Arbeitsrecht: Grobe Beleidigung des Arbeitgebers kann zur fristlosen Kündigung führen
Die Entscheidung im Einzelnen lautet:
LAG Rheinland-Pfalz: Urteil vom 04.05.2011 - Az: 8 Sa 361/10
Auf die Berufung des Beklagen wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 22.6.2010 - 3 Ca 382/10 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt teilweise abgeändert:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 10.5.2010 nicht zum 30.6.2010, sondern erst zum 31.7.2010 aufgelöst worden ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat 82% und der Beklagte 18% der erstinstanzlichen Kosten zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 67% dem Kläger und zu 33% dem Beklagten auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten im vorliegenden Berufungsverfahren noch über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
Der am ... 1952 geborene Kläger war bei dem Beklagten, der einen Lebensmittelmarkt betreibt, seit dem 17.03.2003 als Substitut beschäftigt. Der Beklagte beschäftigt in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubilden.
Am 14.01.2010 stellte der Kläger einen Antrag auf Anerkennung als schwerbehinderter Mensch. Mit Bescheid des Amts für soziale Angelegenheiten vom 24.02.2010 wurde ihm ein GdB von 70 anerkannt.
Am 08.02.2010 verweigerte der Kläger die Annahme eines Schreibens, welches den Ausspruch einer fristlosen Kündigung beinhaltete. Mit Schreiben seines Rechtsanwalts vom 10.02.2010 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis (erneut) fristlos. Mit Bescheid vom 15.04.2010 erteilte das Integrationsamt dem Beklagten auf dessen Antrag hin die Zustimmung zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger Widerspruch eingelegt.
Mit Schreiben vom 25.04.2010 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.05.2010. Diese Kündigung nahm der Beklagte mit Schreiben vom 10.05.2010 zurück, erklärte jedoch mit Schreiben selben Datums eine erneute ordentliche Kündigung zum 30.06.2010.
Der Beklagte hat erstinstanzlich im Kammertermin vom 22.06.2010 erklärt, dass er an keiner der vor dem 10.05.2010 ausgesprochenen Kündigungen festhalte. Die Parteien haben daraufhin die Hauptsache bezüglich der vom Kläger gegen die vom 10.05.2010 ausgesprochenen Kündigungen erhobenen Kündigungsschutzklagen übereinstimmend für erledigt erklärt.
Der Kläger, der die vom Beklagten vorgetragenen Kündigungssachverhalte bestritten hat, hat beantragt:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch die ordentliche Kündigung vom 10.05.2010 zum 30.06.2010 beendet worden ist, sondern unverändert über diesen Termin hinaus fortbesteht.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 4.100,00 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.
Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger zukünftig auf Basis einer Bruttovergütung von 2.650,00 EUR abzurechnen und den sich hieraus ergebenden Nettobetrag an den Kläger auszuzahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat erstinstanzlich u. a. vorgetragen, der Kläger habe am 08.02.2010 eine Mitarbeiterin (die Zeugin A.) bezichtigt, an einem Diebstahl beteiligt gewesen zu sein, der sich vor einiger Zeit im Betrieb ereignet habe und dass es dafür Zeugen gebe. Die Namen der betreffenden Zeugen habe der Kläger auf Nachfrage der Mitarbeiterin nicht genannt. Daraufhin sei diese zu ihm - dem Beklagten - gegangen und habe ihm von den Vorhaltungen des Klägers berichtet. Der Beklagte habe den Kläger sodann in sein Büro gebeten und ihn ebenfalls nach den Namen von Zeugen gefragt. Nachdem der Kläger auch ihm keine Namen genannt habe, habe er dem Kläger erklärt, er solle das lassen. Daraufhin habe der Kläger sinngemäß geantwortet: „Herr B., Sie haben gar nichts mehr zu sagen, Ihre Zeit ist abgelaufen.“
Von der weitergehenden Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 22.06.2010 (Bl. 94 - 98 d. A.).
Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage mit Urteil vom 22.06.2010 stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 7 - 13 dieses Urteils (= Bl. 99-105 d. A.) verwiesen.
Gegen das ihm am 01.07.2010 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 14.07.2010 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.
Der Beklagte macht im Wesentlichen geltend, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe es vor Ausspruch der streitbefangenen ordentlichen Kündigung nicht einer vorherigen Abmahnung bedurft. Eine solche sei vorliegend entbehrlich gewesen. Durch das Verhalten des Klägers sei das Betriebsklima für alle Zeit vergiftet gewesen. Ein Arbeitgeber müsse sich von einem Arbeitnehmer nicht gefallen lassen, dass dieser zu ihm sage : „Sie haben gar nichts mehr zu sagen, Ihre Zeit ist abgelaufen.“ Darüber hinaus könne eine vernünftige Zusammenarbeit zwischen dem Kläger und der von diesem eines Diebstahls bezichtigten Kollegen nicht mehr erwartet werden.
Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens des Beklagten im Berufungsverfahren wird auf dessen Berufungs- und Berufungsbegründungsschrift vom 12.07.2010 (Bl. 113 f d. A.) sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 08.12.2010 (Bl. 158 ff d. A.) Bezug genommen.
Der Beklagte beantragt,
das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe seiner Schriftsätze vom 03.09.2010 (Bl. 144 - 148 d. A.) und vom 15.12.2010 (Bl. 176 d. A.), auf die Bezug genommen wird.
Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin A.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 04.05.2011 (dort Seite 2 f = Bl. 226 f d. A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache überwiegend erfolgt.
Die Kündigungsschutzklage des Klägers ist nur zu einem geringen Teil begründet.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat infolge der streitbefangenen ordentlichen Kündigung zwar nicht bereits zum 30.06.2010, jedoch mit Ablauf der gemäß § 622 Abs. 2 Nr. 2 BGB maßgeblichen Kündigungsfrist von zwei Monaten zum Ende eines Kalendermonats, mithin zum 31.07.2010 geendet. Die Kündigung ist durch Gründe, die im Verhalten des Klägers liegen, bedingt und daher sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG).
Im Unterschied zu den in § 626 Abs. 1 BGB an eine außerordentliche Kündigung gestellten Anforderungen sind für eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung solche im Verhalten des Arbeitnehmers liegenden Umstände ausreichend, die bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragsparteien und des Betriebes die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen. Als verhaltensbedingter Grund ist insbesondere eine rechts(vertrags)widrige Pflichtverletzung aus dem Arbeitsverhältnis geeignet, wobei regelmäßig Verschulden erforderlich ist. Insofern genügt ein Umstand, der einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung bestimmen kann.
Nach allgemeiner und zutreffender Ansicht stellen grobe Beleidigungen eines Vorgesetzten oder eines anderen Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis dar und können daher sogar eine außerordentliche fristlose Kündigung grundsätzlich rechtfertigen (BAG v. 10.10.2002 - 2 AZR 418/01 - AP Nr. 180 zu § 626 BGB). Solche Beleidigungen sind daher erst recht an sich geeignet, einen den Ausspruch einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung rechtfertigenden Grund zu bilden. Der Arbeitnehmer kann sich dann nicht erfolgreich auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 1 GG berufen. Im groben Maße unsachliche Angriffe, die u. a. zur Untergrabung der Position von Vorgesetzten führen können, muss der Arbeitgeber nicht hinnehmen. Dabei ist die strafrechtliche Beurteilung kündigungsrechtlich nicht ausschlaggebend. Auch eine einmalige Ehrverletzung ist bereits kündigungsrelevant (LAG Rheinland-Pfalz v. 09.12.2009 - 8 Sa 260/09 -).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Berufungsgerichts fest, dass der Kläger den Beklagten am 08.02.2010 beleidigt hat mit den Worten : „Sie haben hier nichts mehr zu sagen, Ihre Zeit ist abgelaufen“. Dies hat die Zeugin A. bei ihrer Vernehmung glaubhaft und widerspruchsfrei bekundet. Das Berufungsgericht hat hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Zeugin keinerlei Zweifel.
Die betreffende Äußerung des Klägers beinhaltet eine grobe Beleidigung, nämlich eine erhebliche Miss- bzw. Nichtachtung des Beklagten in seiner Stellung als Arbeitgeber. Gründe, die das Verhalten des Klägers in irgendeiner Weise auch nur ansatzweise rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Der Beklagte war auch nicht gehalten, dem Kläger wegen dessen Fehlverhaltens zunächst lediglich eine Abmahnung zu erteilen. Besonders schwere Verstöße - wie vorliegend - bedürfen nämlich keiner früheren Abmahnung, weil hier der Arbeitnehmer von vornherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen kann und er sich bewusst sein muss, dass er seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzt. Bezüglich der groben Beleidigung des Beklagten konnte der Kläger, da es sich hierbei um einen besonders erheblichen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten handelt, in keiner Weise mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen.
Die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung scheitert auch nicht an dem Ergebnis der bei jeder Kündigung durchzuführenden umfassenden Interessenabwägung. Zwar sind zugunsten des Klägers die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit (seit dem 17.03.2003), sein fortgeschrittenes Lebensalter von 57 Jahren bei Kündigungsausspruch sowie seine Schwerbehinderung zu berücksichtigen. Zugunsten des Beklagten ist hingegen zu berücksichtigen, dass der Kläger sich mit seiner gravierenden, ehrverletzenden Entgleisung auf eine Ebene begeben hat, die letztlich schlichtweg nicht mehr hinnehmbar ist. Auch war der Kläger unstreitig vor seiner beleidigenden Äußerung in keiner Weise provoziert worden. Im Hinblick auf die völlig grundlose schwerwiegende Beleidigung kann der Beklagte auch nicht mit Sicherheit davon ausgehen, dass sich der Kläger zukünftig nicht zu einem ähnlichen bzw. gleich gelagerten Fehlverhalten hinreißen lässt. Das arbeitgeberseitig erforderliche Vertrauen, dass der Kläger die Würde seines Arbeitgebers ausreichend respektiert, ist zerstört. Insgesamt überwiegt das Interesse des Beklagten an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Klägers an dessen Fortsetzung.
Die nach § 85 SGB IX erforderlich vorherige Zustimmung des Integrationsamtes liegt vor. Der Beklagte hat die Kündigung auch innerhalb der Monatsfrist des § 88 Abs. 3 SGB IX nach Erteilung der Zustimmung erklärt. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang der Umstand, dass der Beklagte bereits am 25.04.2010, und somit nach der Entscheidung des Integrationsamtes vom 15.04.2010, eine ordentliche Kündigung ausgesprochen hatte. Ein „Verbrauch“ des Kündigungsrechts tritt nämlich bei gleichbleibendem Kündigungssachverhalt nicht ein.
Zwar war der Bescheid des Integrationsamtes vom 15.04.2010 zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch nicht rechtskräftig, da der Kläger hiergegen Widerspruch eingelegt hat. Im Hinblick auf das Beschleunigungsgebot der §§ 9 Abs. 1, 61 a ArbGG bestand indessen kein Anlass, den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über dem Zustimmungsbescheid auszusetzen. Dem Kläger verbleibt insoweit u. U. die Möglichkeit einer Restitutionsklage analog § 580 Nr. 6 bzw. Nr. 7 ZPO.
Nach alledem war unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die streitbefangene Kündigung nicht zum 30.06.2010, sondern erst zum 31.07.2010 aufgelöst worden ist; im Übrigen war die Klage abzuweisen.
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Tenor
Auf die Berufung des Beklagen wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 22.6.2010 - 3 Ca 382/10 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt teilweise abgeändert:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 10.5.2010 nicht zum 30.6.2010, sondern erst zum 31.7.2010 aufgelöst worden ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat 82 % und der Beklagte 18 % der erstinstanzlichen Kosten zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu
67 % dem Kläger und zu 33 % dem Beklagten auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Parteien streiten im vorliegenden Berufungsverfahren noch über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
- 2
Der am 27.06.1952 geborene Kläger war bei dem Beklagten, der einen Lebensmittelmarkt betreibt, seit dem 17.03.2003 als Substitut beschäftigt. Der Beklagte beschäftigt in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubilden.
- 3
Am 14.01.2010 stellte der Kläger einen Antrag auf Anerkennung als schwerbehinderter Mensch. Mit Bescheid des Amts für soziale Angelegenheiten vom 24.02.2010 wurde ihm ein GdB von 70 anerkannt.
- 4
Am 08.02.2010 verweigerte der Kläger die Annahme eines Schreibens, welches den Ausspruch einer fristlosen Kündigung beinhaltete. Mit Schreiben seines Rechtsanwalts vom 10.02.2010 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis (erneut) fristlos. Mit Bescheid vom 15.04.2010 erteilte das Integrationsamt dem Beklagten auf dessen Antrag hin die Zustimmung zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger Widerspruch eingelegt.
- 5
Mit Schreiben vom 25.04.2010 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.05.2010. Diese Kündigung nahm der Beklagte mit Schreiben vom 10.05.2010 zurück, erklärte jedoch mit Schreiben selben Datums eine erneute ordentliche Kündigung zum 30.06.2010.
- 6
Der Beklagte hat erstinstanzlich im Kammertermin vom 22.06.2010 erklärt, dass er an keiner der vor dem 10.05.2010 ausgesprochenen Kündigungen festhalte. Die Parteien haben daraufhin die Hauptsache bezüglich der vom Kläger gegen die vom 10.05.2010 ausgesprochenen Kündigungen erhobenen Kündigungsschutzklagen übereinstimmend für erledigt erklärt.
- 7
Der Kläger, der die vom Beklagten vorgetragenen Kündigungssachverhalte bestritten hat, hat beantragt:
- 8
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch die ordentliche Kündigung vom 10.05.2010 zum 30.06.2010 beendet worden ist, sondern unverändert über diesen Termin hinaus fortbesteht.
- 9
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 4.100,00 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.
- 10
Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger zukünftig auf Basis einer Bruttovergütung von 2.650,00 EUR abzurechnen und den sich hieraus ergebenden Nettobetrag an den Kläger auszuzahlen.
- 11
Der Beklagte hat beantragt,
- 12
die Klage abzuweisen.
- 13
Der Beklagte hat erstinstanzlich u.a. vorgetragen, der Kläger habe am 08.02.2010 eine Mitarbeiterin (die Zeugin A.) bezichtigt, an einem Diebstahl beteiligt gewesen zu sein, der sich vor einiger Zeit im Betrieb ereignet habe und dass es dafür Zeugen gebe. Die Namen der betreffenden Zeugen habe der Kläger auf Nachfrage der Mitarbeiterin nicht genannt. Daraufhin sei diese zu ihm - dem Beklagten - gegangen und habe ihm von den Vorhaltungen des Klägers berichtet. Der Beklagte habe den Kläger sodann in sein Büro gebeten und ihn ebenfalls nach den Namen von Zeugen gefragt. Nachdem der Kläger auch ihm keine Namen genannt habe, habe er dem Kläger erklärt, er solle das lassen. Daraufhin habe der Kläger sinngemäß geantwortet: "Herr B., Sie haben gar nichts mehr zu sagen, Ihre Zeit ist abgelaufen."
- 14
Von der weitergehenden Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 22.06.2010 (Bl. 94 - 98 d.A.).
- 15
Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage mit Urteil vom 22.06.2010 stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 7 - 13 dieses Urteils (= Bl. 99 - 105 d.A.) verwiesen.
- 16
Gegen das ihm am 01.07.2010 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 14.07.2010 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.
- 17
Der Beklagte macht im Wesentlichen geltend, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe es vor Ausspruch der streitbefangenen ordentlichen Kündigung nicht einer vorherigen Abmahnung bedurft. Eine solche sei vorliegend entbehrlich gewesen. Durch das Verhalten des Klägers sei das Betriebsklima für alle Zeit vergiftet gewesen. Ein Arbeitgeber müsse sich von einem Arbeitnehmer nicht gefallen lassen, dass dieser zu ihm sage : "Sie haben gar nichts mehr zu sagen, Ihre Zeit ist abgelaufen." Darüber hinaus könne eine vernünftige Zusammenarbeit zwischen dem Kläger und der von diesem eines Diebstahls bezichtigten Kollegen nicht mehr erwartet werden.
- 18
Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens des Beklagten im Berufungsverfahren wird auf dessen Berufungs- und Berufungsbegründungsschrift vom 12.07.2010 (Bl. 113 f d.A.) sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 08.12.2010 (Bl. 158 ff d.A.) Bezug genommen.
- 19
Der Beklagte beantragt,
- 20
das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
- 21
Der Kläger beantragt,
- 22
die Berufung zurückzuweisen.
- 23
Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe seiner Schriftsätze vom 03.09.2010 (Bl. 144 - 148 d.A.) und vom 15.12.2010 (Bl. 176 d.A.), auf die Bezug genommen wird.
- 24
Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin A.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 04.05.2011 (dort Seite 2 f = Bl. 226 f d.A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
- 25
I. Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache überwiegend erfolgt.
- 26
II. Die Kündigungsschutzklage des Klägers ist nur zu einem geringen Teil begründet.
- 27
Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat infolge der streitbefangenen ordentlichen Kündigung zwar nicht bereits zum 30.06.2010, jedoch mit Ablauf der gemäß § 622 Abs. 2 Nr. 2 BGB maßgeblichen Kündigungsfrist von zwei Monaten zum Ende eines Kalendermonats, mithin zum 31.07.2010 geendet. Die Kündigung ist durch Gründe, die im Verhalten des Klägers liegen, bedingt und daher sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG).
- 28
Im Unterschied zu den in § 626 Abs. 1 BGB an eine außerordentliche Kündigung gestellten Anforderungen sind für eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung solche im Verhalten des Arbeitnehmers liegenden Umstände ausreichend, die bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragsparteien und des Betriebes die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen. Als verhaltensbedingter Grund ist insbesondere eine rechts(vertrags)widrige Pflichtverletzung aus dem Arbeitsverhältnis geeignet, wobei regelmäßig Verschulden erforderlich ist. Insofern genügt ein Umstand, der einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung bestimmen kann (BAG v. 11.12.2003 - 2 AZR 667/02 - AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, m.w.N.).
- 29
Nach allgemeiner und zutreffender Ansicht stellen grobe Beleidigungen eines Vorgesetzten oder eines anderen Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis dar und können daher sogar eine außerordentliche fristlose Kündigung grundsätzlich rechtfertigen (BAG v. 10.10.2002 - 2 AZR 418/01 - AP Nr. 180 zu § 626 BGB). Solche Beleidigungen sind daher erst recht an sich geeignet, einen den Ausspruch einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung rechtfertigenden Grund zu bilden. Der Arbeitnehmer kann sich dann nicht erfolgreich auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 1 GG berufen. Im groben Maße unsachliche Angriffe, die u.a. zur Untergrabung der Position von Vorgesetzten führen können, muss der Arbeitgeber nicht hinnehmen. Dabei ist die strafrechtliche Beurteilung kündigungsrechtlich nicht ausschlaggebend. Auch eine einmalige Ehrverletzung ist bereits kündigungsrelevant (LAG Rheinland-Pfalz v. 09.12.2009 - 8 Sa 260/09 -).
- 30
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Berufungsgerichts fest, dass der Kläger den Beklagten am 08.02.2010 beleidigt hat mit den Worten : "Sie haben hier nichts mehr zu sagen, Ihre Zeit ist abgelaufen". Dies hat die Zeugin A. bei ihrer Vernehmung glaubhaft und widerspruchsfrei bekundet. Das Berufungsgericht hat hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Zeugin keinerlei Zweifel.
- 31
Die betreffende Äußerung des Klägers beinhaltet eine grobe Beleidigung, nämlich eine erhebliche Miss- bzw. Nichtachtung des Beklagten in seiner Stellung als Arbeitgeber. Gründe, die das Verhalten des Klägers in irgendeiner Weise auch nur ansatzweise rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Der Beklagte war auch nicht gehalten, dem Kläger wegen dessen Fehlverhaltens zunächst lediglich eine Abmahnung zu erteilen. Besonders schwere Verstöße - wie vorliegend - bedürfen nämlich keiner früheren Abmahnung, weil hier der Arbeitnehmer von vornherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen kann und er sich bewusst sein muss, dass er seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzt (Müller-Glöge, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 11. Aufl., § 626 BGB Rd.Ziff. 29 m.N.a.d.R.). Bezüglich der groben Beleidigung des Beklagten konnte der Kläger, da es sich hierbei um einen besonders erheblichen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten handelt, in keiner Weise mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen.
- 32
Die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung scheitert auch nicht an dem Ergebnis der bei jeder Kündigung durchzuführenden umfassenden Interessenabwägung. Zwar sind zu Gunsten des Klägers die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit (seit dem 17.03.2003), sein fortgeschrittenes Lebensalter von 57 Jahren bei Kündigungsausspruch sowie seine Schwerbehinderung zu berücksichtigen. Zu Gunsten des Beklagten ist hingegen zu berücksichtigen, dass der Kläger sich mit seiner gravierenden, ehrverletzenden Entgleisung auf eine Ebene begeben hat, die letztlich schlichtweg nicht mehr hinnehmbar ist. Auch war der Kläger unstreitig vor seiner beleidigenden Äußerung in keiner Weise provoziert worden. Im Hinblick auf die völlig grundlose schwerwiegende Beleidigung kann der Beklagte auch nicht mit Sicherheit davon ausgehen, dass sich der Kläger zukünftig nicht zu einem ähnlichen bzw. gleich gelagerten Fehlverhalten hinreißen lässt. Das arbeitgeberseitig erforderliche Vertrauen, dass der Kläger die Würde seines Arbeitgebers ausreichend respektiert, ist zerstört. Insgesamt überwiegt das Interesse des Beklagten an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Klägers an dessen Fortsetzung.
- 33
Die nach § 85 SGB IX erforderlich vorherige Zustimmung des Integrationsamtes liegt vor. Der Beklagte hat die Kündigung auch innerhalb der Monatsfrist des § 88 Abs. 3 SGB IX nach Erteilung der Zustimmung erklärt. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang der Umstand, dass der Beklagte bereits am 25.04.2010, und somit nach der Entscheidung des Integrationsamtes vom 15.04.2010, eine ordentliche Kündigung ausgesprochen hatte. Ein "Verbrauch" des Kündigungsrechts tritt nämlich bei gleichbleibendem Kündigungssachverhalt nicht ein (BAG v. 08.11.2007 - 2 AZR 425/06 - AP Nr. 30 zu § 1 KSchG 1969 Personenbedingte Kündigung).
- 34
Zwar war der Bescheid des Integrationsamtes vom 15.04.2010 zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch nicht rechtskräftig, da der Kläger hiergegen Widerspruch eingelegt hat. Im Hinblick auf das Beschleunigungsgebot der §§ 9 Abs. 1, 61 a ArbGG bestand indessen kein Anlass, den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über dem Zustimmungsbescheid auszusetzen. Dem Kläger verbleibt insoweit u.U. die Möglichkeit einer Restitutionsklage analog § 580 Nr. 6 bzw. Nr. 7 ZPO (BAG v. 24.11.2005, AP Nr. 43 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit).
- 35
III. Nach alledem war unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die streitbefangene Kündigung nicht zum 30.06.2010, sondern erst zum 31.07.2010 aufgelöst worden ist; im Übrigen war die Klage abzuweisen.
- 36
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.
(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.
(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.
(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.
(1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten (Arbeitnehmers) kann mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden.
(2) Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die Kündigungsfrist, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen
- 1.
zwei Jahre bestanden hat, einen Monat zum Ende eines Kalendermonats, - 2.
fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats, - 3.
acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Kalendermonats, - 4.
zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines Kalendermonats, - 5.
zwölf Jahre bestanden hat, fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats, - 6.
15 Jahre bestanden hat, sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats, - 7.
20 Jahre bestanden hat, sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats.
(3) Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.
(4) Von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Regelungen können durch Tarifvertrag vereinbart werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags gelten die abweichenden tarifvertraglichen Bestimmungen zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, wenn ihre Anwendung zwischen ihnen vereinbart ist.
(5) Einzelvertraglich kann eine kürzere als die in Absatz 1 genannte Kündigungsfrist nur vereinbart werden,
- 1.
wenn ein Arbeitnehmer zur vorübergehenden Aushilfe eingestellt ist; dies gilt nicht, wenn das Arbeitsverhältnis über die Zeit von drei Monaten hinaus fortgesetzt wird; - 2.
wenn der Arbeitgeber in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt und die Kündigungsfrist vier Wochen nicht unterschreitet.
(6) Für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer darf keine längere Frist vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber.
(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.
(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn
- 1.
in Betrieben des privaten Rechts - a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt, - b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat, - 2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts - a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt, - b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.
(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.
(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Werden Menschen mit Behinderungen in ihren Rechten nach diesem Buch verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände klagen, die nach ihrer Satzung Menschen mit Behinderungen auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selbst am Prozess beteiligt sind. In diesem Fall müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den Menschen mit Behinderungen selbst vorliegen.
(1) Die Bundesregierung berichtet den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes einmal in der Legislaturperiode, mindestens jedoch alle vier Jahre, über die Lebenslagen der Menschen mit Behinderungen und der von Behinderung bedrohten Menschen sowie über die Entwicklung ihrer Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gesellschaft. Die Berichterstattung zu den Lebenslagen umfasst Querschnittsthemen wie Gender Mainstreaming, Migration, Alter, Barrierefreiheit, Diskriminierung, Assistenzbedarf und Armut. Gegenstand des Berichts sind auch Forschungsergebnisse über Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit staatlicher Maßnahmen und der Leistungen der Rehabilitationsträger für die Zielgruppen des Berichts.
(2) Die Verbände der Menschen mit Behinderungen werden an der Weiterentwicklung des Berichtskonzeptes beteiligt.