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| Die Klage ist zulässig (A), aber unbegründet (B). Der Klägerin steht die höhere Vergütung nach der Entgeltgruppe 9 des Entgelttarifvertrages vom 17.02.2007 nicht zu. |
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| Die Klage ist als sogenannte Eingruppierungsfeststellungsklage zulässig. |
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| Mit der Eingruppierungsfeststellungsklage begehrt der Beschäftigte, der nach einer niedrigeren tariflichen Entgeltgruppe/Vergütungsgruppe/Lohngruppe vergütet und auch sonst rechtlich behandelt wird, die Feststellung der Verpflichtung seines beklagten Arbeitgebers, an ihn Entgelt/Vergütung/Lohn nach einer anderen, höheren Gruppe zu zahlen und ihn auch in sonstiger rechtserheblicher Beziehung entsprechend zu behandeln (BAG 22. Januar 2003 - 4 AZR 700/01 - AP Nr. 24 zu § 24 BAT). |
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| Insbesondere das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht bei Streitigkeiten um die Eingruppierung im öffentlichen Dienst regelmäßig gegeben (BAG 31. Juli 2002 - 4 AZR 163/01 - NZA 2003, 445). Da sich die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes der gerichtlichen Entscheidung über eine Eingruppierungsfeststellungsklage in aller Regel beugen und der Rechtsfrieden bereits dadurch hergestellt wird, genießt die Leistungs- bzw. Zahlungsklage keinen Vorrang (BAG 5. November 2003 - 2 AZR 632/02 - AP Nr. 83 zu § 256 ZPO 1977). |
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| Die Klage ist aber unbegründet, weil die Klägerin die Voraussetzungen für eine Eingruppierung nach Entgeltgruppe 9 der Anlage 2 zu § 3 des Entgelttarifvertrages nicht dargelegt hat. |
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| 1. Die Frage nach der zutreffenden Eingruppierung beantwortet sich nach der auszuübenden Tätigkeit des Beschäftigten. Darauf nimmt sowohl § 3 Abs. 1 des Tarifvertrages („Tätigkeitsmerkmale“) als auch dessen Anlage 2 Bezug, nach deren Einleitungssatz die „ausgeübte Tätigkeit“ für die in den jeweiligen Entgeltgruppen genannten Beispiele relevant sind, die wiederum die Tätigkeiten der entsprechenden Obermerkmale konkretisieren. |
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| Mit Erfüllung des Tätigkeitsbeispiels einer Vergütungsgruppe liegen zugleich deren Voraussetzungen vor. Denn die Tarifvertragsparteien haben den Anschluss an allgemeine Tätigkeitsmerkmale Beispielstätigkeiten angeführt, die sie mit „zum Beispiel“ einleiten. Dies hat nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine zweifache Bedeutung. Übt der Arbeitnehmer eine der Beispielstätigkeiten aus, dann sind nach dem Willen der Tarifvertragsparteien die Merkmale der betreffenden Vergütungsgruppe erfüllt. Nur wenn dies nicht der Fall ist, ist zu prüfen, ob die allgemeinen Merkmale der begehrten Vergütungsgruppe aus anderen Gründen erfüllt sind. Allerdings bedürfen die Merkmale eines Tätigkeitsbeispiels ihrerseits der Auslegung, um den Willen der Tarifvertragsparteien gerecht zu werden (BAG 15. Juni 1994 - 4 AZR 327/93 - Rn. 43 ff., juris, mwN zur Rechtsprechung; 26. Juli 1995 - 4 AZR 280/94 - Rn. 26, juris). |
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| 2. Bei Aufbaufallgruppen, d. h. Fallgruppen innerhalb einer Vergütungsordnung, die in der Weise aufeinander aufbauen, dass eine Anforderung des niedriger bewerteten Tätigkeitsmerkmals in einem quantitativ höherem Maße gegeben sein muss oder dass allein eine zusätzliche Anforderung gestellt wird, ist zunächst zu prüfen, ob die allgemeinen Anforderungen der niedrigeren Vergütungsgruppe erfüllt sind und anschließend, ob die Merkmale der darauf aufbauenden, höheren Vergütungsgruppe vorliegen (BAG 23. Februar 2011 - 4 AZR 313/09 - Rn. 21, juris; 25. Februar 2009 - 4 AZR 20/08 - Rn. 28, AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 310). |
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| 3. Bei der Eingruppierungsfeststellungklage hat der Kläger deshalb diejenigen Tatsachen vorzutragen und im Bestreitensfall zu beweisen, aus denen sich der von ihm behauptete Anspruch auf Zahlung eines Entgelts oder einer Vergütung aus der in Anspruch genommenen Entgelt- oder Vergütungsgruppe ergibt. Er hat mithin diejenigen Tatsachen vorzutragen, aus denen der rechtliche Schluss möglich ist, dass er die von ihm beanspruchten Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe einschließlich der Qualifizierungsmerkmale erfüllt. Aus den vorgetragenen Tatsachen muss das Gericht rechtlich folgern können, welche Arbeitsvorgänge von den Beschäftigten zu erbringen sind. Es sind deshalb Einzelheiten der Tätigkeiten vorzutragen und im Einzelnen die Arbeitsinhalte darzustellen. Darüber hinaus sind Angaben dazu zu machen, welche Arbeitsergebnisse zu erarbeiten sind, welche Zusammenhangstätigkeiten anfallen und ob und wie die Einzelaufgaben voneinander abgrenzbar sind. |
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| Im Hinblick auf das Erfordernis der überwiegend auszuübenden Tätigkeit gehört auch die Angabe der jeweiligen Anteile der Tätigkeiten an der Gesamtarbeitszeit zur Schlüssigkeit des klägerischen Vorbringens. Sind - auch geschätzte - zeitliche Anteile vorgetragen und nicht widersprochen und bestritten, gelten sie aber als zugestandene Tatsachen. |
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| Der Sachvortrag des Klägers muss weiter erkennen lassen, dass die auszuübenden Tätigkeiten den tariflichen Rechtsbegriff erfüllen. Es bedarf somit eines substanziierten Sachvortrags im Hinblick auf die jeweils in Betracht kommenden unbestimmten Rechtsbegriffe wie z. B. gründliche und vielseitige Fachkenntnisse, selbständige Leistungen usw.. Die diesbezüglichen Ausführungen sind zudem den einzelnen Arbeitsinhalten (Arbeitsvorgängen) zuzuordnen. Eine formelhafte Wiederholung der tariflichen Tätigkeitsmerkmale genügt ebenso wenig wie eine in tatsächlicher Beziehung lückenlose und genaue Darstellung der Tätigkeiten und Einzelaufgaben, wenn sich hieraus nicht zugleich entnehmen lässt, aufgrund welcher konkreter Tatsachen die jeweils in Betracht kommenden Tätigkeitsmerkmale erfüllt sind. |
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| Beruft sich der Kläger auf ein Heraushebungsmerkmal, so hat er nicht nur seine eigene Tätigkeit im Einzelnen darzustellen. Vielmehr muss er Tatsachen darlegen, die einen wertenden Vergleich mit den nicht herausgehobenen Tätigkeiten ermöglichen. Der Vortrag muss insoweit erkennen lassen, wodurch sich die Tätigkeit gerade aus der nicht herausgehobenen Tätigkeit heraushebt und einen wertenden Vergleich mit diesen nicht unter das Hervorhebungsmerkmal fallenden Tätigkeiten erlauben (BAG 18. Februar 1998 - 4 AZR 581/96 - NZA 1998, 950; 23. Januar 2002 - 4 AZR 745/00 - juris; 23. Februar 2011 - 4 AZR 313/09 - Rn. 21, juris mwN). |
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| Bauen die Tätigkeitsmerkmale aufeinander auf, hat der Kläger umfassend zu allen in Betracht kommenden Entgelt- bzw. Aufbaufallgruppen vorzutragen und sich in seinem Vortrag nicht von vornherein auf die höhere Entgelt- bzw. Vergütungsgruppe zu beschränken. Er hat zunächst konkret vorzutragen, dass er die allgemeinen Anforderungen der niedrigeren Entgelt- bzw. Vergütungsgruppe erfüllt und anschließend, dass auch die Merkmale der darauf aufbauenden höheren Vergütungsgruppe vorliegen. |
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| Wenn die Parteien die Tätigkeit des Arbeitnehmers als unstreitig ansehen und der Arbeitgeber selbst für die Tätigkeit die Tätigkeitsmerkmale als erfüllt betrachtet, so ist zwar eine pauschale Prüfung durch das Gericht ausreichend. Der Kläger muss aber zumindest so viel vortragen, dass dem Gericht eine pauschale Prüfung möglich ist, welche Tatumstände für die Erfüllung der Tätigkeitsmerkmale der niedrigeren Entgelt- bzw. Vergütungsgruppe heranzuziehen sind (BAG 16. Oktober 2002 - 4 AZR 579/01 -, 12. Mai 2004 - 4 AZR 371/03 - AP Nr. 294 und Nr. 301 zu §§ 22, 23 BAT 1975). |
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| Diesen Voraussetzungen genügt das Vorbringen der Klägerin nicht. Ihm lässt sich insbesondere nicht entnehmen, dass die von ihr überwiegend ausgeübten Tätigkeiten in ihrer Wertigkeit oberhalb der Entgeltgruppe 8 anzusiedeln sind. |
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| 1. Nach dem 1. Abs. der Anl. 2 des Entgelttarifvertrages erfolgt die Eingruppierung der Beschäftigten anhand der Beispiele, sofern die ausgeübte Tätigkeit von einem Beispiel erfasst wird. Die Beispiele konkretisieren das entsprechende Obermerkmal und gehen diesem vor. |
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| Die Klägerin unterfällt keinem der Beispiele der Entgeltgruppe 9. Sie ist insbesondere weder nach der Stellenbezeichnung noch nach ihrem eigenen Vorbringen Fachreferentin im Sinne der EG 9 Beispiel 3 oder EG 8 Beispiel 3. Beruft sich die Klägerin doch gerade darauf, dass der Beispielskatalog der Entgeltgruppe 9 nicht abschließend sei und lediglich der Orientierung für die Wertigkeit der Tätigkeit diene (Schriftsatz vom 05.05.2014 Bl. 8 unten sowie Bl. 16 unten = ABl. 90, 99). Damit korrespondiert, dass es bei der Beklagten oberhalb der Sachbearbeiterebene sowohl in der Abteilung „Recht“ Fachreferenten gibt (Anl. K 10 = ABl. 113) als auch in der Abteilung „Regress/Erstattungen“ (Anl. K 5 „Telefonliste“ = ABl. 104). |
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| 2. Im Ansatz zutreffend beruft sich die Klägerin deshalb auf die im Verhältnis zu den Beispielsfällen nachrangigen Obermerkmale der Entgeltgruppe 9. |
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| Aus dem Wortlaut des Tarifvertrages ergibt sich allerdings nicht unmittelbar, in welchem Umfang die die jeweilige Entgeltgruppe prägenden Tätigkeiten anfallen müssen. |
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| a) Tarifverträge sind nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln auszulegen. Ausgehend vom Tarifwortlaut ist der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen, ohne an Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Erlaubt der Tarifwortlaut kein abschließendes Ergebnis, ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und oft nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm ermittelt werden kann. Ergänzend können weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung herangezogen werden. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG 20. Januar 2009 - 9 AZR 677/07 - Rn. 35, juris; BAG 21. Juli 1993 - 4 AZR 468/92 - zu B. II. 1. a) aa) der Gründe, BAGE 23, 364; BAG 15. Juni 1994 - 4 AZR 327/93 - Rn. 45 juris). |
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| Danach ist davon auszugehen, dass die Eingruppierung in eine bestimmte Entgelt gruppe des Tarifvertrages erst dann gerechtfertigt ist, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eine Tätigkeitsmerkmals oder mehreren Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe erfüllen. Nur dann wird die Tätigkeit insgesamt von einer entsprechenden Wertigkeit ge prägt. Dieses - Sinn und Zweck des Tarifvertrages entsprechende Erfordernis ergibt sich auch aus systematischen Erwägungen, weil der Tarifvertrag an anderer Stelle das Vorliegen eines Merkmals zu einem niedrigeren Anteil genügen lässt. So genügt es nach dem Obersatz der Entgeltgruppe 7, dass sich die dort genannten Tätigkeiten (nur) zu einem Drittel durch die besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Entgeltgruppe 6 herausheben. |
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| Von diesem Verständnis geht offensichtlich auch die Klägerin aus, die im April 2008 noch die Eingruppierung in die Entgeltgruppe 8 beanspruchte. Damals belief sich der Anteil der Klagen noch nicht über 50 % (Schriftsatz vom 05.05.2014 vorletzte Seite = ABl. 100). |
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| b) Allerdings hat die Beklagte eingewandt, aus den Tätigkeitsaufschrieben der Klägerin ergebe sich ein deutlich geringerer Zeitanteil bei der Bearbeitung von Klageverfahren als von ihr reklamiert. Dem kann nicht gefolgt werden, weil insofern auf den Arbeitsvorgang „Durchführen von zivilrechtlichen Klageverfahren“ abzustellen ist. |
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| aa) Ein Arbeitsvorgang ist eine unter Hinzurechnung von Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten. Tatsächlich trennbare Tätigkeiten mit unterschiedlicher Wertigkeit können jedoch nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefasst werden (BAG 31. Juli 2002 - 4 AZR 129/01 - BAGE 102, 89; 29. November 2001 - 4 AZR 736/00 - BAGE 100, 35; BAG 8. September 1999 - 4 AZR 688/98 - NZA 200, 378; BAG AP Nr. 226, 237, 257 zu §§ 22, 23 BAT 1975). |
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| bb) Danach verweist die Klägerin zu Recht darauf, dass periphere Aufgaben, die sie in ihrer Auflistung für den Zeitraum vom 27. Februar 2014 bis zum 16. April 2014 nicht aufgeführt hat wie beispielsweise das Kopieren von Unterlagen, Verbringen von Post, Dokumentationen usw. Zusammenhangstätigkeiten in Bezug auf die Haupttätigkeit sind. Im Übrigen können und dürfen Sonderaufgaben insbesondere die Durchführung von Personalratswahlen nicht in Betracht gezogen werden. |
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| Zwar hat die Klägerin variierend und zum Teil widersprüchlich zu den von ihr verrichtenden Tätigkeiten vorgetragen. So umfasse der Arbeitsauftrag der Klägerin 100 % Klageverfahren (Bl. 2 des Schriftsatzes vom 30.06.2014 = ABl. 121), wohingegen an anderer Stelle nur von 75 % die Rede ist (Bl. 8 des Schriftsatzes vom 05.05.2014 = ABl. 90). Für den hier maßgeblichen Zeitraum ist des Weiteren davon auszugehen, dass die Geschäftsvorfälle „Insolvenzen Geschäftsführer“ allenfalls noch im Jahre 2012 bei der Klägerin und mithin nicht mehr dauerhaft anfielen (Bl. 3 des Schriftsatzes vom 05.05.2014 = ABl. 85). |
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| Die Kammer geht aber davon aus, dass die Klägerin überwiegend und nicht nur vorübergehend zeitlich mindestens zur Hälfte Klageverfahren bearbeitet. |
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| Damit korrespondiert das Vorbringen der Beklagten, die Klägerin übe die abteilungsinterne Beratung in zivilrechtlichen und vollstreckungsrechtlichen Fragestellungen lediglich von Fall zu Fall aus; auch Haftungsfälle bearbeite sie in sehr selten Vertretungsfällen. |
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| cc) Darüber hinaus geht die Kammer davon aus, dass die Durchführung zivilrechtlicher Klageverfahren als einheitlicher Arbeitsvorgang zu werten ist, ohne Unterscheidung danach, ob die Klägerin ein Klageverfahren vor dem Amtsgericht selbst durchführt oder lediglich die Korrespondenz und Informationsvermittlung an einen Anwalt vornimmt. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass insofern zu differenzieren ist. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus der Stellenbeschreibung (ABl. 68). Unter das Bearbeiten von zivilrechtlichen Klageverfahren fällt danach: |
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| - Beurteilen der Wirtschaftlichkeit und Erfolgsaussicht einer Klage - Erstellen von Klageschriften, Schriftsätzen und Repliken - Recherchieren von Beweismitteln - Korrespondieren mit Anwälten - Wahrnehmen von Gerichtsterminen - Einlegung von Rechtsmitteln - Vorbereiten und Durchführen von Verfassungsbeschwerden (...) - Vorbereiten und Durchführen des selbständigen Beweisverfahrens (...) |
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| Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Klägerin zeitlich mehr als die Hälfte Arbeitsvorgänge mit dem Gegenstand zivilrechtlicher Klageverfahren durchführt. |
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| 3. Bei der Durchführung von Klageverfahren handelt es sich aber nicht um Tätigkeiten im Sinne der tariflichen Entgeltgruppe 9, die eine abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung oder gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten erfordern. |
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| a) Eine solche Qualifikation ist keine formale Voraussetzung für die Tätigkeit der Klägerin. Insbesondere ist das Einreichen von Schriftsätzen bei den Amtsgerichten nicht daran gebunden. Erst die den Rechtsanwälten vorbehaltene Tätigkeit vor den Landgerichten setzt eine wissenschaftliche Hochschulbildung voraus. Die Gleichstellung gleichwertiger Kenntnisse und Fähigkeiten belegt, dass es nicht darauf ankommt, dass die Klägerin tatsächlich eine abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung hat. |
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| b) Die Klägerin hat hinsichtlich der gebotenen inhaltlichen Betrachtung ihre Tätigkeiten nicht zur Überzeugung des Gerichts dargelegt, dass eine abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung zur Ausübung ihrer Tätigkeiten erforderlich ist. |
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| Dabei ist bei den vorliegenden aufeinander aufbauenden Fallgruppen nach den oben dargestellten Grundsätzen zunächst zu prüfen, ob die allgemeinen Anforderungen der niedrigeren Vergütungsgruppe erfüllt sind und anschließend, ob die Merkmale der darauf aufbauenden höheren Vergütungsgruppe vorliegen. |
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| aa) Die Klägerin nahm nach ihrem Vorbringen in der Klageschrift bis Mai 2007 zunächst Aufgaben der Entgeltgruppe 7 war, insbesondere die Realisierung von Ersatzansprüchen nach § 116 SGB X und Bearbeitung von Arzthaftpflichtfällen. Ab dem 01.06.2007 wurden ihre Aufgaben geändert und sie bearbeitete zivilrechtliche Klageverfahren im Umfang von 50 %. Das Aufgabenspektrum erweiterte sich dann zum 01.09.2009 um Aufgaben aus dem Bereich Betragsrecht bzgl. Insolvenzen. Der zeitliche Anteil der Klageverfahren an der Gesamtarbeitszeit der Klägerin nahm den Umfang von 80 % an und der Aufgabenbereich Realisierung von Ersatzansprüchen fiel weg. Deswegen erhielt die Klägerin eine Tätigkeitszulage zur Entgeltgruppe 8. Ab dem 01.04.2010 erreichte der Umfang der Klageverfahren und rechtliche Beratung 100 %. |
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| Daraus wird ersichtlich, dass die Klägerin bereits zu einem Zeitpunkt, zu welchem sie selbst die Höhergruppierung in die Entgeltgruppe 8 reklamierte (April 2008) Klageverfahren in einem Umfang von mehr als der Hälfte ihrer persönlichen Arbeitszeit durchführt. Daraus rechtfertigte sich die Gewährung der Zulage in Höhe der Entgeltdifferenz zwischen der Entgeltgruppe 7 und 8 nach § 4 des Entgelttarifvertrages. |
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| Auch die Klägerin geht davon aus, dass es sich bei der Bearbeitung von Haftpflichtfällen ohne Klageverfahren um Tätigkeiten der Entgeltgruppe 7 handelt. Danach sind zB. die Arbeitskräfte V... und M... der Abteilung Regress eingruppiert, die Verkehrsunfälle, Glatteis- und Sportunfälle sowie Arzthaftpflichtfälle bearbeiten und Mahnverfahren durchführen. |
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| Nach dem übereinstimmenden Verständnis der Parteien handelt es sich deshalb dabei um Tätigkeiten, die gründliche, umfassende Fachkenntnisse und selbständige Leistungen erfordern, mit einer besonderen Verantwortung verbunden sind und sich zu einem Drittel durch die besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Entgeltgruppe 6 herausheben. |
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| bb) Demgegenüber ist die Entgeltgruppe 8 anzuwenden auf Beschäftigte mit Tätigkeiten, die sich durch das Maß der Verantwortung aus der Entgeltgruppe 7 herausheben. |
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| (1) Nach Sinn und Zweck der Tarifnormen ist auch die Bedeutung des Wortes „Verantwortung“ im allgemeinen Sprachgebrauch zurückzugreifen. Dieser versteht darunter die mit einer bestimmten Stellung oder Aufgabe verbundene Verantwortung, dh. die Verpflichtung, der jeweiligen Stellung oder Aufgabe entsprechend dafür zu sorgen, dass innerhalb eines bestimmten Rahmens oder Lebensbereiches alles einen guten Verlauf nimmt. Von einer „besonderen Verantwortung“ kann nur dort gesprochen werden, wo sich die Tätigkeit des Angestellten, gemessen und ausgehend von der Summe der Erfordernisse der Vergütungsgruppe, aus welcher Sicht die Tätigkeit durch eine besondere Verantwortlichkeit herausheben muss, durch das Maß der geforderten Verantwortung in gewichtiger, beträchtlicher Weise heraushebt. Gefordert ist ein wertender Vergleich mit dem unausgesprochen in dem letztgenannten Tätigkeitsmerkmal vorausgesetzten Maß der Verantwortung (BAG 29. Januar 1986 - 4 AZR 465/84 - AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975; 9. Mai 2007 - 4 AZR 351/06 - juris; 27. August 2008 - 4 AZR 470/07 - ZTR 2009, 143). |
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| Dementsprechend ist bei der Entgeltgruppe 8 als zweiter Beispielsfall genannt: |
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| „Sachbearbeiter mit besonderen Aufgaben der Sachbearbeitung, der sich durch besondere Schwierigkeit oder Bedeutung oder das Maß der Verantwortung aus der Entgeltgruppe 7 heraushebt.“ |
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| (2) Auch die Beklagte gesteht der Klägerin zu, dass die Tätigkeit „Durchführen zivilrechtlichen Klageverfahren“ mit den Einzelaufgaben, die in der Stellenbeschreibung vom 29.10.2012 aufgeführt sind, sich durch das Maß der Verantwortung bei wertender Betrachtung gegenüber der Entgeltgruppe 7 abhebt. Denn die Klägerin hat zusätzlich zur inhaltlichen Bearbeitung der Verfahren, die nach § 116 SGB X übergegangene Ansprüche zum Gegenstand haben, beispielsweise Entscheidungen über das weitere Vorgehen gegebenenfalls im Klageverfahren oder Mahnverfahren zu treffen. Sie hat dabei die Wirtschaftlichkeit und die Erfolgsaussicht einer Klage zu beurteilen. Sie hat dabei höhere Anforderungen gegenüber der außergerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen hinsichtlich der Abfassung von Klagen und Instruktion/Kommunikation mit Rechtsanwälten zu erfüllen. Sie hat sich mit den Beweisquellen zu befassen und gegebenenfalls Beweismittel zu recherchieren. Sie erfüllt damit besondere Aufgaben der Sachbearbeitung, die sich jedenfalls durch das Maß der Verantwortung aus der Sachbearbeitung von Ersatzansprüchen heraushebt, deren Aufgabe das Erkennen, Geltendmachen und die Abrechnung solcher Ersatzansprüche ist. Wenn durch die Sachbearbeitung kein Erfolg erzielt werden kann oder Fälle strittig bleiben, werden diese zur rechtlichen Prüfung an die Klägerin abgegeben. |
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| (3) Auch nach dem Vorbringen der Klägerin bleibt aber der Fall als solcher derselbe. Der Ersatzanspruch wird lediglich auf einem anderen Weg weiterverfolgt. Dadurch unterscheidet sich die Tätigkeit der Klägerin von der eines Sozialversicherungsangestellten mit mehrjähriger Berufserfahrung und gegebenenfalls Weiterbildung auf einem Regresslehrgang (sogenannter BRSE-Lehrgang). In materiell-rechtlicher Hinsicht unterscheiden sich die erforderlichen Kenntnisse des außervertraglichen Schuldrechts, des Sozialrechts, des Medizinrechts und des Verkehrsrechts hingegen nicht in entscheidungserheblicher Weise. Mit der Beklagten ist davon auszugehen, dass unabhängig vom jeweiligen Streitwert Sachverhalte mit wiederkehrenden rechtlichen Fragestellungen zu bearbeiten sind. Hinzu tritt, dass die Klägerin auf die Vorarbeit der Sachbearbeiter des jeweiligen Falles zurückgreifen kann. |
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| (4) Die von der Klägerin als Anlage zum Schriftsatz vom 30.06.2014 vorgelegten Klageverfahren rechtfertigen keine andere Bewertung. Die Anlage A 2 (ABl. 128 bis 130) betrifft eine Schadensersatzforderung auf Grund einer Schlägerei. Die Klagebegründung erstreckt sich über ca. 1,5 DINA4-Seiten, ohne dass eine Anspruchsgrundlage benannt wurde. |
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| Der Antrag im selbständigen Beweisverfahren (ABl. 133 bis 135) ist ebenfalls in der gebotenen Kürze gehalten und betrifft die Frage, ob ein Suizidversuch eines an einer paranoiden Schizophrenie Erkrankten durch die Einhaltung ärztlicher Sorgfaltspflichten hätte abgewandt werden können. |
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| Auch insofern ist von einem eher schematisch zu bearbeitenden Vorgang auszugehen. Auch das vorgelegte Schreiben zur Beauftragung eines Rechtsanwalts, ein Berufungsverfahren durchzuführen (ABl. 136, 137), lässt nicht erkennen, dass hierfür eine abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung erforderlich wäre. |
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| In sämtlichen Fällen handelt es sich um eher einfach gelagerten Fragen aus dem Bereich des Haftungsrechts, die zu beantworten sind. |
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| cc) Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin darauf, aus den in den Entgeltgruppen genannten Beispielen lasse sich die Wertigkeit der Tätigkeit ableiten. |
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| Nach der Entgeltgruppe 8 steht dem Sachbearbeiter mit besonderen Aufgaben der Sachbearbeitung (Beispielsfall 2) der Teamleiter gleich, der mindestens 8 Sachbearbeiter bis Entgeltgruppe 7 ständig unterstellt sind (Beispielsfalls 1) sowie der Fachreferent, zB. Grundsatz für spezielle Aufgabengebiete (Beispielsfall 3). Aus der Fußnote 7 der Anl. 2 zum Entgelttarifvertrag ergibt sich, dass typische Aufgaben eines Fachreferenten ua. sind: |
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| - Erstellen von Dienstanweisungen und Arbeitsanleitungen - Analysieren und Bewerten komplexer Sachverhalte (zB. Rechtsänderungen) - Vertragsverhandlungen. |
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| Dagegen ist in der Entgeltgruppe 9 ein Sachbearbeiter als Beispielsfall nicht aufgeführt, vielmehr: |
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| 1. Leiter einer Filiale 2. Leiter bei der Zentrale 3. Fachreferent, die sich durch besondere Schwierigkeit oder Bedeutung oder das Maß der Verantwortung aus der Entgeltgruppe 8 heraushebt zB. Grundsatz für umfassende Aufgabengebiete und Revision 4. Teamleiter, die sich durch das Maß der Verantwortung aus der Entgeltgruppe 8 herausheben (Abwesenheitsvertreter in größeren Filialen und Abteilungen) 5. Verkaufsleiter. |
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| Bei einer vergleichenden und wertenden Betrachtung kann die Klägerin nach ihrer Tätigkeit nicht mit den in den Beispielsfällen genannten Personen gleichgesetzt werden. Die Beispielsfälle 1, 2, 4 und 5 betreffen Leitungsfunktionen, die die Klägerin zweifelsfrei nicht innehat. Der Beispielsfall 3 betrifft einen Fachreferenten, zu dessen typischen Aufgaben bereits das Analysieren und Bewerten komplexer Sachverhalte gehört und der sich darüber hinaus durch besondere Schwierigkeit oder Bedeutung oder das Maß der Verantwortung aus der Entgeltgruppe 8 herausheben muss. Bei abstrakter Betrachtung haben die Aufgaben der Klägerin diese Wertigkeit nicht. |
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| c) Ohne Erfolg vergleicht sich die Klägerin mit den Fachreferenten aus der Rechtsabteilung. Diese betreuen ein anderes Rechtsgebiet als die Klägerin und treten für die Beklagte regelmäßig vor Gericht auf. Wie sich aus der Bezeichnung ergibt, sind sie den oberhalb der Klägerin angesiedelten Fachreferenten der Abteilung Regress gleichgestellt. |
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| Die Klage war deshalb abzuweisen. Auf die Frage des Verfalls etwaiger Ansprüche nach der Ausschlussfrist kommt es nicht an. |
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| Als unterlegene Partei hat die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 91 Abs. 1 ZPO. |
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| Der Wert des Streitgegenstandes war nach § 61 Abs. 1 ArbGG festzusetzen und beläuft sich auf den 42-fachen Differenzbetrag zwischen der begehrten und gewährten Vergütung zuzüglich den bei Klageeinreichung aufgelaufenen Rückstände. Der Betrag entspricht nicht den für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert nach § 42 Abs. 2 GKG. |
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