Kindesrückführung: Voraussetzungen für eine Rückführung nach Australien

published on 26/08/2011 11:53
Kindesrückführung: Voraussetzungen für eine Rückführung nach Australien
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Hält die Mutter
Diese Klarstellung traf das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart in einem entsprechenden Fall. Die Richter machten aber auch deutlich, dass durch die Rückführung keine schwerwiegende Beeinträchtigung des Kindeswohls eintreten dürfe. Das wäre z.B. der Fall, wenn die Mutter als bisherige Bezugsperson das Kind nicht begleiten könne. Eine schwerwiegende Beeinträchtigung könne auch vorliegen, wenn eine anschließende Rückkehr des Kindes nach Deutschland bereits sicher feststehe. Sei die Rückkehr des Kindes nach Deutschland aber lediglich wahrscheinlich, stehe dies der Rückführung nach Australien nicht entgegen (OLG Stuttgart, 17 UF 150/11).


Die Entscheidung im Einzelnen lautet:

OLG Stuttgart: Beschluss vom 22.06.2011 (Az: 17 UF 150/11)

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Stuttgart vom 4. Mai 2011 (24 F 2111/10) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Antragsgegnerin die Kosten der Rückführung nicht auferlegt werden.

Der Antragsgegnerin wird für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Anordnung der Herausgabe des Kindes ein Ordnungsgeld bis zu 25.000 € und für den Fall, dass ein Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

Die sofortige Vollziehung des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Stuttgart vom 4. Mai 2011 - 24 F 2111/10 - wird angeordnet.

Für die Kosten in 1. Instanz verbleibt es bei der Kostenentscheidung des Amtsgerichts. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Beschwerdewert: 7.000,00 €


Gründe:

Die Beteiligten sind getrennt lebende Eheleute. Der Antragsteller, australischer Staatsangehöriger, ist von Beruf Gynäkologe und betreibt neben seiner Tätigkeit als Professor an der Universität ... dort eine eigene Praxis. Die Antragsgegnerin ist Designerin und hat die deutsche Staatsangehörigkeit. Nach ihrer Heirat am ... 2005 in E. haben die Eheleute gemeinsam in Australien gelebt. Am 28. Juni 2007 wurde dort der gemeinsame Sohn M. geboren. M. ist sowohl deutscher als auch australischer Staatsangehöriger. Nach der Geburt des Kindes hat sich die Mutter vorrangig um die Pflege und Erziehung von M. gekümmert.

Am 11. Februar 2010 reiste die Antragsgegnerin mit M. im Einverständnis des Antragstellers zu ihrer Familie nach Deutschland. Zuvor hatte sie das Kind vom Kindergarten abgemeldet. Die Ehe befand sich zu diesem Zeitpunkt in einer schweren Krise. Allerdings wusste der Antragsgegner nicht, dass seine Ehefrau die Heiratsurkunde nach Deutschland mitgenommen hatte. Der Rückflug für Mutter und Kind war für den 8. April 2010 vorgesehen. Nach den bestrittenen Angaben der Antragsgegnerin wurde der Rückflug nur aus versicherungstechnischen Gründen gebucht. Anfang April 2010 flog der Antragsteller nach Deutschland, da die Antragsgegnerin ihm ihre Zweifel am Fortbestand der Ehe und ihre Rückkehr nach Australien mitgeteilt hatte. In einem Gespräch am 5. April 2010 einigten sich die Eltern, dass die Mutter mit M. noch in Deutschland verbleibt. Ob die Umbuchung des für den (wohl nunmehr) 10. April 2010 vorgesehenen Rückfluges der Antragsgegnerin und des Kindes auf den 25. Juli 2010 nur als „Platzhalter“ erfolgte, ist streitig. Am 9. April 2010 meldeten die Eltern das Kind im Kindergarten an. Am 21. April 2010 erfolgte die melderechtliche Anmeldung bei der Stadt E. (Bl. 308). Im Juni 2010 reiste der Antragsteller wegen des Geburtstages von M. erneut nach Deutschland; wegen eines Krankenhausaufenthaltes der Antragsgegnerin verlängerte er seinen Aufenthalt und kehrte erst am 9. Juli 2010 nach Australien zurück. In einem Telefongespräch am 23. Juli 2010 erklärte der Antragsteller, dass er auf die - von der Antragsgegnerin abgelehnte - Rückkehr am 25. Juli 2010 bestehe. Am 26. Juli 2010 buchte die Antragsgegnerin - nach ihren Angaben wegen des von dem Antragsteller ausgeübten Drucks - einen Flug für den 4. August 2010, den sie aber wiederum nicht antrat.

Am 17. August 2010 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Rückführung nach dem HKiEntÜ, nachdem er der Antragsgegnerin in einem Gespräch am 7. August 2010 entsprechende Schritte angekündigt hatte. In seiner eidesstattlichen Versicherung vom 17. August 2010 erklärte er unter anderem für die Rückführung des Kindes finanziell aufkommen zu wollen.

Über den am 19. Oktober 2010 beim Amtsgericht Stuttgart eingegangenen Antrag schlossen die Parteien in der Verhandlung vom 19. November 2010 eine Vereinbarung. Danach sollte die Antragsgegnerin mit dem Kind zwar bis 31. Januar 2011 zunächst nach Australien zurückkehren; die Eltern verpflichteten sich aber, beim zuständigen Gericht eine Sorgeerklärung zugunsten der Antragsgegnerin abzugeben. Weiterhin bestand Einverständnis, dass die Mutter mit dem Kind wieder nach Deutschland zurückkehren dürfe. In der Folgezeit weigerte sich der Antragsteller, den von der Antragsgegnerin vorbereiteten „Application for Consent Orders“ (Bl. 157 d. A.) zu unterzeichnen. Vielmehr ließ er über seine Anwälte mitteilen, dass es bei der gemeinsamen Sorge verbleiben solle. Die Antragsgegnerin, die bereits sämtliche Reisevorbereitungen (Flugbuchung, Reiseversicherung, Beurlaubung ihres Vaters als Begleitperson - vgl. Bl. 387 ff d. A.) getroffen hatte, kehrte hierauf nicht nach Australien zurück. Mit „order“ vom 22. Februar 2011 wurde dem Vater einstweilen die elterliche Sorge übertragen, das Kind sollte aber in der Obhut der Mutter bleiben.

Nachdem die Umsetzung der Vereinbarung vom 19. November 2010 gescheitert war, setzte das Amtsgericht das Verfahren fort und ordnete mit Beschluss vom 4. Mai 2011 die Rückführung von M. nach Australien sowie die Herausgabe des Kindes an. Neben dem Hinweis auf Ordnungsgeld beziehungsweise Ordnungshaft im Fall der Zuwiderhandlung ergingen ferner Anordnungen zum Vollzug.

Gegen diesen der Antragsgegnerin am 9. Mai 2011 zugestellten Beschluss richtet sich die am 20. Mai 2011 beim Amtsgericht eingereichte sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin. Zur Begründung beruft sich die Antragsgegnerin auf ihren Vortrag 1. Instanz und trägt ergänzend insbesondere vor, M. habe jedenfalls seit August 2010 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Zu diesem Zeitpunkt habe er schon seit sechs Monaten hier gelebt. Er sei in Deutschland sozial integriert. So besuche er seit Mai 2010 den Kindergarten und habe Freundschaften zu gleichaltrigen Kindern entwickelt; zu seinen Erzieherinnen habe er ein herzliches Verhältnis. Vom australischen Kindergarten sei das Kind seit Januar 2010 abgemeldet. M. sei in die Familie seiner Mutter eingebettet, er habe engen Kontakt zu seinen Großeltern. Die Hauptbezugsperson sei die Mutter, die ihren Wohnsitz seit April 2010 in Deutschland habe. Der Vater sei hingegen schon wegen seiner beruflichen Tätigkeit für den Alltag des Kindes in Australien wenig von Bedeutung gewesen. Daher vermisse das Kind den Vater auch nicht. Als Deutscher lebe das Kind nun in seinem Heimatland, dessen Sprache es schon sehr gut beherrsche.

Unabhängig hiervon sei jedenfalls das Verhalten des Antragstellers im November 2010 als Genehmigung im Sinn des Artikels 13 HKiEntÜ zu werten. Der Antragsteller könne sich nicht einseitig von dieser Vereinbarung lösen.

Die Rückführung wäre des Weiteren mit einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des Kindeswohls verbunden. Die Antragsgegnerin verfüge über keine finanziellen Mittel, um M. nach Australien zu begleiten. Hinzukomme, dass sie an einer Hauterkrankung leide und schon daher aus gesundheitlichen Gründen nicht in Australien leben könne (vgl. Attest, Bl. 71 d. A.). Um M. weiterhin betreuen zu können, müsse sie gesundheitliche Gefährdungen in Kauf nehmen.

Die Entscheidung des Amtsgerichts verletze außerdem ihre Grundrechte aus Artikel 11, 6 Absatz 2, 2 Absatz 1 i. V. m. Artikel 20 GG sowie das von Artikel 8 der Menschenrechtskonvention geschützte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Das Amtsgericht habe außerdem die vom Europäischen Gerichtshof geforderte Interessensabwägung nicht vorgenommen.

Der Antragsteller verteidigt die Entscheidung des Amtsgerichts.

Mit Beschluss vom 27. Mai 2011 hat der Senat für M. einen Verfahrensbeistand bestellt.

Der Senat hat M. in der Sitzung vom 14. Juni 2011 sowie die Eltern in der Sitzung vom 16. Juni 2011 ausführlich angehört. Der Verfahrensbeistand hat in der Sitzung vom 16. Juni 2010 eine mündliche Stellungnahme abgegeben.

Die gemäß § 40 Absatz 2 Satz 1 IntFamRVG i. V. m. § 58 FamFG statthafte und gemäß § 40 Absatz 2 Satz 2 IntFamRVG i. V. m. § 63 Absatz 1 FamFG fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig.

In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat auf der Grundlage des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25. Oktober 1980 (HKiEntÜ) zu Recht die Herausgabe des Kindes zum Zwecke der sofortigen Rückführung nach Australien angeordnet. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin sind die Voraussetzungen für eine Rückführung (Artikel 12 HKiEntÜ) erfüllt (I.). Versagungsgründe, die nach Artikel 13 Absatz 1 und 2 und Artikel 20 HKiEntÜ der Rückführung entgegen stehen können, liegen nicht vor (II. und III.).

Die Voraussetzungen des Artikels 12 Absatz 1 HKiEntÜ sind erfüllt.

Das HKiEntÜ ist allerdings nur anwendbar, wenn M. im Zeitpunkt des Zurückhaltens, also Ende Juli/ Anfang August 2010, seinen gewöhnlichen Aufenthalt noch in Australien hatte. Hiervon geht der Senat in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht nach einer Würdigung der gesamten Umstände aus.

Weder das HKiEntÜ noch das sonstige internationale Kindschaftsrecht definiert den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts. Da sämtliche internationale Abkommen auf diesem Gebiet letztendlich dem Schutz des Kindeswohles dienen, ist von einem einheitlichen Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts auszugehen. Zentrales Anliegen des HKiEntÜ ist es, Kinder davor zu schützen, dass sie aus ihrem gewöhnlichen Lebensraum herausgerissen werden und Schäden durch die rechtswidrige Entwurzelung erleiden. Das Übereinkommen setzt damit voraus, dass das Kind im Staat seines gewöhnlichen Aufenthalts sozial integriert ist. Der gewöhnliche Aufenthalt stellt also auf den tatsächlichen Mittelpunkt der Lebensführung einer Person ab. Auf den Willen, sich an einem Ort auf Dauer niederzulassen, kommt es nicht an. Entsprechend dem Schutzzweck des HKiEntÜ leitet sich bei einem minderjährigen Kind der gewöhnliche Aufenthalt nicht vom Aufenthalt oder Wohnsitz des Sorgeberechtigten ab, sondern ist selbstständig zu ermitteln. Hat der Aufenthalt sechs Monate gedauert, wird vielfach von einem gewöhnlichen Aufenthalt ausgegangen. Bei langer Verweildauer des Kindes und bei vollständiger Eingliederung in seine soziale Umwelt kann auch gegen den Willen des in seinem Sorgerecht verletzten Elternteils ein gewöhnlicher Aufenthalt begründet werden.

Ausgehend von diesen Grundsätzen hatte M. im Zeitpunkt des definitiven Rückkehrverlangens des Antragstellers seinen gewöhnlichen Aufenthalt noch in Australien.

Anfang August 2010 befand sich das Kind fast 6 Monate in Deutschland. Aus Sicht des Kindes, dessen Schutz das HKiEntÜ bezweckt, stellt sich ein Aufenthalt an einem neuen Ort umso mehr als „gewöhnlich“ dar, je länger es sich an diesem Ort aufhält. Da insbesondere kleine Kinder im Hinblick auf eine andere zeitliche Relation sich leichter an eine neue Umgebung gewöhnen, lässt diese Dauer des Aufenthalts auf eine gewisse soziale Integration schließen. Für den jetzt fast 4-jährigen Jungen sind des Weiteren der Umfang und die Intensität der Beziehungen zu Familienangehörigen von besonderem Gewicht. Unbestritten war und ist die Mutter die Hauptbezugsperson des Kindes; von Februar 2010 bis Anfang August 2010 hat M. offensichtlich auch ein enges Verhältnis zu seinen deutschen Großeltern und Verwandten entwickelt. Soziale Beziehungen hat er zwischenzeitlich auch insbesondere im Kindergarten zu anderen Kindern und seinen Erzieherinnen geknüpft.

Andererseits ist M. in Australien geboren und hat dort über 2 Jahre mit seinen Eltern gelebt. Wenn auch die Mutter die Hauptbezugsperson des Kindes ist, so weist M. auch eine starke Bindung zu seinem australischen Vater auf. Während seiner Anhörung erwähnte er zwar gegenüber dem Senat - fast schon stereotyp - der Papa sei böse, er habe die Mama zum Weinen gebracht. Dem im Verlauf der Anhörung erfolgten Hinweis des Senats, vielleicht sei der Papa auch hier, begegnete er ungläubig mit dem Bemerken, das könne nicht sein, ... sei weit weg, viel weiter als St.. Als er dann den Vater etwas später durch ein Fenster in der Tür zum Spielzimmer entdeckte, war er offensichtlich freudig erstaunt und begrüßte den Vater nach einer kurzen Zurückhaltung herzlich. Die Beobachtungen des Senats decken sich mit den Schilderungen des Verfahrensbeistandes in der Sitzung vom 16. Juni 2011, der einen Umgang des Vaters mit M. am 15. Juni 2011 beobachten konnte. Dass M. - trotz der bestehenden elterlichen Konflikte - letztlich so unbeschwert auf seinen Vater zugehen kann, ist sicher ein großer Verdienst der Antragsgegnerin. Der Senat ist daher davon überzeugt, dass sowohl zur Mutter als auch zum Vater eine gute und enge kindliche Beziehung besteht.

Zwar hängt der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes rechtlich nicht vom Willen des Sorgeberechtigten ab; indes kann hier nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass bis zum Sommer 2010 letztlich beide sorgeberechtigten Eltern von einem nur vorübergehenden Aufenthalt von M. in Deutschland ausgegangen sind. Die Antragsgegnerin hat zwar bereits bei ihrer Ausreise im Februar 2010 mit dem Gedanken gespielt, in Deutschland zu bleiben, wofür insbesondere die Mitnahme der Heiratsurkunde spricht. Auf der anderen Seite hat die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Anhörung offen und ehrlich eingeräumt, ihre Situation in der Folgezeit immer wieder überdacht und geprüft zu haben, ob eine Fortsetzung der Ehe möglich sei; in ihrem Alter würde man nicht ohne weiteres einfach einen Neuanfang planen. Der Senat ist daher überzeugt, dass die Antragsgegnerin zu den jeweils gebuchten Rückflugterminen zunächst auch tatsächlich bereit war, nach Australien zurückzukehren; angesichts der ungewissen Zukunft in Australien einerseits und der Erfahrung des familiären Rückhalts in Esslingen andererseits hiervon aber dann jeweils Abstand genommen hat. Der Senat hat nach den gesamten Umständen keine Zweifel daran, dass die Antragsgegnerin sich erst Ende Juli 2010 durchgerungen hat, in Deutschland zu bleiben.

Die Sprachkenntnisse M., der - letztlich zwangsläufig - derzeit aktiv nur die deutsche Sprache beherrscht, sind im vorliegenden Fall kein ausschlaggebendes Argument für einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Sprachkenntnisse haben zwar einen erheblichen Einfluss auf die Fähigkeit, Beziehungen zur Umwelt zu entwickeln. Zu berücksichtigen ist indes zum einen, dass das Kind nach den Schilderungen des Verfahrensbeistandes offensichtlich zumindest über einen passiven Grundwortschatz in Englisch verfügt. Dies hat der Verfahrensbeistand anhand seiner Beobachtungen des am 15. Juni 2011 durchgeführten Umgangs mit dem Vater anschaulich und nachvollziehbar geschildert. Zum anderen entspricht es der Erfahrung, dass gerade Kleinkinder über ein gutes Sprachverständnis verfügen und sich schnell eine andere Sprache aneignen können. Dies gilt für M., den der Senat als ein aufgewecktes und aufgeschlossenes Kind kennenlernte, in besonderem Maße. Hinzukommt, dass für M. die englische Sprache nicht fremd ist. Zum Anhörungstermin brachte er zum Beispiel unter anderem ein Kinderbuch in englischer Sprache mit. Im Kindergarten hat er nach dem Bericht des Verfahrensbeistandes sein englisches Lieblingslied vorgestellt, das die Gruppe dann gemeinsam gelernt hat. Der Senat hat daher keine Zweifel, dass M., den der Verfahrensbeistand als offenes, sehr sozialverträgliches und einfühlsames Kind beschreibt, - mit der Unterstützung seiner Eltern - innerhalb kurzer Zeit in der Lage sein wird, auch in Australien, wo er bereits vor seiner Ausreise den Kindergarten besucht hat, wieder soziale Kontakte und Beziehungen zur Umwelt zu knüpfen.

Soweit sich die Antragsgegnerin auf die „6-Monats-Regel“ beruft, ist darauf hinzuweisen, dass diese Frist, die hier am 7. August 2010 noch nicht abgelaufen war, als Richtschnur zwar hilfreich sein kann, als formales Kriterium aber auch nicht überbewertet werden darf. Schließlich streitet auch die melderechtliche Anmeldung von Mutter und Kind in Esslingen im April nicht für einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Einer melderechtlichen Anmeldung kommt ohnehin nur eine gewisse - hier nicht gegebene - Indizwirkung zu. Auf Nachfrage des Senats erklärte die Antragsgegnerin, die Anmeldung sei erfolgt, da man hierzu verpflichtet sei, wenn man sich länger an einem Ort aufhalte; sie habe vermutlich sogar die vorgeschriebene Frist bereits versäumt.

Nach alledem steht für den Senat fest, dass sich der Daseinsschwerpunkt und damit Ort, der Ausdruck einer gewissen sozialen und familiären Integration des Kindes ist, Ende Juli/ Anfang August 2010 noch nicht nach Deutschland verlagert hat.

Nach Artikel 12 Absatz 1 HKiEntÜ ist ein Kind, das widerrechtlich in einen anderen Vertragsstaat des Übereinkommens verbracht oder dort zurückgehalten worden ist, sofort in den Heimatstaat zurückzuführen, wenn im Zeitpunkt des Antrageingangs beim zuständigen Gericht seit dem Entführen oder Zurückhalten noch kein Jahr vergangen ist. Gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b HKiEntÜ ist ein Verbringen oder Zurückhalten widerrechtlich, wenn dies ohne oder gegen den Willen eines Allein- oder Mitsorgeberechtigten geschieht. Wer die elterliche Sorge ausübt, richtet sich nach dem Recht des Staates, in dem das Kind unmittelbar vor dem Verbringen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, hier also nach australischem Recht.

Unstreitig ist die Antragsgegnerin mit dem Kind im Einverständnis des Antragstellers nach Deutschland gereist, so dass ein widerrechtliches Verbringen ausscheidet. Der Antragsteller hat aber spätestens in dem Gespräch am 7. August 2010 unmissverständlich verdeutlicht, er sei mit einem Aufenthalt von M. in Deutschland nicht länger einverstanden und verlange die Rückkehr des Kindes. Indem die Mutter diesem Verlangen nicht nachgekommen ist, hat sie M. spätestens Anfang August, wie das Amtsgericht zutreffend feststellt, widerrechtlich im Sinne des Artikels 3 HKiEntÜ zurückgehalten.

Nach dem hier maßgeblichen australischen Recht (Familiengesetz 1975 Abschnitt 61 C) üben die Eltern die Sorge für das Kind gemeinsam aus (Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a HKiEntÜ). Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin hat der Antragsteller sein Sorgerecht auch tatsächlich ausgeübt (Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b HKiEntÜ). An die Voraussetzungen der tatsächlichen Ausübung dürfen keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Es mag sein, dass die Antragsgegnerin während des Zusammenlebens in Australien die alltägliche Versorgung des Kindes übernommen hat, während der Antragsteller seinem Beruf nach ging. Diese Rollenverteilung beruhte aber auf einem Einvernehmen der Eltern und ist Ausdruck der Ausgestaltung der gemeinsamen Sorge. Seit sich M. in Deutschland aufhält, hat der Antragsteller - worauf das Amtsgericht zu Recht hinweist - durch seine Besuche, insbesondere auch zum Geburtstag des Kindes, die Ausübung seines Elternrechts dokumentiert. Dass er seiner Ehefrau einen längeren Aufenthalt in Deutschland zugestanden hat und damit in der Ausübung seines Rechts zwangsläufig beschränkt war, kann ihm nicht zum Nachteil gereichen.

Die Jahresfrist des Artikels 12 HKiEntÜ ist gewahrt.

Versagungsgründe nach Artikel 13 Absatz 1 HKÜ, die der Rückführung entgegenstehen könnten, liegen nicht vor.

Entgegen der Auffassung der insoweit beweisbelasteten Antragsgegnerin hat der Antragsteller das Zurückhalten des Kindes nicht nachträglich genehmigt (Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe a HKiEntÜ). Eine nachträgliche Genehmigung, die auch konkludent erfolgen kann muss klar, eindeutig und unbedingt sein. Auf die Rückkehr des Kindes hat der Antragsteller indes zu keinem Zeitpunkt - auch nicht in der Vereinbarung vom 19. November 2010 - verzichtet. Der im Rahmen der Vereinbarung vom 19. November 2010 eingegangenen Verpflichtung, vor dem zuständigen australischen Gericht der Übertragung der elterlichen Sorge auf die Mutter zuzustimmen, kann ein solcher Erklärungswert nicht entnommen werden.

Nach Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe b kann die Anordnung der Rückführung unterbleiben, wenn die Rückführung mit einer schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden ist oder das Kind auf andere Weise in eine unzumutbare Lage bringt.

Die naturgemäß mit einer Rückführung verbundenen Belastungen erfüllen nach Sinn und Zweck des HKiEntÜ diese Voraussetzungen nicht. Das Übereinkommen will verhindern, dass ein Elternteil ein Kind widerrechtlich entführt oder nach einem von beiden Eltern mitgetragenen Aufenthalt im Ausland das Kind widerrechtlich zurückhält und so eigenmächtig vollendete Tatsachen schafft. Nur ungewöhnlich schwere Beeinträchtigungen, die über die mit der Rückführung gewöhnlich verbundenen Schwierigkeiten hinausgehen, können daher einer Rückführung entgegenstehen. Das HiKiEntÜ stellt dabei ausschließlich auf eine schwerwiegende Gefahr für das Kind, nicht des entführenden Elternteils, ab. Nach Würdigung der gesamten Umstände und des Vorbringens der Antragsgegnerin kann der Senat eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Kindeswohl durch die Rückführung nicht erkennen.

Eine solche Gefahr kann etwa bestehen, wenn ein Kleinkind nicht von der Mutter, der bisherigen Bezugsperson, begleitet werden könnte. Habhafte Gründe, die hier einer Begleitung durch die Mutter entgegenstehen könnten, sind nicht erkennbar. Soweit die Antragsgegnerin darauf hinweist, dass sie wegen ihrer schlechten finanziellen Verhältnisse nicht in der Lage sei, für Flug und Unterkunft aufzukommen, hat der Senat dem zum Einen dadurch Rechnung getragen, dass der Antragsgegnerin entgegen Artikel 26 Absatz 4 HKiEntÜ die Rückführungskosten nicht auferlegt werden. Zum anderen hat der Antragsteller auch gegenüber dem Senat bekundet, er werde die Antragsgegnerin im Fall ihrer Rückkehr finanziell unterstützen. Der Senat glaubt dem Antragsteller, der bislang für M. Unterhalt in nicht unerheblicher Höhe (340 AUD wöchentlich) leistet, dass er seiner selbst zugesagten Verpflichtung auch tatsächlich nachkommt. Von entsprechenden Auflagen gegenüber dem Antragsteller hat der Senat daher abgesehen.

Soweit sich die Antragsgegnerin in der Beschwerdeinstanz erstmals auf ihre Hauterkrankung beruft, ist darauf hinzuweisen, dass sie sich gegen Sonneneinstrahlungen entsprechend schützen kann. Im Übrigen steht überhaupt nicht fest, dass das australische Gericht ein Verbleiben M. in Australien anordnen wird. Die Rückführungsentscheidung ist gemäß Artikel 19 HKiEntÜ gerade keine Sorgerechtsentscheidung; sie soll erst die Voraussetzungen dafür schaffen, dass das international zuständige Gericht über das Sorgerecht entscheiden kann.

Sonstige schwerwiegende Beeinträchtigungen des Kindeswohls, die über die gewöhnlichen Schwierigkeiten einer Rückführung hinausgehen, sind nach Anhörung der Eltern, des Kindes und des Verfahrensbeistandes sowie nach Aktenlage nicht erkennbar. Der Verfahrensbeistand hat zwar darauf hingewiesen, dass M. sich in der Zwischenzeit gut in Deutschland eingefunden habe. Angesichts des nunmehr schon länger andauernden Aufenthalts würde die Herausnahme aus der gewohnten Umgebung einen Bruch für das Kind bedeuten. Damit umschreibt er aber eine Beeinträchtigung, die mit einer Rückführung regelmäßig verbunden ist. Die Eltern haben es in der Hand, die Rückführung von M. so behutsam wie möglich zu gestalten. Soweit der Verfahrensbeistand ferner darlegt, M. spüre die sowohl beim Vater als auch bei der Mutter vorhandenen Verlustängste, was er mit seinem Bedürfnis, zu beiden Eltern eine gute Beziehung leben zu können, nicht in Einklang bringen könne, kann sich der Senat nur dem Wunsch des Verfahrensbeistandes anschließen, dass die Eltern - im Interesse ihres Kindes - baldmöglichst eine Einigung finden.

Die Rückführung nach Australien wäre allerdings dann eine unnötige Belastung für das Kind, wenn eine anschließende Rückkehr nach Deutschland bereits sicher feststehen würde. Eine bloß wahrscheinliche Rückkehr des Kindes steht einer Rückführung des Kindes hingegen nicht entgegen. Nach Auffassung des Senats ist eine Rückkehr M. nach Deutschland zwar nicht unwahrscheinlich, aber nach derzeitigem Kenntnisstand auch nicht sicher. Der Antragsteller hat sich in der Vereinbarung vom 19. November 2010 mit einem Aufenthalt M. in Deutschland einverstanden erklärt. Von dieser Verpflichtung kann er sich auch nicht einseitig lösen.

Dass die Antragsgegnerin - insoweit entgegen der Vereinbarung - nicht bis zum 31. Januar 2011 nach Australien zurückgekehrt ist, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Hierauf kann sich der Antragsteller nämlich dem Rechtsgedanken des § 162 BGB entsprechend nicht berufen. Die Antragsgegnerin hat alle Vorbereitungen (Flugbuchung, Reiseversicherung, Beurlaubung ihres Vaters als Begleitperson etc.) getroffen, um absprachegemäß vor dem 31. Januar 2011 nach Australien zu reisen. Erst als sich der Antragsteller weigerte, den von ihr vorbereiteten „Application for Consent Orders“ zu unterzeichnen, hat sie ihre Reisepläne aufgegeben. Der Einwand des Antragstellers, er sei mit der Vereinbarung „überfahren“ worden, geht ins Leere. Der gut ausgebildete Antragsteller, unter anderem Professor an der Universität ..., war anwaltlich vertreten; die Sitzung, die nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten wegen Übersetzungsprobleme ohnehin überwiegend auf Englisch geführt wurde, wurde von einem Dolmetscher begleitet. Für den Senat steht daher fest, dass der Antragsteller in der Lage war, der Verhandlung in seiner Muttersprache zu folgen. Die Dauer der Sitzung (13.00 Uhr bis 17.45 Uhr) lässt überdies den Schluss zu, dass der Sach- und Streitstand eingehend erörtert worden ist. Die Kritik der zentralen Behörde Australiens (vgl. Schreiben vom 22.11.2010), das HKiEntÜ-Verfahren sei als normales Sorgerechtsverfahren behandelt worden, ist nicht gerechtfertigt. Auch im dem Kindeswohl verpflichteten HKiEntÜ-Verfahren gilt, dass ein Elternkonsens regelmäßig dem Kindeswohl am besten entspricht. Wie sich aus Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe c HKiEntÜ ergibt, erschöpft sich eine gütliche Einigung nicht in der freiwilligen Rückführung des Kindes. Die Vereinbarung trägt im Übrigen der internationalen Zuständigkeit des australischen Gerichts Rechnung. Es wird gerade keine unmittelbare Sorgerechtsentscheidung getroffen; diese Entscheidung sollte - auf Grundlage des übereinstimmenden Elternwillens - dem australischen Gericht überlassen werden.

Letztlich wird es Aufgabe des zuständigen australischen Gerichts sein, die Vereinbarung der Eltern vom 19. November 2010 zu bewerten.

Das Verhalten des Antragstellers nach Abschluss der Vereinbarung im November 2010 ist nicht geeignet, einen Versagungsgrund i. S. d. insoweit abschließenden Artikels 13 HKiEntÜ zu begründen. Man könnte allenfalls daran denken, dass sich die Rückführung M. dadurch verzögert und sich der Lebensmittelpunkt des Kindes in Deutschland weiter verfestigt hat. Eine schwerwiegende Gefahr für das Kindeswohl lässt sich daraus, wie bereits dargelegt, aber nicht herleiten.

Angesichts des Alters von M. scheitert eine Rückführung auch nicht an Artikel 13 Absatz 2 HKiEntÜ. Mit seinen fast vier Jahren hat das Kind noch kein Alter erreicht, in dem ein - etwaiger - Widerstand auf einer verantwortungsbewussten Entscheidung des Kindes beruht.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin verstößt die Rückführungsanordnung weder gegen das Grundgesetz (GG) noch gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). Die Grund- und Menschenrechte der Betroffenen gewinnen im Rahmen des Artikels 20 HKiEntÜ, der eine beschränkte ordre public - Klausel enthält, an Gewicht.

Das HKiEntÜ ist verfassungskonform. Der Schutz des Kindes vor Entführung steht im Schnittpunkt verschiedener Grundrechtspositionen sowohl des Kindes als auch beider Elternteile (Artikel 2 Absatz 1 und 2, Artikel 6 Absatz 1 bis 4), die in einen angemessenen Ausgleich zu bringen sind. Dabei kommt dem Kindeswohl, das den Elterninteressen vorgeht, ausschlaggebendes Gewicht zu. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits mehrfach entschieden, dass der Gesetzgeber mit dem HKiEntÜ einen verfassungsrechtlich unbedenklichen Ausgleich gefunden hat.

Auch das Grundrecht des Kindes aus Artikel 11 GG wird durch die Rückführungsanordnung nicht verletzt. Das Recht auf Freizügigkeit des Kindes kollidiert mit dem verfassungsrechtlich verankerten Elternrecht (Artikel 6 Absatz 2 GG). Dies rechtfertigt die Übergabe an eine sorgeberechtigte Person.

Soweit die Antragsgegnerin behauptet, mit einer Rückkehr nach Australien stehe aufgrund der dortigen Rechtslage fest, dass sie mit dem Kind das Land nicht mehr verlassen könne, was im Ergebnis zu einer Verletzung ihres Rechts auf Freizügigkeit führe, steht dies der Rückführung nicht entgegen. Würde die Antragsgegnerin mit ihrer Kritik an der Rechtslage in Australien durchdringen, würde das HKiEntÜ im Verhältnis zu Australien regelmäßig leerlaufen.

Wie das australische Gericht, das nach australischem Recht ebenfalls das Kindeswohl als übergeordneten Gesichtspunkt zu beachten hat, entscheiden wird, ist offen. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin kann auch nach deutschem Recht ein betreuender Elternteil nicht ohne weiteres mit dem Kind Deutschland verlassen. Zwar stehen die Motive des Elternteils für seinen Auswanderungsentschluss grundsätzlich nicht zur Überprüfung des Familiengerichts. Das Gericht kann die (alleinige) Ausreise dem Elternteil nicht in zulässiger Weise untersagen. Das Familiengericht darf und muss aber prüfen, wie sich die Auswanderung mit dem Kind auf das Kindeswohl auswirkt. Die Entscheidung des betreuenden Elternteils, auszuwandern, setzt sich daher nicht ohne weiteres gegen das Elternrecht des anderen Elternteils durch. Entscheidend ist vielmehr, welche Alternative dem Kindeswohl besser entspricht und wie die im Einklang mit dem Kindeswohl auszuübenden Elternrechte beider Elternteile schonend ausgeglichen werden können. Unter Umständen entspricht es dem Kindeswohl am besten, mit dem anderen Elternteil im Inland zu verbleiben.

Schließlich ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin die Rückführungsanordnung auch mit Artikel 8 der EMRK vereinbar. Artikel 8 ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) „im Lichte des HKiEntÜ“ auszulegen. Dass das Ziel des HKiEntÜ, das Kind vor einem widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten zu schützen, naturgemäß Härten für den Elternteil und das Kind mit sich bringt, wird vom EGMR akzeptiert. Der EGMR lässt in der zitierten Entscheidung außerdem das Argument, es bestehe die Gefahr, dass die Gerichte des Entführungsstaates im Sorgerechtsverfahren gegen den Entführer entschieden, nicht gelten. Führt die Rückführungsanordnung zu einer Trennung des Kindes von einem Elternteilt, liegt zwar ein Eingriff in das von Artikel 8 EMRK geschützte Familienleben vor. Artikel 8 ist nach der Rechtsprechung des EGMR allerdings dann nicht verletzt, wenn der Eingriff gesetzlich vorgesehene Ziele verfolgt, die nach Artikel 8 Absatz 2 legitim sind und der Eingriff in einer demokratischen Gesellschaft als notwendig angesehen wird. Gründet der Eingriff auf dem HKiEntÜ, das das Kind vor Nachteilen eines widerrechtlichen Verbringens oder Zurückhaltens international bewahren und das Recht zum persönlichen Umgang mit dem Kind schützen will, sind die vorgenannten Voraussetzungen regelmäßig erfüllt.

Die von der Antragsgegnerin zitierte Neulinger-Entscheidung des EGMR (Entscheidung vom 6. Juli 2010, Nr. 41615/07) führt zu keiner anderen Beurteilung. Soweit ersichtlich, weicht der EGMR von seiner aufgezeigten Linie nicht ab (so auch das Bundesgericht der Schweiz, Urteil vom 4. Februar 2011, Az. 5 A_913/2010); allerdings hält der Gerichtshof fest, dass in einem HKiEntÜ-Verfahren die Rückführung des Kindes wegen Artikel 8 EMRK nicht automatisch angeordnet werden dürfe, sondern dass dies immer von den Umständen des Einzelfalls abhänge. Hierzu ist anzumerken, dass das HKiEntÜ einen zwingenden Automatismus nicht vorsieht. Es stellt lediglich die durch die Erfahrung der Vertragsstaaten bestätigte Vermutung auf, die schnellstmögliche Rückführung des Kindes entspräche dem Kindeswohl am besten. Um festzustellen, ob Artikel 13 HKiEntÜ der Rückführung entgegensteht, sind regelmäßig die Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Der Gerichtshof gesteht im Fall N. zu, die Rückführungsanordnung sei innerhalb des staatlichen Ermessens erfolgt. Wohl im Hinblick auf die besonderen Umstände des Einzelfalls hält er es dann aber für erforderlich, im Rahmen der Prüfung einer etwaigen Verletzung des Artikels 8 auch die Entwicklung seit Erlass der angefochtenen Entscheidung zu berücksichtigen.

Die mit der Rückführung verbundenen Härten für den entführenden Elternteil sind schließlich als Folge der rechtswidrigen Entführung beziehungsweise Zurückhaltung hinzunehmen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 8.4.2010, Az. 1 BvR 862/10).

Im Hinblick auf die finanziellen Verhältnisse der Antragsgegnerin sieht der Senat davon ab, ihr die Kosten der Rückführung aufzuerlegen (vgl. Artikel 26 Absatz 4 HiKEntÜ). Der Senat geht insbesondere im Hinblick auf die Vereinbarung vom 19. November 2010 sowie den Erklärungen des Antragstellers in der Vergangenheit (vgl. etwa RN 47 seiner eidesstattlichen Versicherung vom 17.8.2010) davon aus, dass er für die Reisekosten von Mutter und Kind aufkommen wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswertes stützt sich auf § 45 Absatz 3 FamGKG.

Bedenken gegen die vom Amtsgericht - Familiengericht - angeordneten Vollstreckungsmaßnahmen, die auf § 44 IntFamRVG i. V. m. §§ 87 ff IntFamRVG beruhen, bestehen nicht.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 40 Absatz 2 Satz 4 IntFamRVG ausgeschlossen. Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist daher nicht erforderlich.


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published on 08/04/2010 00:00

Gründe 1 Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vo
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11/01/2018 12:33

Kinder dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen von ihren Eltern getrennt und anderweitig, z.B. in einer Pflegefamilie untergebracht werden – BSP Rechtanwälte – Anwalt für Familienrecht Berlin
09/04/2018 11:29

Fachkräftemangel und andere Schwierigkeiten entbinden nicht von der gesetzlichen Pflicht, Kindern einen dem individuellen Bedarf gerecht werdenden Betreuungsplatz in angemessener Nähe zur Wohnung anzubieten – BSP Rechtsanwälte – Anwalt für Familienrecht Berlin
28/06/2017 15:27

Eine gerichtliche Umgangsregelung, die im Ergebnis zu einer gleichmäßigen Betreuung des Kindes durch beide Eltern im Sinne eines paritätischen Wechselmodells führt, wird vom Gesetz nicht ausgeschlossen.
19/06/2017 13:30

Im Rahmen von § 24 Abs. 2 SGB VIII konkurrieren Gleichaltrige von Rechts wegen nicht um zu wenige Kinderkrippenplätze, sondern haben jeweils einen unbedingten Anspruch auf früh-kindliche Förderung.
Artikel zu Elterliches Sorgerecht und Umgangsrecht

Annotations

(1) Eine Entscheidung, die zur Rückgabe des Kindes in einen anderen Vertragsstaat verpflichtet, wird erst mit deren Rechtskraft wirksam.

(2) Gegen eine im ersten Rechtszug ergangene Entscheidung findet die Beschwerde zum Oberlandesgericht nach Unterabschnitt 1 des Abschnitts 5 des Buches 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit statt; § 65 Abs. 2, § 68 Abs. 4 Satz 1 sowie § 69 Abs. 1 Satz 2 bis 4 jenes Gesetzes sind nicht anzuwenden. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen einzulegen und zu begründen. Die Beschwerde gegen eine Entscheidung, die zur Rückgabe des Kindes verpflichtet, steht nur dem Antragsgegner, dem Kind, soweit es das 14. Lebensjahr vollendet hat, und dem beteiligten Jugendamt zu. Eine Rechtsbeschwerde findet nicht statt.

(3) Das Beschwerdegericht hat nach Eingang der Beschwerdeschrift unverzüglich zu prüfen, ob die sofortige Wirksamkeit der angefochtenen Entscheidung über die Rückgabe des Kindes anzuordnen ist. Die sofortige Wirksamkeit soll angeordnet werden, wenn die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist oder die Rückgabe des Kindes vor der Entscheidung über die Beschwerde unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Beteiligten mit dem Wohl des Kindes zu vereinbaren ist. Die Entscheidung über die sofortige Wirksamkeit kann während des Beschwerdeverfahrens abgeändert werden.

(1) Die Beschwerde findet gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte in Angelegenheiten nach diesem Gesetz statt, sofern durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(2) Der Beurteilung des Beschwerdegerichts unterliegen auch die nicht selbständig anfechtbaren Entscheidungen, die der Endentscheidung vorausgegangen sind.

(1) Eine Entscheidung, die zur Rückgabe des Kindes in einen anderen Vertragsstaat verpflichtet, wird erst mit deren Rechtskraft wirksam.

(2) Gegen eine im ersten Rechtszug ergangene Entscheidung findet die Beschwerde zum Oberlandesgericht nach Unterabschnitt 1 des Abschnitts 5 des Buches 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit statt; § 65 Abs. 2, § 68 Abs. 4 Satz 1 sowie § 69 Abs. 1 Satz 2 bis 4 jenes Gesetzes sind nicht anzuwenden. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen einzulegen und zu begründen. Die Beschwerde gegen eine Entscheidung, die zur Rückgabe des Kindes verpflichtet, steht nur dem Antragsgegner, dem Kind, soweit es das 14. Lebensjahr vollendet hat, und dem beteiligten Jugendamt zu. Eine Rechtsbeschwerde findet nicht statt.

(3) Das Beschwerdegericht hat nach Eingang der Beschwerdeschrift unverzüglich zu prüfen, ob die sofortige Wirksamkeit der angefochtenen Entscheidung über die Rückgabe des Kindes anzuordnen ist. Die sofortige Wirksamkeit soll angeordnet werden, wenn die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist oder die Rückgabe des Kindes vor der Entscheidung über die Beschwerde unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Beteiligten mit dem Wohl des Kindes zu vereinbaren ist. Die Entscheidung über die sofortige Wirksamkeit kann während des Beschwerdeverfahrens abgeändert werden.

(1) Die Beschwerde ist, soweit gesetzlich keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Frist von einem Monat einzulegen.

(2) Die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen, wenn sie sich gegen folgende Entscheidungen richtet:

1.
Endentscheidungen im Verfahren der einstweiligen Anordnung oder
2.
Entscheidungen über Anträge auf Genehmigung eines Rechtsgeschäfts.

(3) Die Frist beginnt jeweils mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an die Beteiligten. Kann die schriftliche Bekanntgabe an einen Beteiligten nicht bewirkt werden, beginnt die Frist spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.

(1) Wird der Eintritt der Bedingung von der Partei, zu deren Nachteil er gereichen würde, wider Treu und Glauben verhindert, so gilt die Bedingung als eingetreten.

(2) Wird der Eintritt der Bedingung von der Partei, zu deren Vorteil er gereicht, wider Treu und Glauben herbeigeführt, so gilt der Eintritt als nicht erfolgt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche Bedeutung. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der von den Beschwerdeführerinnen als verletzt gerügten Rechte angezeigt. Für eine Verletzung von Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten ist nichts ersichtlich.

2

Insbesondere verstößt eine Auslegung des Art. 12 Abs. 1 des Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführungen (im Folgenden: HKÜ), derzufolge eine Verpflichtung zur persönlichen Rückführung des Kindes durch diejenige Person, die ein Kind widerrechtlich in einen Vertragsstaat gebracht oder dort zurückgehalten hat, angeordnet werden kann, nicht gegen die allgemeine Handlungsfreiheit der Beschwerdeführerin aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 20 Abs. 3 GG. In der (nicht verbindlichen) deutschen Übersetzung des Art. 12 Abs. 1 HKÜ ist von der Anordnung der "sofortige[n] Rückgabe des Kindes" die Rede. Diese Auslegung wird durch die verbindliche englische Sprachfassung des HKÜ bestätigt. Darin heißt es: "..., the authority concerned shall order the return of the child forthwith". Die verbindliche Sprachfassung legt damit eine Rückkehr des Kindes in das Ausgangsland nahe (vgl. OLG München, FamRZ 2005, S. 1002). Demnach erscheint die Auslegung durch die Fachgerichte, derzufolge das Kind ins Ausgangsland zurückzuführen ist, zumindest möglich. In jedem Fall haben die Fachgerichte aber die Grenzen der Auslegung eingehalten. Die mit dieser Auslegung verbundenen Härten für den entführenden Elternteil sind als Folge der rechtswidrigen Entführung beziehungsweise Zurückhaltung hinzunehmen (vgl. BVerfGE 99, 145 <159 f.>).

3

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

4

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.

(1) In einer Kindschaftssache, die

1.
die Übertragung oder Entziehung der elterlichen Sorge oder eines Teils der elterlichen Sorge,
2.
das Umgangsrecht einschließlich der Umgangspflegschaft,
3.
das Recht auf Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes,
4.
die Kindesherausgabe oder
5.
die Genehmigung einer Einwilligung in einen operativen Eingriff bei einem Kind mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung (§ 1631e Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs)
betrifft, beträgt der Verfahrenswert 4 000 Euro.

(2) Eine Kindschaftssache nach Absatz 1 ist auch dann als ein Gegenstand zu bewerten, wenn sie mehrere Kinder betrifft.

(3) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.

(1) Eine Entscheidung, die zur Rückgabe des Kindes in einen anderen Vertragsstaat verpflichtet, wird erst mit deren Rechtskraft wirksam.

(2) Gegen eine im ersten Rechtszug ergangene Entscheidung findet die Beschwerde zum Oberlandesgericht nach Unterabschnitt 1 des Abschnitts 5 des Buches 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit statt; § 65 Abs. 2, § 68 Abs. 4 Satz 1 sowie § 69 Abs. 1 Satz 2 bis 4 jenes Gesetzes sind nicht anzuwenden. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen einzulegen und zu begründen. Die Beschwerde gegen eine Entscheidung, die zur Rückgabe des Kindes verpflichtet, steht nur dem Antragsgegner, dem Kind, soweit es das 14. Lebensjahr vollendet hat, und dem beteiligten Jugendamt zu. Eine Rechtsbeschwerde findet nicht statt.

(3) Das Beschwerdegericht hat nach Eingang der Beschwerdeschrift unverzüglich zu prüfen, ob die sofortige Wirksamkeit der angefochtenen Entscheidung über die Rückgabe des Kindes anzuordnen ist. Die sofortige Wirksamkeit soll angeordnet werden, wenn die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist oder die Rückgabe des Kindes vor der Entscheidung über die Beschwerde unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Beteiligten mit dem Wohl des Kindes zu vereinbaren ist. Die Entscheidung über die sofortige Wirksamkeit kann während des Beschwerdeverfahrens abgeändert werden.