AZR 185/94 - zu III 2 der Gründe, aaO). Das einwöchige Seminar informierte und forderte zur Mitwirkung zu Fragen guter Arbeitsbedingungen im Betrieb auf. Es informierte über das System der betrieblichen Interessenvertretung, über die Rechte der Beschäftigten und der Interessenvertreter, forderte zum gemeinsamen Handeln für gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen und zukunftssichere Arbeitsplätze und machte vor allem die betriebliche Kommunikation (insb. auch in der Betriebsversammlung) zum (mitzugestaltenden) Thema. Die gesellschaftspolitische Bedeutung der betrieblichen Beteiligung von Beschäftigten und ihren Vertretern wurde thematisiert. Damit wurde über den Bestand verschiedener Institutionen in Unternehmen und Betrieben und zu Fragen der betriebs-politischen Zusammenarbeit von Arbeitnehmern und ihren Interessenvertretern informiert. Der Kläger erfuhr damit zugleich Grundzüge über den Aufbau demokratisch legitimierter Vertretungen und deren Mitsprache auf betrieblicher Ebene. Für den Kläger als Seminarteilnehmer war damit ein Erkenntnisprozess verbunden, der nicht nur seinem Verständnis über seinen Standort im Betrieb diente. Die Verbesserung seines Wissensstandes über Mitsprache und Mitwirkung für gute Arbeitsbedingungen im Betrieb kommt auch mittelbar der Beklagten als Arbeitgeberin zugute, die mit besser informierten Arbeitnehmern neue Ziele in wirtschaftlicher und betrieblich-sozialer Hinsicht besser verwirklichen kann als mit gleichgültigen, an Veränderungen desinteressierten Mitarbeitern, auch wenn es vordergründig so scheint, als sei der weniger gebildete, uninformierte Arbeitnehmer bequemer und damit leichter zu führen. Es besteht ein öffentliches Interesse daran, dass Arbeitgeber und die bei ihnen beschäftigten Arbeitnehmer möglichst innovationsfähig und auf die Herausforderungen der künftigen Arbeitswelt gut vorbereitet sind. Unschädlich ist, dass der Themenplan auch die Stellung der Gewerkschaften und ihrer Funktionsträger im Betrieb vorsah. Den Gewerkschaften sind durch das Betriebsverfassungsgesetz ausdrücklich bestimmte Aufgaben zugewiesen worden. Ein Seminar, das die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb zum Gegenstand hat, darf auch Stellung und Funktion der Gewerkschaften erörtern, soweit damit die betriebsverfassungsrechtliche Unterstützung der Gewerkschaften, nicht aber ihre allgemeinen Koalitionsaufgaben angesprochen werden (vgl. BAG 9. Februar 1993 - 9 AZR 648/90 - zu II 3 der Gründe, aaO). Letzteres ist - jedenfalls in einem nach § 6 Abs. 4 BzG BW schädlichem Umfang - aus dem Themenplan nicht ersichtlich und wird auch von der Beklagten nicht geltend gemacht. Entscheidend ist, ob insgesamt eine Veranstaltung der politischen oder beruflichen Weiterbildung stattgefunden hat (vgl. BAG 11. Mai 1993 - 9 AZR 289/89 - zu II der Gründe, BAGE 73, 138). Dies ist zu bejahen. |
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| d) Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt auch kein Ausschlussgrund nach § 6 Abs. 2 BzG BW vor, insbesondere war die Teilnahme nicht von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Partei, Gewerkschaft, einem Berufsverband, einer Religionsgemeinschaft oder einer ähnlichen Vereinigung abgängig gemacht worden, § 6 Abs. 2 Nr. 1 BzG BW. |
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| aa) Der Verwaltungsakt über die Anerkennung einer Bildungsstätte entfaltet allerdings weder Tatbestandswirkung noch begründet er eine Vermutung dafür, dass Veranstaltungen dieser Bildungseinrichtung für jedermann zugänglich sind. Die Zugänglichkeit für jedermann gehört zu den Tatbestandsmerkmalen des Entgeltfortzahlungsanspruchs und ist von demjenigen, der den Anspruch geltend macht, darzulegen und ggf. zu beweisen (vgl. BAG 21. Juli 2015 - 9 AZR 418/14 - Rn. 26, aaO; 16. August 1990 - 8 AZR 654/88 - zu III 3 b aa der Gründe, BAGE 65, 352). |
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| bb) Die vom Kläger besuchte Veranstaltung stand dem in § 2 Abs. 1 BzG BW als anspruchsberechtigt bezeichneten Personenkreis offen. Weder unmittelbar noch mittelbar hat der Veranstalter die Teilnahme von der Gewerkschaftszugehörigkeit abhängig gemacht. |
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| (1) Wendet sich die Veranstaltung nur an Gewerkschaftsmitglieder, ist sie nicht für jedermann zugänglich. Zur Begründung der Jedermannzugänglichkeit genügt nicht der Hinweis im Bildungsprogramm des Trägers, dass die Veranstaltung auch anderen Personen als Gewerkschaftsmitgliedern offensteht. Er muss außerdem so verlautbart sein, dass auch nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer davon Kenntnis nehmen können (BAG 21. Juli 2015 - 9 AZR 418/14 - Rn. 29, aaO; 9. November 1993 - 9 AZR 9/92 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 75, 58). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Nach der Beschreibung des Seminars wendet sich dieses ausdrücklich an „interessierte Arbeitnehmer(innen), Mitglieder des Betriebsrates, der Jugend- und Auszubildenden- sowie der Schwerbehindertenvertretung“, nicht hingegen nur an Gewerkschaftsmitglieder. Das gesamte Programm des IG Metall Bildungszentrums wird über die Internetseite der IG Metall publik gemacht, dh. auch gewerkschaftlich nicht organisierte Arbeitnehmer können vom Programm Kenntnis nehmen. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es hierbei völlig unerheblich, dass die Internetseite - selbstverständlich - mit dem Logo der IG Metall versehen ist. Dies schließt in keiner Weise aus, dass nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer das Programm zu Kenntnis nehmen können. Auch die Beklagte behauptet nicht, das Programm sei nur über einen nicht frei zugänglichen „Mitgliederbereich“ einsehbar. Die Information über das Internet ist anerkannt, gebräuchlich und gewährleistet eine allgemeine Zugänglichkeit (vgl. BAG 21. Juli 2015 - 9 AZR 418/14 - Rn. 31, aaO). |
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| (2) Ebenso wenig stellen die Gesamtkosten für das einwöchige Seminar iHv. insgesamt 1.575,50 Euro (Hotel-, Verpflegungskosten und Seminarkosten) ein die Zugänglichkeit für Arbeitnehmer mit Durchschnittsverdienst ausschließendes Hindernis dar. Grundsätzlich hat jeder Arbeitnehmer die Kosten einer Bildungsveranstaltung selbst zu tragen. Die Bildungseinrichtungen sind nicht verpflichtet, die Kosten für die Lehrmaterialien und Referenten sowie für die Unterbringung und Verpflegung der Teilnehmer selbst aufzubringen. Ob ein Arbeitnehmer das Weiterbildungsangebot eines Veranstalters annimmt, unterliegt seiner freien Entscheidung. Dazu hat jeder Arbeitnehmer die Möglichkeit, aus den vielfältigen, preislich höher oder niedriger gestalteten Angeboten auszuwählen. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte für Arbeitssachen, diese Wahlfreiheit zu beschränken (vgl. BAG 21. Juli 2015 - 9 AZR 418/14 - Rn. 35, aaO). Der Träger einer Weiterbildungsveranstaltung ist nicht verpflichtet, diese kostenfrei anzubieten. Wie das Bundesarbeitsgericht zudem klargestellt hat, kann der individuelle Gewerkschaftsbeitrag kein Kriterium für die ein Jedermannzugänglichkeit ausschließende Kostenbelastung sein; dieser Beitrag deckt den gesamten Aufgabenbereich der Gewerkschaft ab (vgl. BAG 21. Juli 2015 - 9 AZR 418/14 - Rn. 36, aaO). Anhaltspunkte, die zu weiteren Ausführungen zum Gewerkschaftsbeitrag veranlassen könnten, liegen nicht vor. |
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| (3) Der Zugänglichkeit für jedermann steht nicht entgegen, dass das Seminar als geeignet iSv. § 37 Abs. 7 BetrVG gekennzeichnet war. Grundsätzlich sind alle Themen, die sich mit der Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb befassen, geeignet, Gegenstand der Arbeitnehmerweiterbildung zu sein. Die Zugänglichkeit für jedermann wurde auch nicht durch den in das Programm aufgenommenen Hinweis auf eine Anerkennung der Veranstaltung für Betriebsräte nach § 37 Abs. 7 BetrVG aufgehoben. Die Veranstaltung war weder als Spezialschulung für Betriebsräte ausgeschrieben, noch wurden betriebsverfassungsrechtliche Fragen im engeren Sinne behandelt. Im Übrigen sind grundsätzlich alle Themen, die sich mit der Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb befassen, geeignet, Gegenstand der Arbeitnehmerweiterbildung zu sein. Diese bezweckt nicht nur die Information über gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge, sondern soll insbesondere auch den Einzelnen befähigen, sein soziales Umfeld mitzugestalten. Hierzu gehört auch die Mitwirkung in Arbeitnehmervertretungen. Eine gesellschaftspolitische Weiterbildung kann deshalb auch Kenntnisse vermitteln, die gleichzeitig Inhalt von Betriebsräteschulungen nach § 37 Abs. 6 oder Abs. 7 BetrVG sind(vgl. BAG 21. Juli 2015 - 9 AZR 418/14 - Rn. 34 mwN, aaO). |
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| Die Festsetzung des Urteilsstreitwerts beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG, es liegt die fortzuzahlende Vergütung im Zeitraum 12. bis 16. Dezember 2016 zugrunde. |
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