Insolvenzrecht: Zur Insolvenzanfechtung bei Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen

published on 27/01/2014 10:08
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Der Sozialversicherungsträger muss allein aus diesem Umstand nicht auf eine Zahlungseinstellung des Schuldners schließen.
Der BGH hat in seinem Urteil vom 07.11.2013 (Az.: IX ZR 49/13) folgendes entschieden:

Tilgt der Schuldner Sozialversicherungsbeiträge über einen Zeitraum von zehn Monaten jeweils mit einer Verspätung von drei bis vier Wochen, kann das Tatgericht zu der Würdigung gelangen, dass der Sozialversicherungsträger allein aus diesem Umstand nicht auf eine Zahlungseinstellung des Schuldners schließen musste.

Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 31. Januar 2013 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.


Tatbestand:

Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Eigenantrag vom 26. Februar 2007 über das Vermögen der A.GmbH & Co. KG am 1. Mai 2007 eröffneten Insolvenzverfahren.

Die Schuldnerin entrichtete im Zeitraum von Februar bis Dezember 2006 von ihr geschuldete Sozialversicherungsbeiträge in Höhe eines Gesamtbetrages von 15.320,91 € an die Beklagte. Die Zahlungen erfolgten einschließlich zwischenzeitlich angefallener Säumniszuschläge und Mahngebühren in einer Größenordnung von monatlich rund 1.300 € bis 2.300 €. Der Ausgleich fand, ohne dass Zahlungsrückstände verblieben, jeweils etwa drei bis vier Wochen nach Fälligkeit statt.

Der Kläger verlangt unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung Erstattung sämtlicher Zahlungen. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.


Entscheidungsgründe:

Die Revision ist nicht begründet.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, eine Deckungsanfechtung scheide für die Monate November und Dezember 2006 aus, weil nicht festgestellt werden könne, dass der Beklagten die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin positiv bekannt gewesen sei. Zwar stelle die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen ein starkes Indiz gegen eine bloße Zahlungsunwilligkeit und für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit dar. Der Kläger könne indes mangels sonstiger Beweisanzeichen einzig auf eine insgesamt zehn Monate andauernde verzögerte Zahlung der fälligen Sozialversicherungsbeiträge um regelmäßig drei bis vier Wochen abheben. Die Zahlungen seien nicht unter dem Druck der Androhung der Zwangsvollstreckung erfolgt. Die Beklagte habe keine Kenntnis vom Zahlungsverhalten der Schuldnerin gegenüber anderen Gläubigern gehabt. Die bloße Zahlungsverzögerung deute nicht zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hin, sondern lege eine bloße Zahlungsstockung nahe. Aus diesen Erwägungen greife auch eine Vorsatzanfechtung nicht durch.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung stand.

Soweit das Berufungsgericht eine Vorsatzanfechtung für die von der Schuldnerin im Zeitraum von Februar bis Oktober 2006 bewirkten Zahlungen abgelehnt hat, ist seine Würdigung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung können - weil es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt - meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Soweit dabei Rechtsbegriffe wie Zahlungsunfähigkeit betroffen sind, muss deren Kenntnis außerdem oft aus der Kenntnis von Anknüpfungstatsachen erschlossen werden. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass solche Tatsachen nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen darstellen, die eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machen und nicht schematisch im Sinne einer vom anderen Teil zu widerlegenden Vermutung angewandt werden dürfen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung hat der Tatrichter gemäß § 286 ZPO unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme zu prüfen. Dabei beschränkt sich die revisionsrechtliche Kontrolle darauf, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt.

Ein Schuldner, der zahlungsunfähig ist und seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt in aller Regel mit Benachteiligungsvorsatz, weil er weiß, dass sein Vermögen nicht ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen. Erkennt der Anfechtungsgegner die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, so ist er infolge der damit verbundenen Schlussfolgerung, dass Leistungen aus dessen Vermögen die Befriedigungsmöglichkeit anderer Gläubiger vereiteln oder zumindest erschweren und verzögern, über den Benachteiligungsvorsatz unterrichtet.

Nach diesen Maßstäben konnte das Berufungsgericht, ohne Feststellungen zur Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin und ihrem Benachteiligungsvorsatz treffen zu müssen, davon ausgehen, dass die Beklagte einen etwaigen Benachteiligungsvorsatz mangels Wissens um die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin jedenfalls nicht erkannt hatte.

Im Insolvenzanfechtungsprozess ist die Erstellung einer Liquiditätsbilanz nicht erforderlich, wenn auf andere Weise festgestellt werden kann, ob der Schuldner einen wesentlichen Teil seiner fälligen Verbindlichkeiten nicht bezahlen konnte. Hat der Schuldner seine Zahlungen eingestellt, begründet dies auch für die Insolvenzanfechtung gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit. Kennt der Gläubiger die Zahlungseinstellung, ist aufgrund dieser gesetzlichen Vermutung auch seine Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit anzunehmen. Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit steht auch im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen. Dies ist anzunehmen, wenn der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt.

Das Berufungsgericht ist, ohne dass dies revisionsrechtlich zu beanstanden ist, zu der möglichen tatrichterlichen Würdigung gelangt, dass der Beklagten aufgrund der ihr bekannten Umstände ein eindeutiges Urteil dahin, dass die Schuldnerin die Zahlungen eingestellt hatte, nicht möglich war.

Die Kenntnis der Beklagten von der Liquiditätslage der Schuldnerin beschränkte sich auf den Umstand, dass diese über eine Dauer von zehn Monaten die geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge jeweils um drei bis vier Wochen verspätet gezahlt hatte. Zwar bildet die Nichtbegleichung von Sozialversicherungsbeiträgen infolge ihrer Strafbewehrtheit ein Beweisanzeichen, das den Schluss auf eine Zahlungseinstellung gestatten kann. In Fällen einer verspäteten Zahlung wird angenommen, dass erst eine mehrmonatige Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen eine Zahlungseinstellung umfassend glaubhaft macht. Eine solche Gestaltung war vorliegend nicht gegeben, weil die Sozialversicherungsbeiträge lediglich mit einer Verzögerung von jeweils drei bis vier Wochen beglichen wurden.

Das Beweisanzeichen ist überdies auch deshalb als nicht sehr schwerwiegend zu gewichten, weil die Zahlungsrückstände angesichts von Beträgen zwischen 1.300 € und 2.300 € mit Rücksicht auf den Umfang des Geschäftsbetriebs der Schuldnerin und ihre von dem Kläger mitgeteilten Gesamtverbindlichkeiten von mehr als 390.000 € keine besonders hohen Summen erreichten. Auch wenn die Schuldnerin zur Tilgung der Rückstände eine Frist von drei bis vier Wochen benötigte und damit den für eine Kreditbeschaffung eröffneten Zeitraum überschritten hatte, konnte aus Sicht der Beklagten wegen der geringen Höhe der Verbindlichkeiten eine nur geringfügige Liquiditätslücke vorliegen. Der Beklagten musste sich, weil die Beitragsforderungen einschließlich der Säumniszuschläge und Mahngebühren vollständig erfüllt wurden, auch nicht zwingend der Schluss aufdrängen, dass Verbindlichkeiten anderer Gläubiger unbeglichen blieben. Da der Beklagten weitere auf eine Zahlungseinstellung hindeutende Beweisanzeichen nicht geläufig waren , konnte das Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung zu der Bewertung gelangen, dass sie die Zahlungsunfähigkeit und damit der Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin nicht erkannt hatte.

Eine Kenntnis der Beklagten von einer etwaigen Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin oder von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit hätten schließen lassen , ergibt sich aus dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt ebenfalls nicht. Für die Beklagte waren auch unter Berücksichtigung ihrer eigenen, verspätet beglichenen Forderungen keine tragfähigen Anhaltspunkte ersichtlich, dass sich die Schuldnerin in existenziellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand. Von den wirtschaftlichen Verhältnissen der Schuldnerin hatte sie keine Kenntnis; insbesondere wusste sie nicht, dass die Schuldnerin auch anderen Gläubigern gegenüber Schulden hatte, die nicht pünktlich beglichen wurden.

Aus den vorstehenden Erwägungen scheidet für die Monate November und Dezember 2006 eine Anfechtung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO aus. Infolge unveränderter tatsächlicher Gegebenheiten kann auch für den Folgezeitraum nicht festgestellt werden, dass die Beklagte die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zu den Zahlungszeitpunkten erkannt hat.

Da sich die angefochtene Entscheidung als zutreffend erweist, ist die Revision gemäß § 561 ZPO zurückzuweisen.

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(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Tei

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, 1. wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, we
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published on 07/11/2013 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 49/13 Verkündet am: 7. November 2013 Kluckow Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja InsO § 130 Abs. 1
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21/11/2023 15:12

Die BGH-Rechtsprechung zur Vorsatzanfechtung hat sich geändert. Das Urteil vom 6. Mai 2021 (IX ZR 72/20) erhöhte die Anforderungen an den Vorsatz des Schuldners für eine Gläubigerbenachteiligung. Kenntnis einer bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit ist nur noch ein Indiz, abhängig von Tiefe und Dauer der Zahlungsunfähigkeit. Drohende Zahlungsunfähigkeit reicht allein nicht mehr aus, es bedarf weiterer Indizien. Das Urteil vom 10. Februar 2022 erhöhte die Beweislast zu Gunsten der Anfechtungsgegner. Die Urteile vom 3. März 2022 betonen die Bedeutung der insolvenzrechtlichen Überschuldung und weiterer Indizien für den Vorsatz. 
21/11/2023 11:54

Die Rechtsprechung verschärft die Haftungsregeln für Berater, einschließlich Rechtsanwälte, hauptsächlich im Zusammenhang mit unterlassenen Warnungen vor Insolvenzgründen. Dies betrifft auch faktische Geschäftsleiter, die in den Schutzbereich des Mandatsvertrags einbezogen werden können. Berater müssen Geschäftsführer auf mögliche Insolvenzgründe hinweisen, wenn sie in Krisensituationen mandatiert werden. Die Haftung kann eingeschränkt werden, aber nur unter bestimmten Bedingungen. Diese Entwicklungen betonen die steigenden Anforderungen an Berater und die Bedeutung der Kenntnis aktueller rechtlicher Vorgaben und Urteile, um Haftungsrisiken zu minimieren und Mandanten bestmöglich zu schützen.
13/01/2021 17:26

Das Parlament hat am 14. Oktober 2020 einen Regierungsentwurf veröffentlicht.  Am 01. Januar 2020 soll das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SansInsFog) in Kraft treten. Es beinhaltet insgesamt 25 Artikel. Einen wichtige
08/09/2010 14:28

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Artikel zu Insolvenzrecht

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 49/13
Verkündet am:
7. November 2013
Kluckow
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Tilgt der Schuldner Sozialversicherungsbeiträge über einen Zeitraum von zehn Monaten
jeweils mit einer Verspätung von drei bis vier Wochen, kann das Tatgericht zu
der Würdigung gelangen, dass der Sozialversicherungsträger allein aus diesem Umstand
nicht auf eine Zahlungseinstellung des Schuldners schließen musste.
BGH, Urteil vom 7. November 2013 - IX ZR 49/13 - OLG Koblenz
LG Koblenz
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. November 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die
Richter Prof. Dr. Gehrlein und Vill, die Richterin Lohmann und den Richter
Dr. Fischer

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 31. Januar 2013 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Eigenantrag vom 26. Februar 2007 über das Vermögen der A. GmbH & Co. KG (nachfolgend: Schuldnerin) am 1. Mai 2007 eröffneten Insolvenzverfahren.
2
Die Schuldnerin entrichtete im Zeitraum von Februar bis Dezember 2006 von ihr geschuldete Sozialversicherungsbeiträge in Höhe eines Gesamtbetrages von 15.320,91 € an die Beklagte. Die Zahlungen erfolgten einschließlich zwischenzeitlich angefallener Säumniszuschläge und Mahngebühren in einer Größenordnung von monatlich rund 1.300 € bis 2.300 €. Der Ausgleich fand, ohne dass Zahlungsrückstände verblieben, jeweils etwa drei bis vier Wochen nach Fälligkeit statt.

3
Der Kläger verlangt unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung Erstattung sämtlicher Zahlungen. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:


4
Die Revision ist nicht begründet.

I.


5
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, eine Deckungsanfechtung (§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO) scheide für die Monate November und Dezember 2006 aus, weil nicht festgestellt werden könne, dass der Beklagten die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin positiv bekannt gewesen sei. Zwar stelle die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen ein starkes Indiz gegen eine bloße Zahlungsunwilligkeit und für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit dar. Der Kläger könne indes mangels sonstiger Beweisanzeichen einzig auf eine insgesamt zehn Monate andauernde verzögerte Zahlung der fälligen Sozialversicherungsbeiträge um regelmäßig drei bis vier Wochen abheben. Die Zahlungen seien nicht unter dem Druck der Androhung der Zwangsvollstreckung erfolgt. Die Beklagte habe keine Kenntnis vom Zahlungsverhalten der Schuldnerin gegenüber anderen Gläubigern gehabt. Die bloße Zahlungsverzögerung deute nicht zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hin, sondern lege eine bloße Zahlungsstockung nahe. Aus diesen Erwägungen greife auch eine Vorsatzanfechtung (§ 133 Abs. 1 InsO) nicht durch.

II.


6
Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung stand.
7
1. Soweit das Berufungsgericht eine Vorsatzanfechtung (§ 133 Abs. 1 InsO) für die von der Schuldnerin im Zeitraum von Februar bis Oktober 2006 bewirkten Zahlungen abgelehnt hat, ist seine Würdigung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
8
a) Die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung können - weil es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt - meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Soweit dabei Rechtsbegriffe wie Zahlungsunfähigkeit betroffen sind, muss deren Kenntnis außerdem oft aus der Kenntnis von Anknüpfungstatsachen erschlossen werden. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass solche Tatsachen nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen darstellen, die eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machen und nicht schematisch im Sinne einer vom anderen Teil zu widerlegenden Vermutung angewandt werden dürfen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung hat der Tatrichter gemäß § 286 ZPO unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme zu prüfen (BGH, Urteil vom 13. August 2009 - IX ZR 159/06, WM 2009, 1943 Rn. 8; vom 1. Juli 2010 - IX ZR 70/08, WM 2010, 1756 Rn. 9; vom 26. April 2012 - IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 Rn. 20; vom 10. Januar 2013 - IX ZR 28/12, NZI 2013, 253 Rn. 27). Dabei beschränkt sich die revisionsrechtliche Kontrolle darauf, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urteil vom 16. April 2013 - VI ZR 44/12, VersR 2013, 1045 Rn. 13).
9
b) Ein Schuldner, der zahlungsunfähig ist und seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt in aller Regel mit Benachteiligungsvorsatz, weil er weiß, dass sein Vermögen nicht ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen (BGH, Urteil vom 26. April 2012, aaO Rn. 17). Erkennt der Anfechtungsgegner die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, so ist er infolge der damit verbundenen Schlussfolgerung, dass Leistungen aus dessen Vermögen die Befriedigungsmöglichkeit anderer Gläubiger vereiteln oder zumindest erschweren und verzögern , über den Benachteiligungsvorsatz unterrichtet (BGH, aaO Rn. 20).
10
c) Nach diesen Maßstäben konnte das Berufungsgericht, ohne Feststellungen zur Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin und ihrem Benachteiligungsvorsatz treffen zu müssen, davon ausgehen, dass die Beklagte einen etwaigen Benachteiligungsvorsatz mangels Wissens um die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin jedenfalls nicht erkannt hatte.
11
aa) Im Insolvenzanfechtungsprozess ist die Erstellung einer Liquiditätsbilanz nicht erforderlich, wenn auf andere Weise festgestellt werden kann, ob der Schuldner einen wesentlichen Teil seiner fälligen Verbindlichkeiten nicht bezahlen konnte. Hat der Schuldner seine Zahlungen eingestellt, begründet dies auch für die Insolvenzanfechtung gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 - IX ZR 3/12, WM 2013, 174 Rn. 20). Kennt der Gläubiger die Zahlungseinstellung , ist aufgrund dieser gesetzlichen Vermutung auch seine Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit anzunehmen. Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit steht auch im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO (BGH, Urteil vom 8. Oktober 2009 - IX ZR 173/07, WM 2009, 2229 Rn. 10) die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen (§ 130 Abs. 2 InsO). Dies ist anzunehmen, wenn der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt (BGH, Urteil vom 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08, BGHZ 180, 63 Rn. 13).
12
bb) Das Berufungsgericht ist, ohne dass dies revisionsrechtlich zu beanstanden ist, zu der möglichen tatrichterlichen Würdigung gelangt, dass der Beklagten aufgrund der ihr bekannten Umstände ein eindeutiges Urteil dahin, dass die Schuldnerin die Zahlungen eingestellt hatte, nicht möglich war (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 2009 - IX ZR 201/08, WM 2009, 2322 Rn. 13).
13
(1) Die Kenntnis der Beklagten von der Liquiditätslage der Schuldnerin beschränkte sich auf den Umstand, dass diese über eine Dauer von zehn Monaten die geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge jeweils um drei bis vier Wochen verspätet gezahlt hatte. Zwar bildet die Nichtbegleichung von Sozialversicherungsbeiträgen infolge ihrer Strafbewehrtheit (§ 266a StGB) ein Beweisanzeichen , das den Schluss auf eine Zahlungseinstellung gestatten kann (BGH, Urteil vom 30. Juni 2011 - IX ZR 134/10, WM 2011, 1429 Rn. 15 mwN; vom 25. Oktober 2012 - IX ZR 117/11, WM 2012, 2251 Rn. 30). In Fällen einer verspäteten Zahlung wird angenommen, dass erst eine mehrmonatige Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen eine Zahlungseinstellung umfassend glaubhaft macht (BGH, Urteil vom 20. November 2001 - IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178, 187; vom 10. Juli 2003 - IX ZR 89/02, WM 2003, 1776, 1778; vom 13. Juni 2006 - IX ZB 238/05, WM 2006, 1631 Rn. 6; Beschluss vom 24. April 2008 - II ZR 51/07, ZInsO 2008, 1019 Rn. 2). Eine solche Gestaltung war vorliegend nicht gegeben, weil die Sozialversicherungsbeiträge lediglich mit einer Verzögerung von jeweils drei bis vier Wochen beglichen wurden.
14
(2) Das Beweisanzeichen ist überdies auch deshalb als nicht sehr schwerwiegend zu gewichten, weil die Zahlungsrückstände angesichts von Beträgen zwischen 1.300 € und 2.300 € mit Rücksicht auf den Umfang des Geschäftsbetriebs der Schuldnerin und ihre von dem Kläger mitgeteilten Gesamt- verbindlichkeiten von mehr als 390.000 € keine besonders hohen Summen er- reichten. Auch wenn die Schuldnerin zur Tilgung der Rückstände eine Frist von drei bis vier Wochen benötigte und damit den für eine Kreditbeschaffung eröffneten Zeitraum überschritten hatte, konnte aus Sicht der Beklagten wegen der geringen Höhe der Verbindlichkeiten eine nur geringfügige Liquiditätslücke vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 20. November 2001, aaO S. 187; vom 24. Mai 2005 - IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134, 142; vom 11. Februar 2010 - IX ZR 104/07, WM 2010, 711 Rn. 43; vom 30. Juni 2011 - IX ZR 134/10, WM 2011, 1429 Rn. 12; vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/09, WM 2012, 1401 Rn. 32). Der Beklagten musste sich, weil die Beitragsforderungen einschließlich der Säumniszuschläge und Mahngebühren vollständig erfüllt wurden, auch nicht zwingend der Schluss aufdrängen, dass Verbindlichkeiten anderer Gläubiger unbeglichen blieben. Da der Beklagten weitere auf eine Zahlungseinstellung hindeutende Beweisanzeichen nicht geläufig waren (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 2011, aaO Rn. 18), konnte das Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung zu der Bewertung gelangen, dass sie die Zahlungsunfähigkeit und damit der Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin nicht erkannt hatte.
15
(3) Eine Kenntnis der Beklagten von einer etwaigen (drohenden) Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin oder von Umständen, die zwingend auf die (drohende) Zahlungsunfähigkeit hätten schließen lassen (§ 130 Abs. 2, § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO), ergibt sich aus dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt ebenfalls nicht. Für die Beklagte waren auch unter Berücksichtigung ihrer eigenen, verspätet beglichenen Forderungen keine tragfähigen Anhaltspunkte ersichtlich, dass sich die Schuldnerin in existenziellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand. Von den wirtschaftlichen Verhältnissen der Schuldnerin hatte sie keine Kenntnis; insbesondere wusste sie nicht, dass die Schuldnerin auch anderen Gläubigern gegenüber Schulden hatte, die nicht pünktlich beglichen wurden (vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 2013 - IX ZR 113/10, WM 2013, 1361 Rn. 10).
16
2. Aus den vorstehenden Erwägungen scheidet für die Monate November und Dezember 2006 eine Anfechtung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO aus. Infolge unveränderter tatsächlicher Gegebenheiten kann auch für den Folgezeitraum nicht festgestellt werden, dass die Beklagte die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zu den Zahlungszeitpunkten erkannt hat (§ 130 Abs. 2 InsO).

III.


17
Da sich die angefochtene Entscheidung als zutreffend erweist, ist die Revision gemäß § 561 ZPO zurückzuweisen.
Kayser Gehrlein Vill
Lohmann Fischer
Vorinstanzen:
LG Koblenz, Entscheidung vom 19.03.2012 - 4 O 185/11 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 31.01.2013 - 1 U 430/12 -

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Allgemeiner Eröffnungsgrund ist die Zahlungsunfähigkeit.

(2) Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.

(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.

(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat,

1.
wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte oder
2.
wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.
Dies gilt nicht, soweit die Rechtshandlung auf einer Sicherungsvereinbarung beruht, die die Verpflichtung enthält, eine Finanzsicherheit, eine andere oder eine zusätzliche Finanzsicherheit im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes zu bestellen, um das in der Sicherungsvereinbarung festgelegte Verhältnis zwischen dem Wert der gesicherten Verbindlichkeiten und dem Wert der geleisteten Sicherheiten wiederherzustellen (Margensicherheit).

(2) Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen.

(3) Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.

Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.