Schadensersatz: Veranstalter eines „Public-Viewing-Events“ haftet

published on 05/08/2011 16:41
Schadensersatz: Veranstalter eines „Public-Viewing-Events“ haftet
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Author’s summary by Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

Ein Veranstalter eines „Public-Viewing-Even
Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschieden und damit ein erstinstanzliches Urteil des Landgerichts Essen bestätigt. Die Beklagte, eine Event-GmbH, zeigte während der Fußballweltmeisterschaft 2006 im Rahmen eines „Public-Viewing-Events“ Länderspiele. Hierzu errichtete sie mit ordnungsbehördlicher Genehmigung eine dreistöckige Sitztribüne, die nicht mit Geländern abgesichert war. Aus dem Stand stürzte der Kläger gemeinsam mit einem anderen Zuschauer aus 80 cm Höhe zu Boden und brach sich hierbei den Arm. Der Kläger war mehrere Monate arbeitsunfähig.

Seine Klage gegen die Veranstalterin auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz war erfolgreich. Das OLG entschied, dass die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflichten als Veranstalterin verletzt habe. Daher hafte sie dem Kläger für die entstandenen Schäden. Die Veranstalterin sei für die Sicherheit der auf der Sitztribüne stehenden Zuschauer verantwortlich und werde nicht durch die ordnungsbehördliche Genehmigung entlastet, führte der Senat aus. Anders als die erste Instanz beurteilte der Senat das Mitverschulden des Klägers aber mit 50 statt mit 25 Prozent. Die Gefahr sei bei wiederholten tumultartigen Bewegungen unter den Zuschauern auf der Bühne offensichtlich gewesen. Der Kläger hätte sich durch vorsichtiges Verhalten vor Schaden schützen und den Tribünenrand meiden können (OLG Hamm, I-9 U 44/10)


Die Entscheidung im einzelnen lautet:

Das OLG Hamm hat mit dem Urteil vom 26.11.2010 (Az: I-9 U 44/10, 9 U 44/10) entschieden:


Gründe:

(abgekürzt gemäß §§ 540 II, 313 a I S. 1 ZPO)
Auf die zulässige Berufung der Beklagten ist das angefochtene Urteil teilweise abzuändern, weil dem Kläger eine höhere Mitverschuldensquote als vom Landgericht angenommen, gemäß § 254 I BGB anzulasten ist. Die Berufung des Klägers hat dagegen nur hinsichtlich seiner Nebenforderung auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten geringen Erfolg.

Dass die Beklagte dem Kläger für seinen Sturz aus § 823 I BGB wegen Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht auf Schadenersatz haftet, hat das Landgericht zutreffend und überzeugend festgestellt. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des angefochtenen Urteils wird verwiesen. Die Berufungsangriffe der Beklagten dagegen vermögen sie nicht in Frage zu stellen. Namentlich entlastet die Erteilung der behördlichen Genehmigung für die Aufstellung der Tribüne die Beklagte nicht von ihrer Verantwortlichkeit für die Sicherheit der stehenden Zuschauer, zumal sie als Sitztribüne genehmigt worden war. Die Tatsachenfeststellung des Landgerichts zu den der Beklagten insoweit anzulastenden Versäumnissen und zu den Umständen des Sturzes des Klägers gibt keine Anhaltspunkte zu konkreten Zweifeln an ihrer Richtigkeit und bindet so das Berufungsgericht gemäß § 529 I ZPO.

Der Vorwurf des Mitverschuldens gegen den Kläger ist jedoch stärker zu gewichten als die Vorinstanz dies getan hat, und führt zu einer hälftigen Anspruchskürzung dem Grunde nach. Die Verantwortlichkeit für den Sturz von der Tribüne trifft beide Parteien gleich stark, weil die Gefahrenstelle dem Kläger offensichtlich war und er sich bewusst da hinein begeben hat. Damit war es primär seine Sache, sich durch vorsichtiges Verhalten vor Schaden zu schützen oder die Tribüne, jedenfalls deren Rand, zu meiden. Dass wiederholt tumultartige Bewegungen unter den Zuschauern auf der Tribüne in der emotionalen Aufwallung entstanden, konnte dem Kläger bis zum Ende des Fußballspiels auch nicht entgangen sein.
Die Bemessung des Schmerzensgeldausgangsbetrages (für die Annahme einer vollen Haftung) durch das Landgericht erweist sich als rechtsfehlerfrei und wird auch vom Senat für angemessen erachtet. Unter Berücksichtigung der Eigenverantwortlichkeit des Klägers ist ihm danach ein Schmerzensgeld von 10.000,00 € zuzusprechen.

Den für die Zeit vom 21.4. 2008 bis zum 31.12.2008 geltend gemachten Verdienstausfallschaden des Klägers hat das Landgericht im Ergebnis richtig mit 2.700,00 € festgestellt. Die als solche nicht bestrittenen Umsatzzahlen des Geschäftsbetriebs aus den zwar bis dahin nur wenigen Monaten seiner Führung erlauben es schon hinreichend, die Einnahmen des Klägers für den Anspruchszeitraum gemäß § 287 ZPO mit monatsdurchschnittlich 1.500 € zu schätzen. Hiervon sind aber noch pauschal geschätzte 10% für ersparte Aufwendungen abzuziehen. Es bleiben für die acht streitgegenständlichen Monate insgesamt 10.800,00 €.

Dieser Betrag ist um 50% zu kürzen wegen der Verletzung seiner Schadensminderungspflicht durch den Kläger, die das landgerichtliche Urteil zu Recht in der Versäumung einer rechtzeitigen Umstellung der Lehrmethode auf weniger handschriftintensive Tätigkeiten sieht. Der Senat erachtet hierfür aber nur eine Kürzung um 50%, nicht 70% wie vom Landgericht angenommen, für gerechtfertigt. Dafür ist der Einwand des Klägers, dass das medizinische Sachverständigengutachten sich im Wesentlichen nur mit seinem zum Untersuchungszeitpunkt 21.7.2009 aktuellen Gesundheitszustand befasse, allerdings unerheblich. Der hier noch streitgegenständliche Schadenszeitraum liegt nämlich erst in den letzten acht Monaten des Jahres 2008, fast zwei Jahre nach dem Unfall, als die Beschwerden des Klägers nach eigenem Bekunden bei seiner Anhörung in der Berufungsverhandlung im Wesentlichen abgeklungen waren. Bis dahin hätte der Kläger seine Lehrmethoden - soweit bei fortgeschrittener Genesung überhaupt noch erforderlich - trotz eines gewissen Angewiesenseins auf die vom Lehrgangsveranstalter vorgegebenen technischen Unterrichtsmittel entsprechend umstellen können. Gut nachvollziehbar hat aber der Kläger bei seiner Anhörung darauf hingewiesen, dass auch nach einer solchen didaktischen Umstellung das Unterrichtsprogramm von ihm nicht sofort im vollen Umfang hätte aufgenommen werden können, weil dafür ein längerer zeitlicher Vorlauf sowohl für die Kundenwerbung wie auch terminliche Organisation erforderlich ist.

Der für diese Schadensposition verbleibende Forderungsbetrag von 5.400,00 € reduziert sich wegen des hälftigen Mitverschuldens des Klägers (oben II.) auf 2.700,00 €, die das Landgericht schon zugesprochen hat.

Der weitere materielle Schaden des Klägers ist mit den vom Landgericht zugrunde gelegten 1.233,23 € in der Berufungsinstanz nicht mehr streitig. Die Hälfte davon, mithin 616,62 € kann der Kläger ersetzt verlangen.

Die Abänderung des Feststellungsausspruchs des landgerichtlichen Urteils begründet sich ebenfalls daraus, dass dem Kläger ein Mitverschulden von 50% anzulasten ist.

Der Höhe der zu erstattenden vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist der Streitwert der letztlich als begründet festgestellten Klageforderung zugrunde zu legen. Das sind hier unter Einschluss von 1.500,00 € für das „hälftige“ Feststellungsbegehren insgesamt 14.816,62 €. Daraus ergibt sich der Kostenbetrag unter Zugrundelegung des nicht angegriffenen Gebührenfaktors 1,8 mit = 1.236,17 € brutto; ((566,00 € x 1,8) + 20) x 1,19.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 I, 97 ZPO.

Das Urteil ist gemäß §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO vorläufig vollstreckbar.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO bestehen nicht.


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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
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(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.