Zivilrecht: Bindende Absprache oder bloßer Gefallen? – Haftung im Rahmen alltäglicher Gefälligkeitsverhältnisse

published on 07/11/2020 10:18
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Im alltäglichen Leben werden unzählige Verträge jeden Tag geschlossen – an der Supermarktkasse, an Ticketautomaten der öffentlichen Verkehrsmittel oder beim Essen im Restaurant. Voraussetzung für gesetzlich fixierte Rechtsfolgen unterschiedlicher Vertragstypen ist grundsätzlich immer, dass die Parteien sich (objektiv betrachtet) zum Zeitpunkt der Abrede tatsächlich rechtlich binden wollten (Rechtsbindungswille). Bloße Gefälligkeiten des alltäglichen Lebens können daher keine Verträge im rechtlichen Sinne darstellen und damit auch nicht den gesetzlichen Vorschriften des BGB unterliegen.

 

Besonders schwierig gestaltet sich die Abgrenzung von Gefälligkeit und Vertrag im Bereich der unentgeltlichen Vertragstypen des BGB: Schenkung (§§ 516 ff. BGB), Leihe (§§ 598 ff. BGB), Auftrag (§§ 662 ff. BGB) und Verwahrung (§§ 688 ff. BGB). Auch diese Vertragstypen, welche im alltäglichen Leben weniger mit jedweden rechtlichen Vorgaben assoziiert werden, ziehen teilweise sehr feinfühlig ausgestaltete Regelungssysteme nach sich – insbesondere hinsichtlich der Haftungsmaßstäbe, denen die Parteien im Falle einer Pflichtverletzung unterliegen. 

 

I. Kriterien der Abgrenzung zwischen Gefälligkeit und Vertrag 

Zur Abgrenzung sind verschiedene Kriterien heranzuziehen (sog. Strauß an Kriterien), die dann im Einzelfall abgewogen werden, um zu bestimmen, ob die Parteien aus objektiver Sicht zum Zeitpunkt der Abrede eine rechtliche Bindung gewollt haben oder nicht. Hierbei wird das Gericht eine Art Gesamtschau der Umstände, unter denen die Abrede zustande gekommen ist, vornehmen. 

Zusammengefasst handelt es sich hauptsächlich um folgende 6 Kriterien, die in die Abwägung mit einfließen:

  • 1. Beziehung der Parteien zueinander

  • 2. wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung der Abrede für die Parteien
  • 3. Wert der Sache (sofern es sich um eine dreht)

  • 4. Form der Abrede

  • 5. erkennbares Interesse des Begünstigten

  • 6. Art, Grund, Zweck und Dauer der „Gefälligkeit“ 

Das Gericht kann außerdem mit in die Abwägung einbeziehen, ob das Tragen der rechtlichen Konsequenzen für die Parteien im Einzelfall zumutbar erscheint und ob es sich nach dem Verständnis der Beteiligten eher um eine „Gefälligkeit des alltäglichen Lebens handelt“, die dann in keinem Fall einer rechtlichen Bindung unterliegen soll. Letzteres erscheint insofern in der Rolle eines Abwägungskriteriums problematisch, als dass es sich bei der Charakterisierung als Alltagsgefälligkeit eher um das Ergebnis der Abwägung als ein richtungsweisendes Kriterium handelt. 

1. Beziehung der Parteien zueinander

In der Theorie spricht beispielsweise ein Näheverhältnis bzw. freundschaftliches Verhältnis unter den Parteien der Abrede eher gegen die gewollte rechtliche Absicherung. Ob dies in der Praxis überzeugen kann, ist fraglich. 

2. Wirtschaftliche oder rechtliche Bedeutung der Abrede 

Je höher die wirtschaftliche oder rechtliche Bedeutung der Abrede ist, desto wahrscheinlicher erscheint es, dass die Parteien im Einzelfall eine rechtliche Absicherung derselben beabsichtigt haben. 

So ist das einfache Absprechen einer gemeinsamen Autofahrt hin zur Party im Nachbardorf noch kein Auftragsvertrag i.S.d. § 662 BGB zwischen Fahrer und Gefahrenem. Hierbei dürfte es sich eher um einen einfachen Gefallen des Fahrers handeln, da die pünktliche Ankunft bei einer Party für gewöhnlich nicht von großer wirtschaftlicher oder rechtlicher Bedeutung ist. Handelt es sich wiederum um eine Fahrt hin zu einem wichtigen Vorstellungsgespräch, wiegt die Bedeutung der Abrede um einiges schwerer, sodass ein Auftragsvertrag zwischen den Parteien naheliegender erscheint. 

3.  Wert der Sache

Wird beispielsweise eine Sache von hoher Wertigkeit verliehen, so liegt es nahe, dass der Verleiher diese Sache nicht unter Ausschluss jeglicher Haftung übergeben wollte. 

4. Form der Abrede 

Grundsätzlich entstehen die Abgrenzungsprobleme bloß bei Formlosigkeit der Abrede, da eine schriftliche Fixierung in der Regel auch den Rechtsbindungswillen der Parteien indiziert. 

5. Erkennbares Interesse des Begünstigten

Gibt der von der Abrede Begünstigte ein erkennbar hohes Interesse an der Gültigkeit bzw. „ordnungsgemäßen“ Durchführung der Abrede zu erkennen, so spricht dies im Einzelfall für den Rechtsbindungswillen beider Parteien, da der andere Vertragsteil sich dann (bspw. im Falle einer Pflichtverletzung auf seiner Seite) nicht darauf berufen kann, dass er von der Bedeutung der Abrede für den Begünstigten nicht gewusst hätte.

6. Art, Grund, Zweck und Dauer der „Gefälligkeit“ 

Entscheidende Fragen sind des Weiteren, aus welchem Grund/ zu welchem Zweck die Parteien die Abrede trafen und für wie lange die Ausführung der Abrede fortdauert bzw. fortdauern soll. 

Handelte es sich beim Eingehen der Abrede um einen „altruistisch“ motivierten Gefallen heraus oder einem Entgegenkommen „aus Mitleid“, so liegt der Rechtsbindungswille eher fern. 

Betrifft die Abrede jedoch beispielsweise das Verleihen eines Autos für die Dauer von mehreren Monaten, so spricht allein die Dauer der Abrede für den Willen der Parteien, ihre rechtlichen Interessen hieran zu schützen und dementsprechend den gesetzlichen Vorschriften der §§ 598 ff. BGB zu unterwerfen. 

 

II. Auswirkungen des Vorliegens einer Gefälligkeit auf mögliche Schadensersatzansprüche

1. Der Vertragliche Anspruch

Vertragliche Ansprüche sind aufgrund des fehlenden Rechtsbindungswillens der Parteien bei einer bloßen Gefälligkeit von Anfang an ausgeschlossen. 

Teilweise wird in der Literatur die Figur des geschäftsähnlichen Gefälligkeitsverhältnisses diskutiert, welches dann womöglich als vertragsähnliches Schuldverhältnis i.R.d. § 311 II Nr. 3 BGB Geltung erlangt und bei Pflichtverletzung, also einem Verstoß gegen die dann fingierten Schutzpflichten des einen Teils des Gefälligkeitsverhältnisses, einen Schadensersatzanspruch auslöst. Hierfür müssten sich die Parteien jedoch ebenfalls mit Rechtsbindungswillen über das Bestehen von gewissen Schutzpflichten gegenüber einander geeinigt haben. Für gewöhnlich kann dies aus ähnlichen oder gar denselben Gründen abgelehnt werden, wie auch schon der Rechtsbindungswille bezüglich der Abrede selbst. 

2. Der deliktische Anspruch 

Weitergehende Diskussionen wirft das Vorliegen eines Gefälligkeitsverhältnisses innerhalb von ggf. bestehenden Ansprüchen aus Delikt (§§ 823 ff. BGB) auf. 

Voraussetzung für das Bestehen derartiger Ansprüche ist grundsätzlich zunächst eine rechtswidrige und schuldhafte Rechtsgutverletzung (z.B. Verletzung des Rechts auf Eigentum, Leben, Gesundheit oder Freiheit eines Menschen). 
Bei der Frage nach dem Bestehen eines etwaigen Schadensersatzanspruches nach den §§ 823 ff. BGB sind jedoch grundsätzlich jedwede Haftungsprivilegien des Gesetzes zu beachten, auf die sich der Schädiger auch im Rahmen eines vertraglichen Schadensersatzanspruches gegen ihn berufen könnte. 

So wird in der Literatur teilweise die Auffassung vertreten, dass die in den verschiedenen „Gefälligkeits“-Vertragstypen vorkommenden Haftungsprivilegien auch auf diesen Vertragstypen ähnelnden Gefälligkeitsverhältnissen Anwendung finden sollten. 

So hat der Verleiher bei einem Leihvertrag nach dem Vorbild von § 598 BGB gem. § 599 BGB nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Dieser haftet dementsprechend nur für Schäden beim Entleiher, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat. 
Nach einer Ansicht in der Literatur liege es nahe, diese Haftungsprivilegierung auch auf das Deliktsrecht anzuwenden, wenn zwar kein „Leihvertrag“ im Sinne des § 598 BGB vorliegt (weil die Parteien keinen entsprechenden Rechtsbindungswillen hatten), aber dennoch ein Gefälligkeitsverhältnis, welches der Leihe nachgebildet ist. 

Hiergegen wird eingewendet, dass eine solche Ausweitung der Anwendung vom Gesetzgeber nicht vorgesehen sei und dass es auch nicht mit dem ausgewogenen Regelungssystem der unentgeltlichen Verträge im BGB vereinbar wäre, (nur) dem einen Teil der Abrede die gesetzlichen Privilegien zuzugestehen. 

Unstrittig ist, dass ein Haftungsausschluss jedenfalls dann nicht in Betracht kommt, wenn die haftende Partei für entsprechende Schäden versichert ist. Ist der Schaden also beispielsweise von der Haftpflichtversicherung des Schädigers gedeckt, so wird dieser in jedem Fall durch diese ersetzt. Der Versicherte wird dann als weniger „schutzwürdig“ angesehen. 

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Durch die Annahme eines Auftrags verpflichtet sich der Beauftragte, ein ihm von dem Auftraggeber übertragenes Geschäft für diesen unentgeltlich zu besorgen.

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