Zwangsvollstreckungsrecht: Zum Pfändungsschutz für eigenständig erwirtschafteten Einkünfte
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Gründe:
Der Schuldner begehrt Vollstreckungsschutz gegen einen von der Gläubigerin erwirkten Beschluss, mit dem seine Ansprüche gegen den Drittschuldner auf Zahlung von Untermiete gepfändet und zur Einziehung überwiesen worden sind.
Der Schuldner ist nicht erwerbstätig und erhält zur Sicherung seines Lebensunterhalts Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 374 ? zuzüglich 360 ? für die Kosten von Unterkunft und Heizung. Er bewohnt seit 1994 eine von ihm angemietete 4-Zimmer-Wohnung, in der zunächst auch seine Schwester mit ihrem Ehemann wohnte. Nach deren Auszug überließ der Schuldner ein Zimmer zur Nutzung an den Drittschuldner, der ihm hierfür monatlich 150 ? Miete zahlt.
Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - hat die Ansprüche des Schuldners auf Zahlung des Untermietzinses gegen den Drittschuldner gepfändet und der Gläubigerin zur Einziehung überwiesen. Einen Vollstreckungsschutzantrag des Schuldners hat es zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg gehabt. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde zur Beantwortung der Frage zugelassen, ob § 850i Abs. 1 ZPO auch auf die Einkünfte eines Schuldners angewendet werden könne, die er aus Untermietzahlungen erzielt. Der Senat hat hierin eine wirksame Beschränkung der Zulassung der Rechtsbeschwerde gesehen und dem Schuldner insoweit für die Durchführung der Rechtsbeschwerde Prozesskostenhilfe bewilligt, die dieser unter Beantragung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingelegt hat. Er begehrt weiterhin in diesem Umfang Vollstreckungsschutz.
Dem Schuldner war Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil er ohne Verschulden verhindert war, die Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde einzuhalten, § 233 ZPO.
Die zulässige Rechtsbeschwerde führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Beschlusses.
Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die gepfändete Forderung des Schuldners unterliege nicht dem Pfändungsschutz des § 850i Abs. 1 ZPO. Bei den Untermietzahlungen handele es sich nicht um sonstige Einkünfte im Sinne dieser Vorschrift. Das ergebe eine Auslegung der Norm auf Grundlage der Gesetzesbegründung und der systematischen Einordnung in die Pfändungsschutzvorschriften der Zivilprozessordnung. Hiernach sei davon auszugehen, dass § 850i ZPO trotz der Formulierung "sonstige Einkünfte, die kein Arbeitseinkommen sind" nur das Einkommen Erwerbstätiger erfasse.
Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Der Antrag des Schuldners, ihm seine Einkünfte aus der Untervermietung in Höhe von monatlich 150 ? zu belassen, kann nicht mit der Begründung abgelehnt werden, sie unterfielen nicht § 850i Abs. 1 ZPO.
Wie der Bundesgerichtshof nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, erfasst der Pfändungsschutz für sonstige Einkünfte nach § 850i Abs. 1 ZPO alle eigenständig erwirtschafteten Einkünfte. Hierfür sprechen der Wortlaut der Regelung sowie eine systematische Auslegung in Verbindung mit dem Willen des Gesetzgebers. Dies gilt auch, wenn es sich um Mieteinkünfte handelt. Dem schließt sich der Senat an.
Es besteht keine Veranlassung, danach zu unterscheiden, wofür der Schuldner die Untermieteinkünfte konkret benötigt oder verwendet oder ob im Einzelfall durch einen Pfändungsschutz eine Entlastung der Sozialhilfeträger eintritt oder nicht. Der Schuldner soll allgemein motiviert werden, Einkünfte selber zu erzielen und dadurch die eigene Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Eine solche Differenzierung würde außerdem der Klarheit der Regelung entgegenstehen.
Von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig hat das Beschwerdegericht keine Feststellungen zu den weiteren Voraussetzungen des § 850i Abs. 1 ZPO getroffen. Der Beschluss ist daher im Umfang der Anfechtung aufzuheben und die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
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BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Schuldner begehrt Vollstreckungsschutz gegen einen von der Gläubigerin erwirkten Beschluss, mit dem seine Ansprüche gegen den Drittschuldner auf Zahlung von Untermiete gepfändet und zur Einziehung überwiesen worden sind.
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- Der Schuldner ist nicht erwerbstätig und erhält zur Sicherung seines Lebensunterhalts Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 374 € zuzüglich 360 € für die Kosten von Unterkunft und Heizung. Er bewohnt seit 1994 eine von ihm angemietete 4-Zimmer-Wohnung, in der zunächst auch seine Schwester mit ihrem Ehemann wohnte. Nach deren Auszug überließ der Schuldner ein Zimmer zur Nutzung an den Drittschuldner, der ihm hierfür monatlich 150 € Miete zahlt.
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- Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - hat die Ansprüche des Schuldners auf Zahlung des Untermietzinses gegen den Drittschuldner gepfändet und der Gläubigerin zur Einziehung überwiesen. Einen Vollstreckungsschutzantrag des Schuldners hat es zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg gehabt. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde zur Beantwortung der Frage zugelassen, ob § 850i Abs. 1 ZPO auch auf die Einkünfte eines Schuldners angewendet werden könne, die er aus Untermietzahlungen erzielt. Der Senat hat hierin eine wirksame Beschränkung der Zulassung der Rechtsbeschwerde gesehen und dem Schuldner insoweit für die Durchführung der Rechtsbeschwerde Prozesskostenhilfe bewilligt, die dieser unter Beantragung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingelegt hat. Er begehrt weiterhin in diesem Umfang Vollstreckungsschutz.
II.
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- Dem Schuldner war Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren , weil er ohne Verschulden verhindert war, die Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde einzuhalten, § 233 ZPO.
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- Die zulässige Rechtsbeschwerde führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Beschlusses.
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- 1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die gepfändete Forderung des Schuldners unterliege nicht dem Pfändungsschutz des § 850i Abs. 1 ZPO. Bei den Untermietzahlungen handele es sich nicht um sonstige Einkünfte im Sinne dieser Vorschrift. Das ergebe eine Auslegung der Norm auf Grundlage der Gesetzesbegründung und der systematischen Einordnung in die Pfändungsschutzvorschriften der Zivilprozessordnung. Hiernach sei davon auszugehen , dass § 850i ZPO trotz der Formulierung "sonstige Einkünfte, die kein Arbeitseinkommen sind" nur das Einkommen Erwerbstätiger erfasse.
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- 2. Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
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- Der Antrag des Schuldners, ihm seine Einkünfte aus der Untervermietung in Höhe von monatlich 150 € zu belassen, kann nicht mit der Begründung abgelehnt werden, sie unterfielen nicht § 850i Abs. 1 ZPO.
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- Wie der Bundesgerichtshof nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, erfasst der Pfändungsschutz für sonstige Einkünfte nach § 850i Abs. 1 ZPO alle eigenständig erwirtschafteten Einkünfte (BGH, Beschluss vom 26. Juni 2014 - IX ZB 88/13, NJW-RR 2014, 1197 = Rpfleger 2014, 687). Hierfür sprechen der Wortlaut der Regelung sowie eine systematische Auslegung in Verbindung mit dem Willen des Gesetzgebers (im Einzelnen BGH, Beschluss vom 26. Juni 2014 - IX ZB 88/13, aaO Rn. 9-14). Dies gilt auch, wenn es sich um Mieteinkünfte handelt (BGH, Beschluss vom 26. Juni 2014 - IX ZB 88/13, aaO Rn. 16). Dem schließt sich der Senat an.
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- Es besteht keine Veranlassung, danach zu unterscheiden, wofür der Schuldner die Untermieteinkünfte konkret benötigt oder verwendet oder ob im Einzelfall durch einen Pfändungsschutz eine Entlastung der Sozialhilfeträger eintritt oder nicht. Der Schuldner soll allgemein motiviert werden, Einkünfte selber zu erzielen und dadurch die eigene Leistungsfähigkeit zu erhöhen (BGH, Beschluss vom 26. Juni 2014 - IX ZB 88/13, aaO Rn. 12). Eine solche Differenzierung würde außerdem der Klarheit der Regelung entgegenstehen.
- 11
- 3. Von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig hat das Beschwerdegericht keine Feststellungen zu den weiteren Voraussetzungen des § 850i Abs. 1 ZPO getroffen. Der Beschluss ist daher im Umfang der Anfechtung aufzuheben und die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen. Eick Halfmeier Jurgeleit Graßnack Wimmer
AG Ahrensburg, Entscheidung vom 15.05.2012 - 62 M 557/12 -
LG Lübeck, Entscheidung vom 09.08.2012 - 7 T 467/12 -
(1) Werden nicht wiederkehrend zahlbare Vergütungen für persönlich geleistete Arbeiten oder Dienste oder sonstige Einkünfte, die kein Arbeitseinkommen sind, gepfändet, so hat das Gericht dem Schuldner auf Antrag während eines angemessenen Zeitraums so viel zu belassen, als ihm nach freier Schätzung des Gerichts verbleiben würde, wenn sein Einkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn bestünde. Bei der Entscheidung sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners, insbesondere seine sonstigen Verdienstmöglichkeiten, frei zu würdigen. Der Antrag des Schuldners ist insoweit abzulehnen, als überwiegende Belange des Gläubigers entgegenstehen.
(2) Die Vorschriften des § 27 des Heimarbeitsgesetzes vom 14. März 1951 (BGBl. I S. 191) bleiben unberührt.
(3) Die Bestimmungen der Versicherungs-, Versorgungs- und sonstigen gesetzlichen Vorschriften über die Pfändung von Ansprüchen bestimmter Art bleiben unberührt.
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Werden nicht wiederkehrend zahlbare Vergütungen für persönlich geleistete Arbeiten oder Dienste oder sonstige Einkünfte, die kein Arbeitseinkommen sind, gepfändet, so hat das Gericht dem Schuldner auf Antrag während eines angemessenen Zeitraums so viel zu belassen, als ihm nach freier Schätzung des Gerichts verbleiben würde, wenn sein Einkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn bestünde. Bei der Entscheidung sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners, insbesondere seine sonstigen Verdienstmöglichkeiten, frei zu würdigen. Der Antrag des Schuldners ist insoweit abzulehnen, als überwiegende Belange des Gläubigers entgegenstehen.
(2) Die Vorschriften des § 27 des Heimarbeitsgesetzes vom 14. März 1951 (BGBl. I S. 191) bleiben unberührt.
(3) Die Bestimmungen der Versicherungs-, Versorgungs- und sonstigen gesetzlichen Vorschriften über die Pfändung von Ansprüchen bestimmter Art bleiben unberührt.