Schneller schuldenfrei: Bundestag beschließt Erteilung der Restschuldbefreiung nach drei Jahren
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Der Bundestag nahm am Donnerstag den 17. Dezember 2020 einen Gesetzesentwurf an: Künftig soll das Restschuldbefreiungsverfahren nur noch drei statt sechs Jahre dauern. Die Bundesregierung zielt mit dem neuen Gesetz auf eine einfachere und schnellere Möglichkeit der Krisenbewältigung für Schuldner sowie auf die Umsetzung der Vorgaben der EU-Richtlinie über die Restrukturierung und Insolvenz für den Bereich der Entschuldung. Die Regelung selbst ist- laut Bundesregierung – Teil des Konjunktur- und Krisenbewältigungsprogramms. Mittlerweise hat auch der Bundesrat den Gesetzesänderungen zugestimmt.
Obwohl weiterhin Zahlungsverpflichtungen wie Miete und Ähnliches bestehen bleiben, müssen viele Betriebe aufgrund des Lockdowns schließen und Einkommenseinbußen hinnehmen.
Trotz heftiger Spekulationen ist das beschlossene Gesetz damit keine direkte Folge der Corona-Pandemie. Zwar ist die Angst vor einem Anstieg der Insolvenzverfahren im Jahr 2021 immer noch gegenwärtig, das Gesetz selbst dient jedoch der Umsetzung europäischer Richtlinien in deutsches Recht. Diese Umsetzung war sowieso bis Sommer 2021 hinfällig. Andernfalls könnte die EU eine Vertragsverletzung geltend machen, was die Bundesregierung nun zu verhindern wusste. Erwartet wurde das Gesetz mithin bereits länger.
Pflichten während der Wohlverhaltensphase
Anders als bisher, ist es überschuldeten Unternehmern sowie Verbrauchern möglich eine Restschuldbefreiung nach spätestens drei Jahren zu erhalten. Dazu ist es nicht mehr notwendig eine Mindestbefriedigungsquote von 35 % der Schuldsumme zu erreichen oder die Verfahrenskosten zu begleichen.
Restschuldbefreiung nur für redliche Schuldner.
Offenlegungs- und Mitwirkungspflichten werden während der Zeit bis zur Restschuldbefreiung weiterhin vorausgesetzt. In dieser sogenannten Wohlverhaltensphase wird vom Schuldner verlangt, dass er sich um eine Einkommensquelle bemüht, seine gesamten Vermögens- sowie Einkommensverhältnisse offenlegt und seinen Insolvenzverwalter über jede Änderung seines Wohnaufenthaltsortes und Arbeitsplatzes in Kenntnis setzt.
Werden in der Wohlverhaltensphase vorsätzlich oder grob fahrlässig „unangemessene Verbindlichkeiten“ begründet, kann die Restschuldbefreiung versagt werden.
Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens gilt für alle ab dem 1. Oktober 2020 gestellten Anträge.
Von dem neuen Gesetz, mithin dem verkürzten Verfahren sollen alle Schuldner profitieren, die ihren Insolvenzantrag ab dem 1. Oktober 2020 gestellt haben.
Für zwischen dem 17. Dezember 2019 und dem 30. September 2020 gestellten Anträge gilt eine Übergangsregelung, welche folgendes vorsieht: Die Restschuldbefreiung verlängert sich für die in dem eben genannten Zeitraum erfolgten Insolvenzanträge um so viele Monate wie seit dem Inkrafttreten der EU-Richtlinie am 16. Juli 2019 bis zur Stellung des Antrags vergangen sind.
Die Regelungen über eine vorzeitige Restschuldbefreiung nach bisherigem Recht bleiben unberührt.
Zur Erinnerung: Schuldner, die ihren Insolvenzantrag vor dem 16, Juli 2019 gestellt haben, können nach wie vor eine Restschuldbefreiung nach drei Jahren erhalten, wenn sie innerhalb der ersten drei Jahre nach Insolvenzeröffnung mindestens 35% der angemeldeten Gläubigerforderungen und die Kosten des Insolvenzverfahrens beglichen haben. Die Insolvenzverfahrenskosten umfangen sowohl die Kosten des Insolvenzgerichts als auch die des Insolvenzverwalters. Hat der Schuldner innerhalb der ersten fünf Jahre seit Beginn des Insolvenzverfahrens zumindest die Kosten des Verfahrens beglichen, wird eine Restschuldbefreiung nach fünf Jahren erteilt. Ansonsten erfolgt die Restschuldbefreiung regulär nach sechs Jahren.
Aufgrund des neuen Gesetzes verkürzt sich diese Zeit bei Verfahren, die ab dem 1. Oktober 2020 gestellt wurden in jedem Fall auf drei Jahre.
Erleichterung der Fortführung einer selbstständigen Tätigkeit
Das neue Gesetz sieht zudem eine Änderung des § 35 InsO dahingehend vor, dass ein dritter Absatz eingefügt wird. Danach muss der Schuldner den Insolvenzverwalter unverzüglich über die Aufnahme oder Fortführung einer selbstständigen Tätigkeit in Kenntnis setzen. Wird der Verwalter bezüglich der Freigabe oder Fortführungserlaubnis einer solchen Tätigkeit ersucht, ist er verpflichtet sich innerhalb eines Monats hierzu zu äußern.
Ein Gewerbe kann nach wie vor trotz eines Insolvenzantrags weiter fortgeführt werden.
Neue Regelung der Obliegenheiten des Schuldners bei selbstständigen Tätigkeiten
Weiterhin wird der § 295a InsO eingeführt. Gem. § 295a InsO muss der Schuldner, sofern er einer selbstständigen Tätigkeit nachgeht, seine Gläubiger durch Zahlungen an den Treuhändler so stellen, als wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre. Wenn eine insolvente Person einer selbstständigen Tätigkeit nachgeht mithilfe derer sie den abzuführenden Pfändungsbetrag nicht aufbringen kann, könnte diese selbstständige Tätigkeit einen Versagungsgrund darstellen, sofern sich dieser Person eine andere Möglichkeit bot, durch ein Dienstverhältnis höhere Einnahmen zu erzielen. Der Schuldner ist nämlich verpflichtet die für die Gläubiger günstigste Erwerbsmöglichkeit zu wählen.
Da Schuldner verpflichtet sind, diejenigen Bezüge, welche sie aus einem angemessenen Dienstverhältnis erzielen würden, glaubhaft zu machen, können sie hierfür die Hilfe des Gerichts in Anspruch nehmen, welches diese bestimmt, vgl. § 295a Abs.1 InsO.
Sperrfrist für zweites Verfahren auf elf Jahre erhöht
Eine weitere Änderung betrifft die Sperrfrist für ein zweites Restschuldbefreiungsverfahren. Diese betrug bisher zehn Jahre und wird nun auf elf Jahre erhöht. Damit Schuldner im Falle einer späteren Wiederverschuldung nicht schneller zu einer zweiten Restschuldbefreiung kommen, mithin die l Verkürzung des Verfahrens nicht ausgenutzt wird, unterliegt die Entschuldung einer längeren Verfahrensdauer von fünf Jahren.
Schlusswort
Andere Länder wie Irland oder England haben es längt vorgemacht. Unternehmen muss die Möglichkeit geboten werden schneller aus der Insolvenz herauszukommen. Insgesamt ist die neue Reform zu begrüßen.
Haben Sie noch Fragen zum Thema Insolvenzrecht? Dann nehmen Sie Kontakt zu Streifler&Kollegen auf und lassen Sie sich fachkundig beraten.
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(1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).
(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295a gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.
(3) Der Schuldner hat den Verwalter unverzüglich über die Aufnahme oder Fortführung einer selbständigen Tätigkeit zu informieren. Ersucht der Schuldner den Verwalter um die Freigabe einer solchen Tätigkeit, hat sich der Verwalter unverzüglich, spätestens nach einem Monat zu dem Ersuchen zu erklären.
(4) Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen.
(1) Soweit der Schuldner eine selbständige Tätigkeit ausübt, obliegt es ihm, die Insolvenzgläubiger durch Zahlungen an den Treuhänder so zu stellen, als wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre. Die Zahlungen sind kalenderjährlich bis zum 31. Januar des Folgejahres zu leisten.
(2) Auf Antrag des Schuldners stellt das Gericht den Betrag fest, der den Bezügen aus dem nach Absatz 1 zugrunde zu legenden Dienstverhältnis entspricht. Der Schuldner hat die Höhe der Bezüge, die er aus einem angemessenen Dienstverhältnis erzielen könnte, glaubhaft zu machen. Der Treuhänder und die Insolvenzgläubiger sind vor der Entscheidung anzuhören. Gegen die Entscheidung steht dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger die sofortige Beschwerde zu.