Arbeitsgericht Herne Urteil, 19. Aug. 2015 - 5 Ca 965/15
Gericht
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreites trägt der Kläger.
3. Der Streitwert wird auf 19.649,00 Euro festgesetzt.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger, den durch einen vermeintlichen Diebstahl von Familienschmuck aus dessen Büro, entstandenen Schaden zu ersetzen.
3Die Beklagte ist die Betreiberin des F Krankenhauses in S. Der Kläger ist bei der Beklagten als Leiter der hämatologisch-onkologischen Palliativstation 3 a tätig. Mitte Juni 2014 meldete der Kläger der Beklagten den Diebstahl von Familienschmuck aus einem Rollcontainer in seinem Büro.
4Mit seiner am 14.04.2015 bei Gericht eingegangenen Klage macht der Kläger gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche geltend.
5Der Kläger behauptet, aufgrund einer Familienfeier eine Schmuckkassette aus dem Bankschließfach entnommen und mit nachhause genommen zu haben. Am 06.06.2014 habe er beabsichtigt, den Schmuck nach seiner Arbeit bei der Beklagten in das Bankschließfach zurückzubringen. Während der Arbeit habe er den Schmuck in einem Rollcontainer in seinem Büro eingeschlossen. Nach Beendigung seiner Tätigkeit für die Beklagte sei er jedoch nicht mehr dazu gekommen, die Bank aufzusuchen. Die Kassette sei im Rollcontainer verblieben. Am 16.06.2014 habe er gegen 08.00 Uhr bemerkt, dass die Tür zu seinem Büro zwar abgeschlossen, jedoch nicht zugezogen sei. Ferner sei die Schublade des Rollcontainers, in dem sich die Schmuckkassette befunden habe, aufgebrochen gewesen. Die Kassette und der Schmuck seien gestohlen worden. Der gestohlene Schmuck habe einen Wert von 19.649,00 € gehabt. Einige Tage später sei festgestellt worden, dass die Umkleideschränke in dem unmittelbar neben dem Büro liegenden Raum ebenfalls aufgebrochen worden seien. Aus dem Spind der Leiterin der gefäßchirurgischen Abteilung seien diverse Schlüssel, unter anderem ein Generalschlüssel entwendet worden. Der Kläger ist der Ansicht, als Arbeitgeberin habe die Beklagte die Verpflichtung gehabt, das Eigentum ihrer Mitarbeiter zu schützen und die hierzu erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen und zu kontrollieren. Dieses beinhalte die Verpflichtung, einen Generalschlüssel, welcher Zugang zu sämtlichen Räumen gewähre, ausschließlich an einen vertrauenswürdigen Mitarbeiter auszuhändigen und die Verwahrung sowie die Verwendung zu regeln und zu kontrollieren. Diese Verpflichtung habe die Beklagte verletzt.
6Der Kläger beantragt,
7die Beklagte zu verurteilten, an ihn einen Betrag in Höhe von 19.649,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 14.550,00 € seit de. 29.07.2014 und aus 5.099,00 € seit dem 21.04.2015 zu zahlen.
8Die Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Sie ist der Ansicht, die Klage sei unschlüssig. Eine Obhuts- oder Verwahrungspflicht des Arbeitgebers bestehe allenfalls für persönliche unentbehrliche Sachen des Arbeitnehmers, die im Rahmen der unmittelbaren Arbeitsausführung eingebracht und benötigt würden. Hierzu zähle nicht die Einbringung von Familienschmuck.
11Bezüglich des weiteren Vorbringens wird auf die wechselseitigen schriftsätzlichen Ausführungen der Parteien einschließlich der Anlagen Bezug genommen.
12Entscheidungsgründe
13Die Klage ist unbegründet.
14I.
15Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 19.649,00 € aus § 280 Abs. 1 BGB.
16Dem Kläger ist es nicht gelungen, den entsprechenden Schadensersatzanspruch schlüssig darzulegen. Selbst wenn der Vortrag des Klägers als wahr unterstellt wird, ihm sei Schmuck in entsprechendem Wert aus seinem Bürocontainer entwendet worden, würde der ihm dadurch entstehende Schaden nicht auf einer Pflichtverletzung der Beklagten beruhen. Ebenfalls dahinstehen kann, ob die Beklagte die vom Kläger postulierten Sorgfaltspflichten bei der Herausgabe von vermeintlichen Generalschlüsseln zutrifft und ob sie diese Pflichten tatsächlich verletzt hat. Selbst wenn auch dies zugunsten des Klägers unterstellt wird, wäre diese Pflichtverletzung nicht kausal für den dem Kläger entstandenen Schaden. Die Kammer kann auch nach dem Vortrag des Klägers nicht davon ausgehen, dass der aus dem Spind einer Kollegin vermeintlich gestohlene Generalsschlüssel für den Diebstahl des Schmucks des Klägers verwendet wurde. Wie der Kläger selbst vorträgt, fand er am 16.06.2014 seine Bürotür zwar verschlossen, jedoch nicht zugezogen vor. Insoweit kann auch nach seinem Vortrag nicht davon ausgegangen werden, dass der gestohlene Generalschlüssel für die Öffnung seiner Bürotür verwendet wurde. Ebenso wäre es denkbar, dass der Kläger selbst seine Bürotür beim letzten verlassen zwar abgeschlossen, jedoch nicht ordnungsgemäß zugezogen hat. Darüber hinaus ist der Vortrag des Klägers rein spekulativ, dass der vermeintlich gestohlene Generalschlüssel für den Diebstahl des Familienschmucks verwendet wurde.
17II.
18Ein entsprechender Ersatzanspruch des Klägers ergibt sich auch nicht in entsprechender Anwendung von § 670 BGB.
19Nach § 670 BGB hatte der Beauftragte gegen den Auftragsgeber Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen, die er zum Zwecke der Ausführung des Auftrages gemacht hat und die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Ein Arbeitnehmer hat in entsprechender Anwendung des § 670 BGB Anspruch auf Ersatz von Schäden, die bei der Erbringung der Arbeitsleistung ohne Verschulden des Arbeitgebers entstehen. Voraussetzung der Erstattungsfähigkeit eines Eigenschadens ist, dass der Schaden nicht dem Lebensbereich des Arbeitnehmers, sondern dem Betätigungsbereich des Arbeitgebers zuzurechnen ist und der Arbeitnehmer ihn nicht selbst tragen muss, weil er dafür eine besondere Vergütung erhält (z. B. BAG Urteil vom 22.06.2011 – 8 AZR 102/10 – i. Z. a. § 670 BGB 2002 Nr. 6; Urteil vom 28.10.2010 – 8 AZR 687/09 – i. Z. a. § 670 BGB 2002 Nr. 4).
20Das Deponieren des (gesamten) Familienschmucks in einem Rollcontainer eines Büros eines Krankenhauses ist nicht dem Betätigungsbereich der Beklagten zuzuordnen, sondern in den Lebensbereich des Klägers. Kein Arbeitgeber muss damit rechnen, dass ein einfacher Bürocontainer zur Verwahrung von wertvollem Schmuck verwendet wird, die ein Arbeitnehmer nicht üblicherweise mit sich trägt. Die Beklagte hat keinerlei Veranlassung gesetzt, dass der Kläger den Schmuck mit in den Betrieb nimmt. Insofern ist das Risiko des Schadens allein vom Kläger zu tragen und nicht von der Beklagten.
21III.
22Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
23Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG i. V. m. §§ 3 ff. ZPO.
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(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.
(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.
(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.