Arbeitsgericht Magdeburg Urteil, 23. Sept. 2013 - 3 Ca 1351/13

ECLI: ECLI:DE:ARBGMAG:2013:0923.3CA1351.13.0A
published on 23/09/2013 00:00
Arbeitsgericht Magdeburg Urteil, 23. Sept. 2013 - 3 Ca 1351/13
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile

Gericht

There are no judges assigned to this case currently.
addJudgesHint

Tenor

1. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete weder durch die Kündigung mit Schreiben vom 02.05.2013 noch durch die Kündigung mit Schreiben vom 27.05.2013, sondern durch die Kündigung mit Schreiben vom 28.03.2013 und zwar mit Ablauf des 30.06.2013.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu 67,12 %, die Beklagte zu 32,88 % zu tragen.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 24.559,35 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit arbeitgeberseitiger Kündigungen.

2

Der Kläger war seit 2010 bei der Beklagten tätig, welche Photovoltaikanlagen vertreibt und deren Mutterunternehmen in I. geschäftsansässig ist. Zunächst erfolgte die Tätigkeit auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 26.10.2010 (Bl.10ff. d.A.) als Vertriebsleiter/Sales Direktor, ab 01.08.2011 erfolgte sie auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 26.07.2011 (Bl.15ff. d.A.) als Leiter Customer Care, bei einem jährlichen Bruttogehalt in Höhe von 48.000,00 € (§ 4 Abs.1 AV) und mit einer festgeschriebenen Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Monatsende (§ 13 Abs.3 AV).

3

Ende 2012 geriet die Beklagte in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Der damalige Geschäftsführer S. informierte die Mitarbeiter im Januar 2013 hierüber und erklärte, dass neben einem Personalabbau, bei den verbleibenden Mitarbeitern verschlechterte Vertragsbedingungen -insbesondere erhebliche Gehaltseinbußen- vereinbart werden müssten. Anderenfalls könne eine Insolvenz nicht abgewendet werden. Der Kläger unterzeichnete nach vorausgegangenen Verhandlungen am 31.01.2013 eine Vereinbarung (Bl.19f. d.A.) -laut Präambel als Beitrag zur Restrukturierung- nach welcher seine Bruttovergütung auf 3.200,00 € im Monat sinken (§ 1) und nach der die festgeschriebene Kündigungsfrist nur noch 3 Monate zum Monatsende betragen (§ 2) sollte.

4

Im Februar 2013 informierten der Kläger und die Prokuristin W. den Geschäftsführer des Mutterunternehmens V. darüber, dass Geschäftsführer S. versuche, Mitarbeiter dafür zu gewinnen, parallel ein anderes Unternehmen aufzubauen. Daraufhin erhielt dieser die Kündigung und wurde die Geschäftsführung bei der Beklagten durch die Geschäftsführung des Mutterunternehmens mit übernommen.

5

Im März 2013 informierte die neue Geschäftsführung die verbliebenen Mitarbeiter darüber, dass die Beklagte das Deutschlandgeschäft auslaufen lassen und (einstweilen) nur noch die verbliebenen Lagerbestände weitervertreiben wolle. Die Beklagte kündigte daraufhin den Mietvertrag (allerdings mit einer zeitlichen Option zunächst weiterhin in den Räumlichkeiten verbleiben zu können), alle Handelsvertreterverträge und die Verträge verbliebener Mitarbeiter. Ob alle verbliebenen Mitarbeiter hiervon betroffen waren, ist zwischen den Parteien streitig. Der Kläger erhielt eine Kündigung mit Schreiben vom 28.03.2013 zum 30.06.2013 (Bl.21 d.A.).

6

Seit Ende März 2013 erfolgte reger E-Mail Verkehr zwischen der Prokuristin W. und der Geschäftsleitung in I., betreffend die Absicht, der Prokuristin mit Duldung/Unterstützung der Beklagten ein eigenes Unternehmen zum Vertrieb von Photovoltaikanlagen aufzubauen (Bl.137ff. d.A.). Die Reaktion der Geschäftsleitung hierauf war zunächst grundsätzlich positiv, der Name der neuen Firma sollte I. lauten. In der Annahme, künftig dort als Mitarbeiter oder Mitinhaber einsteigen zu können, unterstützte der Kläger den Aufbau von I.. Im Rahmen seiner Tätigkeit für die Beklagte, d.h. in seiner Arbeitszeit, auf seinem Dienst-PC, anlässlich entsprechender Kundenkontakte äußerte er sich u.a. unter dem Datum 26.04.2013, wie folgt (Bl.101 d.A.):

7

Hallo M.,

8

ich hatte dich ja schon vor einiger Zeit informiert, dass die E. GmbH zum 30.06.2013 Ihre Tore schließt. Wir als I. werden dann die Geschäfte weiterführen. Der Firmensitz und die Kontaktdaten bleiben bis auf die EmailAdresse gleich. In der Übergangsfrist bis 30.06.2013 werden wird uns nach wie vor als E. GmbH melden und soweit wir noch Restware als E. GmbH zur Verfügung haben auch anbieten.

9

Gleichzeitig sind wir aber auch ab sofort als I. tätig und können Dir die in der Preisliste aufgeführten Artikel ab sofort zu den angegebenen Preisen liefern.

10

Wir möchten Dich bitten, ab sofort soweit es die Geschäftsbeziehung zur I. betrifft ab sofort nur noch mit der unten aufgeführten Email Adresse zu kommunizieren.

11

Soweit es die E. GmbH betrifft gelten bis 30.06.2013 natürlich die bisherigen Email Adressen.

12

Wir würden uns freuen, wenn wir auch in Zukunft erfolgreich zusammenarbeiten würden.

13

Mit sonnigen Grüßen
D.U.

14

Am 02.05.2013 ordnete Geschäftsführer V. in einer an alle Mitarbeiter gerichteten E-Mail (Bl.136 d.A.) an, dass künftig alle Verkäufe von ihm geprüft und autorisiert werden müssten. Unter dem gleichen Datum ließ er, den Kläger betreffend, eine außerordentliche Kündigung fertigen (Bl.22 d.A.), zudem entzog er der Prokuristin W. die Prokura. Nachdem am 13.05.2013 der Entzug der Prokura offenbar geworden war und am 17.05.2013 die o.g. Kündigung dem Kläger zuging, wandte sich die (ehem) Prokuristin W. diesbezüglich noch am selben Tag an Geschäftsführer V. (E-Mail Bl.141/142 d.A.). Dieser beanstandete in seiner Antwort (E-Mail vom 19.05.2013, Bl.141 d.A.), u.a. dass während der von der Beklagten bezahlten Arbeitsstunden unter deren Telefonnummer und in deren Räumen bereits für I. gearbeitet würde und dabei auch Waren der Beklagten zum Einkaufspreis an die I. transferiert würden.

15

Mit Klageschrift vom 24.07.2013, bei Gericht eingehend am 27.05.2013, der Beklagten zugestellt am 31.05.2013, wendet sich der Kläger gegen die Kündigung mit Schreiben vom 02.05.2013 insgesamt sowie darüber hinaus auch gegen die frühere Kündigung mit Schreiben vom 28.03.2013, soweit sie das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien vor dem 31.12.2013 beenden soll. Gleichzeitig erklärte er die Anfechtung der Vereinbarung vom 31.01.2013 wegen arglistiger Täuschung.

16

Datierend unter dem 27.05.2013, dem Kläger zugestellt am 29.05.2013, kündigte die Beklagte diesem vorsorglich erneut außerordentlich (Bl.41 d.A.).

17

Bei Gericht eingehend am 03.06.2013, der Beklagten zugestellt am 05.06.2013, wendet sich der Kläger auch gegen diese Kündigung.

18

Datierend unter dem 24.06.2013, dem Kläger zugestellt am 02.07.2013, kündigte die Beklagte dem Kläger -unter Hinweis auf die E-Mail vom 26.04.2013- ein weiteres Mal vorsorglich außerordentlich. Bei Gericht eingehend am 08.07.2013, der Beklagten zugestellt am 09.07.2013, erweiterte der Kläger den Streitgegenstand auch diesbezüglich.

19

Mit dem Deutschlandgeschäft beauftragte die Beklagte die Firma S., nicht die Firma I..

20

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte entgegen ihrer Zusicherung nie eine Restrukturierung, sondern von Anfang an eine Schließung geplant habe, es ihr vor allem auf die Verkürzung der Kündigungsfrist angekommen sei. Dafür spreche schon allein die zeitliche Nähe zwischen Vereinbarung und Kündigung. Ihm dagegen sei es auf eine Arbeitsplatzgarantie angekommen, welche ihm -wofür die Präambel spreche sowie der nachweisbare Inhalt ähnlicher Gespräche auch mit anderen Mitarbeitern- auch tatsächlich im Gegenzug zugesichert worden sei. Er sei diesbezüglich vor und bei Abschluss der Vereinbarung am 31.01.2013 getäuscht worden. Da die Kündigung vom 28.03.2013 zum nächstmöglichen Zeitpunkt ausgesprochen worden sei, könne er auch außerhalb der Frist aus § 4 KSchG die Einhaltung der zutreffenden Kündigungsfrist verlangen.

21

Die Kündigung mit Schreiben vom 02.05.2013 sei als außerordentliche Kündigung schon mangels Einhaltung der Frist nach § 626 Abs.2 BGB unwirksam. Die weitere Kündigung mit Schreiben vom 27.05.2013 sei, da sie mit keinerlei neu in Erfahrung gebrachten weiteren Kündigungsgründen untersetzt worden sei, ebenfalls verfristet. Die E-Mail vom 26.04.2013 sei als „neuer“ Kündigungsgrund für die Kündigung mit Schreiben vom 24.06.2013 nur vorgeschoben. Diese E-Mail sei der Beklagten schon vor der Kündigung mit Schreiben vom 02.05.2013 bekannt und wohl auch deren Auslöser gewesen. Darüber hinaus habe er sich nach den Äußerungen der Beklagten sowohl gegenüber allen Mitarbeitern als auch in den E-Mail’s an die Prokuristin W. berechtigt gefühlt von einer Schließung zu sprechen und bereits am Aufbau der I. mitzuarbeiten. So habe -von den ganzen Kündigungen einmal abgesehen- doch unstreitig die Anweisung bestanden nur noch Lagerbestände zu verkaufen und sei der Prokuristin W. doch unstreitig Unterstützung für den Aufbau von I. angeboten worden. Einem möglichen gegenläufigen Willen hätte die Beklagte zunächst einmal im Rahmen einer Abmahnung Ausdruck verleihen müssen.

22

Der Kläger beantragt,

23

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung mit Schreiben vom 02.05.2013 noch durch die außerordentliche Kündigung mit Schreiben vom 27.05.2013 noch durch die außerordentliche Kündigung mit Schreiben vom 24.06.2013 noch zum 30.06.2013 durch die Kündigung mit Schreiben vom 28.03.2013 sein Ende gefunden hat, sondern bis zum 31.12.2013 fortbesteht.

24

Die Beklagte beantragt,

25

die Klage abzuweisen.

26

Laut der Beklagten seien Beschäftigungsgarantien, wie auch aus dem Text der Vereinbarung vom 31.01.2013 zu ersehen sei, zu keiner Zeit gegeben worden. Es sei jedoch tatsächlich zunächst eine Sanierung geplant gewesen, erst der spätere Verlauf der Ereignisse habe dazu geführt, dass von I. aus die Entscheidung getroffen wurde, das Deutschlandgeschäft nach und nach auslaufen zu lassen bzw. an einen Dritten zu übertragen. Eine komplette Schließung sei jedoch zu keiner Zeit angedacht gewesen. Man habe sogar in Erwägung gezogen, die Option bei dem Mietvertrag zu ziehen, aber die Prokuristin W. habe diese gegen eine entsprechende Weisung auslaufen lassen und selbst einen Anschlussmietvertrag für die I. abgeschlossen.

27

Der Kläger habe weder davon ausgehen dürfen, dass er gegenüber Kunden von einer kompletten Schließung der Beklagten reden darf, noch davon, dass er bereits während seiner von der Beklagten bezahlten Arbeitszeit und mit deren Betriebsmitteln zum Vorteil der I. und zum Nachteil der Beklagten Geschäfte betreiben darf. Dergleichen sei für den Kläger ohne weiteres erkennbar nie gestattet worden. Vielmehr hätte dieser wissen müssen, dass ein solches Verhalten, soweit es der Beklagten zur Kenntnis gelangt, seine unmittelbare Kündigung zur Folge haben wird. Gleichwohl habe er -wie insbesondere aus einer Vielzahl von E-Mail an Kunden zu ersehen sei- ein entsprechendes Verhalten an den Tag gelegt. Er habe dabei sogar, indem er Waren der Beklagten zum Einkaufspreis an die I. transferiert, bei der Beklagten gratis gelagert und dann mit Gewinn für die I. veräußert habe, den Straftatbestand einer Untreue verwirklicht.

28

Vom Inhalt der E-Mail vom 26.04.2013 habe sie erstmals am 14.06.2013 erfahren und diese zum Anlass für die neuerliche Kündigung mit Schreiben vom 24.06.2013 genommen. Die E-Mail sei ihr erst zu diesem späten Zeitpunkt vom ehemaligen Geschäftsführer S. übersandt worden, was durch dessen Vernehmung nachgewiesen werden könne. Dieser habe sich hiermit für das Anschwärzen insbesondere seitens des Klägers „bedanken“ wollen und werde, da man inzwischen die wahren Übeltäter kennen, mittlerweile wieder von der Beklagten beschäftigt.

29

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Terminsprotokolle und die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

30

Die Klage ist zulässig, aber nur teilweise begründet.

31

Die Kündigungen mit Schreiben vom 02.05.2013 und 27.05.2013 sind -jedenfalls als außerordentliche Kündigungen- unwirksam (I.). Ihre Umdeutung in eine ordentliche Kündigung kommt wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem dann gegebenen Kündigungstermin nicht in Betracht. Die Kündigung mit Schreiben vom 28.03.2013 hat das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zum 30.06.2013 beendet (II.). Die Kündigung mit Schreiben vom 24.06.2013 ging dem Kläger erst nach dem 30.06.2013 zu und hat daher für das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien keine Relevanz mehr (III.).

I.

32

Die Kündigungen mit Schreiben vom 02.05.2013 und 27.05.2013 sind -jedenfalls als außerordentliche Kündigungen- unwirksam.

33

1) Der Kläger hat diese Kündigungen rechtzeitig binnen einer Frist von drei Wochen nach ihrem Zugang bei ihm gerichtlich angegriffen, so dass diese nicht bereits nach Maßgabe von § 13 Abs.1 Satz 2 i.V.m. §§ 4, 7 KSchG als wirksam gelten.

34

Der Zugang der Kündigung mit Schreiben vom 02.05.2013 erfolgte bei dem Kläger am 17.05.2013, die Klage hiergegen ging am 27.05.2013 beim Arbeitsgericht ein und wurde am 31.05.2013 der Beklagten zugestellt. Der Zugang der Kündigung mit Schreiben vom 27.05.2013 erfolgte bei dem Kläger am 29.05.2013, die Klage hiergegen ging am 03.06.2013 beim Arbeitsgericht ein und wurde am 05.06.2013 der Beklagten zugestellt.

35

2) Es kann dahingestellt bleiben, dass einerseits der von der Beklagten geschilderte Kündigungssachverhalt, wenn er sich tatsächlich so zugetragen hat, an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs.1 BGB für eine außerordentliche Kündigung darzustellen und andererseits -legt man lediglich die vorliegenden E-Mails zugrunde- eine zeitweilige Unklarheit und Unsicherheit für die Beschäftigten über die zulässige weitere Verfahrensweise nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Denn jedenfalls muss davon ausgegangen werden, dass die Frist nach § 626 Abs.2 BGB für die Kündigungen mit Schreiben vom 02.05.2013 und mit Schreiben vom 27.05.2013 nicht gewahrt wurde. Dies aber führt unabhängig von dem oben genannten zur Unwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

36

Mit Rücksicht auf § 626 Abs.2 BGB kann eine außerordentlich Kündigung nur binnen 2 Wochen nach Kenntniserlangung des Kündigungsberechtigten von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen ausgesprochen werden. Wird diese Frist überschritten, steht dem Arbeitgeber nur noch allenfalls die ordentliche Kündigung zur Sanktionierung des „wichtigen Grundes“ zur Verfügung.

37

Die Kündigung mit Schreiben vom 02.05.2013 wurde unstreitig am 02.05.2013 gefertigt, ihr liegen die Kenntnisse zu Grunde, welche die Beklagte zu diesem Zeitpunkt hatte. Diese Kündigung ging dem Kläger aber erst am 17.05.2013 zu, d.h. mehr als 2 Wochen nach dem 02.05.2013. Für die Kündigung mit Schreiben vom 27.05.2013 hat die Beklagte keine neuen Kündigungsgründe bzw. keinen neuen Kenntnisstand vorgetragen, so dass davon ausgegangen werden muss, dass bei ihr die gleichen Gründe und der gleiche Kenntnisstand wie bereits am 02.05.2013 zu Grunde liegen. Die Frist von 2 Wochen war daher zu diesem Zeitpunkt noch weitergehend überschritten.

38

Zu einem anderen Ergebnis gelangt man auch nicht unter Berücksichtigung der -trotz § 626 Abs.2 BGB- grundsätzlich gegebenen Möglichkeit, zusätzliche weitere Kündigungsgründe, die vor Ausspruch einer, bereits aus anderen Gründen erfolgten, Kündigung schon vorhanden gewesen sind, dem Arbeitgeber aber erst nach Ausspruch der Kündigung bekannt werden, nachzuschieben (vgl. hierzu BAG 04.06.1997 - 2 AZR 362/96; AP BGB § 626 Nachschieben von Kündigungsgründen Nr.5; 06.09.2007 - 2 AZR 264/06, NZA 2008, 636). Die E-Mail vom 26.04.2013 stellt -selbst wenn sie der Beklagten erst am 14.06.2013 bekannt geworden sein sollte- keinen zusätzlichen weiteren Kündigungsgrund dar. Mit ihr hat die Beklagte vielmehr allenfalls weitere Erkenntnisse zu den auch schon bisherigen Kündigungsgründen erhalten bzw. ein Mittel an die Hand bekommen, die Kündigungsvorwürfe ggf. besser nachweisen zu können. Dies ist ohne weiteres aus der E-Mail vom 19.05.2013 zu schlussfolgern, in welcher der Geschäftsführer V. die Gründe für sein Verhalten und insbesondere für die außerordentliche Kündigung des Klägers offen gelegt hat. Diese waren bereits zu diesem Zeitpunkt die gleichen, wie diejenigen, die die Beklagte aus der E-Mail ableiten möchte. Ein solchermaßen erweiterter Kenntnisstand kann zwar bei vorausgegangener Verdachtskündigung oder bisherigem Absehen von einer Kündigung dazu führen, eine neue Frist nach § 626 Abs.2 BGB für den Ausspruch einer erstmaligen oder weiteren Verdachts- bzw. nunmehr Tatkündigung in Gang zu setzen (vgl. BAG 27.01.2011 - 2 AZR 825/09, NZA 2011, 798). Dieser erweiterte Kenntnisstand kann aber nicht einer -in der Annahme, dass auch der bisherige Kenntnisstand bereits ausreiche- schon ausgesprochenen Kündigung nachträglich zu einem nun plötzlich nicht mehr verfristeten wichtigen Grund verhelfen. Es handelt sich insoweit eben nicht um einen neuen weiteren nachschiebbaren Kündigungsgrund, sondern immer noch um denselben. Auch von einem weitergehenden Dauertatbestand kann nicht die Rede sein. Mit Erhalt der Kündigung vom 02.05.2013 endete die tatsächliche Tätigkeit des Klägers für die Beklagte und damit auch die Möglichkeit, weitere Verstöße zu begehen.

II.

39

Die Kündigung mit Schreiben vom 28.03.2013 hat das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zum 30.06.2013 beendet. Soweit der Kläger von einer Beendigung erst zum 31.12.2013 ausgeht, war dem nicht zu folgen.

40

Zwar ist es richtig, dass §§ 4, 7 KSchG insoweit nicht entgegenstehen. Denn der Beendigungszeitpunkt ist bei der Kündigungserklärung mit Schreiben vom 28.03.2013 als eine Frage der Auslegung und nicht der Umdeutung anzusehen. Schließlich hat die Beklagte nach dem ausdrücklichen Wortlaut dieses Schreibens nicht einfach nur und ausschließlich zum 30.06.2013 gekündigt, sondern in erster Linie zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Zusammen mit der Angabe, diesen mit dem 30.06.2013 berechnet zu haben, wird deutlich, dass, sollte der nächstmögliche Zeitpunkt ein anderer sein, ersatzweise dieser ggf. auch später gelegene Zeitpunkt gelten sollte. Im Rahmen einer solchen Auslegungsfrage ist der Kläger nicht an §§ 4, 7 KSchG gebunden (vgl. hierzu: BAG 01.09.2010 - 5 AZR 700/09, DB 2010, 2620). Im Übrigen dagegen war mit der vorliegenden, am 27.05.2013 eingegangenen, Klage ein Angriff auf die Kündigung mit Schreiben vom 28.03.2013 nicht mehr möglich, insoweit greift § 7 KSchG.

41

Es ist allerdings, anders als der Kläger meint, von keiner längeren Kündigungsfrist auszugehen. Die gesetzliche Kündigungsfrist nach Maßgabe von § 622 BGB liegt hier lediglich bei einem Monat zum Monatsende. Die für den Kläger günstigere arbeitsvertraglich vereinbarte Kündigungsfrist verlängert diese Kündigungsfrist auf nicht mehr als drei Monate zum Monatsende. Diese Frist ist der Ergänzungsvereinbarung vom 31.01.2013 zu entnehmen, welche insoweit die vorangehende Regelung aus dem Arbeitsvertrag vom 26.07.2011 abgelöst hat. Die von dem Kläger vorgebrachten Einwände gegen die Wirksamkeit dieser Ergänzungsvereinbarung greifen nicht.

42

Soweit der Kläger die Anfechtung der Ergänzungsvereinbarung erklärt hat, konnte die Kammer jedenfalls den hierfür erforderlichen -vom anfechtenden darzulegenden und nachzuweisenden- gesetzlichen Anfechtungsgrund nicht erkennen. Insbesondere fehlt es an der behaupteten arglistigen Täuschung (§ 123 BGB). Zwar erscheint es zutreffend, dass der Kläger die Ergänzungsvereinbarung nicht unterschrieben hätte, wenn er gewusst hätte, dass die Beklagte am 31.01.2013 gar nicht oder gar nicht mehr plante, den Betrieb zu sanieren und mit ihm als Arbeitnehmer längerfristig fortzuführen. Dass die Beklagte aber tatsächlich zu diesem Zeitpunkt gar nicht oder gar nicht mehr plante, den Betrieb zu sanieren und/oder mit dem Kläger als Arbeitnehmer längerfristig fortzuführen, kann nach derzeitigem Sachstand nicht angenommen werden.

43

Zum jeweiligen Stand der tatsächlichen Planungen hat keine der Parteien mehr als allenfalls Indizien vorgetragen. Weder liegen konkrete Geschäftsleitungsbeschlüsse vor noch Geschäftszahlen, die das eine oder das andere nachweisen können. Indizien für die Auffassung des Klägers sind der enge zeitliche Zusammenhang zwischen Vereinbarung und Kündigung sowie der Umstand, dass die Beklagte auf eine, die Sanierung selbst nicht direkt befördernde, Verkürzung der Kündigungsfrist gedrungen hat. Indiz für eine mögliche Umplanung erst nach dem 31.01.2013 ist insbesondere die erst nachfolgende Veränderung in der Geschäftsführung eventuell auch inzwischen aufgetretene Loyalitäts- und Umsetzungsprobleme. Die Entscheidung zu Sanieren und die Entscheidungen zur Umsetzung der Sanierungspläne ist in erster Linie eine Entscheidung der jeweiligen Geschäftsführung. Ändert sich deren Zusammensetzung überraschend, können sich natürlich auch einmal gefasste Pläne überraschend ändern. Ein Geschäftsführer mit Sitz in I. kann sich eventuell nicht mit der erforderlichen Intensität um eine Sanierung kümmern und beurteilt möglicherweise Chancen und Risiken des Deutschlandgeschäfts anders, als ein Geschäftsführer vor Ort. Von einer von Anfang an nicht bestehenden Sanierungsabsicht kann damit unter Betrachtung aller vorliegenden Indizien nicht ohne Weiteres ausgegangen werden. Jedenfalls aber kann eine solche keineswegs bereits als nachgewiesen angesehen werden.

44

Soweit der Kläger des Weiteren auf eine mögliche Beschäftigungsgarantie Bezug nimmt, ist zum einen nicht erkennbar, wie eine solche die eingetretene Fiktion nach § 7 KSchG oder aber die Länge der Kündigungsfrist beeinträchtigen könnte. Zum anderen hat er die Abgabe einer entsprechenden verbindlichen Erklärung auf Seiten der Beklagten nicht ausreichend substantiiert dargelegt, geschweige denn, ausreichend unter Beweis gestellt. Die Ergänzungsvereinbarung enthält keine entsprechende verbindliche Erklärung, auch nicht in ihrer Präambel, andere Mitarbeiter können, schon nach eigener Angabe des Klägers, offenbar lediglich über eventuelle Erklärungen ihnen selbst gegenüber Auskunft geben.

III.

45

Der Kündigungsschutzantrag betreffend die Kündigung mit Schreiben vom 24.06.2013 konnte nach dem oben gesagten keinen Erfolg mehr haben.

46

Die Kündigung mit Schreiben vom 24.06.2013 ging dem Kläger unstreitig erst nach dem 30.06.2013 zu und zwar am 02.07.2013. Zu diesem Zeitpunkt aber bestand zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis mehr. Dieses endete zum 30.06.2013 (vgl. unter II.). Voraussetzung für eine erfolgreiche Kündigungsschutzklage aber ist nicht nur die Unwirksamkeit der angegriffenen Kündigung, etwa nach Maßgabe von § 1 KSchG, sondern auch, dass bei Ausspruch der angegriffenen Kündigung überhaupt noch ein Arbeitsverhältnis bestand. Ist dies nicht der Fall, ist die Kündigungsschutzklage abzuweisen (vgl. BAG 22.11.2012 - 2 AZR 738/11, zitiert über Juris; 27.01.2011 - 2 AZR 826/09, NZA 2011, 804).

IV.

47

Der Wert des Streitgegenstandes, der gemäß § 61 Abs.1 ArbGG festzusetzen war, bestimmt sich nach Maßgabe von §§ 3ff. ZPO. In Anlehnung an § 42 Abs. 3 GKG ist für die erste Kündigung ein Vierteljahresverdienst in Ansatz zu bringen. Für die nachgehenden Kündigungen ist zusätzlich jeweils die Differenz hinzuzurechnen, um die ein fiktiver 3-Monatszeitraum nach Zugang der Kündigung zeitlich hinausgeschoben würde, wenn statt dem Zugangszeitpunkt der vorangegangenen Kündigung der Zugangszeitpunkt dieser Kündigung der maßgebliche wäre. Die jeweilige Differenz darf allerdings einen weiteren Vierteljahresverdienst nicht überschreiten. Danach waren für die erste am 28.03.2013 zugegangene Kündigung drei Bruttomonatsverdienste des Klägers (28.03.-28.06.), für die am 17.05.2013 zugegangene Kündigung Arbeitsentgelt für 50 Kalendertage (29.06. -17.08.), für die am 29.05.2013 zugegangene Kündigung Arbeitsentgelt für 12 Kalendertage (18.08. -29.08.) und für die am 02.07.2013 zugegangene Kündigung Arbeitsentgelt für 34 Kalendertage (30.08.-02.10.) in Ansatz zu bringen. Geht man von den durch den Kläger angegebenen 4.000,00 € brutto pro Monat aus, errechnet sich hieraus ein Betrag in Höhe von insgesamt 24.559,35 € (12.000 + 6.593,41 + 1.582,42 + 4.483,52).

48

Die Kosten des Rechtsstreits waren nach Maßgabe von § 92 Abs.1 Satz 1 2.Alt. ZPO verhältnismäßig nach dem jeweiligen Obsiegen oder Unterliegen zu verteilen. Da der Kläger mit seiner Klage gegen die Kündigung vom 28.03.2013 (12.000 €) und mit seiner Klage gegen die Kündigung vom 24.06.2013 (4.483, 52 €) gescheitert ist, aber mit seiner Klage gegen die Kündigung vom 02.05.2013 (6.593,41 €) und gegen die Kündigung vom 27.05.2013 (1.582, 42 €) Erfolg hatte, errechnet sich hieraus die austenorierte Kostenquote.


Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

moreResultsText


(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt is
{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt is
4 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 22/11/2012 00:00

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 12. April 2011 - 19 Sa 1967/10 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
published on 27/01/2011 00:00

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 7. August 2009 - 19/3 Sa 576/08 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
published on 27/01/2011 00:00

Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 7. August 2009 - 19/3 Sa 575/08 - aufgehoben.
published on 01/09/2010 00:00

Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 19. August 2009 - 2 Sa 132/09 - aufgehoben.
{{Doctitle}} zitiert {{count_recursive}} Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Annotations

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam; ein vom Arbeitnehmer nach § 2 erklärter Vorbehalt erlischt.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam; ein vom Arbeitnehmer nach § 2 erklärter Vorbehalt erlischt.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam; ein vom Arbeitnehmer nach § 2 erklärter Vorbehalt erlischt.

(1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten (Arbeitnehmers) kann mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden.

(2) Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die Kündigungsfrist, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen

1.
zwei Jahre bestanden hat, einen Monat zum Ende eines Kalendermonats,
2.
fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
3.
acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
4.
zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines Kalendermonats,
5.
zwölf Jahre bestanden hat, fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats,
6.
15 Jahre bestanden hat, sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats,
7.
20 Jahre bestanden hat, sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats.

(3) Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.

(4) Von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Regelungen können durch Tarifvertrag vereinbart werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags gelten die abweichenden tarifvertraglichen Bestimmungen zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, wenn ihre Anwendung zwischen ihnen vereinbart ist.

(5) Einzelvertraglich kann eine kürzere als die in Absatz 1 genannte Kündigungsfrist nur vereinbart werden,

1.
wenn ein Arbeitnehmer zur vorübergehenden Aushilfe eingestellt ist; dies gilt nicht, wenn das Arbeitsverhältnis über die Zeit von drei Monaten hinaus fortgesetzt wird;
2.
wenn der Arbeitgeber in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt und die Kündigungsfrist vier Wochen nicht unterschreitet.
Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen. Die einzelvertragliche Vereinbarung längerer als der in den Absätzen 1 bis 3 genannten Kündigungsfristen bleibt hiervon unberührt.

(6) Für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer darf keine längere Frist vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber.

(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.

(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.

Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam; ein vom Arbeitnehmer nach § 2 erklärter Vorbehalt erlischt.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.

(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.

(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.

(1) Bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen aus einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis, einer Dienstpflicht oder einer Tätigkeit, die anstelle einer gesetzlichen Dienstpflicht geleistet werden kann, bei Ansprüchen von Arbeitnehmern auf wiederkehrende Leistungen sowie in Verfahren vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen dem Grunde oder der Höhe nach geltend gemacht oder abgewehrt werden, ist der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen maßgebend, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist. Ist im Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit die Höhe des Jahresbetrags nicht nach dem Antrag des Klägers bestimmt oder nach diesem Antrag mit vertretbarem Aufwand bestimmbar, ist der Streitwert nach § 52 Absatz 1 und 2 zu bestimmen.

(2) Für die Wertberechnung bei Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts maßgebend; eine Abfindung wird nicht hinzugerechnet. Bei Rechtsstreitigkeiten über Eingruppierungen ist der Wert des dreijährigen Unterschiedsbetrags zur begehrten Vergütung maßgebend, sofern nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist.

(3) Die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge werden dem Streitwert hinzugerechnet; dies gilt nicht in Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen. Der Einreichung der Klage steht die Einreichung eines Antrags auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe gleich, wenn die Klage alsbald nach Mitteilung der Entscheidung über den Antrag oder über eine alsbald eingelegte Beschwerde eingereicht wird.