Gesellschaftsrecht: Haftung von Scheinsozietäten – Jeder zahlt für jeden
Das Konzept der „Scheinsozietät“ ist gerade beim Zusammenschluss mehrerer Rechtsanwälte ein häufig auftretendes Konstrukt, zu welchem es mittlerweile gefestigte Rechtsprechung im Bereich der Haftung gibt.
Gerade in Zeiten, in denen immer mehr Wert auf einen vertrauensvollen Internetauftritt von Anwälten bei der Mandantenakquise gelegt wird, sind die zu dieser rechtlichen Konstruktion durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätze von aktueller Bedeutung.
Eine solche Scheinsozietät ist jedoch im Gegenteil zur (echten) Sozietät aufgrund des Fehlens eines Gesellschaftsvertrags rechtlich nicht existent. Sie kommt daher als Anspruchsgegnerin unter keinen Umständen in Betracht (OLG Brandenburg – 25.11.2014 – 3 U 26/13). Dennoch droht den sog. Scheinsozien eines solchen Zusammenschluss eine weitreichende Haftung im Falle mandatsbezogener Pflichtverletzungen.
I. Vorliegen einer Scheinsozietät
Schließen sich mehrere Rechtsanwälte, zwischen denen keine Sozietät im eigentlichen Sinne besteht, nach außen hin dem Anschein nach zu einer Sozietät zusammen, so liegt nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung eine sogenannte „Scheinsozietät“ vor.
Werden etwa freie Mitarbeiter einer Bürogemeinschaft nach außen hin als Gesellschafter ausgewiesen, haben die Rechtsanwälte nach den Grundsätzen der Duldungs- und Anscheinsvollmacht für den auf diese Weise gesetzten Rechtsschein als Scheinsozietät zu haften (OLG Hamm – 02.03.2006 – 28 U 135/05).
Ein solcher Anschein wird insbesondere durch das Auftreten unter einem gemeinsamen Kanzleischild, durch die Verwendung gemeinsamer Briefbögen, Stempel usw. begründet.
In der heutigen Zeit dürfte aber auch der Internetauftritt, die Bezeichnung der am Zusammenschluss Beteiligten auf der Website der Kanzlei bzw. die Erreichbarkeit unter einem vereinheitlichten E-Mail-Adresszusatz für die Charakterisierung einer Scheinsozietät von Bedeutung sein.
II. Haftung von Scheinsozien
1. Begründung der Haftung
Eine Haftung der Scheinsozien wird durch die Grundsätze der Anscheins- und Duldungsvollmacht begründet.
Die Voraussetzungen des Bestehens einer Duldungsvollmacht sind in diesem Fall:
- 1. Setzen eines Rechtsscheins: Scheinsozius tritt wiederholt im Namen der Sozietät/ Scheinsozietät auf
- 2. Zurechenbarkeit des Rechtsscheins: andere Scheinsozien wissen davon und dulden es (bzw. unternehmen trotz tatsächlicher Möglichkeit nichts dagegen)
- 3. Schutzwürdigkeit des dem Rechtsschein Unterliegenden: (potentieller) Mandant ist gutgläubig bezüglich der Vertretungsbefugnis bzw. Zugehörigkeit zu einer Sozietät
- 4. Kausalität
Die Voraussetzungen einer Anscheinsvollmacht sind dagegen:
- 1. Setzen eines Rechtsscheins: wiederholtes Auftreten des Scheinsozius gegenüber dem Mandanten
- 2. Zurechenbarkeit des Rechtsscheins: Vertretene bzw. andere (Schein-)Sozien hätten bei Anwendung verkehrsgemäßer Sorgfalt das Vertreterhandeln des Scheinsozius erkennen und verhindern können (tatsächlich Möglichkeit der Verhinderung)
- 3. Schutzwürdigkeit des dem Rechtsschein Unterliegenden: Vertragspartner bzw. Mandant durfte nach Treu und Glauben annehmen, dass die (Schein-)Sozietät das Handeln seines Scheinsozius duldete und billigte (insb. Gutgläubigkeit hinsichtlich der Vertretungsmacht)
- 4. Kausalität
Eine solche Haftung erstreckt sich jedoch nur auf Rechtsgeschäfte der Scheinsozien im Rahmen eines Mandatsverhältnisses (BGH – 16.04.2008 – VIII ZR 230/07). Nimmt ein Scheinsozius sonstige – vom Mandatsverhältnis völlig unabhängige – Geschäfte im Namen der Sozietät vor, so finden hierauf die Grundsätze der Duldungs- und Anscheinsvollmacht keine Anwendung.
Die Haftung eines in die Scheinsozietät eintretenden Rechtsanwalts begründet sich in dem Moment, in dem der Rechtsschein gesetzt bzw. die Verbindung zur Sozietät dem Mandanten gegenüber angezeigt ist. So hat das OLG Celle (12.09.2007 – 3 U 44/07) beispielsweise in einem Fall entschieden, in dem sich ein Einzelanwalt mit einem anderen Rechtsanwalt während eines laufenden Mandats zu einer Scheinsozietät zusammengeschlossen hatten. In dem Moment, zu dem diese Verbindung dem Mandanten angezeigt wurde, wurde der sich dem Rechtsanwalt Anschließende weiterer Vertragspartner des Anwaltsvertrags und trat so auch einer hierdurch begründeten Haftungsgemeinschaft bei. Einer gesonderten Annahmeerklärung durch den Mandanten bedurfte es nicht.
2. Rechtliche Ausgestaltung
Sozien als auch Scheinsozien haften für Sozietätsverbindlichkeiten analog § 128 HGB. Gegenüber dem Mandanten werden also auch ohne gesellschaftsrechtliche Verbundenheit alle gemeinschaftlich nach außen Auftretenden gesamtschuldnerisch als Haftungsschuldner verpflichtet. Der Mandatsvertrag kommt also nach den Rechtsscheingrundsätzen mit allen Sozien und Scheinsozien zustande (BGH 21.07.2011 – IV ZR 43/10).
Auch für das deliktische Handeln eines Scheinsozius haftet die Rechtsanwaltssozietät. Eine solche Haftung ergibt sich aus entsprechender Anwendung des § 31 BGB – die einzelnen Sozien haben hierfür ebenfalls mit ihrem Privatvermögen einzustehen (BGH – 03.05.2007 – IX ZR 218/05).
III. Vermeiden einer Haftung
Ein freier Mitarbeiter einer anwaltlichen Bürogemeinschaft haftet somit für vertragliche Pflichtverletzungen eines anderen freien Mitarbeiters mit seinem persönlichen Vermögen, wenn er den Rechtsschein setzt, anwaltliches Mitglied der Scheinsozietät zu sein und gegen den gesetzten Rechtsschein nicht pflichtgemäß vorgeht (OLG Hamm – 28.09.2010 – 28 U 238/09).
Aber wie kann man gegen einen solchen Rechtsschein in der Praxis vorgehen, um eine solch weitreichende Haftung im Einzelfall zu vermeiden?
Zweck der weitreichenden Haftung ist es, den Mandaten zu schützen, der im Zweifel einen echten Sozius nicht von einem Scheinsozius bei einem Zusammenschluss mehrerer Rechtsanwälte unterscheiden können wird.
Um diesen Schutzgedanken letztendlich aus zu hebeln und einer Haftung insoweit zu entgehen, muss dem Mandanten also möglichst eindeutig vor Augen geführt werden, dass es sich bei dem Zusammenschluss lediglich um eine Bürogemeinschaft ohne haftungsrechtliche Verbindung handelt.
Laut BGH hat der Verkehr die berechtigte Erwartung, dass sich die unter einer einheitlichen Kurzbezeichnung auftretenden Berufsträger (Rechtsanwälte) unter Aufgabe ihrer beruflichen und unternehmerischen Selbständigkeit zu gemeinschaftlicher Berufsausübung in einer haftungsrechtlichen Einheit verbunden haben (BGH – 06.11.2013 – I ZR 147/12). Eine Bürogemeinschaft oder Kooperation unternehmerisch eigenständiger Berufsträger wird der Verkehr laut Gericht nur bei „hinreichend deutlichen Hinweisen“ erkennen.
Um ganz sicher zu gehen, sollte also sowohl im Rahmen des Internetauftritts, als auch auf entsprechend zur Verfügung stehenden Visitenkarten, Klingelschildern und vereinheitlichen Mail-Zusätzen darauf geachtet werden, dass zur Vermeidung der Haftung als Scheinsozius eine Bezeichnung „in haftungsunabhängiger Kooperation“ oder Ähnliches deutlich erkennbar für den Rechtsverkehr hinzugefügt wird.
Haben Sie Fragen zum Thema Gesellschaftsrecht? Nehmen Sie Kontakt zu Rechtsanwalt Dirk Streifler auf und lassen Sie sich fachkundig beraten.
[T.S.]
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BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin vertreibt und repariert Computeranlagen. Die Beklagte war als Rechtsanwältin in der ehemaligen Rechtsanwaltskanzlei S. angestellt, die ihre EDV-Ausstattung von der Klägerin erwarb. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Bezahlung zweier Rechnungen vom 24. Dezember 2002 in Höhe von 1.780 € Restkaufpreis für eine an die Kanzlei gelieferte PCAnlage sowie von 877,10 € Reparaturkosten für einen Server nebst Zinsen und vorgerichtlichen Mahnkosten in Anspruch. Lieferung und Rechnungsstellung erfolgten an die Rechtsanwaltskanzlei S. . Die Beklagte wurde auf dem Briefkopf der Kanzlei ohne haftungseinschränkenden Zusatz wie eine Sozia (Gesellschafterin der Anwaltssozietät) geführt. Von diesem Briefkopf hatte einer der Geschäftsführer der Klägerin Kenntnis, weil er in einem Rechtsstreit von der Rechtsanwaltskanzlei vertreten wurde.
- 2
- Das Amtsgericht hat der Klage auf Zahlung von 2.667,10 € nebst Zinsen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
- 3
- Die Revision hat keinen Erfolg; sie ist trotz der Säumnis der Beklagten durch kontradiktorisches Urteil zurückzuweisen (BGH, Urteil vom 14. Juli 1967 - V ZR 112/64, NJW 1967, 2162).
I.
- 4
- Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
- 5
- Der Klägerin stehe weder nach § 433 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 128 HGB analog ein Anspruch auf Zahlung des restlichen Kaufpreises noch gemäß §§ 631, 632 BGB in Verbindung mit § 128 HGB analog ein Anspruch auf Zahlung restlichen Werklohns zu.
- 6
- Nicht die Beklagte, sondern die Sozietät als Gesellschaft bürgerlichen Rechts sei Vertragspartnerin der Klägerin geworden. Die Beklagte, die unstreitig keine Gesellschafterin der Anwaltssozietät gewesen sei, hafte auch nicht nach Rechtsscheingrundsätzen.
- 7
- Von den im Briefkopf der Schriftsätze einer Kanzlei aufgeführten Rechtsanwälten könne nicht ohne weiteres angenommen werden, dass sie Vertrags- partner bei Rechtsgeschäften würden, die andere Gegenstände als Anwaltsverträge mit Mandanten beträfen. Hier sei es nicht um einen Anwaltsvertrag gegangen , sondern lediglich um Rechtsgeschäfte, die die Büroeinrichtung beträfen. Unstreitig sei im Rahmen der streitgegenständlichen Vertragsverhandlungen nicht Papier mit dem Briefkopf der Kanzlei verwendet worden. Weder die Stellung der Beklagten als Ansprechpartnerin für PC-Angelegenheiten in der Kanzlei noch ihr Erscheinen im Geschäftslokal der Klägerin nach Vertragsschluss und die Übergabe eines Schecks über 500 € zur Begleichung der offenen Kaufpreisforderung für den PC unter Zusage weiterer Zahlungen ließen Rückschlüsse auf einen bei Vertragsschluss gesetzten Rechtsschein einer Gesellschafterstellung der Beklagten zu.
II.
- 8
- Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Der Klägerin steht kein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zu. Die Beklagte ist weder Vertragspartnerin der Klägerin geworden, noch haftet sie als "Scheinsozia" nach den Grundsätzen der Duldungs- und Anscheinsvollmacht (BGHZ 70, 247, 249).
- 9
- 1. Zutreffend - und von der Revision unangegriffen - hat das Berufungsgericht festgestellt, dass aus den die PC-Anlage betreffenden Verträgen die Sozietät, bei der die Beklagte damals als angestellte Rechtsanwältin tätig war, verpflichtet werden sollte und verpflichtet wurde.
- 10
- 2. Die Beklagte haftet aus den mit der Anwaltssozietät S. geschlossenen Verträgen entgegen der Ansicht der Revision auch nicht nach den vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen der Scheinsozietät. Diese betreffen den Fall, dass mehrere Rechtsanwälte, zwischen denen keine Sozietät, sondern nur ein Anstellungsverhältnis besteht, nach außen hin durch gemeinsame Briefbögen, Stempel usw. den Anschein einer Sozietät erwecken und dadurch gegenüber dem Rechtsverkehr den Anschein erzeugen, dass der einzelne handelnde Rechtsanwalt sie sämtlich vertritt. An diesem von ihnen gesetzten Rechtsschein müssen sich deshalb alle Rechtsanwälte festhalten lassen. Dies ergibt sich aus den von der Rechtsprechung herausgebildeten Grundsätzen zur sogenannten Duldungs- und Anscheinsvollmacht (BGHZ 70, 247, 249). Die Rechtsfigur der Scheinsozietät dient indessen allein dazu, im Interesse der Mandantschaft um deren Vertrauensschutzes willen unter Haftungsgesichtspunkten auf den erweckten Anschein abzustellen (BGH, Urteil vom 12. Oktober 2000 - WpSt (R) 1/00, NJW 2001, 165, unter II 1 b). Fehler eines Scheinsozius bei der Bearbeitung eines Mandats werden als solche der Sozietät behandelt (BGH, Urteil vom 3. Mai 2007 - IX ZR 218/05, NJW 2007, 2490, Tz. 20). Die Haftung eines Mitglieds einer Scheinsozietät setzt ein Mandatsverhältnis und damit eine anwaltstypische Tätigkeit voraus. Eine anwaltstypische Tätigkeit liegt jedoch dann nicht vor, wenn keine rechtsberatende oder rechtsvertretende Tätigkeit damit verbunden ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 1999 - IX ZR 338/97, NJW 1999, 3040, unter I 3 b aa; OLG Celle, NJW 2006, 3431, 3433; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 164 Rdnr. 6). So ist es hier. Der Kauf einer PC-Anlage und deren Reparatur stellen, auch wenn sie für ein Anwaltsbüro erfolgen, keine anwaltstypischen Tätigkeiten dar.
- 11
- 3. Nach den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts sind auch im Übrigen - außerhalb einer Mandatsbeziehung zur Klägerin - keine Anhaltspunkte für eine Rechtsscheinhaftung der Beklagten für den von der Rechtsanwaltssozietät S. zu zahlenden Restkaufpreis und Werklohn ersichtlich. Übergangenen Sachvortrag hierzu zeigt die Revision nicht auf. Ball Dr. Wolst Hermanns Dr. Milger Dr. Hessel
AG Merzig, Entscheidung vom 28.04.2006 - 23 C 75/06 -
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 10.07.2007 - 2 S 114/06 -
Die Gesellschafter haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber unwirksam.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 7. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Versicherungsleistungen aus einem Berufshaftpflichtversicherungsvertrag in Anspruch.
- 2
- Sie war von August 2000 bis Juli 2005 als angestellte Rechtsanwältin in einer Sozietät tätig, trat nach außen auf dem Briefpapier und in Anzeigen aber als Gesellschafterin auf und wurde von einer ehemaligen Mandantin der Sozietät auf Schadensersatz in Höhe von 104.235,86 € wegen Veruntreuung von Geldern durch die beiden Sozien in Anspruch genommen.
- 3
- Dem Versicherungsvertrag mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden -Haftpflichtversicherung von Rechtsanwälten und Patentanwälten - AVB-A - zugrunde. Diese lauten auszugsweise: "§ 4 Ausschlüsse Der Versicherungsschutz bezieht sich nicht auf Haftpflichtansprüche … 3. wegen Schäden durch Veruntreuung durch Personal, Sozien oder Angehörige des Versicherungsnehmers; … 5. wegen Schadenverursachung durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Auftraggebers oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung. Der Versicherungsnehmer behält, wenn dieser Ausschlussgrund nicht in seiner Person und auch nicht in der Person eines Sozius vorliegt - unbeschadet der Bestimmungen des § 7 IV 2 - den Anspruch auf Versicherungsschutz.
- 4
- Das Landgericht hat die im Wesentlichen auf Feststellung von Deckungsschutz gerichtete Klage abgewiesen; das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Klägerin das Urteil aufgehoben und der Klage stattgegeben. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Revision.
Entscheidungsgründe:
- 5
- Die Revision hat Erfolg.
- 6
- I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, dass der in den Versicherungsbedingungen der Beklagten vorgesehene Ausschluss des Versicherungsschutzes wegen Schäden aus Veruntreuungen durch Sozien nicht eingreife. Denn die Klauseln in § 12 I Nr. 1 AVB-A, wonach auch Berufsangehörige , die nach außen als (Schein-)Gesellschafter auftreten, als Sozien gelten, und in § 12 III AVB-A, der zufolge ein Ausschlussgrund nach § 4 AVB-A in der Person eines Sozius zu Lasten aller Sozien wirke, seien nicht Vertragsbestandteil geworden und unwirksam. § 12 I Nr. 1 AVB-A sei als überraschende Klausel (§ 305c Abs. 1 BGB) "unwirksam", weil sie im Text geradezu versteckt sei. Hilfsweise ergebe sich die Unwirksamkeit von § 12 I Nr. 1 i.V.m. § 12 III AVB-A daraus, dass die Klauseln inhaltlich unangemessen seien, weil sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen werde, nicht zu vereinbaren seien und auch wesentliche Rechte und Pflichten einschränkten , die sich aus der Natur des Vertrages ergäben. Der Vertragszweck sei gefährdet, weil der Risikoausschluss durch Erstreckung auf Scheinsozien über das nach § 51 Abs. 3 Nr. 5 BRAO zulässige Maß hinaus ausgeweitet werde, so dass der gesetzlich vorgeschriebene Versi- cherungsschutz nicht mehr im vollen Umfang gewährleistet sei (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB).
- 7
- II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 8
- Die Ansicht des Berufungsgerichts, § 12 I Nr. 1 und § 12 III AVB-A seien nach § 305c Abs. 1 BGB als überraschende Klauseln wegen der Gleichstellung von Scheinsozien mit Sozien unter der Überschrift "Sozien" nicht Vertragsbestandteil geworden, hilfsweise seien sie nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB unwirksam, ist rechtsfehlerhaft.
- 9
- 1. Die Anwendung der Klauseln scheitert entgegen der Auffassung der Revision nicht bereits daran, dass die Klägerin und ihre Kollegen jeweils eigenständige Versicherungsverträge mit der Beklagten abgeschlossen haben.
- 10
- Vielmehr setzt die Sozienklausel nach ihrem dem Versicherungsnehmer erkennbaren Regelungszusammenhang den Abschluss eigenständiger Versicherungsverträge gerade voraus. Sie erfasst solche Deckungskonzepte , bei denen mehrere Berufsträger, die ihren Beruf gemeinschaftlich ausüben, separat versichert sind. Hingegen hat die Sozienklausel keine Bedeutung, wenn die Sozietät selbst Versicherungsnehmerin ist. Wenn eine Sozietät für sich eine Berufshaftpflichtversicherung abschließt, sind die in ihr tätigen Berufsträger in diese einbezogen (Diller , Die Berufshaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte § 12 Rn. 4). Demgemäß werden Umstände, die aufgrund des Verhaltens eines Sozietätsmitglieds einen Haftungsausschluss begründen, der Sozietät zugerechnet , ohne dass es eines Rückgriffs auf § 12 III AVB-A bedürfte.
- 11
- 2. Der in § 12 I Nr. 1 i.V.m. § 12 III AVB-A festgelegte Leistungsausschluss für Scheinsozien hält einer Bedingungskontrolle stand. Die Klauseln sind Vertragsbestandteil geworden und wirksam.
- 12
- a) Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann (Senatsurteile vom 17. Dezember 2008 - IV ZR 9/08, VersR 2009, 341 Rn. 16 m.w.N.; vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85). Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an, die unter anderem dahin gehen, Risikoausschlussklauseln eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert (vgl. Senatsurteil vom 17. Dezember 2008 aaO Rn. 17 m.w.N.).
- 13
- b) Das bedeutet hier:
- 14
- In § 1 AVB-A verspricht die Beklagte Versicherungsschutz für den Fall, dass der Versicherungsnehmer wegen eines bei der Ausübung beruflicher Tätigkeit - von ihm selbst oder einer Person, für die er einzutreten hat - begangenen Verstoßes von einem anderen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts für einen Vermögensschaden verantwortlich gemacht wird. Bei Durchsicht des in § 4 AVB-A enthaltenen Katalogs der "Ausschlüsse" erfährt der Versicherungsnehmer jedoch, dass sich die allgemeine Leistungszusage nicht auf die dort näher umschriebenen Haftpflichtansprüche bezieht und insbe- sondere Schäden durch Veruntreuung durch Personal, Sozien oder Angehörige des Versicherungsnehmers ausnehmen soll. Bei weiterer Kenntnisnahme der Klauseln wird der Versicherungsnehmer unter § 12 AVB-A ("Sozien") in I Nr. 1 feststellen, dass als Sozien die Berufsangehörigen gelten, die ihren Beruf nach außen hin gemeinschaftlich ausüben , ohne Rücksicht darauf, ob sie durch Gesellschaftsvertrag oder einen anderen Vertrag verbunden sind. Bereits dadurch ist verdeutlicht, dass die Ausschlussgründe in § 4 AVB-A auf alle Sozien - und zwar auch auf Scheinsozien - Anwendung finden sollen. § 12 III AVB-A hebt nur nochmals hervor, dass ein Ausschlussgrund, der in der Person eines Sozius vorliegt, nach § 4 AVB-A zu Lasten aller Sozien, wie sie in § 12 I Nr. 1 AVB-A bestimmt werden, geht.
- 15
- 3. In dieser Auslegung, die Scheinsozien in den Anwendungsbereich einbezieht, handelt es sich bei § 12 I Nr. 1 i.V.m. III AVB-A nicht um eine überraschende Klausel i.S. von § 305c Abs. 1 BGB.
- 16
- a) Überraschend ist eine Klausel nur, wenn sie eine Regelung enthält , die von den Erwartungen des typischerweise damit konfrontierten Versicherungsnehmers - hier eines Rechts- oder Patentanwalts - in einer Art und Weise deutlich abweicht, mit der er nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht (st. Rspr.; Senatsurteil vom 30. September 2009 - IV ZR 47/09, VersR 2009, 1622 Rn. 13). Es muss sich um eine objektiv ungewöhnliche Klausel handeln, was nach den Gesamtumständen zu beurteilen ist. Als zweite Voraussetzung muss hinzukommen , dass der andere Teil mit der Klausel "nicht zu rechnen braucht". Dies kann auch dann der Fall sein, wenn sie im Vertragstext falsch eingeordnet und dadurch geradezu "versteckt" wird. Dabei kommt es allerdings nicht darauf an, an welcher Stelle sich die Klausel im Be- dingungswerk befindet (BGH, Urteil vom 21. Juli 2010 - XII ZR 189/08, NJW 2010, 3152 Rn. 27).
- 17
- b) Danach ist § 12 I Nr. 1 i.V.m. III AVB-A angesichts seines gegenüber § 4 Nr. 3 AVB-A lediglich klarstellenden Inhalts nicht überraschend. Von einem Rechtsanwalt ist zu erwarten, dass er die Ausschlusstatbestände des § 4 AVB-A zur Kenntnis nimmt und sodann den nachfolgenden Klauseln hinreichende Beachtung schenkt. Das gilt auch für die ausdrücklich mit "Sozien" überschriebene Klausel in § 12 AVB-A. Für einen Rechtsanwalt, der - wie die Klägerin - im Innenverhältnis als Angestellter tätig ist, im Außenverhältnis aber als Sozius auftritt, besteht sogar besondere Veranlassung, auch die "Sozien" betreffenden Reglungen aufmerksam daraufhin durchzusehen, ob und in welchem Umfang sie für ihn Geltung haben sollen.
- 18
- 4. Der Leistungsausschluss für Scheinsozien ist weder mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, unvereinbar, noch schränkt er wesentliche Rechte und Pflichten ein, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB).
- 20
- aa) Nach § 149 VVG a.F. ist der Versicherer verpflichtet, dem Versicherungsnehmer die Leistung zu ersetzen, die dieser aufgrund seiner Verantwortlichkeit für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache an einen Dritten zu bewirken hat. Dieser Grundsatz wird nachfolgend eingeschränkt, um zu verhindern, dass das Bestehen von Versi- cherungsschutz die Herbeiführung von Schäden begünstigt. Nach § 152 VVG a.F., der einen subjektiven Risikoausschluss enthält, besteht bei vorsätzlich widerrechtlicher Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Versicherungsnehmer keine Leistungspflicht des Versicherers. Im Ausgangspunkt gefährdet der Versicherungsnehmer also (nur) bei eigenem vorsätzlichen Handeln seinen Versicherungsschutz.
- 21
- Allerdings darf der Versicherer von der Vorschrift durch Vereinbarung auch zum Nachteil des Versicherungsnehmers abweichen (vgl. Senatsurteil vom 21. April 1993 - IV ZR 33/92, VersR 1993, 830 unter I 3 b), wenn ihm dies auch nicht erlaubt, § 152 VVG a.F. schrankenlos durch die Gestaltung seiner AVB auszudehnen (vgl. Senatsurteil vom 21. April 1993 aaO). Das ist indes durch die Sozienklausel nicht geschehen. Vielmehr hat der Gesetzgeber das Leitbild des § 152 VVG a.F. insoweit ergänzt , als § 51 Abs. 3 Nr. 5 BRAO es ausdrücklich gestattet, dass der Berufshaftpflichtversicherer für Rechtsanwälte die Haftung für Ersatzansprüche wegen Veruntreuung durch Personal, Angehörige oder Sozien ausschließt.
- 22
- bb) Die Möglichkeit zur Risikobegrenzung ist in § 51 Abs. 3 Nr. 5 BRAO deshalb vorgesehen, um das Risiko für den Versicherer kalkulierbar zu halten. Der Versicherer soll nicht für Schäden aus vorsätzlichen Straftaten Deckung gewähren müssen, die in einer Sozietät begangen werden, was aber der Fall wäre, wenn er für einen mithaftenden Sozius eintreten müsste (vgl. Feuerich in Feuerich/Weyland, BRAO 7. Aufl. § 51 Rn. 22; Zugehör/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung 2. Aufl. Rn. 2122). Der Gesetzgeber hat damit den Weg für eine Zurechnungsregelung eröffnet, nach der Versicherungsschutz aus der Berufshaftpflichtversicherung nicht gewährt werden muss, wenn der Versicherungsneh- mer im Außenverhältnis deshalb haftet, weil einer seiner Sozien eine Veruntreuung begangen hat. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass dem Gesetzgeber nicht bewusst gewesen wäre, dass dabei kein eigenes Verschulden des Versicherungsnehmers gegeben ist. Er hat vielmehr durch die Regelung in § 51 Abs. 3 Nr. 5 BRAO dem dargestellten Interesse des Versicherers den Vorzug vor dem Interesse des Versicherungsnehmers an lückenlosem Versicherungsschutz gegeben.
- 23
- Vor diesem Hintergrund ist eine Gleichstellung der Scheinsozien mit den Sozien nicht zu beanstanden, auch wenn sie vom Wortlaut des § 51 Abs. 3 Nr. 5 BRAO unmittelbar nicht erfasst werden. Das vom Gesetzgeber als schützenswert anerkannte Interesse besteht überall dort, wo das Fehlverhalten eines Anwalts die Schadensersatzpflicht eines zweiten Anwalts nach sich zieht. Das trifft auch auf den angestellten Rechtsanwalt zu, der nach außen wie ein Sozius ausgewiesen wird und wie ein solcher auftritt.
- 24
- cc) Sozien und Scheinsozien haften für Sozietätsverbindlichkeiten analog § 128 HGB. Das gemeinschaftliche Auftreten nach außen verpflichtet auch bei Fehlen einer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit alle gesamtschuldnerisch als Haftungsschuldner gegenüber dem Mandanten. Der Mandatsvertrag kommt nach Rechtsscheingrundsätzen mit allen Sozien und Scheinsozien zustande. Der angestellte Anwalt, der nach außen wie ein Sozius agiert, gilt haftungsrechtlich als Sozius (vgl. BGH, Urteile vom 3. Mai 2007 - IX ZR 218/05, BGHZ 172, 169, 174; vom 24. Januar 1991 - IX ZR 121/90, NJW 1991, 1225 unter II 1; für einzelne Mitglieder: BGH, Urteil vom 8. Juli 1999 - IX ZR 338/97, NJW 1999, 3040 unter I 2; so auch die überwiegende Ansicht in der Literatur: Diller aaO § 1 Rn. 107; Terbille in Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts 7. Aufl. Rn. 1965; Stobbe in Henssler/Prütting, BRAO 3. Aufl. § 51 Rn. 136, 146; Grunewald, Festschrift für Peter Ulmer 2003, 141, 142 ff.; K. Schmidt, NJW 2005, 2801, 2809; Peres/Depping, DStR 2006, 2261, 2262 ff.; Lux, NJW 2008, 2309, 2311). Die Gleichstellung beider schützt den Mandanten, der in der Regel nicht ohne weiteres erkennen kann, ob ein Anwalt die Stellung eines Sozius oder Scheinsozius innehat. Die Haftung des Scheinsozius beruht auf dem Rechtsschein, den er gesetzt hat und der ihm zugerechnet wird.
- 25
- b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts gefährdet der Ausschluss der Haftung nicht den Vertragszweck.
- 26
- aa) Eine Leistungsbegrenzung bedeutet für sich genommen noch keine Vertragsgefährdung, sondern bleibt zunächst grundsätzlich der freien unternehmerischen Entscheidung des Versicherers überlassen, soweit er nicht mit der Beschreibung der Hauptleistung beim Versicherungsnehmer falsche Vorstellungen weckt (Senatsurteile vom 19. Mai 2004 - IV ZR 29/03, VersR 2004, 1035 unter II 3 b aa; vom 24. März 1999 - IV ZR 90/98, BGHZ 141, 137, 143). Eine Gefährdung liegt erst dann vor, wenn die Einschränkung den Vertrag seinem Gegenstand nach aushöhlt und in Bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos macht (Senatsurteil vom 11. Februar 2009 - IV ZR 28/08, VersR 2009, 533 Rn. 19 m.w.N.).
- 27
- bb) Dies ist hier nicht anzunehmen. Der Ausschluss der Haftung dient dem legitimen Ziel des Versicherers, ihn und damit auch die Gemeinschaft der Versicherten vor unkalkulierbaren finanziellen Belastungen zu schützen. Dieser Gefahr hat - wie ausgeführt - der Gesetzgeber mit § 51 Abs. 3 Nr. 5 BRAO Rechnung getragen. Die Versicherungsneh- mer werden dadurch nicht unangemessen benachteiligt. Die Verpflichtung , eine Berufshaftpflichtversicherung zur Deckung der sich aus der anwaltlichen Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden abzuschließen und während der Dauer der Zulassung lückenlos aufrechtzuerhalten, dient vorrangig dem Schutz des rechtsuchenden Publikums (BT-Drucks. 12/4993 S. 31 zu Nr. 22; Stobbe aaO § 51 Rn. 10). Die Berufshaftpflichtversicherung will zwar auch den Rechtsanwalt vor dem Risiko schützen, im Haftungsfall eigenes Vermögen einzubüßen oder bei sein Vermögen übersteigenden Schäden seine wirtschaftliche Existenz zu verlieren. Um aber sicherzustellen, dass jeder Rechtsanwalt im Haftungsfall erfolgreich in Anspruch genommen werden kann, wird die Pflicht zum Abschluss und zur weiteren Aufrechterhaltung der Berufshaftpflichtversicherung gesetzlich vorgeschrieben; der Gesetzesbegründung ist dazu zu entnehmen, dass zur Existenzsicherung des Anwalts ein Versicherungsgebot, wie jetzt in § 51 Abs. 3 Nr. 5 BRAO vorgesehen, als ausreichend angesehen wurde (BT-Drucks. 12/4993 aaO; Stobbe aaO). Angestellte Anwälte und freie Mitarbeiter können zudem einem Rechtsschein vorbeugen, indem sie ihren wahren Status auf Kanzleischildern und Formularen deutlich machen.
- 28
- cc) Schließlich lässt sich eine Gefährdung des Vertragszwecks entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht aus § 158b Abs. 2 VVG a.F. herleiten. § 152 VVG a.F. ist - wie ausgeführt - abdingbar. Dass § 51 BRAO eine Versicherungspflicht für den Anwalt begründet und der Versicherer dem Versicherungsnehmer den Bestand dieser Versicherung bescheinigen muss, ändert nichts daran, dass § 51 Abs. 3 BRAO Haftungsausschlüsse zulässt.
- 29
- III. Da keine weiteren Feststellungen erforderlich sind, kann der Senat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden.
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Ingolstadt, Entscheidung vom 07.10.2009- 52 O 2218/08 -
OLG München, Entscheidung vom 23.02.2010- 25 U 5119/09 -
Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 59.545,47 €.
Gründe:
- 1
- Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und zulässig (§ 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO).
- 2
- 1. Soweit sie sich gegen die Zurückweisung der Hilfsaufrechnung mit dem Anspruch aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss (8.572,76 €) wendet, ist sie begründet.
- 3
- 2. Im Übrigen hat sie jedoch keinen Erfolg, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).
- 4
- a) Soweit das Berufungsgericht festgestellt hat, dass der Anwaltsauftrag den Beklagten zu 1 bis 3 erteilt worden ist, liegt keine Divergenz vor (vgl. BGH, Urt. v. 23. September 2004 - IX ZR 137/03, NJW-RR 2005, 494, 495).
- 5
- Die b) Ansicht der Nichtzulassungsbeschwerde, in Höhe von 80.000 DM fehle es an einem Schaden, weil die S. nicht schuldbefreiend den Vergleichsbetrag bezahlt habe, und insofern habe das Berufungsgericht den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, ist unzutreffend (BGH, Urt. v. 8. Oktober 1991 - XI ZR 207/90, NJW 1991, 3208, 3209). Falls im Überweisungsauftrag als Empfänger die Sozietät angegeben war, lag banktechnisch eine Divergenz zwischen dem Empfängernamen und der Kontoverbindung vor. Indes verstößt in einem solchen Fall die Geltendmachung eines Anspruchs auf Rückerstattung gegen Treu und Glauben , wenn die von der Empfängerbank vorgenommene Gutschrift nur gemessen am Auftrag der Überweisungsbank, nicht aber gemessen an dem ihres Auftraggebers, eine Fehlbuchung ist (BGH, Urt. v. 8. Oktober 1991 - XI ZR 207/90, NJW 1991, 3208, 3209). Auftraggeber der Empfängerbank war der Beklagte zu 5. Die S. hat ihre Verpflichtung aus dem Vergleich erfüllt, weil sie auf das Konto bezahlt hat, das ihr von dem Vergleichsgläubiger angegeben wurde. Da der Beklagte zu 5 mit Bedacht die Zahlungsströme auf sein privates Konto geleitet hat, entsprach die Verbuchung auf diesem Konto seinem Willen.
- 6
- c) Dass das Berufungsgericht die von der Sozietät verdienten Vergütungen nicht schadensmindernd abgezogen hat, ist zumindest im Ergebnis zutreffend. Als beigeordneter Rechtsanwalt kann der Beklagte zu 3 gemäß § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO keine Vergütung von dem Streithelfer verlangen. Ist - wie im vorliegenden Fall - nicht nur der beigeordnete Rechtsanwalt , sondern die gesamte Sozietät, der er angehört, mandatiert, könnte § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO im Verhältnis des Mandanten zu der Sozietät zwar unanwendbar sein. Darauf können sich indes die Beklagten gemäß § 242 BGB nicht berufen. Die etwaige Pflicht des Streithelfers, an die Sozietät Gebühren zu zahlen, ist nur entstanden, weil die Beklagten, die sich das Verschulden (c.i.c.) des für sie handelnden Beklagten zu 5 zurechnen lassen müssen, das Mandat für die Sozietät hereingenommen haben. Wenn der Beklagte zu 5 den Streithelfer, der ersichtlich Prozesskostenhilfe in Anspruch nehmen wollte, bei dem Eingangsgespräch auf die kostenrechtliche Problematik hingewiesen hätte, wozu er verpflichtet war, hätte jener von vornherein nur dem Sozietätsanwalt das Mandat erteilt, den er sich im Wege der Prozesskostenhilfe beiordnen lassen wollte, oder seine persönliche Vergütungspflicht gegenüber den anderen Sozien und der Sozietät durch Vereinbarung ausgeschlossen.
- 7
- d) Eine von dem Streithelfer vorgenommene Teilabtretung berührt die Aktivlegitimation der Kläger nicht. Der an die Kläger abgetretene Anspruch hat mit dem von der Vorabtretung betroffenen Anspruch nichts zu tun. Gegenstand der Vorabtretung war eine Forderung gegen die S. aus einem Handelsvertretervertrag. Die Abtretung an die Kläger bezieht sich demgegenüber auf einen Anspruch aus dem Anwaltsmandat.
- 8
- e) Soweit das Berufungsgericht die weiter hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Gegenansprüche nicht wegen § 393 BGB, sondern aus anderen Gründen unberücksichtigt gelassen hat, ist kein Zulassungsgrund geltend gemacht.
Cierniak Fischer
Vorinstanzen:
LG Aschaffenburg, Entscheidung vom 22.02.2005 - 1 O 536/03 -
OLG Bamberg, Entscheidung vom 29.09.2005 - 1 U 57/05 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Hof - Kammer für Handelssachen - vom 22. Februar 2012 abgeändert.
Der Beklagte wird unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 € verurteilt, es zu unterlassen, zu Zwecken des Wettbewerbs mit dem Hinweis "Wirtschaftsprüfer" wie aus der Anlage ersichtlich zu werben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Anlage z. Protokoll vom 6. November 2013: Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin beanstandet den vom beklagten Rechtsanwalt verwendeten Briefbogen als irreführend im Hinblick auf die Angabe "Wirtschaftsprüfer".
- 2
- Der Beklagte betreibt seine Rechtsanwaltskanzlei in Bürogemeinschaft mit dem Steuerberater und Wirtschaftsprüfer D. M. . Er verwendet das Logo "HM Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer Steuerberater" auf den Briefbögen wie folgt:
- 3
- Die Klägerin hat beantragt, es dem Beklagten unter Androhung eines näher bezeichneten Ordnungsgeldes zu untersagen, mit dem Hinweis "Wirtschaftsprüfer" zu werben, wenn dies wie auf dem oben eingeblendeten Briefbogen erfolgt.
- 4
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist vom Berufungsgericht durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückgewiesen worden.
- 5
- Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihren Unterlassungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
- 6
- I. Das Berufungsgericht hat die Klage für unbegründet erachtet und hierzu ausgeführt:
- 7
- In dem beanstandeten Briefbogen sei lediglich das Logo "HM" mit den drei Berufsqualifikationen "Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer Steuerberater" blickfangmäßig hervorgehoben. Den gesamten Text am rechten Rand des Briefbogens nehme der Verkehr als Erläuterung wahr, welche Qualifikationen die einzelnen Mitarbeiter der "HM Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer Steuerberater" hätten. Das Logo auf der linken Seite des Briefbogens enthalte keine Namen und sei schon deshalb nicht geeignet, bei den angesprochenen Verkehrskreisen eine Fehlvorstellung hervorzurufen. Selbst wenn ein potentieller Mandant den Buchstaben "HM" Namen zuordne, könne der Buchstabe "M" allenfalls für den Kooperationspartner M. stehen, der Wirtschaftsprüfer sei. Der in einem von der Klägerin vorgelegten Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 22. Juli 2011 (14 O 124/10) vertretenen Auffassung, bei einem Briefkopf mit den Begriffen "Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer" könne der Verkehr ohne weiteres davon ausgehen, dass neben Rechtsanwälten auch Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Sozien seien, schließe sich das Berufungsgericht nicht an. Der beanstandete Briefbogen erwecke daher keinen unzutreffenden Eindruck über die beruflichen Qualifikationen des Beklagten.
- 8
- II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision hat Erfolg. Der Unterlassungsantrag der Klägerin ist begründet, weil die Gestaltung des beanstandeten Briefbogens irreführend ist (§§ 8, 3, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG).
- 9
- 1. Die Auffassung des Berufungsgerichts, bei einem Briefkopf mit den Berufsbezeichnungen "Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater" gehe der Verkehr nicht davon aus, dass die so herausgestellten Berufsträger als Gesellschafter einer gemeinsamen Sozietät miteinander verbunden seien, widerspricht der Lebenserfahrung und ist mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht vereinbar.
- 10
- Wird der Kurzbezeichnung einer Rechtsanwaltskanzlei ein Zusatz zur Qualifikation der Berufsträger wie "Rechtsanwälte und Notare" oder "Wirtschaftsprüfer und Steuerberater" hinzugesetzt, versteht der Verkehr dies als Hinweis darauf, dass sich in der entsprechenden Kanzlei Berufsträger dieser Qualifikation zusammengeschlossen haben (vgl. BGH, Urteil vom 29. März 2007 - I ZR 152/04, GRUR 2007, 807 Rn. 12 = WRP 2007, 955 - Fachanwälte). Die auf dem Briefbogen blickfangmäßig hervorgehobene Bezeichnung "HM Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer Steuerberater" erscheint dem Verkehr als eine solche Kurzbezeichnung einer Anwaltskanzlei im Sinne von § 9 BORA. Ihrer Gestaltung ist nicht zu entnehmen, dass es sich bei "HM" lediglich um eine Ko- operation von Rechtsanwälten mit einem Wirtschaftsprüfer und Steuerberater handelt.
- 11
- Dementsprechend hat es der Anwaltssenat des Bundesgerichtshofs als irreführend angesehen, wenn der Briefkopf einer Kanzlei, für sich genommen, die eindeutige Aussage enthält, dass sie durch ihre Sozien neben anwaltlichen Leistungen auch Leistungen eines Steuerberaters oder Patentanwalts anbietet und erbringt, tatsächlich aber nur in einem bloßen Kooperationsverhältnis mit der Kanzlei stehende Personen die Qualifikationen als Steuerberater und Patentanwalt haben (BGH, Beschluss vom 23. September 2002 - AnwZ (B) 67/01, NJW 2003, 346).
- 12
- In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, dass der Begriff der Sozietät aus Sicht des Verkehrs keinen eindeutigen Inhalt mehr haben mag (BGH, Urteil vom 12. Juli 2012 - AnwZ (Brfg) 37/11, BGHZ 194, 79 Rn. 33 f.; dazu Hirtz, NJW 2012, 3550, 3551). Rechtsanwälten stehen mittlerweile neben der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zahlreiche andere Rechtsformen für die gemeinschaftliche Berufsausübung zur Verfügung, wie die Partnerschaftsgesellschaft , die Anwalts-GmbH oder ausländische Rechtsformen (vgl. Deckenbrock , NJW 2008, 3529). Unabhängig davon hat der Verkehr allerdings die berechtigte Erwartung, dass sich die unter einer einheitlichen Kurzbezeichnung auftretenden Berufsträger unter Aufgabe ihrer beruflichen und unternehmerischen Selbständigkeit zu gemeinschaftlicher Berufsausübung in einer haftungsrechtlichen Einheit verbunden haben. Eine Bürogemeinschaft oder Kooperation unternehmerisch eigenständiger Berufsträger wird der Verkehr unter einer einheitlichen Kurzbezeichnung nur bei hinreichend deutlichen Hinweisen erkennen. Anders als unter Umständen bei Hinzufügung des Hinweises "Zusammenschluss von Sozietäten" (vgl. BGHZ 194, 79 Rn. 28) hat der Verkehr bei der im Streitfall verwendeten Kurzbezeichnung keinen Anlass anzunehmen, es hande- le sich bei "HM" um jeweils rechtlich eigenständige Kanzleien, nämlich um eine für Recht und eine für Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung. Er wird daher über die tatsächlichen rechtlichen Verhältnisse irregeführt.
- 13
- 2. Die beanstandete Kurzbezeichnung verstößt damit - jedenfalls bei isolierter Betrachtung - gegen § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG (Irreführung über die Person und Befähigung des Unternehmers). Der Verbraucher bleibt im Unklaren , um welches Unternehmen es sich bei "HM" handelt, und dass der Beklagte in seiner Kanzlei nicht mit Berufsträgern verbunden ist, die über eine Qualifikation als Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater verfügen. Der Beklagte ist zwar berechtigt, auf seine auf Dauer angelegte und durch tatsächliche Ausübung verfestigte Kooperation mit dem Wirtschaftsprüfer und Steuerberater M. in geeigneter Weise hinzuweisen (vgl. § 8 Satz 2 BORA). Dies darf jedoch nicht so geschehen, dass den Mitgliedern seiner Kanzlei besondere Befähigungen zugewiesen werden, die allein der Kooperationspartner aufweist (vgl. BGH, NJW 2003, 346).
- 14
- 3. Die durch die Gestaltung der Kurzbezeichnung hervorgerufene Irreführungsgefahr wird bei der gebotenen Gesamtbetrachtung auch nicht durch die übrige Gestaltung des Briefbogens ausgeräumt.
- 15
- Das Berufungsgericht hat zwar zutreffend angenommen, dass der Verkehr bei der im Umgang mit Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern zu erwartenden Sorgfalt in dem Text auf der rechten Seite des Briefbogens eine Erläuterung der links verwendeten Kurzbezeichnung erkennenwird. Er wird deshalb einen Zusammenhang zwischen "HM" und der drucktechnisch herausgestellten Rechtsanwaltssozietät H. , v. W. und Kollegen annehmen. Aufgrund der auch noch recht groß gestalteten Schrifttype wird der Verkehr ferner noch erkennen, dass dieser Sozietät nur drei Rechtsanwälte an- gehören. Hat der Ratsuchende dies bemerkt, liegt für ihn aber sehr nahe, die Rechtsanwälte H. , v. W. und Kollegen als Teil einer kurz "HM" bezeichneten Sozietät oder eines Zusammenschlusses von Sozietäten zu verstehen , dessen Mitglieder auch Wirtschaftsprüfer und Steuerberater sind. Da sich diese beiden Möglichkeiten aber deutlich und - wie dargelegt - in wettbewerblich relevanter Weise von dem tatsächlich allein bestehenden Kooperationsverhältnis unterscheiden, unterliegt der Verbraucher auch bei Kenntnisnahme der drucktechnisch hervorgehobenen Erläuterungen auf der rechten Seite des Briefbogens weiterhin einer Fehlvorstellung.
- 16
- Die entscheidende Erläuterung "- in Kooperation mit -" fällt dagegen nur bei besonders aufmerksamer Lektüre des Briefbogens auf. Die Gefahr, den Kooperationshinweis zu überlesen, wird noch dadurch verstärkt, dass der Wirtschaftsprüfer D. M. dem Kanzleinamen H. drucktechnisch eindeutig unter- und ihm dadurch zugeordnet wird.
- 17
- Selbst wenn schließlich einige Rechtsuchende den Kooperationshinweis erfassen sollten, bliebe für sie immer noch offen, ob es nicht neben dem Kooperationspartner M. in dem als "HM" bezeichneten Zusammenschluss von Berufsträgern noch andere Wirtschaftsprüfer und Steuerberater gibt, die sich mit den Rechtsanwälten H. , v. W. und Kollegen - unabhängig von der Kooperation mit dem Wirtschaftsprüfer M. - zur gemeinschaftlichen Berufsausübung zusammengeschlossen haben. Der Durchschnittsmandant , insbesondere der erstmals mit der Sozietät des Beklagten in Kontakt tretende Rechtsuchende, kennt die Geschichte der Kanzlei des Beklagten nicht. Ihm ist die seit vielen Jahren bestehende Kooperation mit Herrn M. und erst recht die Entstehungsgeschichte des Logos "HM" nicht bekannt. Die Annahme des Berufungsgerichts, ein potentieller Mandant könne den Buchstaben "M" im Logo "HM" allenfalls Herrn M. zuordnen, erscheint unter diesen Umständen und unter Berücksichtigung der konkreten Ausgestaltung des Briefbogens fernliegend.
- 18
- Der Bundesgerichtshof hat auch bereits entschieden, dass dann, wenn nur Kooperationspartner einer Anwaltskanzlei eine Qualifikation aufweisen, wie sie in der Kopfleiste eines Briefbogens blickfangmäßig herausgestellt wird, die Gefahr einer Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise über die berufliche Qualifikation der Sozietätsmitglieder nicht dadurch ausgeräumt wird, dass die betreffende Berufsbezeichnung am rechten Rand des Briefkopfs durch Namensnennung des Kooperationspartners unter Hinzufügung seiner beruflichen Stellung erläutert wird (BGH, NJW 2003, 346 f.). In jenem Fall war der Hinweis "in Kooperation" durch Fettdruck und Unterstreichung sogar auffälliger als im Streitfall. Anders als das Berufungsgericht meint, kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, dass der Kanzleiname in der Kopfzeile in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall die Namen von vier Rechtsanwälten enthielt. Für die Bejahung einer Irreführung maßgeblich ist vielmehr, dass der Kurzbezeichnung einer Kanzlei in unzutreffender Weise blickfangmäßig bestimmte Berufsbezeichnungen zugeordnet werden.
- 19
- 4. Die durch die Gestaltung des Briefbogens hervorgerufene Fehlvorstellung des Verkehrs ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch wettbewerbsrechtlich relevant. Bei einer Kooperation werden Mandate nicht gemeinschaftlich , sondern von jedem im Rahmen der Kooperation tätigen Berufsträger gesondert angenommen, so dass allein dieser dem Mandanten für die fehlerhafte Bearbeitung der übertragenen Rechtsangelegenheit haftet (vgl. BGHZ 194, 79 Rn. 24). Der Ratsuchende hat nicht die Möglichkeit, die Kooperation "HM" insgesamt mit seiner Vertretung zu beauftragen, sondern nur den einen oder den anderen Kooperationspartner oder beide gesondert. Die mit der Kurzbezeichnung beworbene Kooperation bietet ihm daher nicht im Wesentli- chen die gleichen Vorteile wie die Mandatierung einer einheitlichen Sozietät. Insbesondere ist bei einer Inanspruchnahme von Dienstleistungen sowohl der Rechtsanwälte wie auch des Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers durch einen Mandanten im selben Fall nicht ohne weiteres deutlich, welche Kanzlei bei eventuellen Beratungsfehlern haftet, wenn als Fehlerursache zunächst sowohl die rechtliche als auch die steuerliche Beratung in Betracht kommt. Zudem sind die interne Beratung und Abstimmung unter den verschiedenen Berufsträgern bei einer einheitlichen Kanzlei regelmäßig leichter als bei einer bloßen Kooperation , selbst wenn - wie im Streitfall - eine Bürogemeinschaft besteht.
- 20
- III. Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dem Unterlassungsantrag der Klägerin ist stattzugeben, da der beanstandete Briefbogen irreführend gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG ist.
- 21
- IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Kirchhoff Löffler
Vorinstanzen:
LG Hof, Entscheidung vom 22.02.2012 - 1 HKO 60/11 -
OLG Bamberg, Entscheidung vom 02.07.2012 - 3 U 47/12 -