Arbeitsgericht München Endurteil, 25. Juni 2019 - 16 Ca 13174/18

published on 25/06/2019 00:00
Arbeitsgericht München Endurteil, 25. Juni 2019 - 16 Ca 13174/18
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Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für den Monat September 2018 weitere ... brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 01.10.2018 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für den Monat Oktober 2018 weitere ... brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 01.10.2018 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für den Monat November 2018 weitere ... brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 01.12.2018 zu zahlen.

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin über den 01.09.2018 hinaus nach der Entgeltgruppe ERA-EG10 B zu vergüten.

5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

6. Die Klägerin hat 20 %, die Beklagte 80 % der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

7. Der Streitwert wird auf 25.584,46 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Eingruppierung der Klägerin bzw. die Höhe ihrer Bruttomonatsvergütung sowie im Zusammenhang damit über rückständiges Gehalt.

Zwischen den Parteien besteht seit dem 15.12.1997 ein Arbeitsverhältnis. Die Klägerin wird am Standort M. als Assistentin beschäftigt. Arbeitsvertraglich wurde vereinbart, dass die Tarifbestimmungen der bayerischen Metallindustrie zur Anwendung kommen sollen (vgl. Bl. 82 d.A.).

Am 01.11.2005 trat der ERA-Einführungstarifvertrag für die bayerische Metall- und Elektroindustrie (im Folgenden: ERA-ETV, Bl. 157 ff. d.A.) in Kraft. Der ERA-ETV enthält unter anderem folgende Regelungen:

„§ 3 ERA-Ersteingruppierung

1. Im Rahmen der Einführung des ERA-TV und der hieraus resultierenden Ersteingruppierung der Arbeitnehmer gilt in Abänderung der §§ 99 ff. BetrVG nachfolgende Regelung.

2. (I) Der Arbeitgeber teilt dem Betriebsrat möglichst frühzeitig, spätestens 4 Monate vor der betrieblichen Einführung des ERA-TV, die beabsichtigte Eingruppierung des Arbeitnehmers mit. Dabei hat er dem Betriebsrat die erforderlichen Unterlagen/Informationen zu geben (u.a. schriftliche oder mündliche Aufgabenbeschreibung).

(II) Ist der Betriebsrat der Meinung, dass die Eingruppierung nicht dem Tarifvertrag entspricht, kann er innerhalb von 8 Wochen der vom Arbeitgeber beabsichtigten Eingruppierung mindestens unter Angabe der vom Betriebsrat für richtig gehaltenen Entgeltgruppe widersprechen. Der Betriebsrat soll seinen Widerspruch begründen.

Stimmt der Betriebsrat der Eingruppierung zu oder erfolgt innerhalb der Frist kein Widerspruch, ist das Eingruppierungsverfahren nach § 99 BetrVG abgeschlossen.

3. Im Falle eines Widerspruchs durch den Betriebsrat hat sich eine paritätische Kommission unverzüglich mit der Eingruppierung zu befassen.

Durch freiwillige Betriebsvereinbarung kann geregelt werden, dass mehrere paritätische Kommissionen gebildet werden.

Die paritätische Kommission besteht aus mindestens 4 Mitgliedern. Die Mitglieder und ihre Stellvertreter sind je zur Hälfte vom Betriebsrat und vom Arbeitgeber zu benennen und müssen dem Betrieb bzw. dem Unternehmen angehören. Durch freiwillige Betriebsvereinbarung kann die Anzahl der Mitglieder erhöht werden.

Den Mitgliedern der paritätischen Kommission sind die notwendigen Unterlagen/Informationen zur Verfügung zu stellen; die Arbeit der paritätischen Kommission ist durch die zuständigen betrieblichen Stellen zu unterstützen. Die paritätische Kommission kann weitere Regelungen zur organisatorischen Abwicklung ihrer Aufgaben treffen.

4. Kommt die paritätische Kommission innerhalb einer Frist von 4 Wochen ab dem Widerspruch des Betriebsrats nicht zu einer Entscheidung, so entscheidet auf Antrag einer Betriebspartei eine tarifliche Schlichtungsstelle endgültig.

Erfolgt innerhalb einer weiteren Frist von 1 Woche keine Anrufung der tariflichen Schlichtungsstelle, ist das Eingruppierungsverfahren nach § 99 BetrVG abgeschlossen.

5. Die tarifliche Schlichtungsstelle besteht aus einem unparteiischen Vorsitzenden und je zwei Beisitzern. Der unparteiische Vorsitzende wird aus einem von den Tarifvertragsparteien vereinbarten Pool von den Betriebsparteien gemeinsam benannt. Kommt eine Einigung über die Person des Vorsitzenden nicht zustande, so wird der Vorsitzende von den Tarifvertragsparteien bestimmt. Die Beisitzer, von denen je einer dem Unternehmen angehören muss, werden von den Tarifvertragsparteien benannt. Die Betriebsparteien können sich mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien auf einen Vorsitzenden einigen, der nicht dem Pool angehört.

Kommt die tarifliche Schlichtungsstelle innerhalb einer Frist von 4 Wochen ab ihrer Anrufung zu keiner Entscheidung, ist das Eingruppierungsverfahren nach § 99 BetrVG abgeschlossen. Diese Frist kann von den Tarifvertragsparteien einvernehmlich verlängert werden.

6. Den Betriebsparteien steht gegen die Entscheidung der tariflichen Schlichtungsstelle innerhalb von 2 Wochen ab Mitteilung der Entscheidung der Rechtsweg nur im Hinblick auf Verfahrensfehler oder grobe Verkennung der tariflichen Eingruppierungsgrundsätze (§§ 2, 3 ERA-TV) offen.

7. Die Eingruppierung des Arbeitnehmers ist vorläufig, wenn trotz Einhaltung der Frist gemäß Ziffer 2 Abs. (I) das Verfahren zum Termin der ERA-Einführung noch nicht abgeschlossen ist. Gleiches gilt, wenn die Frist wegen einer Neueinstellung bzw. Änderung der Arbeitsaufgabe nicht eingehalten werden kann.

Die endgültige Eingruppierung wirkt rückwirkend ab ERA-Einführung. Weicht diese von der vorläufigen Eingruppierung ab, so findet eine Nachberechnung statt.

8. Sofern sich die Arbeitsaufgabe nicht ändert, bleibt es für die Dauer von 3 Jahren nach der ERA-Einführung bei der Ersteingruppierung, d.h. weder Betriebsrat noch Arbeitgeber können eine Überprüfung der Eingruppierung verlangen.

9. Arbeitgeber und Betriebsrat können durch freiwillige Betriebsvereinbarung die in den Ziffern 2 Abs. (II), 4. und 8. genannten Fristen ändern.

10. Der Arbeitgeber teilt dem Arbeitnehmer die Entgeltgruppe, in die er eingruppiert wird, schriftlich mit. Bei Meinungsverschiedenheiten über die Eingruppierung ist nach § 29 Abschn. C MTV-Arb. bzw. § 18 Abschn. C MTV-Ang. zu verfahren.

11. Bei der Einführung des ERA-TV werden Beschäftigungszeiten in einer gleichartigen oder gleichwertigen Tätigkeit angerechnet. ...

§ 5 Besitzstandsregelung

1. Aus Anlass der erstmaligen Anwendung des ERA-TV darf nach Maßgabe der nachfolgenden Vorschriften für den einzelnen Arbeitnehmer keine Minderung seines bisherigen tariflichen Entgelts, bestehend aus tariflichem Grundlohn zuzüglich individueller Leistungszulage bzw. Akkordmehrverdienst oder Prämie oder tariflichem Gehalt zuzüglich individueller Leistungszulage, erfolgen.

2. Für den Fall, dass das bisherige Entgelt zum Stichtag der Ersteinführung des ERA-TV das neue tarifliche ERA-Entgelt überschreitet, erfolgt die Sicherung des Einkommens durch Ausweisung einer Entgeltdifferenz in dieser Höhe. Diese Differenz wird wie folgt berechnet:

Grundlohn zuzüglich Leistungszulage oder Prämienmehrverdienst oder

Akkordmehrverdienst

oder

Grundgehalt zuzüglich Leistungszulage

abzüglich

Grundentgelt zuzüglich des leistungsabhängigen Entgelts + betrieblich ermöglichter Mehrverdienst.

Ein evtl. bestehender Verdienstausgleich wegen Leistungsminderung gem. § 24 MTV-Arbeiter und § 8 MTV-Angestellte ist bei der Berechnung des bisherigen tariflichen Entgelts und des tariflichen ERA-Entgelts einzubeziehen.

3. Eine Entgeltdifferenz gem. Ziff. 2 in Höhe von bis zu 10 % des bisherigen tariflichen Entgelts wird als Ausgleichszulage, eine darüber hinausgehende Differenz als Überschreitungszulage zuzüglich zum neuen tariflichen ERA-Entgelt gezahlt.

Die Überschreitungszulage nimmt an Tariferhöhungen teil. Die Ausgleichszulage vermindert sich entsprechend.

Die Ausgleichszulage nimmt nicht an Tariferhöhungen teil. Sie wird reduziert um die erste Erhöhung des Tarifentgelts in voller Höhe. Dies kann frühestens zwölf Monate nach der Mitteilung der Ersteingruppierung an den Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber gem. § 3 Ziff. 10 erfolgen. Alle nachfolgenden Erhöhungen der Tarifentgelte werden bis auf 1 %-Punkt des tariflichen Erhöhungsprozentsatzes auf die verbliebene Ausgleichszahlung angerechnet.

4. Auf die Ausgleichszulage und die Überschreitungszulage werden in voller Höhe angerechnet:

- individuelle Erhöhungen des Grundentgeltanspruches zzgl. daraus resultierender Erhöhungen des leistungsabhängigen Entgelts

- Erhöhungen der Erschwerniszulagen

5. Der (positive) Ausgleichsbetrag geht in die Ermittlung der nicht leistungsabhängigen Zulagen und Zuschläge ein, jedoch nicht in die Berechnung des leistungsabhängigen Entgelts.

6. Die Betriebsparteien können den zeitlichen Verlauf der individuellen Anpassung durch freiwillige Betriebsvereinbarungen abweichend regeln. ...“

Am 28.09.2012 schlossen unter anderem der Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie e.V. und die IG-Metall für die Beklagte einen „Tarifvertrag zur ERA-Einführung bei der Fujitsu Technology Solutions GmbH“ (im Folgenden: TV-ERA-Einführung Fujitsu, Bl. 86 ff. d.A.) ab. Dieser Tarifvertrag enthält u.a. folgende Regelungen:

„§ 3 ERA - Ersteingruppierung

1. Abweichend von § 3 Ziffern 2 bis 7 ERA - ETV erfolgt die Ersteingruppierung in die ERA-Entgeltgruppen für die Arbeitnehmer, die am Tag vor dem Einführungsstichtag in einem Arbeitsverhältnis mit dem Unternehmen stehen, gemäß den Regelungen der Überleitungstabelle in Anlage 1. Basis dieser Überleitung sind die am 01.10.2012 geltenden Einstufungen nach den jeweiligen tariflichen Eingruppierungsregelungen. Für Mitarbeiter, deren Eingruppierung (einschließlich Gruppenjahr) sich nach dem 01.10.2012 ändert, ist die zum Einführungsstichtag geltende Eingruppierung maßgeblich; die Überleitungstabelle ist für sie ggf. entsprechend anzupassen. Das Unternehmen teilt den jeweils zuständigen, örtlichen Betriebsräten spätestens einen Monat vor dem Einführungsstichtag die auf der Basis der ggf. angepassten Überleitungstabelle (Anlage 1) erstellten Ersteingruppierungen unter namentlicher Benennung der Arbeitnehmer mit. Die Parteien sind sich einig, dass damit die Ersteingruppierung durchgeführt ist und die Regelungen in § 3 Ziffern 2 bis 7 ERA - ETV keine Anwendung finden.

2. Die Regelung des § 3 Ziffer 8 ERA - ETV finden auf die nach diesem Tarifvertrag vorgenommene Ersteingruppierung Anwendung.

3. Spätere Ein- und Umgruppierungen, die nach der Ersteingruppierung (Ziffer 1 und 2) vorgenommen werden, erfolgen ausschließlich nach den Regelungen des ERA-TV sowie ggf. darauf beruhender, betrieblicher Regelungen. Die in Anlage 1 niedergelegte ggf. angepasste Überleitungstabelle findet für solche Ein- und Umgruppierungen keine Anwendung; dementsprechend sind auch die in Anlage 1 aufgeführten Zusatzstufen (Z-Stufen) für spätere Ein- und Umgruppierungen geschlossen. ...

§ 5 Besitzstandsregelung

Die Regelungen des § 5 ERA - ETV finden mit folgenden Maßgaben Anwendung:

1. Bei der Ermittlung der Entgeltdifferenz zwischen dem bisherigen tariflichen Entgelt und dem neuen tariflichen ERA - Entgelt gemäß § 5 Ziffer 2 ERA - ETV wird die Besitzstandszulage gemäß § 4 dieses Tarifvertrages als Bestandteil des neuen tariflichen ERA-Entgelts berücksichtigt.

2. Abweichend von § 5 Ziffer 3 ERA-ETV findet die Verminderung der Ausgleichszulage durch Anrechnung der ersten Tariferhöhung ab dem Einführungsstichtag in voller Höhe statt, ohne Rücksicht auf die Frist von zwölf Monaten. ...“

Wegen des weiteren Inhalts des vorgenannten Tarifvertrages wird vollumfänglich auf Blatt 86 ff. der Akte verwiesen.

Aufgrund einer sogenannten „Regelüberführung“ wurde die Klägerin ab dem 01.02.2013 entsprechend der dem TV-ERA-Einführung Fujitsu als Anlage beigefügten Überleitungstabelle von der Beklagten gemäß der Entgeltgruppe ERA-EG10 Z vergütet.

Am 19.01.2015 schlossen unter anderem der Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie e.V. und die IG-Metall einen Ergänzungstarifvertrag zum Tarifvertrag zur ERA-Einführung bei der Fujitsu Technology Solution GmbH vom 28.09.2012 ab (im Folgenden: Ergänzungstarifvertrag, Bl. 91 ff. d.A.). In § 3 Abs. 2 dieses Ergänzungstarifvertrages ist geregelt:

„Arbeitgeber und GBR streben an, bis zum 30.09.2015 eine Gesamtbetriebsvereinbarung zu vereinbaren, die einen verbindlichen Rahmen für zukünftige ERA-Eingruppierungen in Form eines gemeinsam zu entwickelnden Tätigkeitskataloges (betriebliche Orientierungsbeispiele) enthält.“

In § 5 des Ergänzungstarifvertrages wurde vereinbart, dass dessen Laufzeit am 30.09.2017 ohne Nachwirkung endet. Wegen des weiteren Inhalts des Ergänzungstarifvertrages wird auf Blatt 91 ff. der Akte verwiesen.

Am 20.06.2017 schloss die Beklagte mit ihrem Gesamtbetriebsrat eine Gesamtbetriebsvereinbarung zu betrieblichen Orientierungsbeispielen nach ERA und deren Anwendung (im Folgenden: Gesamtbetriebsvereinbarung „Orient“, Bl. 93 ff. d.A.) sowie eine Gesamtbetriebsvereinbarung zur Einführung und erstmaligen Anwendung der betrieblichen Orientierungsbeispiele nach ERA (im Folgenden: „Orient Express“, Bl. 96 ff. d.A.) ab. In der Folgezeit einigten sich die Betriebsparteien auf mehrere Nebenabreden bzw. Nachträge zu den beiden vorgenannten Betriebsvereinbarungen. Wegen des Inhalts der Betriebsvereinbarungen und den hierzu getroffenen Nebenabreden und Nachträgen wird vollumfänglich auf Blatt 93 bis 103 der Akte verwiesen.

Im April 2018 belief sich das sog. „IRWAZ-Gesamteinkommen“ der Klägerin auf ... (siehe Gehaltsabrechnung für den Monat April 2018, Bl. 8 d.A.). Zu einer Änderung der Arbeitsaufgaben der Klägerin seit der ERA-Ersteingruppierung ist von den Parteien nichts vorgetragen worden.

Mit Schreiben vom 18.04.2018 teilte die Beklagte der Klägerin auszugsweise Folgendes mit (Bl. 17 f. d.A.):

„Umsetzung der Gesamtbetriebsvereinbarung ERA Orient/Orient Express zum 01.04.2018 - Ihre neue Entgeltzusammensetzung

Sehr geehrte Frau E. W.-K,

gemäß der Gesamtbetriebsvereinbarung zur Einführung und erstmaligen Anwendung der betrieblichen Orientierungsbeispiele nach ERA („Orient Express“) vom 20.06.2017 erhalten Sie mit Gültigkeit zum 01.04.2018 anbei Ihre individuelle Aufgabenbeschreibung.

Aufgrund der Ihnen übertragenen Aufgabe sind Sie auf Basis des Ihnen zugeordneten Orientierungsbeispiels Assistant 2 [und der Ihnen zusätzlich übertragenden prägenden Aufgaben], vorbehaltlich der Zustimmung des Betriebsrates und mit Wirkung zum 01.04.2018 in der Entgeltgruppe (EG) 8 des Entgeltrahmentarifvertrages für die bayerische Metall- und Elektroindustrie eingruppiert.

Ihr Monatseinkommen, berechnet auf Basis einer 35 Stunden Woche, setzt sich - unbeschadet einer später möglichen anderen Zusammensetzung - wie folgt zusammen:

ERA Grundentgelt: (EG 8. Stufe B)

EREA Leistungszulagen:

ERA Ausgleichszulage

ERA Ausgleichszulage 2*:

Sonderzulage:

BAWAZ-Gesamteinkommen:

* Die hier erstmals ausgewiesene ERA Orient Ausgleichszulage wird gemäß den Regelungen der GBV Orient Express nur vorübergehend gewährt. Abhängig von der Anzahl der Entgeltgruppen um die die Abgruppierung erfolgte, reduziert sie sich jeden Monat um einen festgelegten Anteil, bis sie schließlich spätestens nach 2 Jahren ganz entfällt. Den Anteil und Zeitraum der monatlichen Reduktion entnehmen Sie bitte Ziffer 4 der GBV Orient Express. ...“

Dem vorgenannten Schreiben war eine individuelle Aufgabenbeschreibung für die Klägerin beigefügt (Bl. 19 ff. d.A.). Im Mai 2018 kürzte die Beklagte das Gehalt der Klägerin erstmals um .... In den Folgemonaten wurde das Gehalt jeweils um weitere gekürzt. Lediglich im August 2018 kam es zu einer Erhöhung des Gehalts um Erstmals mit Schreiben vom 04.12.2018 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten die Rückzahlung der aus ihrer Sicht zu Unrecht einbehaltenen Kürzungsbeträge geltend. Diese wurde von der Beklagten abgelehnt.

Mit ihrer am 18.12.2018 beim Arbeitsgericht München eingegangenen Klage verlangt die Klägerin die monatlichen Differenzbeträge zur Ausgangsvergütung aus April 2018 und die Feststellung der Vergütungshöhe bzw. der maßgeblichen Entgeltgruppe. Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Kürzung ihrer Vergütung die Besitzstandsregelung in § 5 ERA-ETV entgegenstehe. Für die Frage des Bestandsschutzes komme es auf den Zeitpunkt der erstmaligen tätigkeitsbezogenen Eingruppierung an. Diese sei im April 2018 erfolgt.

Nach Ansicht der Klägerin steht einer Anwendung der Gesamtbetriebsvereinbarung „Orient“ und „Orient Express“ § 77 BetrVG entgegen. Mit einer Gesamtbetriebsvereinbarung könne der Bestandsschutz nicht unterlaufen werden. Im Übrigen sei zu beachten, dass der Ergänzungstarifvertrag am 30.09.2017 ohne Nachwirkung endete. Die Regelungen für Ein- und Umgruppierungen in § 2 dieses Ergänzungstarifvertrages würden nur für Ein- und Umgruppierungen bis zum 30.09.2017 gelten.

Außerdem führt die Klägerin aus, dass, wenn man in der Regelüberführung die Ersteinführung sähe, die im April 2018 durchgeführte Eingruppierung als korrigierende Rückgruppierung zu bewerten sei. Im Falle einer solchen Rückgruppierung liege die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Rückgruppierung bzw. die Korrektur sachlich geboten ist, beim Arbeitgeber. Der Vortrag der Beklagten sei zur Rechtfertigung der von ihr vorgenommenen Rückgruppierung nicht ausreichend.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

  • 1.die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für den Monat Mai 2018 weitere ... brutto nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 31.05.2018 zu zahlen,

  • 2.die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für den Monat Juni 2018 weitere ... brutto nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 30.06.2018 zu zahlen,

  • 3.die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für den Monat Juli 2018 weitere ... brutto nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 31.07.2018 zu zahlen,

  • 4.die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für den Monat August 2018 weitere ... brutto nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 31.08.2018 zu zahlen,

  • 5.die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für den Monat September 2018 weitere ... brutto nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 30.09.2018 zu zahlen,

  • 6.die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für den Monat Oktober 2018 weitere ... brutto nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 31.10.2018 zu zahlen,

  • 7.die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für den Monat November 2018 weitere ... brutto nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 30.11.2018 zu zahlen,

  • 8.festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab Dezember 2018 weiterhin monatliche Basisbezüge (IRWAZ-Gesamteinkommen) in Höhe von ... brutto zu zahlen.

Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Klageantrag zu 8. beantragt die Klägerin,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin über den 01.04.2018 hinaus nach der Entgeltgruppe ERA-EG10 B zu vergüten.

Die Beklagte beantragt zuletzt,

die Klage abzuweisen.

Nach Ansicht der Beklagten hat die Klägerin keinen Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe 10 Z bzw. 10 B. Die neue Eingruppierung der Klägerin sei aufgrund der Regelungen des ERA-TV gerechtfertigt. Auf die auf der Basis ergänzungstariflicher Regelungen vereinbarten Gesamtbetriebsvereinbarungen „Orient“ und „Orient Express“ komme es im Hinblick auf die richtige Eingruppierung im vorliegenden Fall gar nicht an. Die Klägerin habe auf der Basis der ihr übertragenen Arbeitsaufgaben keinen Anspruch auf eine Entgeltgruppe 10 gemäß des ERA-TV. Der Beklagten stehe es jederzeit frei, eine als unrichtig erkannte Eingruppierung zu korrigieren. Den Zeitpunkt einer Umgruppierung lege der Arbeitgeber fest. Dies sei vorliegend am 01.04.2018 geschehen. Der ERA-ETV gebe lediglich in Bezug auf die erstmalige Anwendung des ERA-TV einen dreijährigen Umgruppierungsschutz und mache ansonsten keine Vorgaben über Zeitpunkte einer Umgruppierung. Den Dreijahreszeitraum habe die Beklagte eingehalten. Ein- und Umgruppierungen seien nach diesem Dreijahreszeitraum nach den allgemeinen Grundsätzen möglich und vorzunehmen. Vorliegend sei zu Gunsten der Arbeitnehmer eine Besitzstandsregelung („ERA-Ausgleichszulage“) vereinbart worden, die weder durch Gesetz noch durch Tarif vorgegeben sei. Die ERA-Ausgleichszulage basiere auf der Gesamtbetriebsvereinbarung ERA Orient Express. Die Abschmelzung der ERA-Ausgleichszulage der Klägerin erfolge zu Recht. Die ERA-Ausgleichszulage kollidiere nicht mit § 77 Abs. 3 BetrVG, sondern stelle eine über den Tarifvertrag hinausgehende Übergangsregelung dar.

Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Umstände, die eine höhere als die vorgenommene Eingruppierung rechtfertigen sollen, liege bei der Klägerin. Dies gelte in der vorliegenden Konstellation der Neueingruppierung ebenfalls, da die Klägerin gar kein Vertrauen in den Fortbestand der Zuordnung zur ursprünglichen Entgeltgruppe 10 Z aufbauen konnte. Der Klägerin habe klar sein müssen, dass die im Zuge der Regelüberführung vorgenommene Eingruppierung nur vorläufig gewesen sei. Es handele sich nicht um eine korrigierende Rückgruppierung.

Der neuen Eingruppierung und Abschmelzung stehe die Besitzstandsregelung in § 5 ERA-ETV nicht entgegen. Diese habe den Besitzstand bei der Ersteingruppierung geschützt, die im Jahr 2013 erfolgt sei und damals - unstreitig - die Vergütungshöhe nicht beeinträchtigt habe. Im Übrigen sei die Vergütung der Klägerin nach Entgeltgruppe 8 zum heutigen Zeitpunkt höher als die Vergütung nach Entgeltgruppe 10 im Jahre 2013.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Niederschriften der Sitzungen am 07.02.2019 und 04.06.2019 Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.

I.

Die Klage ist zulässig.

1. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gemäß §§ 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG eröffnet. Die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts München folgt aus § 48 Abs. 1 a ArbGG.

2. Mit dem Feststellungsantrag zu 8. strebt die Klägerin die Klärung der Höhe ihres Bruttomonatsgehalts an. Es handelt sich hierbei um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO. Darunter fallen auch einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder der Umfang einer Leistungspflicht - so genannte Elementenfeststellungsklage (BAG, Urteil vom 18.05.2017 - 2 AZR 721/16).

Auch das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist zu bejahen. Durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag kann der Streit insgesamt beseitigt und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden (BAG, Urteil vom 15.6.2016 - 4 AZR 805/14).

3. Der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag ist ebenfalls zulässig. Es handelt sich um eine typische Eingruppierungsfeststellungsklage, die auch in der Privatwirtschaft in der Regel ohne Weiteres zulässig ist (BAG, Urteil vom 16.11.2016 - 4 AZR 127/15). Über die Berechnung der Vergütung nach der im Antrag angegebenen Entgeltgruppe besteht zwischen den Parteien kein Streit. Der Antrag ist daher geeignet, die streitige Frage der richtigen Vergütungshöhe abschließend zu klären (BAG, Urteil vom 15.6.2016 - 4 AZR 805/14).

II.

Die Klage hat in der Sache teilweise Erfolg. Die Klägerin hat Vergütungsnachzahlungsansprüche für die Vergangenheit. Wegen der Nichteinhaltung der tarifvertraglichen Ausschlussfrist bestehen diese aber nicht für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum. Der Feststellungshauptantrag ist unbegründet. Der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag ist hingegen erfolgreich.

1. Die Klageanträge zu 1.-4. sind unbegründet.

Unstreitig kommen aufgrund einer entsprechenden Bezugnahme im Arbeitsvertrag der Parteien vorliegend die Tarifbestimmungen der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie zur Anwendung. Gemäß § 22 Nr. 3 (I) b) des Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmer der bayerischen Metall- und Elektroindustrie hätte die Klägerin die von ihr verlangten Vergütungsdifferenzen innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend machen müssen. Gemäß § 16 Nr. 3 (II) des vorgenannten Tarifvertrages ist das Arbeitsentgelt am Monatsende fällig. Unstreitig hat die Klägerin ihre Ansprüche erstmals im Dezember 2018 geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt waren etwaige Vergütungsansprüche der Klägerin für die Monate Mai bis einschließlich August 2018 wegen Nichteinhaltung der Ausschlussfrist bereits verfallen.

2. Die Klageanträge zu 5.-7. sind begründet.

a) Die Klägerin hat einen Anspruch auf die begehrten Vergütungsdifferenzen für die Monate September bis November 2018. Die Beklagte ist nicht berechtigt, das Gehalt der Klägerin beginnend ab Mai 2018 um monatlich 30,13 € brutto zu kürzen. Der Zahlungsanspruch beruht auf § 611 a Abs. 2 BGB i.V.m. ihrem Arbeitsvertrag und § 3 Nr. 1 S. 1 des TV ERA-Einführung bei Fujitsu sowie der Anlage 1 zu diesem Tarifvertrag.

aa) Für die Entscheidung über die streitgegenständlichen Vergütungsforderungen der Klägerin ist die Auslegung von § 3 des TV ERA-Einführung bei Fujitsu sowie von § 3 (II) des Ergänzungstarifvertrages und § 3 ERA-ETV von ausschlaggebender Bedeutung.

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. etwa BAG, Urteil vom 18.02.2014 - 3 AZR 808/11).

bb) Nach Ansicht der erkennenden Kammer ergibt die Auslegung von § 3 Nr. 1 des Tarifvertrages zur ERA-Einführung bei der Fujitsu Technology Solutions GmbH, dass die Tarifvertragsparteien eine Regelung geschaffen haben, die nicht nur von Bestimmungen des ERA-ETV, sondern auch des ERA-TV selbst abweichen.

Vom ERA-ETV weicht § 3 Nr. 1 ab, indem das dort in § 3 Ziffer 2-7 normierte Verfahren zur Mitwirkung des Betriebsrats bei der Ersteingruppierung von Arbeitnehmern im Rahmen der Einführung des ERA-TV im Hinblick auf Arbeitnehmer, die am Tag vor dem Einführungsstichtag in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten standen, für nicht anwendbar erklärt wird.

Aber auch der ERA-TV selbst wird materiell-rechtlich abgeändert. Denn die Eingruppierung der Arbeitnehmer, die am Tag vor dem Einführungsstichtag in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten standen, richtet sich gemäß § 3 Nr. 1 des TV ERA-Einführung bei Fujitsu nicht danach, welcher Entgeltgruppe die übertragenen Tätigkeiten nach dem ERA-TV zuzuordnen wären, sondern allein nach der in der Anlage 1 enthaltenen Überleitungstabelle, die an die bisherige Vergütung anknüpft.

Die Bezugnahme auf die Regelungen in § 3 Ziffer 2-7 des ERA-ETV, die die kollektivrechtliche Beziehung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber betreffen, lässt nach Ansicht der Kammer nicht darauf schließen, dass die materiell-rechtliche Eingruppierung nach dem ERA-TV unberührt bleiben sollen. Andernfalls hätten die Tarifvertragsparteien eine Regelung zum kollektivrechtlichen Eingruppierungsverfahren geschaffen, die sich von den normativen Bestimmungen zur Eingruppierung der einzelnen Arbeitnehmer nach dem ERA-TV löst. Hierfür ist kein Anhaltspunkt ersichtlich. Vielmehr ergibt sich aus § 3 Nr. 1 des TV ERA-Einführung bei Fujitsu, dass für die Mitarbeiter die sich aus der Überleitungstabelle maßgebliche Eingruppierung maßgeblich seien soll.

In § 2 des 1 des TV ERA-Einführung bei Fujitsu haben die Tarifvertragsparteien ausdrücklich bestimmt, dass die Regelungen ERA-TV gelten sollen, sofern in §§ 3-8 dieses Tarifvertrages nichts Abweichendes geregelt ist. § 3 Nr. 1 enthält aufgrund der vorgenannten Erwägungen eine derartige Abweichung.

cc) Die richtige tarifvertragliche Eingruppierung der Klägerin ergibt sich nach wie vor aus § 3 Nr. 1 S. 1 des TV ERA-Einführung bei Fujitsu in Verbindung mit dessen Anlage 1.

Weder der vorgenannte Tarifvertrag selbst noch der Ergänzungstarifvertrag in Verbindung mit der Gesamtbetriebsvereinbarung „Orient“ enthalten Regelungen, die die materiell-rechtliche Eingruppierungsbestimmung des § 3 Nr. 1 S. 1 des TV ERA-Einführung bei Fujitsu zeitlich befristet oder ersetzt haben.

(1) Die Eingruppierungsregelung des § 3 Nr. 1 S. 1 des TV ERA-Einführung bei Fujitsu ist nicht zeitlich befristet auf den Zeitraum von drei Jahren.

Für eine derartige Befristung könnte sprechen, dass in § 3 Nr. 1 S. 1 des vorgenannten Tarifvertrages ausdrücklich die „Ersteingruppierung“ geregelt wird und in § 3 Nr. 2 sodann § 3 Ziffer 8 ERA-ETV für anwendbar erklärt wird.

Nach Ansicht der Kammer ist die Formulierung in § 3 Ziffer 8 ERA-ETV, dass es für die Dauer von 3 Jahren nach der ERA-Einführung bei der Ersteingruppierung bleiben soll, aber nicht als Befristung der materiell-rechtlich maßgeblichen Eingruppierungsvoraussetzungen zu verstehen. Normadressaten sind hier, wie der letzte Halbsatz von § 3 Ziffer 8 ERA-ETV klar stellt, nämlich lediglich der Arbeitgeber und der Betriebsrat. Diese sollen keine Überprüfung der Eingruppierung verlangen können. § 3 Ziffer 8 ERA-ETV enthält somit lediglich eine Bestimmung zum Eingruppierungsverfahren auf kollektivrechtlicher Ebene.

Dieser Auslegung steht nicht entgegen, dass gemäß § 3 Nr. 1 des TV ERA-Einführung bei Fujitsu die Regelungen des § 3 Ziffer 2 bis 7 ERA-ETV nicht anwendbar sind. Auch wenn man § 3 Ziffer 8 ERA-ETV lediglich im Hinblick auf das Verhältnis von Arbeitgeber und Betriebsrat Bedeutung beimisst, ist diese Regelung im Anwendungsbereich des § 3 Nr. 1 des TV ERA-Einführung bei Fujitsu nicht bedeutungslos, da in § 3 Nr. 1 im vorletzten Satz im Hinblick auf das kollektivrechtliche Eingruppierungsverfahren eine eigene Regelung enthalten ist.

(2) Die Eingruppierungsvorschrift des § 3 Nr. 1 S. 1 des TV ERA-Einführung bei Fujitsu ist nicht durch eine andere kollektivrechtliche Eingruppierungsregelung ersetzt worden.

Für die Eingruppierung ist nicht maßgeblich, wie die Klägerin nach dem ERA-TV i.V.m. den Gesamtbetriebsvereinbarungen „Orient“ und „Orient Express“ einzugruppieren wäre. Diese Regelungen sind vorliegend nicht einschlägig (a.A. z.B. ArbG Düsseldorf, Urteil vom 21.02.2019 - 9 Ca 6684/18).

Die tarifvertragliche Öffnungsklausel in § 3 (II) des Ergänzungstarifvertrages erfasst den Anwendungsbereich für Ersteingruppierung von Arbeitnehmer, die vor dem ERA-Einführungsstichtag bei der Beklagten beschäftigt waren, nicht.

Gemäß § 77 Abs. 3 S. 2 BetrVG können zu Arbeitsentgelten, die in einem Tarifvertrag geregelt sind, ergänzende Betriebsvereinbarungen geschlossen werden, wenn ein Tarifvertrag dies ausdrücklich zulässt. Der Tarifvertrag muss in einer klaren und eindeutigen positiven Bestimmung eine ergänzende Betriebsvereinbarung gestatten (Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier in Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, Betriebsverfassungsgesetz, 29. Auflage 2018, § 77 BetrVG Rn. 117).

Gemäß § 3 (II) des Ergänzungstarifvertrags wird der Abschluss einer Betriebsvereinbarung gestattet, die einen Rahmen für zukünftige ERA-Eingruppierungen in Form eines Tätigkeitskatalogs enthält. § 3 Nr. 1 S. 1 des TV ERA-Einführung bei Fujitsu regelt für einen bestimmten Mitarbeiterkreis, dass in Abweichung vom ERA-TV die Eingruppierung nicht tätigkeitsbezogen, sondern aufgrund einer Überleitungstabelle erfolgen soll (s.o.). Aus der Öffnungsklausel in § 3 (II) des Ergänzungstarifvertrages geht nicht mit der nötigen Klarheit hervor, dass diese Sonderregelung, die gerade nicht tätigkeitsbezogen ist, aufgehoben werden soll. Dies ist weder dem Wortlaut des § 3 (II) noch den übrigen Bestimmungen des Ergänzungstarifvertrages zu entnehmen.

Der Anwendung der Gesamtbetriebsvereinbarung „Orient“ und „Orient Express“ steht im vorliegenden Fall daher der Tarifvorbehalt des § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG entgegen.

(3) § 3 Nr. 3 des TV ERA-Einführung bei Fujitsu ist vorliegend nicht einschlägig. Diese Vorschrift regelt, wie bei späteren Ein- und Umgruppierungen vorzugehen ist.

(a) Eingruppierung bedeutet die erstmalige Einreihung in ein Vergütungsschema. Sie besteht in der Zuordnung eines Arbeitnehmers zu einer bestimmten Vergütungsgruppe des Entgeltschemas nach Maßgabe der dafür gültigen Kriterien. Sie ist keine ins Ermessen des Arbeitgebers gestellte, rechtsgestaltende Maßnahme, sondern Rechtsanwendung (BAG, Beschluss vom 28.4.2009 - 1 ABR 97/07).

Die Klägerin ist gemäß § 3 Nr. 1 S. 1 dieses Tarifvertrages in Verbindung mit dessen Anlage 1 in Entgeltgruppe 10 Z richtig eingruppiert. Dass die Klägerin nach der Überleitungstabelle dieser Entgeltgruppe unterfällt, ist unstreitig.

Es ist nicht ersichtlich, auf welcher Rechtsgrundlage nunmehr in Abweichung von § 3 Nr. 1 S. 1 des TV ERA-Einführung bei Fujitsu eine Neueingruppierung unter Anknüpfung an die ausgeübten Tätigkeiten vorzunehmen ist.

(b) Unter Umgruppierung versteht man jede Änderung der Zuordnung eines Arbeitnehmers zu der für ihn maßgeblichen tariflichen oder betrieblichen Lohn- bzw. Gehaltsgruppenordnung. Die Versetzung auf einen höher oder niedriger eingestuften Arbeitsplatz ist eine Möglichkeit, bei der eine Umgruppierung erforderlich wird. Denkbar ist weiter, dass eine Umgruppierung erforderlich wird, weil sich die dem Arbeitnehmer übertragenen Aufgaben auf demselben Arbeitsplatz in ihrem Verhältnis zueinander ändern und der Arbeitnehmer damit in eine andere Vergütungsgruppe „hineinwächst“. Das Erfordernis der Umgruppierung kann sich auch bei unverändertem Tätigkeitsbereich des Arbeitnehmers ergeben, wenn die einschlägige Vergütungsgruppenordnung etwa durch Änderung der Zahl der Vergütungsgruppen oder durch Neufassung der Tätigkeitsmerkmale geändert wird (Kania in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, § 99 BetrVG Rn 12).

Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass sich die Tätigkeit der Klägerin seit der Überleitung der Entgeltgruppe verändert hat oder der Überleitung eine falsche Entgeltgruppe zugrunde gelegt wurde. Es ist daher auch für eine Umgruppierung kein Raum.

dd) Unstreitig wurde die Klägerin ab dem 01.01.2013 im Zuge der ERA-Einführung bei der Beklagten entsprechend der Überleitungstabelle in Anlage 1 des Tarifvertrages zur ERA-Einführung gemäß der Entgeltgruppe 10Z vergütet. Dass die Überleitung in die Entgeltgruppe 10Z zu Recht erfolgte, ist von der Beklagten nicht in Abrede gestellt worden. Ebenfalls unstreitig ist zwischen den Parteien, dass sich die Bruttomonatsvergütung der Klägerin bei dieser Eingruppierung aktuell auf ... beläuft. Die von der Beklagten vorgenommenen Abzüge sind ebenfalls unstreitig. Da die Klägerin einen Anspruch entsprechend der bisherigen tariflichen Eingruppierung hat, sind die von ihr geltend gemachten Zahlungsansprüche für die Monate September bis November 2018 begründet.

b) Die Zinsansprüche ergeben sich aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Ziffer 1 BGB.

3. Der Klageantrag zu 8. ist unbegründet. Die Klägerin hat aufgrund einer arbeitsvertraglichen Bezugnahme einen Anspruch darauf, nach den jeweils einschlägigen tarifvertraglichen Bestimmungen vergütet zu werden. Der Antrag ist zukunftsbezogen. Wie die Tarifentwicklung verlaufen wird, ist nicht vorhersehbar. Im Übrigen haben die Parteien nicht näher vorgetragen, woraus sich ein „IRWAZ-Gesamteinkommen“ in Höhe von brutto ergeben soll. Insbesondere im Hinblick auf etwaige im „IRWAZ-Gesamteinkommen“ enthaltene Zulagen ist dem Gericht eine Prüfung ohne nähere Angaben nicht möglich. Dem bezifferten Feststellungsantrag war daher nicht stattzugeben.

4. Der Hilfsantrag ist überwiegend begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, jedenfalls - wie beantragt - nach Entgeltgruppe EG 10B vergütet zu werden. Nach der maßgeblichen Überleitungstabelle stünde der Klägerin eine Vergütung nach Entgeltgruppe 10Z zu. Insofern wird vollumfänglich auf die Ausführungen unter Ziffer II.2. verwiesen. Die Entgeltgruppe 10Z wird von den Tarifparteien nicht fortgeschrieben. Im Zeitpunkt der Überleitung lag die Entgeltgruppe 10Z zwischen der Entgeltgruppe 10B und 11B. Der Klägerin steht somit zumindest Vergütung nach der Entgeltgruppe 10B zu.

Da Vergütungsdifferenzansprüche der Klägerin, die sich aus dieser Eingruppierung ergeben für den Zeitraum von Mai bis August 2018 wegen Nichteinhaltung der tarifvertraglichen Ausschlussfristen verfallen sind (s. oben Ziffer 11.1.), ist der Feststellungsantrag erst für den Zeitraum ab dem 01.09.2018 begründet.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.

IV.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG, § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 3, 9 ZPO. Die Eingruppierungsfeststellungsklage wurde mit den Vergütungsdifferenzbeträgen bewertet, die in einem Zeitraum von 3 ½ Jahren auflaufen. Dabei wurde bei der Berechnung ein monatlich un... monatlich zugrunde geleg.

Die Zahlungsanträge und der Hilfsantrag wurden nicht streitwerterhöhend bewertet (vgl. zum Gebührenstreitwert von Eingruppierungsfeststellungsklage und Zahlungsanträgen LAG Nürnberg, Beschluss vom 13.11.2017 - 4 Ta 170/17).

V.

Gegen dieses Urteil können beide Parteien Berufung einlegen.

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger
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(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger
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published on 13/11/2017 00:00

Tenor Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten gegen den Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 21.08.2017, Az.: 11 Ca 6210/16, wird zurückgewiesen. Gründe I. Die Parteie
published on 18/05/2017 00:00

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 19. August 2016 - 9 Sa 415/15 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
published on 16/11/2016 00:00

Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 24. Juli 2014 - 5 Sa 1456/13 - aufgehoben.
published on 15/06/2016 00:00

Tenor 1. Auf die Revision der Klägerin wird - unter Zurückweisung der Revision im Übrigen - das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - vom 29. September 201
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Annotations

(1) In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben; er hat dem Betriebsrat unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen Auskunft über die Auswirkungen der geplanten Maßnahme zu geben und die Zustimmung des Betriebsrats zu der geplanten Maßnahme einzuholen. Bei Einstellungen und Versetzungen hat der Arbeitgeber insbesondere den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen. Die Mitglieder des Betriebsrats sind verpflichtet, über die ihnen im Rahmen der personellen Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 bekanntgewordenen persönlichen Verhältnisse und Angelegenheiten der Arbeitnehmer, die ihrer Bedeutung oder ihrem Inhalt nach einer vertraulichen Behandlung bedürfen, Stillschweigen zu bewahren; § 79 Abs. 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(2) Der Betriebsrat kann die Zustimmung verweigern, wenn

1.
die personelle Maßnahme gegen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Unfallverhütungsvorschrift oder gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung oder gegen eine gerichtliche Entscheidung oder eine behördliche Anordnung verstoßen würde,
2.
die personelle Maßnahme gegen eine Richtlinie nach § 95 verstoßen würde,
3.
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist; als Nachteil gilt bei unbefristeter Einstellung auch die Nichtberücksichtigung eines gleich geeigneten befristet Beschäftigten,
4.
der betroffene Arbeitnehmer durch die personelle Maßnahme benachteiligt wird, ohne dass dies aus betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen gerechtfertigt ist,
5.
eine nach § 93 erforderliche Ausschreibung im Betrieb unterblieben ist oder
6.
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass der für die personelle Maßnahme in Aussicht genommene Bewerber oder Arbeitnehmer den Betriebsfrieden durch gesetzwidriges Verhalten oder durch grobe Verletzung der in § 75 Abs. 1 enthaltenen Grundsätze, insbesondere durch rassistische oder fremdenfeindliche Betätigung, stören werde.

(3) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so hat er dies unter Angabe von Gründen innerhalb einer Woche nach Unterrichtung durch den Arbeitgeber diesem schriftlich mitzuteilen. Teilt der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Verweigerung seiner Zustimmung nicht innerhalb der Frist schriftlich mit, so gilt die Zustimmung als erteilt.

(4) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht beantragen, die Zustimmung zu ersetzen.

(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen.

(2) Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen; dies gilt nicht, soweit Betriebsvereinbarungen auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen. Werden Betriebsvereinbarungen in elektronischer Form geschlossen, haben Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend von § 126a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dasselbe Dokument elektronisch zu signieren. Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.

(3) Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.

(4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen.

(5) Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.

(6) Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen.

(2) Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen; dies gilt nicht, soweit Betriebsvereinbarungen auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen. Werden Betriebsvereinbarungen in elektronischer Form geschlossen, haben Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend von § 126a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dasselbe Dokument elektronisch zu signieren. Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.

(3) Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.

(4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen.

(5) Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.

(6) Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

(1) In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben; er hat dem Betriebsrat unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen Auskunft über die Auswirkungen der geplanten Maßnahme zu geben und die Zustimmung des Betriebsrats zu der geplanten Maßnahme einzuholen. Bei Einstellungen und Versetzungen hat der Arbeitgeber insbesondere den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen. Die Mitglieder des Betriebsrats sind verpflichtet, über die ihnen im Rahmen der personellen Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 bekanntgewordenen persönlichen Verhältnisse und Angelegenheiten der Arbeitnehmer, die ihrer Bedeutung oder ihrem Inhalt nach einer vertraulichen Behandlung bedürfen, Stillschweigen zu bewahren; § 79 Abs. 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(2) Der Betriebsrat kann die Zustimmung verweigern, wenn

1.
die personelle Maßnahme gegen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Unfallverhütungsvorschrift oder gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung oder gegen eine gerichtliche Entscheidung oder eine behördliche Anordnung verstoßen würde,
2.
die personelle Maßnahme gegen eine Richtlinie nach § 95 verstoßen würde,
3.
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist; als Nachteil gilt bei unbefristeter Einstellung auch die Nichtberücksichtigung eines gleich geeigneten befristet Beschäftigten,
4.
der betroffene Arbeitnehmer durch die personelle Maßnahme benachteiligt wird, ohne dass dies aus betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen gerechtfertigt ist,
5.
eine nach § 93 erforderliche Ausschreibung im Betrieb unterblieben ist oder
6.
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass der für die personelle Maßnahme in Aussicht genommene Bewerber oder Arbeitnehmer den Betriebsfrieden durch gesetzwidriges Verhalten oder durch grobe Verletzung der in § 75 Abs. 1 enthaltenen Grundsätze, insbesondere durch rassistische oder fremdenfeindliche Betätigung, stören werde.

(3) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so hat er dies unter Angabe von Gründen innerhalb einer Woche nach Unterrichtung durch den Arbeitgeber diesem schriftlich mitzuteilen. Teilt der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Verweigerung seiner Zustimmung nicht innerhalb der Frist schriftlich mit, so gilt die Zustimmung als erteilt.

(4) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht beantragen, die Zustimmung zu ersetzen.

(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.

(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.

(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.

(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Der Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges berechnet. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere ist.