Kündigungsrecht: Verkehrsgefährdung auf Dienstfahrt kann zur fristlosen Kündigung führen

published on 03/03/2016 09:38
Kündigungsrecht: Verkehrsgefährdung auf Dienstfahrt kann zur fristlosen Kündigung führen
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Author’s summary by Anwalt für Arbeitsrecht sowie Handels- und Gesellschaftsrecht

Missachtet der Arbeitnehmer auf einer Dienstfahrt die Vorfahrt und gefährdet so den Straßenverkehr, kann dies ein wichtiger Grund einer fristlosen Kündigung sein.
Diese Klarstellung traf das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein. Die Richter wiesen dabei darauf hin, dass dies nicht nur für Berufskraftfahrer gelte. Auch Arbeitnehmer, die ihre Haupttätigkeit nicht ohne Firmenfahrzeug ausüben können, müssten in diesem Fall mit einer fristlosen Kündigung rechnen. Arbeitgeber war in dem Fall ein ambulanter Pflegedienst. Es müsse aber in jedem Fall eine Interessenabwägung erfolgen. Diese ging vorliegend zugunsten des Arbeitnehmers aus.


Die Entscheidung im Einzelnen lautet:

LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 8.10.15, (Az.: 5 Sa 176/15).


Eine während einer Dienstfahrt begangene Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315 c Abs. 1 Nr. 1a StGB kann grundsätzlich geeignet sein, einen wichtigen Grund zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung darzustellen. Dies gilt nicht nur für Kraftfahrer, sondern auch für Arbeitnehmer, die ihre Haupttätigkeit nicht ohne Firmenfahrzeug ausüben können.


Tatbestand

Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Rechtswirksamkeit einer fristlosen Kündigung, nachdem die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis selbst ordentlich gekündigt hatte, sowie um daraus resultierende Verzugslohnansprüche.

Die 31-jährige Klägerin ist seit 01.11.2013 bei der Beklagten, einem ambulanten Pflegedienst, als Pflegekraft zu einem Bruttomonatsgehalt von 1.501,56 brutto zzgl. Fahrgeld, Fehlgeldentschädigung und Sonntagszuschlag beschäftigt. Der der Klägerin zur Verfügung gestellte Dienstwagen ist mit dem Slogan der Beklagten „Kundenfreundlicher Pflegedienst 2014“ beschriftet.

Mit Schreiben vom 19.01.2015 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 28.02.2015. Vom 19.01. bis zum 03.02.2015 war die Klägerin arbeitsunfähig krank. Das Kündigungsschreiben sowie die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gingen der Beklagten am 19.01.2015 zu. Mit Schreiben vom 22.01.2015 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht. Für Januar 2015 erteilte die Beklagte der Klägerin eine Gehaltsabrechnung mit folgenden Bezügen :

Festgehalt:1.259,37

Sonntagszuschlag:28,31

Fahrgeld pausch. Verst.:13,21

Fehlgeldentschädigung:6,71

Minusstunden :936,00

Urlaubsabgeltung:136,51

Gesamt-Brutto:508,11.

Die Klägerin hat am 02.02.2015 Kündigungsschutzklage erhoben sowie die ungekürzten Vergütungsansprüche bis einschließlich Februar 2015 geltend gemacht. Sie könne noch restliche Vergütung für Januar 2015 in Höhe von 1.244,96 € brutto beanspruchen, wobei ihr ein durchschnittliches Monatsgehalt 1.616,56 € brutto zustehe. Zudem habe sie Anspruch auf Entgeltfortzahlung bzw. Verzugslohn für Februar in Höhe von 1.616,56 € brutto.

Die Beklagte hat vorgetragen, dass ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung vorgelegen habe. Am 10.01.2015 habe sie von dem Zeugen H. erfahren, dass die Klägerin sich am 09.01.2015 auf dem Weg zu einer Patientin derart verkehrswidrig verhalten habe, dass es einen „Beinaheunfall“ gegeben habe. Sie habe eine Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315 c Abs. 1 Ziff. 2 StGB begangen. Am 12.01.2015 habe sie die Klägerin mit dem Vorwurf konfrontiert. Die Klägerin habe sich jedoch völlig uneinsichtig gezeigt. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass es sich nicht um den ersten Vorfall dieser Art gehandelt habe. Vielmehr habe die Klägerin bereits am 16.08.2014 mit einem Pkw einen Fahrradfahrer schuldhaft angefahren und sei am 29.10.2014 mit dem Dienstwagen gegen eine Mauer gefahren sei, wobei ein Sachschaden entstanden sei. Wesentliches Merkmal der Tätigkeit der Klägerin sei es, sich im Straßenverkehr zu bewegen, um zu den Kunden zu fahren. Sofern die Klägerin also Straßenverkehrsvorschriften verletze und dadurch den Führerschein verliere bzw. die Gefahr des Führerscheinverlustes bestehe, gefährde sie immanent auch ihren Arbeitsplatz. Das Fehlverhalten habe dienstlichen Bezug und wirke sich unmittelbar und konkret nachteilig auf das Arbeitsverhältnis aus. Es zeige die fehlende Zuverlässigkeit und mangelnde Eignung der Klägerin für die Tätigkeit bei der Beklagten. Es sei ihr, der Beklagten, nicht zumutbar, dass weitere Teilnehmer des Straßenverkehrs durch die dienstlichen Fahrten der Klägerin gefährdet würden. Vergütungsansprüche stünden der Klägerin nicht zu, da sie zu keinem Zeitpunkt nach Ausspruch der Kündigung vom 22.01.2015 ihre Arbeitskraft angeboten habe und auch nicht freigestellt gewesen sei. Der Abzug der Minusstunden sei gerechtfertigt gewesen. Die Klägerin habe sehr viele Minusstunden im Laufe des Arbeitsverhältnisses aufgebaut.

Wegen des weiteren, insbesondere streitigen Vorbringens der Parteien in erster Instanz sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 29.04.2015 der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien sei nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten zum 19.01.2015, sondern durch Eigenkündigung der Klägerin erst zum 28.02.2015 beendet worden. Ein wichtiger Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB in Form einer schwerwiegenden Pflichtverletzung liege nicht vor. Eine solche schwerwiegende Pflichtverletzung ergebe sich nicht aus der behaupteten Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB vom 09.01.2015. Die Klägerin sei bei der Beklagten als Pflegekraft angestellt gewesen, so dass straßenverkehrsrechtliche Pflichten allenfalls Nebenpflichten im Rahmen der ambulanten Pflegetätigkeit seien. Zudem sei weder die Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr noch deren Ahndung Aufgabe des Arbeitgebers. Das strittige Verhalten der Klägerin könne mithin schon dem Grunde nach keinen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen. Dies gelte auch für die von der Beklagten geäußerte Sorge, infolge eines Unfalls mit dem Dienstfahrzeug in der Kfz-Versicherung hochgestuft zu werden und des Imageverlustes des Unternehmens, da aufgrund des Logos auf dem Dienstfahrzeug die rücksichtslose Fahrweise der Klägerin ihrem, der Beklagten, Unternehmen zugeschrieben werden würde.

Gegen das ihr am 21.05.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12.06.2015 beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Berufung eingelegt und diese am 20.07.2015 begründet.

Die Beklagte rügt die Verletzung rechtlichen Gehörs, weil das Arbeitsgericht den Zeugen H. nicht vernommen habe. Die Klägerin sei mit überhöhter Geschwindigkeit in S. auf der Dorfstraße gefahren und sei ohne zu blinken abgebogen und habe dabei zudem mit dem Handy am Ohr telefoniert. Sie habe die Vorfahrt nicht beachtet. Hierdurch sei der entgegenkommende Zeuge H. gezwungen gewesen, stark und abrupt abzubremsen, um einen Zusammenstoß zu vermeiden. Dies könne der Zeuge H. bestätigen. Dieser Verkehrsverstoß stehe in einem engen Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis. Die Klägerin habe eine Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2a) StGB begangen, was zum Entzug der Fahrerlaubnis gemäß 69 StGB hätte führen können. Die Klägerin benötige als ambulante Pflegekraft zur Ausübung ihrer Tätigkeit den Führerschein. Ein verkehrswidriges Verhalten müsse sie, die Beklagte, nicht hinnehmen, da sie im Falle des Entzugs der Fahrerlaubnis eine Ersatzkraft einstellen müsse. Dieses wirtschaftliche Risiko müsse sie nicht tragen. Eine Weiterbeschäftigung der Klägerin bis zum 28.02.2015 sei ihr nicht zuzumuten gewesen. Die fristlose Kündigung sei auch unter dem Gesichtspunkt der Verdachtskündigung gerechtfertigt. Sie habe die Klägerin am 12.01.2015 zu den Vorwürfen auch angehört. Der Klägerin stehe auch keine Vergütung für Februar 2015 zu, da sie ihre Arbeitskraft nach Ende der Arbeitsunfähigkeit nicht wieder angeboten habe.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 29.04.2015, Az.: 5 Ca 244/15, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Sie bestreitet, den behaupteten Vorfall vom 09.01.2015. Der Zeuge H. habe mit seinem Fahrzeug an der maßgeblichen Stelle in der Dorfstraße vor den dortigen Müllcontainern gestanden und habe sein Fahrzeug gar nicht bewegt. Mithin sei es auch nicht aufgrund eines Fehlverhaltens ihrerseits zu einer Vollbremsung durch den Zeugen H. gekommen. Ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung habe nicht vorgelegen. Zudem seien auch die Verzugslohnansprüche für Februar 2014 begründet. Nach Ausspruch der fristlosen Kündigung habe sie ihre Arbeitskraft nicht mehr explizit anbieten müssen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Inhalte der wechselseitigen Berufungsschriftsätze sowie der Sitzungsniederschrift vom 08.10.2015 verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 lit. c ArbGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Abs. 1 ArbGG; § 519 ZPO.

In der Sache selbst hat die Berufung keinen Erfolg. Sie ist unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage zu Recht stattgegeben. Die hiergegen von der Beklagten in der Berufungsbegründung erhobenen Einwände rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete nicht durch die angefochtene außerordentliche Kündigung vom 22.01.2015 fristlos. Die zuerkannten Zahlungsansprüche sind ebenfalls begründet.

Die Voraussetzungen für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung lagen hier nicht vor, so dass das Arbeitsverhältnis nicht bereits mit Zugang der angefochtenen Kündigung vom 22.01.2015 fristlos endete, sondern erst aufgrund der zuvor durch die Klägerin selbst erklärten ordentlichen Eigenkündigung vom 19.01.2015 zum 28.02.2015.

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die rechtliche Überprüfung nach § 626 Abs. 1 BGB erfolgt in zwei Stufen: Zum einen muss ein Grund vorliegen, der - ohne Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles - überhaupt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Zum anderen muss dieser Grund im Rahmen der Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips, zum Überwiegen der berechtigten Interessen des Kündigenden an der fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen.

Hieran gemessen war die fristlose Kündigung vorliegend unverhältnismäßig.

Die Beklagte wirft der Klägerin vor, sich am 09.01.2015 während einer dienstlich veranlassten Fahrt zu einem Patienten mit dem Dienstfahrzeug grob verkehrswidrig verhalten zu haben. Sie sei mit überhöhter Geschwindigkeit und ohne zu blinken abgebogen und habe hierdurch einem entgegenkommenden anderen Verkehrsteilnehmer die Vorfahrt genommen. Hierdurch habe sie sich im Rahmen einer Dienstfahrt einer Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Ziff. 2a) StGB schuldig gemacht.

Wenn der Arbeitnehmer im Rahmen der Ausübung seiner vertraglich geschuldeten Arbeit mit dem Dienstfahrzeug des Arbeitgebers eine Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Ziff. 2a) StGB begeht, ist dies im oben genannten Sinne an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darzustellen. Denn wer im Straßenverkehr grob verkehrswidrig und rücksichtslos die Vorfahrt nicht beachtet und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, begeht nicht nur eine Ordnungswidrigkeit, sondern macht sich strafbar und wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, § 315c Abs. 1 Ziff. 2a) StGB. Bei einem derartigen verkehrswidrigen Verhalten gefährdet der Arbeitnehmer nicht nur Leib und Leben und Eigentum des anderen Verkehrsteilnehmers, sondern auch das Eigentum des Arbeitgebers, das Dienstfahrzeug. Dies gilt nicht nur für Kraftfahrer, deren Hauptleistungspflicht in dem Führen des Kraftfahrzeugs liegt, sondern auch dann, wenn das Führen des Kraftfahrzeugs eine wesentliche Verpflichtung aus dem Arbeitsvertrag darstellt, weil die Haupttätigkeit ohne Firmenfahrzeug nicht ausgeübt werden kann. Ein Arbeitnehmer, der Dienstfahrten mit einem Dienstfahrzeug verrichtet, muss sich selbstverständlich im Straßenverkehr an die Straßenverkehrsordnung halten. Dies schuldet er nicht nur der Rechtsordnung und Allgemeinheit, sondern - als vertragliche Nebenpflicht - auch dem Arbeitgeber.

Jedenfalls scheitert die außerordentliche Kündigung an der erforderlichen Interessenabwägung.

Die der Klägerin zur Last gelegte Pflichtverletzung zählt eindeutig zum Leistungsbereich und nicht um eine strafbare Handlung, die sich explizit gegen die Beklagte als Arbeitgeberin richtet. Schlechtleistungen können indessen, sofern sie nicht bereits den Grad einer beharrlichen Arbeitsverweigerung angenommen haben, in aller Regel keinen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen, sondern allenfalls eine ordentliche Kündigung sozial rechtfertigen. Die Beklagte verkennt insoweit, dass die fristlose Kündigung immer nur das letzte Mittel sein kann, um auf Pflichtverletzungen eines Arbeitnehmers zu reagieren. Der Regelfall muss bei Schlechtleistung die ordentliche Kündigung sein. Die Beklagte hat auch keine Umstände dargetan, warum es ihr ausnahmsweise unzumutbar gewesen sein soll, die Klägerin noch gut einen Monat bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist der zuvor von der Klägerin ausgesprochenen Eigenkündigung weiter zu beschäftigen.

Zudem verkennt die Beklagte, dass nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Ausspruch einer fristlosen Kündigung stets das letzte Mittel sein muss, um auf eine Vertragsverletzung zu reagieren. Beruht die Vertragspflichtverletzung zudem auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 BGB i. V. m. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes demnach nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit auch für den Arbeitnehmer erkennbar offensichtlich ausgeschlossen ist. Auch im Falle einer verhaltensbedingten fristlosen oder ordentlichen Kündigung gilt der im Kündigungsrecht geltende Grundsatz einer negativen Prognose. Eine Kündigung ist nicht Strafe für begangene Vertragsverletzungen, sondern nur gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber auch künftig mit gleichgearteten Vertragsverletzungen rechnen muss und ihm deshalb nicht zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer fortzusetzen. Dies zugrunde gelegt hätte die Beklagte vor Ausspruch der Kündigung die Klägerin zunächst wegen verkehrswidrigem Verhalten abmahnen müssen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der streitige Vorfall unstreitig folgenlos blieb. Der behauptete Vorfahrtsverstoß führte weder zu einem Verkehrsunfall noch zu einem Ermittlungsverfahren, in welchem die Beklagte als Fahrzeughalterin involviert gewesen wäre, noch zu einem Fahrverbot oder Führerscheinentzug zulasten der Klägerin noch zu einem Sachschaden am Dienstfahrzeug der Beklagten. Die Beklagte hat auch nicht dargelegt, dass ihr aufgrund des rücksichtslosen Verhaltens der Klägerin bereits ein wie auch immer gearteter Imageschaden entstanden ist.

Einer Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen H. bedurfte es mithin nicht. Vielmehr kann der strittige Vorfall vom 09.01.2014 als wahr unterstellt werden. Die Beklagte hätte die Klägerin wegen dieser Verletzung vertraglicher Nebenpflichten, die für die Beklagte sowohl in finanzieller als auch in personeller Hinsicht folgenlos blieb, bereits grundsätzlich nicht fristlos kündigen können. Zudem hätte die Beklagte die Klägerin vor Ausspruch einer fristlosen oder ordentlichen Kündigung zunächst abmahnen müssen.

Wenn der - als wahr unterstellte - Vorfall vom 09.01.2015 bereits keinen wichtigen Grund zum Ausspruch einer fristlosen Tatkündigung darzustellen vermag, gilt dies erst Recht für den Ausspruch einer dahingehenden Verdachtskündigung.

Dementsprechend endete das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der fristlosen Kündigung der Beklagten vom 22.01.2015, sondern erst durch die zuvor erklärte ordentliche Eigenkündigung der Klägerin zum 28.02.2015.

Das Arbeitsgericht hat der Klägerin aber auch die geltend gemachten Zahlungsansprüche zu Recht zuerkannt.

Gegen die Höhe der mit dem angefochtenen Urteil zuerkannten Entgeltfortzahlungs- und Verzugslohnansprüche erhebt die Klägerin keine Einwände. Solche sind auch ansonsten nicht ersichtlich. Die Beklagte wendet sich mit der Berufung lediglich gegen den Anspruchsgrund für die zuerkannten Vergütungsansprüche für den Monat Februar 2015. Sie greift das angefochtene Urteil nur dahingehend an, dass das Arbeitsgericht verkannt habe, dass die Klägerin nach Ende der Arbeitsunfähigkeit ihr gegenüber hätte anzeigen müssen, dass sie für arbeitsvertragliche Weisungen wieder bereit stehe.

Hierzu war die Klägerin indessen nicht verpflichtet. Nach § 615 Satz 1 BGB hat der Arbeitgeber die vereinbarte Vergütung fortzuzahlen, wenn er mit der Annahme der Dienste in Verzug gerät. Die Voraussetzungen des Annahmeverzuges richten sich nach den §§ 293 ff. BGB. Ist für die vom Gläubiger vorzunehmende Handlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, bedarf es nach § 296 BGB keines Angebots des Arbeitnehmers, wenn der Arbeitgeber die Handlung nicht rechtzeitig vornimmt.

Die Verzugslohnfolgen gemäß § 615 BGB treten nach einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung unabhängig davon ein, ob der arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer seine wiedergewonnene Arbeitsfähigkeit dem Arbeitgeber anzeigt. Nach Ausspruch einer unwirksamen fristlosen wie ordentlichen Kündigung ist ein solches Angebot gemäß § 296 Satz 1 BGB grundsätzlich entbehrlich. Vielmehr obliegt es dem Arbeitgeber als Gläubiger der geschuldeten Arbeitsleistung, dem Arbeitnehmer die Leistungserbringung zu ermöglichen, sprich, für den Arbeitnehmer einen funktionsfähigen Arbeitsplatz bereit zu halten. Mit Ausspruch der fristlosen Kündigung bzw. nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist entzieht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aber regelmäßig einen derartigen Arbeitsplatz und bringt zum Ausdruck, dass er den Arbeitnehmer gerade nicht beschäftigen will. Er kommt damit seiner gebotenen Obliegenheitspflicht, für den Arbeitnehmer einen Arbeitsplatz bereit zu halten, nicht nach, so dass er bei Unwirksamkeit der Kündigung in Annahmeverzug gerät, ohne dass es eines tatsächlichen oder auch nur wörtlichen Angebots der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer bedarf.

Nach alledem war die Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge der §§ 97 Abs. 1 ZPO, 64 Abs. 6 ArbGG zurückzuweisen.

Ein gesetzlich begründbarer Anlass zur Zulassung der Revision lag nicht vor, § 72 Abs. 2 ArbGG.
 
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Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 29.04.2015, Az. 5 Sa 244/15, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Rechtswirksamkeit einer fristlosen Kündigung, nachdem die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis selbst ordentlich gekündigt hatte, sowie um daraus resultierende Verzugslohnansprüche.

2

Die 31-jährige Klägerin ist seit 01.11.2013 bei der Beklagten, einem ambulanten Pflegedienst, als Pflegekraft zu einem Bruttomonatsgehalt von 1.501,56 brutto zzgl. Fahrgeld, Fehlgeldentschädigung und Sonntagszuschlag (§ 5 des Arbeitsvertrages, Bl. 4 ff. d. A.) beschäftigt. Der der Klägerin zur Verfügung gestellte Dienstwagen ist mit dem Slogan der Beklagten „Kundenfreundlicher Pflegedienst 2014“ beschriftet.

3

Mit Schreiben vom 19.01.2015 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 28.02.2015. Vom 19.01. bis zum 03.02.2015 war die Klägerin arbeitsunfähig krank. Das Kündigungsschreiben sowie die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gingen der Beklagten am 19.01.2015 zu. Mit Schreiben vom 22.01.2015 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht. Für Januar 2015 erteilte die Beklagte der Klägerin eine Gehaltsabrechnung mit folgenden Bezügen (Bl. 15 d. A.):

4

Festgehalt

1.259,37

Sonntagszuschlag

28,31

Fahrgeld pausch. Verst.

13,21

Fehlgeldentschädigung

6,71

Minusstunden (Std. 104,00 9,00)

936,00

Urlaubsabgeltung

 136,51

Gesamt-Brutto

 508,11

5

Die Klägerin hat am 02.02.2015 Kündigungsschutzklage erhoben sowie die ungekürzten Vergütungsansprüche bis einschließlich Februar 2015 geltend gemacht. Sie könne noch restliche Vergütung für Januar 2015 in Höhe von 1.244,96 € brutto beanspruchen, wobei ihr ein durchschnittliches Monatsgehalt 1.616,56 € brutto zustehe (1.616,56 € + 136,51 € - 508,11 €). Zudem habe sie Anspruch auf Entgeltfortzahlung bzw. Verzugslohn für Februar in Höhe von 1.616,56 € brutto.

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Die Beklagte hat vorgetragen,

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dass ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung vorgelegen habe. Am 10.01.2015 habe sie von dem Zeugen H. erfahren, dass die Klägerin sich am 09.01.2015 auf dem Weg zu einer Patientin derart verkehrswidrig verhalten habe, dass es einen „Beinaheunfall“ gegeben habe. Sie habe eine Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315 c Abs. 1 Ziff. 2 StGB begangen. Am 12.01.2015 habe sie die Klägerin mit dem Vorwurf konfrontiert. Die Klägerin habe sich jedoch völlig uneinsichtig gezeigt. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass es sich nicht um den ersten Vorfall dieser Art gehandelt habe. Vielmehr habe die Klägerin bereits am 16.08.2014 mit einem Pkw einen Fahrradfahrer schuldhaft angefahren und sei am 29.10.2014 mit dem Dienstwagen gegen eine Mauer gefahren sei, wobei ein Sachschaden entstanden sei. Wesentliches Merkmal der Tätigkeit der Klägerin sei es, sich im Straßenverkehr zu bewegen, um zu den Kunden zu fahren. Sofern die Klägerin also Straßenverkehrsvorschriften verletze und dadurch den Führerschein verliere bzw. die Gefahr des Führerscheinverlustes bestehe, gefährde sie immanent auch ihren Arbeitsplatz. Das Fehlverhalten habe dienstlichen Bezug und wirke sich unmittelbar und konkret nachteilig auf das Arbeitsverhältnis aus. Es zeige die fehlende Zuverlässigkeit und mangelnde Eignung der Klägerin für die Tätigkeit bei der Beklagten. Es sei ihr, der Beklagten, nicht zumutbar, dass weitere Teilnehmer des Straßenverkehrs durch die dienstlichen Fahrten der Klägerin gefährdet würden. Vergütungsansprüche stünden der Klägerin nicht zu, da sie zu keinem Zeitpunkt nach Ausspruch der Kündigung vom 22.01.2015 ihre Arbeitskraft angeboten habe und auch nicht freigestellt gewesen sei. Der Abzug der Minusstunden sei gerechtfertigt gewesen. Die Klägerin habe sehr viele Minusstunden im Laufe des Arbeitsverhältnisses aufgebaut.

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Wegen des weiteren, insbesondere streitigen Vorbringens der Parteien in erster Instanz sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

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Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 29.04.2015 der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien sei nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten zum 19.01.2015, sondern durch Eigenkündigung der Klägerin erst zum 28.02.2015 beendet worden. Ein wichtiger Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB in Form einer schwerwiegenden Pflichtverletzung liege nicht vor. Eine solche schwerwiegende Pflichtverletzung ergebe sich nicht aus der behaupteten Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB vom 09.01.2015. Die Klägerin sei bei der Beklagten als Pflegekraft angestellt gewesen, sodass straßenverkehrsrechtliche Pflichten allenfalls Nebenpflichten im Rahmen der ambulanten Pflegetätigkeit seien. Zudem sei weder die Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr noch deren Ahndung Aufgabe des Arbeitgebers. Das strittige Verhalten der Klägerin könne mithin schon dem Grunde nach keinen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen. Dies gelte auch für die von der Beklagten geäußerte Sorge, infolge eines Unfalls mit dem Dienstfahrzeug in der Kfz-Versicherung hochgestuft zu werden und des Imageverlustes des Unternehmens, da aufgrund des Logos auf dem Dienstfahrzeug die rücksichtslose Fahrweise der Klägerin ihrem, der Beklagten, Unternehmen zugeschrieben werden würde.

10

Gegen das ihr am 21.05.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12.06.2015 beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Berufung eingelegt und diese am 20.07.2015 begründet.

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Die Beklagte rügt

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die Verletzung rechtlichen Gehörs, weil das Arbeitsgericht den Zeugen H. nicht vernommen habe. Die Klägerin sei mit überhöhter Geschwindigkeit in S. auf der D-straße gefahren und sei ohne zu blinken abgebogen und habe dabei zudem mit dem Handy am Ohr telefoniert. Sie habe die Vorfahrt nicht beachtet. Hierdurch sei der entgegenkommende Zeuge H. gezwungen gewesen, stark und abrupt abzubremsen, um einen Zusammenstoß zu vermeiden. Dies könne der Zeuge H. bestätigen. Dieser Verkehrsverstoß stehe in einem engen Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis. Die Klägerin habe eine Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2a) StGB begangen, was zum Entzug der Fahrerlaubnis gemäß 69 StGB hätte führen können. Die Klägerin benötige als ambulante Pflegekraft zur Ausübung ihrer Tätigkeit den Führerschein. Ein verkehrswidriges Verhalten müsse sie, die Beklagte, nicht hinnehmen, da sie im Falle des Entzugs der Fahrerlaubnis eine Ersatzkraft einstellen müsse. Dieses wirtschaftliche Risiko müsse sie nicht tragen. Eine Weiterbeschäftigung der Klägerin bis zum 28.02.2015 sei ihr nicht zuzumuten gewesen. Die fristlose Kündigung sei auch unter dem Gesichtspunkt der Verdachtskündigung gerechtfertigt. Sie habe die Klägerin am 12.01.2015 zu den Vorwürfen auch angehört. Der Klägerin stehe auch keine Vergütung für Februar 2015 zu, da sie ihre Arbeitskraft nach Ende der Arbeitsunfähigkeit nicht wieder angeboten habe.

13

Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 29.04.2015, Az.: 5 Ca 244/15, abzuändern und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Die Klägerin verteidigt

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das angefochtene Urteil. Sie bestreitet, den behaupteten Vorfall vom 09.01.2015. Der Zeuge H. habe mit seinem Fahrzeug an der maßgeblichen Stelle in der D-straße vor den dortigen Müllcontainern gestanden und habe sein Fahrzeug gar nicht bewegt. Mithin sei es auch nicht aufgrund eines Fehlverhaltens ihrerseits zu einer Vollbremsung durch den Zeugen H. gekommen. Ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung habe nicht vorgelegen. Zudem seien auch die Verzugslohnansprüche für Februar 2014 begründet. Nach Ausspruch der fristlosen Kündigung habe sie ihre Arbeitskraft nicht mehr explizit anbieten müssen.

19

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Inhalte der wechselseitigen Berufungsschriftsätze sowie der Sitzungsniederschrift vom 08.10.2015 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 lit. c ArbGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Abs. 1 ArbGG; § 519 ZPO.

21

In der Sache selbst hat die Berufung keinen Erfolg. Sie ist unbegründet.

22

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage zu Recht stattgegeben. Die hiergegen von der Beklagten in der Berufungsbegründung erhobenen Einwände rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete nicht durch die angefochtene außerordentliche Kündigung vom 22.01.2015 fristlos (I.). Die zuerkannten Zahlungsansprüche sind ebenfalls begründet (II.).

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I. Die Voraussetzungen für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung lagen hier nicht vor, sodass das Arbeitsverhältnis nicht bereits mit Zugang der angefochtenen Kündigung vom 22.01.2015 fristlos endete, sondern erst aufgrund der zuvor durch die Klägerin selbst erklärten ordentlichen Eigenkündigung vom 19.01.2015 zum 28.02.2015.

24

1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die rechtliche Überprüfung nach § 626 Abs. 1 BGB erfolgt in zwei Stufen: Zum einen muss ein Grund vorliegen, der - ohne Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles - überhaupt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Zum anderen muss dieser Grund im Rahmen der Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips, zum Überwiegen der berechtigten Interessen des Kündigenden an der fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen (LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 03.07.2014 - 5 Sa 27/14 -, Rn. 20, juris).

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2. Hieran gemessen war die fristlose Kündigung vorliegend unverhältnismäßig.

26

a) Die Beklagte wirft der Klägerin vor, sich am 09.01.2015 während einer dienstlich veranlassten Fahrt zu einem Patienten mit dem Dienstfahrzeug grob verkehrswidrig verhalten zu haben. Sie sei mit überhöhter Geschwindigkeit und ohne zu blinken abgebogen und habe hierdurch einem entgegenkommenden anderen Verkehrsteilnehmer die Vorfahrt genommen. Hierdurch habe sie sich im Rahmen einer Dienstfahrt einer Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Ziff. 2a) StGB schuldig gemacht.

27

Wenn der Arbeitnehmer im Rahmen der Ausübung seiner vertraglich geschuldeten Arbeit mit dem Dienstfahrzeug des Arbeitgebers eine Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Ziff. 2a) StGB begeht, ist dies im oben genannten Sinne an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darzustellen. Denn wer im Straßenverkehr grob verkehrswidrig und rücksichtslos die Vorfahrt nicht beachtet und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, begeht nicht nur eine Ordnungswidrigkeit, sondern macht sich strafbar und wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, § 315c Abs. 1 Ziff. 2a) StGB. Bei einem derartigen verkehrswidrigen Verhalten gefährdet der Arbeitnehmer nicht nur Leib und Leben und Eigentum des anderen Verkehrsteilnehmers, sondern auch das Eigentum des Arbeitgebers, das Dienstfahrzeug. Dies gilt nicht nur für Kraftfahrer, deren Hauptleistungspflicht in dem Führen des Kraftfahrzeugs liegt, sondern auch dann, wenn das Führen des Kraftfahrzeugs eine wesentliche Verpflichtung aus dem Arbeitsvertrag darstellt, weil die Haupttätigkeit ohne Firmenfahrzeug nicht ausgeübt werden kann (vgl. BAG, Urt. v. 14.02.1991 - 2 AZR 525/90 - Rn. 18, juris). Ein Arbeitnehmer, der Dienstfahrten mit einem Dienstfahrzeug verrichtet, muss sich selbstverständlich im Straßenverkehr an die Straßenverkehrsordnung halten. Dies schuldet er nicht nur der Rechtsordnung und Allgemeinheit, sondern - als vertragliche Nebenpflicht - auch dem Arbeitgeber.

28

b) Jedenfalls scheitert die außerordentliche Kündigung an der erforderlichen Interessenabwägung.

29

aa) Die der Klägerin zur Last gelegte Pflichtverletzung zählt eindeutig zum Leistungsbereich (schlechte bzw. verkehrswidrige Dienstfahrt) und nicht um eine strafbare Handlung, die sich explizit gegen die Beklagte als Arbeitgeberin richtet (Diebstahl, Unterschlagung, Sachbeschädigung, Körperverletzung, Beleidigung). Schlechtleistungen können indessen, sofern sie nicht bereits den Grad einer beharrlichen Arbeitsverweigerung angenommen haben, in aller Regel keinen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen, sondern allenfalls eine ordentliche Kündigung sozial rechtfertigen. Die Beklagte verkennt insoweit, dass die fristlose Kündigung immer nur das letzte Mittel sein kann, um auf Pflichtverletzungen eines Arbeitnehmers zu reagieren. Der Regelfall muss bei Schlechtleistung die ordentliche Kündigung sein. Die Beklagte hat auch keine Umstände dargetan, warum es ihr ausnahmsweise unzumutbar gewesen sein soll, die Klägerin noch gut einen Monat bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist der zuvor von der Klägerin ausgesprochenen Eigenkündigung weiter zu beschäftigen.

30

bb) Zudem verkennt die Beklagte, dass nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Ausspruch einer fristlosen Kündigung stets das letzte Mittel sein muss, um auf eine Vertragsverletzung zu reagieren. Beruht die Vertragspflichtverletzung zudem auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (BAG, Urt. v. 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 -, juris). Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 BGB i. V. m. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes demnach nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit auch für den Arbeitnehmer erkennbar offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG, Urt. v. 09.06.2011 - 2 AZR 284/10 -, juris; BAG, Urt. v. 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 -, juris; LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 27.06.2013 - 5 Sa 31/13 -, Rn. 34, juris). Auch im Falle einer verhaltensbedingten fristlosen oder ordentlichen Kündigung gilt der im Kündigungsrecht geltende Grundsatz einer negativen Prognose. Eine Kündigung ist nicht Strafe für begangene Vertragsverletzungen, sondern nur gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber auch künftig mit gleichgearteten Vertragsverletzungen rechnen muss und ihm deshalb nicht zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer fortzusetzen. Dies zugrunde gelegt hätte die Beklagte vor Ausspruch der Kündigung die Klägerin zunächst wegen verkehrswidrigem Verhalten abmahnen müssen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der streitige Vorfall unstreitig folgenlos blieb. Der behauptete Vorfahrtsverstoß führte weder zu einem Verkehrsunfall noch zu einem Ermittlungsverfahren, in welchem die Beklagte als Fahrzeughalterin involviert gewesen wäre, noch zu einem Fahrverbot oder Führerscheinentzug zulasten der Klägerin noch zu einem Sachschaden am Dienstfahrzeug der Beklagten. Die Beklagte hat auch nicht dargelegt, dass ihr aufgrund des (bestrittenen) rücksichtslosen Verhaltens der Klägerin bereits ein wie auch immer gearteter Imageschaden entstanden ist.

31

Einer Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen H. bedurfte es mithin nicht. Vielmehr kann der strittige Vorfall vom 09.01.2014 als wahr unterstellt werden. Die Beklagte hätte die Klägerin wegen dieser (bestrittenen) Verletzung vertraglicher Nebenpflichten, die für die Beklagte sowohl in finanzieller als auch in personeller Hinsicht folgenlos blieb, bereits grundsätzlich nicht fristlos kündigen können. Zudem hätte die Beklagte die Klägerin vor Ausspruch einer fristlosen oder ordentlichen Kündigung zunächst abmahnen müssen.

32

3. Wenn der - als wahr unterstellte - Vorfall vom 09.01.2015 bereits keinen wichtigen Grund zum Ausspruch einer fristlosen Tatkündigung darzustellen vermag, gilt dies erst Recht für den Ausspruch einer dahingehenden Verdachtskündigung.

33

4. Dementsprechend endete das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der fristlosen Kündigung der Beklagten vom 22.01.2015, sondern erst durch die zuvor erklärte ordentliche Eigenkündigung der Klägerin zum 28.02.2015.

34

II. Das Arbeitsgericht hat der Klägerin aber auch die geltend gemachten Zahlungsansprüche zu Recht zuerkannt.

35

Gegen die Höhe der mit dem angefochtenen Urteil zuerkannten Entgeltfortzahlungs- und Verzugslohnansprüche erhebt die Klägerin keine Einwände. Solche sind auch ansonsten nicht ersichtlich. Die Beklagte wendet sich mit der Berufung lediglich gegen den Anspruchsgrund für die zuerkannten Vergütungsansprüche für den Monat Februar 2015. Sie greift das angefochtene Urteil nur dahingehend an, dass das Arbeitsgericht verkannt habe, dass die Klägerin nach Ende der Arbeitsunfähigkeit ihr gegenüber hätte anzeigen müssen, dass sie für arbeitsvertragliche Weisungen wieder bereit stehe.

36

Hierzu war die Klägerin indessen nicht verpflichtet. Nach § 615 Satz 1 BGB hat der Arbeitgeber die vereinbarte Vergütung fortzuzahlen, wenn er mit der Annahme der Dienste in Verzug gerät. Die Voraussetzungen des Annahmeverzuges richten sich nach den §§ 293 ff. BGB. Ist für die vom Gläubiger vorzunehmende Handlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, bedarf es nach § 296 BGB keines Angebots des Arbeitnehmers, wenn der Arbeitgeber die Handlung nicht rechtzeitig vornimmt.

37

Die Verzugslohnfolgen gemäß § 615 BGB treten nach einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung unabhängig davon ein, ob der arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer seine wiedergewonnene Arbeitsfähigkeit dem Arbeitgeber anzeigt. Nach Ausspruch einer unwirksamen fristlosen wie ordentlichen Kündigung ist ein solches Angebot gemäß § 296 Satz 1 BGB grundsätzlich entbehrlich (BAG, Urt. v. 18.09.2008 - 2 AZR 1060/06 -, Rn. 15, juris; BAG, Urt. v. 24.11.1990 - 2 AZR 591/89 - Rn. 19 ff., juris; BAG, Urt. v. 19.01.1999 - 9 AZR 679/97 - Rn. 14, juris). Vielmehr obliegt es dem Arbeitgeber als Gläubiger der geschuldeten Arbeitsleistung, dem Arbeitnehmer die Leistungserbringung zu ermöglichen, sprich, für den Arbeitnehmer einen funktionsfähigen Arbeitsplatz bereit zu halten. Mit Ausspruch der fristlosen Kündigung bzw. nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist entzieht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aber regelmäßig einen derartigen Arbeitsplatz und bringt zum Ausdruck, dass er den Arbeitnehmer gerade nicht beschäftigen will. Er kommt damit seiner gebotenen Obliegenheitspflicht, für den Arbeitnehmer einen Arbeitsplatz bereit zu halten, nicht nach, so dass er bei Unwirksamkeit der Kündigung in Annahmeverzug gerät, ohne dass es eines tatsächlichen oder auch nur wörtlichen Angebots der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer bedarf (BAG, Urt. v. 19.01.1999 - 9 AZR 679/97 - Rn. 14, juris).

38

III. Nach alledem war die Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge der §§ 97 Abs. 1 ZPO, 64 Abs. 6 ArbGG zurückzuweisen.

39

Ein gesetzlich begründbarer Anlass zur Zulassung der Revision lag nicht vor, § 72 Abs. 2 ArbGG.


(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Wer im Straßenverkehr

1.
ein Fahrzeug führt, obwohl er
a)
infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel oder
b)
infolge geistiger oder körperlicher Mängel
nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, oder
2.
grob verkehrswidrig und rücksichtslos
a)
die Vorfahrt nicht beachtet,
b)
falsch überholt oder sonst bei Überholvorgängen falsch fährt,
c)
an Fußgängerüberwegen falsch fährt,
d)
an unübersichtlichen Stellen, an Straßenkreuzungen, Straßeneinmündungen oder Bahnübergängen zu schnell fährt,
e)
an unübersichtlichen Stellen nicht die rechte Seite der Fahrbahn einhält,
f)
auf Autobahnen oder Kraftfahrstraßen wendet, rückwärts oder entgegen der Fahrtrichtung fährt oder dies versucht oder
g)
haltende oder liegengebliebene Fahrzeuge nicht auf ausreichende Entfernung kenntlich macht, obwohl das zur Sicherung des Verkehrs erforderlich ist,
und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist der Versuch strafbar.

(3) Wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
die Gefahr fahrlässig verursacht oder
2.
fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

(2) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Für die Entbehrlichkeit der Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und für die Entbehrlichkeit einer Abmahnung findet § 323 Absatz 2 Nummer 1 und 2 entsprechende Anwendung. Die Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und eine Abmahnung sind auch entbehrlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigen.

(3) Der Berechtigte kann nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat.

(4) Die Berechtigung, Schadensersatz zu verlangen, wird durch die Kündigung nicht ausgeschlossen.

*

(1) Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat, vom Vertrag zurücktreten.

(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn

1.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
2.
der Schuldner die Leistung bis zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer im Vertrag bestimmten Frist nicht bewirkt, obwohl die termin- oder fristgerechte Leistung nach einer Mitteilung des Gläubigers an den Schuldner vor Vertragsschluss oder auf Grund anderer den Vertragsabschluss begleitenden Umstände für den Gläubiger wesentlich ist, oder
3.
im Falle einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen.

(3) Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung.

(4) Der Gläubiger kann bereits vor dem Eintritt der Fälligkeit der Leistung zurücktreten, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden.

(5) Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger vom ganzen Vertrag nur zurücktreten, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

(6) Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn der Gläubiger für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist oder wenn der vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit eintritt, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist.

Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.

Ist für die von dem Gläubiger vorzunehmende Handlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, so bedarf es des Angebots nur, wenn der Gläubiger die Handlung rechtzeitig vornimmt. Das Gleiche gilt, wenn der Handlung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Handlung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt.

Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.

Ist für die von dem Gläubiger vorzunehmende Handlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, so bedarf es des Angebots nur, wenn der Gläubiger die Handlung rechtzeitig vornimmt. Das Gleiche gilt, wenn der Handlung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Handlung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.