Arbeitsgericht Freiburg Urteil, 16. Mai 2013 - 8 Ca 52/13

published on 16/05/2013 00:00
Arbeitsgericht Freiburg Urteil, 16. Mai 2013 - 8 Ca 52/13
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Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 75,00 EUR (i.W. fünfundsiebzig Euro) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.02.2013 zu bezahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtstreits.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 75,00 EUR festgesetzt.

4. Die Berufung wird für die Beklagte gesondert zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Erstattung der Kosten für eine von ihm absolvierte und nach dem Berufskraftfahrerqualifizierungsgesetz zwingend vorgeschriebene Weiterbildung, über den von der Beklagten bereits erstatteten Anteil hinaus, in Höhe von 75,00 EUR.
Auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien finden die für das private Omnibusgewerbe in Baden-Württemberg geltenden Tarifverträge kraft beiderseitiger Tarifbindung Anwendung. Bis zum Inkrafttreten des geänderten Manteltarifvertrages erstattete die Beklagte allen Arbeitnehmern die Kosten für die nach dem Berufskraftfahrerqualifizierungsgesetz zwingend vorgesehene Weiterbildung mindestens seit dem Jahr 2008 in vollem Umfang.
§ 15 des Manteltarifvertrages zwischen dem Arbeitgeberverband Verkehr Baden-Württemberg für den WBO Verband Baden-Württembergischer Omnibusunternehmer e.V. und ver.di (künftig MTV) vom 09.03.2012 enthält auszugsweise folgende Regelungen:
„15.2. Die Kosten und Gebühren für die Verlängerung des Ausweises für Omnibusfahrer einschließlich der gesetzlich vorgeschriebenen Untersuchungen trägt der Arbeitgeber. Für die erste Wiederholungsprüfung übernimmt der Arbeitgeber die Hälfte der Gebühren.
15.4. Der Arbeitnehmer mit Beschäftigung im Fahrdienst erhält jährlich einen Betrag in Höhe von 100,00 EUR brutto als Qualifizierungszuschuss (Lohnersatz), sofern er zur Fahrerweiterbildung gemäß BKrFQG verpflichtet ist. Dieser Betrag ist spätestens am 15. Dezember auszuzahlen, erstmals zahlbar im Kalenderjahr 2012. Ausgenommen hiervon sind Aushilfskräfte.“
Der Kläger ist der Auffassung, § 15.2 MTV enthalte einen Anspruch der Arbeitnehmer auf Erstattung der Gebühren und Kosten für die Weiterbildungen nach dem Berufskraftfahrerqualifizierungsgesetz. Der neu eingeführte 15.4 MTV beziehe sich ausdrücklich, bereits nach dem Wortlaut, nur auf den Lohnersatz. Er sei nur diesbezüglich spezieller und abschließend. Dafür spreche zudem der Sinn und Zweck der Vorschrift. Ohne Absolvierung der nach dem Berufskraftfahrerqualifikationsgesetz zwingend vorgeschriebenen Weiterbildung liege keine gültige Berufskraftfahrerqualifikation für gewerbliche Fahrer vor. Ohne eine solche drohen sowohl für den Arbeitnehmer als auch in gesteigertem Maße für den Arbeitgeber hohe Bußgelder. Bei deren Kosten handele es sich daher um solche, die für die Verlängerung des Ausweises im Sinne des § 15.2 MTV zwingend erforderlich und vom Arbeitgeber zu tragen seien.
Dafür spreche auch die Systematik. § 15.4 MTV stelle klar, dass sich diese spezielle Regelung nur auf den Lohnersatz beziehe. Dessen Erstattung setze jedoch denklogisch als ersten Schritt vorgelagert die Übernahme der verpflichtenden Weiterbildungskosten voraus, weshalb diese in Absatz 2 geregelt sei. Dafür spreche auch der Wille der Tarifvertragsparteien und die gelebte Tarifpraxis. Seit Einführung des Berufskraftfahrerqualifizierungsgesetzes hätten die Arbeitgeber in Baden-Württemberg regelmäßig die Kosten der verpflichtenden Weiterbildung übernommen. Diese landesweite Praxis sei Ausdruck eines Konsenses bezüglich der Anwendung des Tarifvertrages in diesem Sinne. Die Tarifvertragsparteien seien übereinstimmend davon ausgegangen, dass Schulungskosten für die verpflichtende Weiterbildung nicht Gegenstand des § 15.4 MTV seien und dieser diesbezüglich keine abschließende Regelung enthalte. Es handle sich weder um eine freiwillige Leistung noch bestehe eine abweichende Regelung mit dem Betriebsratsvorsitzenden oder dem Betriebsrat. Darüber hinaus stehe dem Kläger ein Anspruch aus betrieblicher Übung zu, da die Schulungskosten mindestens seit 2008 durch den Arbeitgeber einschränkungslos übernommen wurden.
Der Kläger beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 75,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
10 
Die Beklagte beantragt
11 
Klageabweisung.
12 
Die Beklagte ist der Auffassung, dem Kläger stehe ein Erstattungsanspruch weder nach Tarifvertrag noch aus betrieblicher Übung zu. Die Kosten seien in der Vergangenheit freiwillig als übertarifliche Leistung übernommen worden. Einer betrieblichen Übung stehe das Schriftformerfordernis in § 2.1 MTV entgegen. Ein Anspruch habe auch vor der Änderung des § 15 MTV nicht bestanden. Dessen Absatz 2 betreffe nicht die Fahrerweiterbildung sondern nur die Verlängerung des Omnibusausweises. Nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte seien darunter nur die Kosten für die Verlängerung des Führerscheins, nicht aber diejenigen für die Fahrerqualifikation, zu verstehen. Die Weiterbildung werde zwar im Führerschein vermerkt, sei aber keine Voraussetzung für die Verlängerung der befristeten Fahrerlaubnis. Dies zeige beispielsweise die Homepage des Landkreises T., auf der dieser darauf hinweise, dass neben dem Führerschein zusätzlich der Nachweis der Berufskraftfahrerqualifikation für die Tätigkeit als Busfahrer erforderlich sei. Darüber hinaus liste der B-Kreis auf seiner Internetseite die notwendigen Unterlagen für die Verlängerung des Führerscheins durch das Landratsamt auf, ohne den Nachweis der Berufskraftfahrerqualifikation zu nennen. Die Eintragung nach dem Berufskraftfahrerqualifikationsgesetz in den Führerschein löse einen unabhängigen Gebührentatbestand aus. Dies zeige, dass es sich dabei um zwei unterschiedliche Dinge handle. § 15.4 MTV enthalte eine erstmalige und abschließende Regelung hinsichtlich der Fahrerweiterbildung. Die Beklagte stützt sich zudem auf die Äußerungen des Arbeitgeberverbandes. Danach habe ver.di einen Qualifizierungszuschuss nicht durchsetzen können, da die Arbeitgeber keinesfalls zu weitergehenden Zugeständnissen bereit gewesen seien. Es bestehe keine tarifvertragliche Verpflichtung zur Kostenübernahme. Diese sei in manchen anderen Betrieben in einer Betriebsvereinbarung vorgesehen. Dafür spreche auch, dass Adressat des Berufskraftfahrerqualifikationsgesetzes der Arbeitnehmer und nicht der Arbeitgeber sei. Die Übernahme der Qualifizierungskosten sei der Streitpunkt schlechthin bei den finalen Tarifverhandlungen gewesen. Im kleinen Kreis habe man geäußert, dass man davon ausgehe, dass Unternehmen wie bisher wohl auch weiterhin die Veranstaltungskosten übernehmen und die Zeiten als Qualifizierungszuschuss abgelten würden, was so nicht in den schriftlichen Abschluss des Tarifvertrages eingeflossen sei. Es bestehe eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat, dass jeder Fahrer, der einen Qualifizierungslehrgang absolviert, auf Nachweis 20,00 EUR als Zuschuss ausbezahlt bekomme. Ein Anspruch aus betrieblicher Übung scheide auch deshalb aus, da der neue Tarifvertrag eine abschließende anderweitige Regelung enthalte und der Arbeitnehmer keine Kumulierung der für ihn günstigen Komponenten verlangen könne. Die Stellungnahme von ver.di sei weder einleuchtend noch habe die dort angekündigte endgültige Klärung stattgefunden.
13 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren und auf die Sitzungsprotokolle vom 14.03.2013 und vom 16.05.2013 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
14 
Die zulässige Klage hat in vollem Umfang Erfolg. Die Auslegung des § 15.2 MTV ergibt, dass dem Kläger ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die nach dem Berufskraftfahrerqualifizierungsgesetz zwingend vorgesehenen Weiterbildungen zusteht.
15 
1. Die Auslegung des normativen Teils des Tarifvertrages erfolgt nach den für Gesetze geltenden Regelungen. Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Zu ermitteln ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Ferner ist auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, der häufig schon deswegen mitberücksichtigt werden muss, weil nur daraus und nicht aus der einzelnen Tarifnorm auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien geschlossen und deshalb nur bei Mitberücksichtigung des tariflichen Gesamtzusammenhangs der Sinn und Zweck der Tarifnormen zutreffend ermittelt werden kann. Sofern hiernach zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu erzielen sind, können weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages und die praktische Tarifübung ebenso berücksichtigt werden, wie die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse (BAG vom 27.06.2002 - 6 AZR 378/01 - Rn. 25; BAG vom 16.07.1998 - 6 AZR 672/96 - Rn. 17; BAG vom 12.09.1984 - 4 AZR 336/82 - Rn. 24 ff.).
16 
a) Anhaltspunkte für eine Auslegung des § 15.2 MTV im Sinne des Klägers ergeben sich bereits aus dem Wortlaut. Zwar knüpft dieser anders als etwa § 15.4 MTV nicht ausdrücklich an das Berufskraftfahrerqualifikationsgesetz an. Er spricht jedoch allgemein von der Verlängerung des Ausweises für Omnibusfahrer und nicht von einer Führerscheinverlängerung. Die Zulassung für Omnibusfahrer zur Personenbeförderung unterscheidet sich dadurch von normalen Busführerscheinen, dass eine zusätzliche Qualifikation erforderlich ist. Würde sich die Vorschrift nur auf die Erstattung derjenigen Kosten beziehen, die im Zusammenhang mit der Absolvierung des Führerscheins stehen, hätte die Verwendung des Terminus technicus nahe gelegen. Die Wahl des weiten Begriffs „Ausweis für Omnibusfahrer“ abweichend von diesem, spricht für einen Erstattungsanspruch auch hinsichtlich der erforderlichen Fortbildungskosten nach dem Berufskraftfahrerqualifizierungsgesetz.
17 
b) Dieses Auslegungsergebnis wird durch Sinn und Zweck der Vorschrift unterstrichen. Zwar sprechen die von der Beklagten vorgelegten Zitate des Landkreises T. und des B.-Kreises dafür, dass die Qualifikation nach dem Berufskraftfahrerqualifizierungsgesetz tatsächlich nicht zwingende Voraussetzung für die Verlängerung des befristeten Führerscheins ist. Die Weiterbildung ist jedoch eine obligatorische Bedingung zur Beförderung von Personen und damit für die typische Tätigkeit eines Berufsbusfahrers. Liegt eine solche nicht vor, sind sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer am Einsatz als Berufskraftfahrer faktisch gehindert. So sieht § 9 Abs. 3 Berufskraftfahrerqualifikationsgesetz für Verstöße eine Geldbuße von bis zu 5.000,00 EUR für den Arbeitnehmer und von bis zu 20.000,00 EUR für den Arbeitgeber vor. Dadurch wird verdeutlicht, dass auch der Arbeitgeber am Einsatz des Arbeitnehmers ohne entsprechende Qualifikation gehindert ist. Diese ist mithin zwingende Voraussetzung für die berufliche Tätigkeit.
18 
c) Demgegenüber lässt sich aus der Systematik der tarifvertraglichen Vorschriften weder ein schlagkräftiges Argument für einen Anspruch noch dagegen finden. Entgegen der Auffassung des Klägers setzt die Leistung von Lohnersatz nicht zwingend die Übernahme der Weiterbildungskosten voraus. Vielmehr handelt es sich dabei um zwei voneinander losgelöste Elemente, deren Aufteilung ebenso einheitlich wie auch separat zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber erfolgen kann. Die Neueinführung des Absatzes 4 des § 15 MTV ist wenig aussagekräftig, da sich nicht abschließend klären lässt, ob die Tarifvertragsparteien davon ausgingen, dass die Qualifizierungskosten als solche bereits von Absatz 2 erfasst sind oder nicht.
19 
d) Ein einheitlicher Wille der Tarifvertragsparteien lässt sich nicht feststellen. Vielmehr gehen die Aussagen von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden auseinander. Aufgrund des klaren Wortlauts und dem Sinn und Zweck der Regelung steht ein potentieller Dissens nicht entgegen. Maßgeblich ist der nach außen zum Ausdruck gekommene Normbefehl hilfsweise das Verständnis des durchschnittlichen Normenanwenders (BAG vom 18.10.2012 - 6 AZR 261/11 - Rn. 87). Ein klares Auslegungsergebnis kann unter Zurückstellung der unterschiedlichen Auffassungen der Tarifvertragsparteien gewonnen werden.
20 
e) Auch die von der Beklagten behauptete anderweitige Vereinbarung mit dem Betriebsrat steht dem nicht entgegen. Es fehlt für eine Betriebsvereinbarung wohl schon an der konstitutiven (Fitting, BetrVG, 26. Auflage, § 77 Rn. 21; GK-BetrVG/Kreutz, 9. Auflage, Band 2, § 77 Rn. 4) Schriftform. Für eine Regelungsabrede fehlt es an der individualrechtlichen Umsetzung. Selbst wenn man eine schriftliche Betriebsvereinbarung unterstellen würde, tritt diese aufgrund der günstigeren Regelung im Tarifvertrag (volle gegenüber anteiliger Kostenerstattung) zurück. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch in voller Höhe zu.
21 
2.) Der Zinsanspruch folgt aus § 291, 288 Abs. 1 Satz 2, 247 BGB. Die Klage wurde der Beklagten am 14.02.2013 zugestellt und ist ab dem Folgetag zu verzinsen.
II.
22 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Danach hat die Beklagte als unterliegende Partei die Kosten des Rechtstreits zu tragen.
23 
Gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG setzt das Gericht den Streitwert im Urteil fest. Dieser entspricht vorliegend der Höhe der eingeklagten Forderung.
24 
Gemäß § 64 Abs. 3 a ArbGG muss das Urteil zudem eine Entscheidung über die gesonderte Zulassung der Berufung enthalten. Die Kammer hat diese nach § 64 Abs. 3 Ziffer 2 b ArbGG für die Beklagte gesondert zugelassen. Der Ausgang des Rechtstreits hängt von der Auslegung des § 15 MTV ab. Dessen Geltungsbereich erstreckt sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus. Daneben liegen auch die Voraussetzungen des § 64 Abs. 3 Ziffer 1 ArbGG vor. Eine Rechtssache hat dann grundlegende Bedeutung, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt ist. Die Rechtsfrage muss klärungsfähig, klärungsbedürftig und entscheidungserheblich sein (BAG vom 05.10.2010 - 5 AZN 666/10 - Rn. 5). Aufgrund des Anwendungsbereichs des Manteltarifvertrags für das private Omnibusgewerbe in ganz Baden-Württemberg besteht ein entsprechendes abstraktes Interesse der Allgemeinheit. Die Rechtsfrage ist höchstrichterlich nicht geklärt.
25 
Sie ist darüber hinaus entscheidungserheblich, da der Anspruch nicht alternativ auf eine betriebliche Übung gestützt werden kann, da dieser die Schriftformklausel für Nebenabreden im Tarifvertrag entgegen steht (BAG vom 15.03.2011 - 9 AZR 799/09 - Rn. 33 ff.).

Gründe

 
I.
14 
Die zulässige Klage hat in vollem Umfang Erfolg. Die Auslegung des § 15.2 MTV ergibt, dass dem Kläger ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die nach dem Berufskraftfahrerqualifizierungsgesetz zwingend vorgesehenen Weiterbildungen zusteht.
15 
1. Die Auslegung des normativen Teils des Tarifvertrages erfolgt nach den für Gesetze geltenden Regelungen. Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Zu ermitteln ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Ferner ist auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, der häufig schon deswegen mitberücksichtigt werden muss, weil nur daraus und nicht aus der einzelnen Tarifnorm auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien geschlossen und deshalb nur bei Mitberücksichtigung des tariflichen Gesamtzusammenhangs der Sinn und Zweck der Tarifnormen zutreffend ermittelt werden kann. Sofern hiernach zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu erzielen sind, können weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages und die praktische Tarifübung ebenso berücksichtigt werden, wie die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse (BAG vom 27.06.2002 - 6 AZR 378/01 - Rn. 25; BAG vom 16.07.1998 - 6 AZR 672/96 - Rn. 17; BAG vom 12.09.1984 - 4 AZR 336/82 - Rn. 24 ff.).
16 
a) Anhaltspunkte für eine Auslegung des § 15.2 MTV im Sinne des Klägers ergeben sich bereits aus dem Wortlaut. Zwar knüpft dieser anders als etwa § 15.4 MTV nicht ausdrücklich an das Berufskraftfahrerqualifikationsgesetz an. Er spricht jedoch allgemein von der Verlängerung des Ausweises für Omnibusfahrer und nicht von einer Führerscheinverlängerung. Die Zulassung für Omnibusfahrer zur Personenbeförderung unterscheidet sich dadurch von normalen Busführerscheinen, dass eine zusätzliche Qualifikation erforderlich ist. Würde sich die Vorschrift nur auf die Erstattung derjenigen Kosten beziehen, die im Zusammenhang mit der Absolvierung des Führerscheins stehen, hätte die Verwendung des Terminus technicus nahe gelegen. Die Wahl des weiten Begriffs „Ausweis für Omnibusfahrer“ abweichend von diesem, spricht für einen Erstattungsanspruch auch hinsichtlich der erforderlichen Fortbildungskosten nach dem Berufskraftfahrerqualifizierungsgesetz.
17 
b) Dieses Auslegungsergebnis wird durch Sinn und Zweck der Vorschrift unterstrichen. Zwar sprechen die von der Beklagten vorgelegten Zitate des Landkreises T. und des B.-Kreises dafür, dass die Qualifikation nach dem Berufskraftfahrerqualifizierungsgesetz tatsächlich nicht zwingende Voraussetzung für die Verlängerung des befristeten Führerscheins ist. Die Weiterbildung ist jedoch eine obligatorische Bedingung zur Beförderung von Personen und damit für die typische Tätigkeit eines Berufsbusfahrers. Liegt eine solche nicht vor, sind sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer am Einsatz als Berufskraftfahrer faktisch gehindert. So sieht § 9 Abs. 3 Berufskraftfahrerqualifikationsgesetz für Verstöße eine Geldbuße von bis zu 5.000,00 EUR für den Arbeitnehmer und von bis zu 20.000,00 EUR für den Arbeitgeber vor. Dadurch wird verdeutlicht, dass auch der Arbeitgeber am Einsatz des Arbeitnehmers ohne entsprechende Qualifikation gehindert ist. Diese ist mithin zwingende Voraussetzung für die berufliche Tätigkeit.
18 
c) Demgegenüber lässt sich aus der Systematik der tarifvertraglichen Vorschriften weder ein schlagkräftiges Argument für einen Anspruch noch dagegen finden. Entgegen der Auffassung des Klägers setzt die Leistung von Lohnersatz nicht zwingend die Übernahme der Weiterbildungskosten voraus. Vielmehr handelt es sich dabei um zwei voneinander losgelöste Elemente, deren Aufteilung ebenso einheitlich wie auch separat zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber erfolgen kann. Die Neueinführung des Absatzes 4 des § 15 MTV ist wenig aussagekräftig, da sich nicht abschließend klären lässt, ob die Tarifvertragsparteien davon ausgingen, dass die Qualifizierungskosten als solche bereits von Absatz 2 erfasst sind oder nicht.
19 
d) Ein einheitlicher Wille der Tarifvertragsparteien lässt sich nicht feststellen. Vielmehr gehen die Aussagen von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden auseinander. Aufgrund des klaren Wortlauts und dem Sinn und Zweck der Regelung steht ein potentieller Dissens nicht entgegen. Maßgeblich ist der nach außen zum Ausdruck gekommene Normbefehl hilfsweise das Verständnis des durchschnittlichen Normenanwenders (BAG vom 18.10.2012 - 6 AZR 261/11 - Rn. 87). Ein klares Auslegungsergebnis kann unter Zurückstellung der unterschiedlichen Auffassungen der Tarifvertragsparteien gewonnen werden.
20 
e) Auch die von der Beklagten behauptete anderweitige Vereinbarung mit dem Betriebsrat steht dem nicht entgegen. Es fehlt für eine Betriebsvereinbarung wohl schon an der konstitutiven (Fitting, BetrVG, 26. Auflage, § 77 Rn. 21; GK-BetrVG/Kreutz, 9. Auflage, Band 2, § 77 Rn. 4) Schriftform. Für eine Regelungsabrede fehlt es an der individualrechtlichen Umsetzung. Selbst wenn man eine schriftliche Betriebsvereinbarung unterstellen würde, tritt diese aufgrund der günstigeren Regelung im Tarifvertrag (volle gegenüber anteiliger Kostenerstattung) zurück. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch in voller Höhe zu.
21 
2.) Der Zinsanspruch folgt aus § 291, 288 Abs. 1 Satz 2, 247 BGB. Die Klage wurde der Beklagten am 14.02.2013 zugestellt und ist ab dem Folgetag zu verzinsen.
II.
22 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Danach hat die Beklagte als unterliegende Partei die Kosten des Rechtstreits zu tragen.
23 
Gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG setzt das Gericht den Streitwert im Urteil fest. Dieser entspricht vorliegend der Höhe der eingeklagten Forderung.
24 
Gemäß § 64 Abs. 3 a ArbGG muss das Urteil zudem eine Entscheidung über die gesonderte Zulassung der Berufung enthalten. Die Kammer hat diese nach § 64 Abs. 3 Ziffer 2 b ArbGG für die Beklagte gesondert zugelassen. Der Ausgang des Rechtstreits hängt von der Auslegung des § 15 MTV ab. Dessen Geltungsbereich erstreckt sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus. Daneben liegen auch die Voraussetzungen des § 64 Abs. 3 Ziffer 1 ArbGG vor. Eine Rechtssache hat dann grundlegende Bedeutung, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt ist. Die Rechtsfrage muss klärungsfähig, klärungsbedürftig und entscheidungserheblich sein (BAG vom 05.10.2010 - 5 AZN 666/10 - Rn. 5). Aufgrund des Anwendungsbereichs des Manteltarifvertrags für das private Omnibusgewerbe in ganz Baden-Württemberg besteht ein entsprechendes abstraktes Interesse der Allgemeinheit. Die Rechtsfrage ist höchstrichterlich nicht geklärt.
25 
Sie ist darüber hinaus entscheidungserheblich, da der Anspruch nicht alternativ auf eine betriebliche Übung gestützt werden kann, da dieser die Schriftformklausel für Nebenabreden im Tarifvertrag entgegen steht (BAG vom 15.03.2011 - 9 AZR 799/09 - Rn. 33 ff.).
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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

#BJNR001950896BJNE028103377 (1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. (2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, betr

§ 21a idF d. Art. 1 Nr. 51 G v. 23.7.2001 I 1852 dient der Umsetzung des Artikels 6 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim
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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

#BJNR001950896BJNE028103377 (1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. (2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, betr

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published on 18/10/2012 00:00

Tenor 1. Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 23. März 2011 - 2 Sa 93/10 - wird zurückgewiesen.
published on 15/03/2011 00:00

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 28. Oktober 2009 - 11 Sa 412/09 - wird zurückgewiesen.
published on 05/10/2010 00:00

Tenor 1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. Mai 2010 - 13 Sa 159/10 - wird als unzulässig
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Annotations

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.

(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.

(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.

(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.

(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.