Amtsgericht Rosenheim Urteil, 26. Okt. 2016 - 8 C 2921/15 WEG
Gericht
Tenor
1. Die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 30.10.2015 werden sämtlich für ungültig erklärt.
2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin erstrebt, sämtliche Beschlüsse aus der Eigentümerversammlung vom 30.10.2015 für ungültig zu erklären.
Die Klägerin ist als Käuferin der Wohnung Nr. 21 der WEG A. in N. noch nicht als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Es bestand zum Zeitpunkt der Eigentümerversammlung zu ihren Gunsten eine Auflassungsvormerkung. Besitz, Nutzen und Lasten sind bereits vor dem 30.10.2015 auf sie übergangen gewesen. Hintergrund der ausstehenden Eintragung der Auflassung ins Grundbuch ist ein mit der Verkäuferin, der S. GmbH (im Folgenden: S.), geführter Rechtsstreit über Mängel der durch die Klägerin gekauften Wohnung Nr. 21. Die WEG A. ist seit dem 13.12.1991 existent. Mit Nachtrag vom 16.03.2012 zur Teilungserklärung vom 13.12.1991 war am 16.3.2012 für einen Miteigentumsanteil von 572,63/1000 eine Aufteilung in neue Miteigentumsanteile in der Weise erfolgt, dass die S. sieben Wohneinheiten und eine Gewerbeeinheit herstellen konnte, mit dem Ziel des Verkaufs der einzelnen neu gebildeten Sondereigentumseinheiten. Der Anteil der Miteigentumsanteile stieg damit von 16 auf 24.
Zu der Eigentümerversammlung der WEG war die Klägerin zunächst geladen, dann aber abgeladen worden. Infolgedessen nahm sie an der Versammlung nicht teil.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie rechtswidrig von der Teilnahme an der Versammlung ausgeschlossen worden sei, da mit dem Verkauf der Wohnungen letztlich Untergemeinschaften gebildet worden seien, die Eigentümergemeinschaft letztlich wie eine in Vollzug zu setzende Eigentümergemeinschaft zu behandeln sei.
Die Klägerin beantragt,
sämtliche in der Eigentümerversammlung vom 30.10.2015 gefassten Beschlüsse für ungültig zu erklären.
Die Beklagten beantragen
die Klage abzuweisen.
Sie sind der Auffassung, dass die seit 13.12.1991 existente WEG längst in Verzug gesetzt ist. Die Erwerberin sei noch nicht Eigentümerin und daher wie eine Zweiterwerberin zu behandeln.
Wegen der weiteren vorgebrachten Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen. Die in der Klage erwähnte Anlage 2 zum Nachtrag der Teilungserklärung ist nicht Bestandteil der Akte geworden und wurde nicht berücksichtigt.
Gründe
Die zulässige Klage ist begründet. Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Rosenheim ergibt sich aus § 43 Nr. 2 WEG.
I. Die auf der Eigentümerversammlung vom 30.10.2015 gefassten Beschlüsse waren sämtlich für ungültig zu erklären. Die Klägerin war rechtswidrig von der Teilnahme an der Versammlung der Wohnungseigentümer ausgeschlossen worden.
1. Die Klägerin war auch bei bereits in Vollzug gesetzter WEG und anschließender gewerblicher Aufteilung eines Miteigentumsanteils von nicht nur untergeordneter Bedeutung mit geplanter Veräusserung an Dritte als Erwerberin von Wohnungseigentum wie eine Ersterwerberin von Wohnungseigentümer nach bisheriger Rechtsprechung anzusehen und zu behandeln.
a) Der Bundesgerichtshof hat für die Entstehungsphase einer Wohnungseigentümergemeinschaft in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass im Innenverhältnis zwischen dem teilenden Eigentümer und den Ersterwerbern eine vorverlagerte Anwendung des Wohnungseigentumsrechts geboten sein kann (ständige Rechtssprechung, BGH, Urt. V. 11.05.2012, 5 ZR 196/11; BGH, Beschl. v. 5.6.2008, Az. V ZB 85/7; BGHZ 177, 53 ff).
Voraussetzung ist demzufolge, dass der Erwerber aufgrund einer rechtlich verfestigten Erwerbsposition ein berechtigtes Interesse daran erlangt hat, die mit dem Wohnungseigentum verbundenen Mitwirkungsrechte an der Verwaltung der Wohnanlage vorzeitig auszuüben (BGH Urteil vom 11.05.2012, Az. V ZR 196/11 Rn. 4). Für eine solche Erwerbsposition ist erforderlich, dass ein wirksamer, auf die Übereignung gerichteter Erwerbsvertrag vorliegt, der Übereignungsanspruch durch eine Auflassungsvormerkung gesichert und der Besitz an der Wohnung auf den Erwerber übergegangen ist (a.a.O.).
Maßgeblich sei nach BGH lediglich, dass vor Entstehung der endgültigen WEG sowohl der Erwerbsvertrag abgeschlossen worden sei als auch die Eintragung der Aufflassungsvormerkung erfolgt sei (BGH Urt. v. 11.5.2012, Az. V ZR 196/11 Rn. 6).
Dies war in der nun zu entscheidenden Sache nicht der Fall. Die Wohnungseigentümergemeinschaft im nunmehr zu entscheidenden Fall existiert bereits seit 24 Jahren, wobei erst mit dem Nachtrag zur Teilungserklärung vom 16.03.2012 die Erweiterung der Zahl der Einheiten der WEG erfolgte.
b) Der BGH hat ein solches Innenverhältnis bislang jedoch nur angenommen gehabt, wenn die WEG erstmalig in Vollzug gesetzt worden war. Für den Zweiterwerb hat der BGH diese Grundsätze nicht angewandt (BGH, Beschluß vom 24.03.1983, VII ZB 28/82).
Ausgehend von der Fragestellung der Haftung nach § 16 Abs. 2 WEG hinsichtlich der Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums, welche auf dem mit dem Sondereigentum verbundenen Anteil des Wohnungseigentümers am gemeinschaftlichen Eigentum beruhen, war bislang grundsätzlich die Eintragung im Grundbuch und die Zugehörigkeit zur Wohnungseigentümergemeinschaft ausschlaggebend. So besteht auch die Haftung fort bis zur Eigentumsumschreibung im Grundbuch; rechtlich stehe der Veräußerer, so lange er noch im Grundbuch eingetragen ist, nicht außerhalb der Gemeinschaft (BGH, Beschluß vom 24.03.1983, VII ZB 28/82 Rn. 8ff entgegen BayObLG WEM 1981, 37,38): Ein Wegfall der Haftung des im Grundbuch noch eingetragenen Wohnungseigentümers würde dem tatsächlichem Übergang der Nutzung auf den Erwerber sowie der Begründung und dem Verlust eines „faktischen“ Eigentums eine zu weit tragende rechtliche Bedeutung beimessen und die Funktion des Grundbuchs mindern. Die Rechtssicherheit erfordere, dass der eingetragene Wohnungseigentümer auch nach Nutzungsüberlassung des Wohnungseigenums an den Erwerber weiterhin verpflichtet bleibe, gem. § 16 Abs. 2 WEG die Lasten und Kosten zu tragen. Die anderen Wohnungseigentümer können dann der Eintragung im Grundbuch entnehmen, wer Träger der Pflichten ist. Würde das anders beurteilt, wäre der Anspruch der Wohnungseigentümergemeinschaft fraglich und möglicherweise gefährdet. Die Geltendmachtung des Anspruchs sei dann besonders schwierig, wenn der Erwerber das überlassene Wohnungseigentum nur vorübergehend genutzt habe und vor Eintragung ins Grundbuch wirksam vom Vertrag zurückgetreten wäre. Auch daher erscheine es angebracht, an dem Wortlaut von § 16 Abs. 2 WEG festzuhalten. Dies sei interessengerecht, denn dem noch eingetragenen Wohnungseigentümer stehe nach § 16 Abs. 1 WEG ein Anteil an den Nutzungen des gemeinschaftlichen Eigentums zu, zudem habe er die Möglichkeit, durch je entsprechende Ausgestaltung des Veräußerungsvertrages für die von ihm zu tragenden Lasten und Kosten beim Erwerber Rückgriff zu nehmen.
Die mit § 16 Abs. 2 WEG korrespondieren Mitwirkungsrechte an der WEG waren dabei in der entschiedenen Sache ohne Bedeutung (BGH Urt. v. 11.05.2012, Az. V ZR 196/11 Rn. 5).
c) Auch zur Dauer einer solchen vorverlagerten Mitwirkung und der Interessenlage der Erwerber stellt der Bundesgerichtshof Erwägungen an (jeweils BGH Urt. v. 11.5.2012 Az. V ZR 196/11 Rn. 8 ff): Erwerber hätten unabhängig von dem Zeitpunkt der Entstehung der WEG ein berechtigtes Interesse an einem zügigen Übergang der Entscheidungsmacht des teilenden Eigentümers. Zwar sei es richtig, dass sich der Verkauf von einem Bauträger über mehrere Jahre hinziehen könne mit der an sich nicht erwünschten Folge, dass die Buchposition einerseits und Mitgliedschaftsrechte und -pflichten andererseits für geraume Zeit auseinanderfallen würden. Es entspreche aber einhelliger Ansicht, dass die einmal erlangte Stellung als werdender Eigentümer nicht entfalle, selbst wenn sich die anschließende Umschreibung des Eigentums über Jahre hinziehe (unter Verweis auf BGH Beschl. v. 05.06.2008 V ZB 85/07 Rn. 16).
d) Der Bundesgerichtshof führt in dem Zusammenhang auch aus, daß der Minderheitenschutz vor dem Entstehen der Wohnungseigentümergemeinschaft auch nicht dadurch gewährleistet werde, dass die vorhandenen werdenden Wohnungseigentümer Beschlussmängelklage erheben können. Dieser Personenkreis repräsentiere nicht ohne weiteres auch die Interessen der später hinzukommenden Erwerber. Vielmehr bestehe auch im Verhältnis der Ersterwerber untereinander ein berechtigtes Interesse an der Herstellung gleicher Mitwirkungschancen (BGH Urt. v. 11.5.2012 Az. V ZR 196/11 Rn. 10).
e) Der Bundesgerichtshof benennt weiter den Hintergrund der unterschiedlichen Behandlung von Erst- und Zweiterwerbern: Eine solche sei, nach dem Entstehen der Wohnungseigentümergemeinschaft, sachlich begründet, denn der Erwerb von Wohnungseigentum in der Entstehungsphase von einem Bauträger unterscheide sich insbesondere wegen der mit der Abwicklung von Gewährleistungsrechten verbundenen Verzögerungen der Eigentumsumschreibung und wegen der typischen Interessenskonflikte von Erwerbern und Bauträgern grundlegend von dem Eigentumserwerb in einer bestehenden Gemeinschaft (BGH Urt. v. 11.5.2012, Az. V ZR 196/11 Rn. 11).
f) Ausdrücklich offengelassen hat der Bundesgerichtshof, ob eine zeitliche Begrenzung für die Anwendung der Grundsätze der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft in Betracht kommt, falls der teilende Wohnungseigentümer eine längere Vorratshaltung hinsichtlich des Eigentums betrieben hat. Dies käme in Betracht, wenn der Erwerbsvertrag erst geraume Zeit nach dem Entstehen der Wohnungseigentümergemeinschaft geschlossen wird. Ob sich insoweit geeignete Abgrenzungskriterien finden liessen oder ob einer zeitlichen unbegrenzten Anwendung auf Erstbewerber der Vorzug zu geben sei, bedürfe keiner abschließenden Entscheidung (BGH Urt. v. 11.5.2012, Az. V ZR 196/11 Rn. 12).
g) Einen aus der vorverlagerten Mitwirkung resultierenden Nachteil der WEG hinsichtlich der Vollstreckung hielt der Bundesgerichtshof für irrelevant und benennt den Zweck des möglichst frühzeitigen Übergangs der Mitwirkungsrechte: Zwar könne dann die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht ohne Weiteres in das Wohnungseigentum eines werdenden Eigentümers vollstrecken. Diese Folgen könnten aber nicht die persönliche Haftung des teilenden Eigentümers neben dem werdenden Eigentümer begründen. Habe der Erwerber die Kosten und Lasten des Wohnungseigentums in analoger Anwendung von § 16 Abs. 2 WEG zu tragen, bedürfe es im Hinblick auf den eingetragenen Eigentümer einer teleologischen Reduktion der Norm. Pflichten träfen ihn nämlich nur dann, wenn ihm zugleich die Rechte eines Wohnungseigentümers zugestanden würden, insbesondere das Stimm- und Anfechtungsrecht. Stimmberechtigt sei jedoch allein der werdende Wohnungseigentümer, unabhängig davon, welches Stimmrecht gilt. Denn es widerspreche dem durch die Anerkennung der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft verfolgten Zweck, einen frühzeitigen Übergang der Entscheidungsmacht von dem Veräußerer auf die Erwerber zu gewährleisten, wenn der Veräußerer weiterhin an der Willensbildung der Gemeinschaft beteiligt würde (BGH Urt. v. 11.5.2012, Az. V ZR 196/11 Rn. 11).
h) Der Bundesgerichtshof hält hinsichtlich der Beurteilung der Rechte/Pflichten aus § 16 Abs. 2 WEG die formale Beurteilung, ob jemand Ersterwerber oder Zweiterwerber ist, beurteilt angesichts einer Zession des vorgemerkten Übereignungsanspruchs (BGH, Urt. v. 24.07.2015, Az. V ZR 275/14 Rn. 11 ff = NJW 2015, 2877), nicht für maßgeblich: Gegen diese formale Sichtweise sprächen die Gründe der besonderen Behandlung der Ersterwerbung bei der Veräusserung durch den teilenden Bauträger (hierzu BGH Beschluss vom 05.06.2008, Az. V ZR 85/07). Maßgeblich hervorgehoben wird das „Demokratisierungsinteresse“ der Erwerber.
i) Somit trägt nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in bestimmten Situationen der Ersterwerber als werdender Eigentümer die mit dem Wohnungseigentum verbundenen Rechten und Pflichten, obwohl dem Veräußerer in sachenrechtlicher Hinsicht das Eigentum verbleibt.
Anders als in den bisher durch den Bundesgerichtshof zur werdenden WEG entschiedenen Fällen handelt es sich im zu entscheidenden Fall nicht um einen bloßen Eigentümerwechsel. Die vorgenannten, vom Bundesgerichtshof jeweils genannten Aspekte treffen aber auch auf die nunmehr zu entscheidende Konstellation zu. So liegt die Interessenlage wie beim Ersterwerb von Wohnungseigentum und aufgrund der maßgeblich vergrößerten Wohnungseigentumsgemeinschaft wie bei einer in Vollzug zu setzenden/im Rahmen des Ersterwerbs in Vollzug gesetzter WEG. Aufgrund der vorgenannten Umstände ist aber auch bei lange vor einer Teilung in Vollzug gesetzter WEG bei Veräusserung durch den Bauträger jedenfalls im vorliegenden Umfang die Behandlung des nächsten Erwerbs wie ein Ersterwerb zu beurteilen, wenn es auch formal betrachtet ein Zweiterwerb ist.
So waren im nunmehr zu entscheidenden Konflikt unter Berücksichtigung der Belange der Klägerin, der WEG und der S. letztlich der Klägerin Mitwirkungsrechte einzuräumen wie beim Ersterwerb.
1) Demnach hat die Wohnungseigentümergemeinschaft der S. die Teilung des Wohnungseigentums ermöglicht und damit die bestehende Wohnungseigentümergemeinschaft erheblich erweitert. Wie im Nachtrag vom 16.03.2012 dargestellt, war Ziel seitens S. ein Verkauf an Dritte. Es liegt auch keine nur geringfügige Erweiterung der WEG vor, diese wurde von 16 auf 24 Miteigentumsanteile erweitert.
2) Damit ist die Situation vergleichbar einer in Vollzug zu setzenden Wohnungseigentümergemeinschaft, da nun in der Gemeinschaft wesentliche Entscheidungen für die Zukunft aller Wohnungseigentümer zu treffen sind, wie sie üblicherweise bei in Vollzug zu setzenden Wohnungseigentümergemeinschaften anfallen.
Irrrelevant ist dabei, ob wie hier eine Bezeichnung als Untergemeinschaften im Rahmen des Nachtrags zur Teilungserklärung erfolgte; entscheidend ist vielmehr, dass aufgrund der rechtlichen Verbundenheit, der auch praktische Umstände zugrunde gelegen haben mögen, sowie der Erweiterung der WEG erhebliche Regelungslücken entstehen und Abstimmungsbedarf besteht.
3) Soweit im vorliegenden Fall auf den Aspekt der Rechtssicherheit zu achten ist im Sinne der Klarheit des Kostenschuldners gem. § 16 Abs. 2 WEG, bestehen keine Interessenskonflikte: Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat bewusst eine Teilung mitgetragen, wobei von Anfang an ersichtlich war, dass eine Veräusserung durch den Bauträger an Dritte erfolgen würde. Soweit der Bundesgerichtshof als Gebot der Rechtssicherheit aufgestellt hat, dass der Verband unschwer ermitteln könne, wer die mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten innehabe und darauf abgestellt hat, dass eine Veräusserung durch den werdenen Wohnungseigentümer für die WEG nicht mit der erforderlichen Gewissheit ersichtlich sei (BGH, Urt. v. 24.07.2015, Az. V ZR 275/14 Rn. 16), ist dies nunmehr anders gelagert: Aufgrund der Mitwirkung der WEG und der Zielsetzung der Vermarktung ist die Erkennbarkeit nicht anders gelagert wie beim Entstehen einer WEG und den sich dort ergebenden praktischen Problemen bei der Feststellung, ob und wann des Besitzübergangs vom Bauträger auf den ursprünglichen Erwerber erfolgte; im letztgenannten Fall ist dies dem Bundesgerichtshof zufolge hinzunehmen, weil der Bauträger die Einheit regelmäßig im Anschluss an die Errichtung des Gebäudes ohne vorherige Eigennutzung übergibt und dieser Vorgang, jedenfalls typischer Weise, anhand äusserer Merkmale feststellbar ist (a.a.O. Rn. 18).
Im konkreten Fall ist es der WEG durch das Erfordernis der Übergabe der Wohnung nicht über Gebühr erschwert zu ermitteln, wer die mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten hat, also wer zu Eigentümerversammlungen eingeladen werden muss, dort das Stimmrecht ausüben darf sowie Kosten und Lasten zu tragen hat (BGH Urteil v. 11.12.2015, V ZR 80/15 = MDR 2016, 264 Rn. 14 m.w.N.). Über das Grundbuch kann letztlich im Form der Auflassungsvormerkung in Verbindung mit dem Besitzübergang die WEG auch ersehen, wer werdender Eigentümer ist.
Verbleibende Restunsicherheiten sind letztlich zu dulden, insbesondere, da letztlich auch das Grundbuch keine abschließend Sicherheit über den Träger der Rechte und Pflichten bietet (Wirkung von § 142 BGB bei Anfechtung, BGH Urt. V. 6.10.1994, Az. V ZB 2/94= NJW 1994, 3352 Rn. 14,15). Die Eigentümergemeinschaft kann zudem für den Fall, dass der Status als werdender Eigentümer unklar ist, ihrerseits im Rahmen eines Verfahrens nach § 43 Abs. 1 WEG die Rechtslage klären (BGH Urt. v. 6.10.1994, Az. V ZB 2/94= NJW 1994, 3352 Rn. 15), damit insbesondere die Frage, ob der Nutzen-/Lastenübergang erfolgt war.
Im konkreten Fall hatte die WEG den Nutzen-/Lastenübergang bereits wahrgenommen: Ausweislich der Anlage K 7 hat die WEG die Klägerin namentlich als Kostenschuldnerin erfasst (Nr. 21 mit 65,26/1000 Miteigentumsanteil). Nicht entscheidungsrechtlich war, inwieweit die Klägerin zu früheren Versammlungen geladen worden war, ihr Miteigentümerrechte zugedacht waren.
4) Weiter hat die Wohnungseigentümergemeinschaft als Ganzes ein Interesse daran, dass der etwaige Verbleib von Mitwirkungsrechten beim Bauträger nicht als Mittel verwendet werden kann, einen Mängelprozess für die Erwerberin unangenehm zu gestalten. Dann bestünde latent die Gefahr, dass die Willensbildungsprozesse der Wohnungseigentümergemeinschaft in ihrer Gesamtheit beeinträchtigt werden.
5) Da die eingetragene Eigentümerin S. im Gleichlauf mit § 16 Abs. 2 WEG von der unmittelbaren Kostentragungspflicht befreit wird und sie Bauträgerin wie beim Erstverkauf ist, wie vom Bundesgerichtshof bereits abgewogen, hat sie im Übrigen kein gesteigertes Mitwirkungsinteresse.
6) Letztlich hat die Klägerin ein berechtigtes Interesse daran, die mit dem Wohnungseigentum verbundenen Mitwirkungsrechte an der Verwaltung der Wohnanlage vorzeitig auszuüben (zum Ersterwerb BGH Urteil v. 11.12.2015, V ZR 80/15 = MDR 2016, 264; im damals zu entscheidenden Fall wurde nicht vorgetragen, dass der noch eingetragene Bauträger seine mitgliedschaftliche Stellung ohne oder gegen seinen Willen verloren hätte und auf diese Weise aus der Gemeinschaft gedrängt worden wäre, a.a.O. Rn. 13). Im konkreten Fall hat sich das Risiko einer Vermarktung durch den Bauträger realisiert, unstreitig befinden sich die eingetragenene Wohnungseigentümerin S. und die Klägerin in einem Rechtsstreit über Mängelrechte.
Soweit die Klägerin die Möglichkeit gehabt hätte, als Erwerberin im Rahmen eines Kaufvertragsschlusses auf die Vollmachtserteilung für die WEG-Mitwirkungsrechte zu bestehen, so steht dies der Beurteilung nicht entgegen: Die durch den Bundesgerichtshof vorgenommene Beurteilung dient auch der möglichst frühzeitigen Demokratisierung der WEG und der damit geschaffenen Möglichkeit, dass diejenigen die Entscheidungen vornehmen, die letztendlich mit gesteigerter Wahrscheinlichkeit die Folgen der Entscheidungen persönlich und wirtschaftlich zu tragen haben.
Letztgenannter Aspekt ist auch im Interesse der Wohnungseigentümergemeinschaft als solcher. Zum Erreichen der Zwecksetzung einer Wohnungseigentümergemeinschaft ist es förderlich, wenn die Betroffenen selbst und unmittelbar Entscheidungen herbeiführen. Die Durchführung von Eigentümerversammlungen mit Bauträgern, welche kein eigenes persönliches Interesse am Bestand und Durchführung der Wohnungseigentümergemeinschaft haben, lediglich ein finanzielles im Rahmen der Vermarktbarkeit, können die unmittelbare Mitwirkung der werdenden Eigentümer nicht ersetzen. Die Möglichkeit eines etwaigen Rücktritts von Erwerbern vom Kaufvertrag und damit der nachträgliche Wegfall spielt dabei keine tragende Rolle, da diese Konstellation der Ausnahmefall ist.
7) Nicht entscheidungserheblich war der Inhalt der am 30.10.2015 gefaßten Beschlüsse. Diesbezüglich war unstreitig, dass der Inhalt der Versammlung und die gefaßten Beschlüsse nicht abschließend bekannt waren und erst durch die Bestätigung einzelner recherchierter Beschlüsse in der außerordentlichen Eigentümerversammlung vom 29.03.2016 nach einem Verwalterwechsel versucht worden war, Rechtsklarheit zu schaffen.
Es kommt aufgrund der nicht bekannten Beschlüsse, welche die Klägerin aufgrund Ihres Ausschlusses von der Versammlung auch nicht selbst hat wahrnehmen können, auch nicht mehr darauf an, ob einer der angefochtenen Eigentümerbeschlüsse durch einen weiteren Beschluß bestätigt wurde. Auch auf die Frage, wessen Angelegenheiten durch die Beschlüsse berührt sind, kommt es nicht an, da danach nicht differenziert werden darf, da dies nicht mit der Notwendigkeit zu vereinbaren wäre, das Stimmrecht an klare Voraussetzungen zu binden (BGH Urteil v. 1.12.98, V ZB 6/88 Rn. 25).
II.Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
III.Die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708, 711 ZPO.
IV.Der Streitwert war mit 5.000 € zutreffend geschätzt.
Es lagen, unstreitig, dem nunmehrigen Verwalter bis zum Haupttermin 5.10.2016 keine Protokolle vor, aus denen sich die gefaßten Beschlüsse ergaben. Vor diesem Hintergrund war am 29.3.2016 eine weitere bestätigende Beschlußfassung herbeigeführt worden, soweit Beschlüsse aus der Eigentümerversammlung 30.10.2016 noch nachvollziehbar waren. Auf die bestätigten Beschlüsse kommt es bei der Wertbestimmung nicht an, da die isolierte Anfechtung keinen wirtschaftlichen Wert hätte, bei einer etwaig gesonderten Anfechtung der späteren bestätigenden Beschlüsse dort auf das Interesse der Parteien abzustellen ist.
Die Beklagte hat nicht vorgetragen, welche wirtschaftlichen Interessen an den einzelnen unbekannten Beschlüssen bestanden. Da der Klägerin die Teilnahme verweigert worden war, waren ihr die gefaßten Beschlüsse unbekannt, wie sie auch dem Verwalter nicht vollständig bekannt waren. Das wirtschaftliche Interesse an der Ungültigerklärung unbekannter und letztlich voraussichtlich nicht mehr eruierbarer Beschlüsse aus der Versammlung 30.10.2016 ist letztlich annähernd ideeller Natur, da außer den am 29.3.2016 bestätigten Beschlüssen weitere Beschlußinhalte nicht bekannt waren. Soweit bekannt, waren diese aber bestätigt worden am 29.3.2016, sodaß die erste Beschlußfassung inhaltlich letztlich leerlaufend war. Damit kann letztlich dahinstehen, welche Tagesordnungspunkte auf der Ladung zum 30.10.2016 enthalten waren, wobei darauf hingewiesen werden darf, daß aus dem Umstand, daß zu bestimmten TOP geladen worden war, kein Rückschluß auf die tatsächliche Behandlung oder gar Beschlußfassungen möglich waren. Die Beklagtenseite hatte diesbezüglich die sekundäre Darlegungslast.
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(1) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat ihren allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt. Bei diesem Gericht kann auch die Klage gegen Wohnungseigentümer im Fall des § 9a Absatz 4 Satz 1 erhoben werden.
(2) Das Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt, ist ausschließlich zuständig für
- 1.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander, - 2.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümern, - 3.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten des Verwalters einschließlich solcher über Ansprüche eines Wohnungseigentümers gegen den Verwalter sowie - 4.
Beschlussklagen gemäß § 44.
(1) Jedem Wohnungseigentümer gebührt ein seinem Anteil entsprechender Bruchteil der Früchte des gemeinschaftlichen Eigentums und des Gemeinschaftsvermögens. Der Anteil bestimmt sich nach dem gemäß § 47 der Grundbuchordnung im Grundbuch eingetragenen Verhältnis der Miteigentumsanteile. Jeder Wohnungseigentümer ist zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums nach Maßgabe des § 14 berechtigt.
(2) Die Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, insbesondere der Verwaltung und des gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums, hat jeder Wohnungseigentümer nach dem Verhältnis seines Anteils (Absatz 1 Satz 2) zu tragen. Die Wohnungseigentümer können für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten eine von Satz 1 oder von einer Vereinbarung abweichende Verteilung beschließen.
(3) Für die Kosten und Nutzungen bei baulichen Veränderungen gilt § 21.
(1) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat ihren allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt. Bei diesem Gericht kann auch die Klage gegen Wohnungseigentümer im Fall des § 9a Absatz 4 Satz 1 erhoben werden.
(2) Das Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt, ist ausschließlich zuständig für
- 1.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander, - 2.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümern, - 3.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten des Verwalters einschließlich solcher über Ansprüche eines Wohnungseigentümers gegen den Verwalter sowie - 4.
Beschlussklagen gemäß § 44.
(1) Jedem Wohnungseigentümer gebührt ein seinem Anteil entsprechender Bruchteil der Früchte des gemeinschaftlichen Eigentums und des Gemeinschaftsvermögens. Der Anteil bestimmt sich nach dem gemäß § 47 der Grundbuchordnung im Grundbuch eingetragenen Verhältnis der Miteigentumsanteile. Jeder Wohnungseigentümer ist zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums nach Maßgabe des § 14 berechtigt.
(2) Die Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, insbesondere der Verwaltung und des gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums, hat jeder Wohnungseigentümer nach dem Verhältnis seines Anteils (Absatz 1 Satz 2) zu tragen. Die Wohnungseigentümer können für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten eine von Satz 1 oder von einer Vereinbarung abweichende Verteilung beschließen.
(3) Für die Kosten und Nutzungen bei baulichen Veränderungen gilt § 21.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.