Strafrecht: „Alter Mann“ ist nicht zwingend beleidigend

published on 20/12/2016 22:10
Strafrecht: „Alter Mann“ ist nicht zwingend beleidigend
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Author’s summary by Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

Eine wertneutrale oder zutreffende Tatsachenbehauptung gegenüber einer anderen Person ist nicht zwingend beleidigend, sofern die Bezeichnung nicht abwertend konnotiert ist.
Das OLG Hamm mit Beschluss vom 26.09.2016 (1 RVs 67/16) folgendes entschieden:

Eine Tatsachenbehauptung oder eine gegenüber einer anderen Person verwendete Bezeichnung, die zutreffend oder nach allgemeinem Verständnis wertneutral ist, kann in der Regel nicht als Beleidigung angesehen werden, es sei denn, der Bezeichnung kommt eine über die bloße Kennzeichnung hinaus gehende abwertende Konnotation zu.

In der Bezeichnung "alter Mann" liegt für sich betrachtet noch keine Herabwürdigung, mit welcher dem so Bezeichneten sein personaler oder sozialer Geltungswert abgesprochen und seine Minderwertigkeit zum Ausdruck gebracht wird.

Tenor:

Die Revision wird mit der Maßgabe verworfen, dass die neben dem Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung ergangene tateinheitliche Verurteilung wegen Beleidigung entfällt.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Angeklagte.

Gründe:

Das Amtsgericht Dortmund hat den Angeklagten am 20. Januar 2015 wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung sowie wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Dortmund am 5. April 2016 mit der Maßgabe verworfen, dass die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe auf neun Monate ermäßigt worden ist. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen geringfügigen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Die Verurteilung des Angeklagten wegen Beleidigung kann nicht bestehen bleiben, da sie von den Feststellungen nicht getragen wird. Beleidigung gemäß § 185 StGB ist der Angriff auf die Ehre einer Person durch Kundgabe von Missachtung. Der Äußerungsinhalt ist unter Berücksichtigung aller Begleitumstände zu ermitteln. Maßgebend ist, wie ein verständiger Dritter die Äußerung versteht. Eine gegenüber der betroffenen Person erhobene Tatsachenbehauptung oder eine ihr gegenüber verwendete Bezeichnung, die zutreffend oder nach allgemeinem Verständnis wertneutral ist, kann in der Regel nicht als Beleidigung angesehen werden, es sei denn, der Bezeichnung kommt eine über die bloße Kennzeichnung hinaus gehende abwertende Konnotation zu. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils betitelte der Angeklagte den im Juli 1957 geborenen Zeugen M als „Opa“ oder „alten Mann“. Zugunsten des Angeklagten ist wegen der insoweit getroffenen Wahlfeststellung davon auszugehen, dass er den Zeugen ausschließlich als „alten Mann“ bezeichnet hat. Darin liegt - auch mit Blick auf dessen tatsächliches Lebensalter - für sich betrachtet noch keine Herabwürdigung, mit der dem Zeugen sein personaler oder sozialer Geltungswert abgesprochen und seine Minderwertigkeit zum Ausdruck gebracht wird. Weitere Feststellungen, die einen abwertenden Charakter der Äußerung begründen könnten, hat das Landgericht nicht getroffen. Soweit im Urteil hierzu ausgeführt wird, der Angeklagte habe den Zeugen „abfällig“ „beleidigt“, handelt es sich um Wertungen. Tatsachen, welche die angenommene „Abfälligkeit“ belegen könnten, sind nicht genannt.

Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend, da auch im Fall einer Zurückverweisung der Sache konkretere Feststellungen zu einer etwaigen Beleidigung nicht zu erwarten wären.

Der Wegfall der tateinheitlichen Verurteilung wegen Beleidigung lässt den Einzelstrafausspruch von acht Monaten unberührt. Mit Blick auf die am unteren Rand des Strafrahmens des § 224 Abs. 1 StGB angesiedelte Einzelstrafe, die darüber hinaus vom Landgericht angestellte Erwägung, dass sich die „Beleidigung“ im untersten Bereich denkbarer beleidigender Äußerungen bewege, sowie die im Übrigen angeführten erheblichen strafschärfenden Gesichtspunkte - insbesondere die zahlreichen, auch einschlägigen Vorstrafen und die Begehung der Tat unter laufender Bewährung wegen einer einschlägigen Tat - kann der Senat ausschließen, dass das Landgericht auf der Grundlage des geänderten Schuldspruchs eine niedrigere Einzelstrafe verhängt hätte. Auch soweit das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung die Intensität der Angriffe auf die körperliche Unversehrtheit des Zeugen zulasten des Angeklagten gewertet und hierzu ausgeführt hat, dass der Angeklagte es nicht bei einem Fußtritt belassen, sondern den Zeugen M „mehrfach“ getreten und geschlagen habe, ohne dass insbesondere die Anzahl der Tritte mit den Arbeitsschuhen - wenigstens annäherungsweise - in den Feststellungen dargestellt ist, gefährdet dies den Einzelstrafausspruch im Ergebnis nicht. Denn die Intensität der Körperverletzungshandlung ist unter Berücksichtigung der Feststellungen zum zeitlichen Ablauf des Geschehens sowie zum Verletzungsbild (Prellungen am gesamten Oberkörper) noch hinreichend umschrieben, um den Einzelstrafausspruch zu rechtfertigen. So setzte der Angeklagte nach den Feststellungen die Schläge und die insbesondere gegen den Rippenbereich des Zeugen - der im Verlauf des Geschehens zu Boden ging - gerichteten Tritte fort, nachdem zwischenzeitlich ein auf seinem Balkon befindlicher Nachbar auf das Geschehen aufmerksam geworden war und den Angeklagten aufgefordert hatte, den Zeugen M in Ruhe zu lassen. Erst als der Nachbar ihm anschließend noch zurief, er werde die Polizei verständigen, wenn er nicht aufhöre, und die Ankündigung dann auch umsetzte, ließ der Angeklagte von dem Zeugen ab. Angesichts dessen ist das Landgericht bei der Strafzumessung ersichtlich nicht nur von einer äußerst geringen Anzahl von Tritten und Schlägen ausgegangen.

Die Verfahrensrüge ist - worauf die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift zutreffend hinweist - bereits unzulässig, da sie nicht den formellen Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechend erhoben worden ist.

Wegen des lediglich geringfügigen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten gemäß § 473 Abs. 1 StPO mit den Kosten seines Rechtsmittels zu belasten.

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published on 26/09/2016 00:00

Tenor Die Revision wird mit der Maßgabe verworfen, dass die neben dem Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung ergangene tateinheitliche Verurteilung wegen Beleidigung entfällt. Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Angeklagte (§ 473 Abs. 1

Annotations

Tenor

Die Revision wird mit der Maßgabe verworfen, dass die neben dem Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung ergangene tateinheitliche Verurteilung wegen Beleidigung entfällt.

Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Angeklagte (§ 473 Abs. 1 StPO).


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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.