Anlageberatung: Zur Aufklärungspflicht der Bank bei Anteilserwerb an offenem Immobilienfonds
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Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 13. Februar 2013 wird auf ihre Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die ausgesprochene Verurteilung über die im Berufungsurteil angeführten weiteren Zahlungen hinaus abzüglich der weiter erbrachten Zahlungen vom 19. Juli 2013 in Höhe von 2.443,50 € und vom 20. Dezember 2013 in Höhe von 1.276,05 € erfolgt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der beklagten Bank Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb von Anteilen an dem offenen Immobilienfonds Morgan Stanley P2 Value. Dem liegt, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin war seit 1999 Kundin der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Im Rahmen eines Beratungsgesprächs am 31. Juli 2008 empfahl eine Mitarbeiterin der Beklagten der Klägerin, Anteile an dem Fonds zu erwerben. Die Beraterin wies die Klägerin nicht darauf hin, dass die Rücknahme der Fondsanteile ausgesetzt werden kann. Die Klägerin zeichnete 543 Anteile des Fonds für insgesamt 30.476,67 €. Am Ende des Gesprächs übergab die Beraterin der Klägerin eine Werbebroschüre mit den Worten: "Damit Sie auch wissen, was Sie gekauft haben." In dieser Broschüre findet sich sowohl auf der Titelseite als auch auf Seite 7 folgender Hinweis:
"Offene Immobilienfonds können grundsätzlich börsentäglich zurückgegeben werden. Offene Immobilienfonds können zum Schutz der Anleger nach § 81 Investmentgesetz die Rücknahme von Anteilen bis zu einer in den Vertragsbedingungen festgelegten Frist aussetzen, wenn die Bankguthaben und der Erlös der nach § 80 Abs. 1 Investmentgesetz angelegten Mittel zur Zahlung des Rücknahmepreises und zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen laufenden Bewirtschaftung nicht ausreichen oder nicht sogleich zur Verfügung stehen. Der Fonds wendet sich an Anleger, die beabsichtigen, langfristig in eine indirekte Immobilienanlage in Form eines Offenen Immobilienfonds zu investieren."
Die Rücknahme der Anteile des Fonds wurde im Oktober 2008 ausgesetzt. Der Fonds wird inzwischen abgewickelt. Die Klägerin beansprucht von der Beklagten das investierte Kapital in Höhe von ursprünglich 27.490,17 € abzüglich in den Vorinstanzen erhaltener Ausschüttungen in Höhe von insgesamt 5.049,90 € zurück. Die Klägerin meint, dass sie auf die Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme habe hingewiesen werden müssen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. In der Revisionsverhandlung haben die Parteien wegen weiterer Ausschüttungen die Hauptsache in Höhe von insgesamt 3.719,55 € übereinstimmend für erledigt erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner in BKR 2013, 290 ff. veröffentlichten Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Im Rahmen einer Anlageberatung sei der Anlageinteressent grundsätzlich auf die Möglichkeit einer Aussetzung der Rücknahme der Fondsanteile gemäß § 81 InvG hinzuweisen. Dass dieser Gesichtspunkt für die Anlageentscheidung wesentlich sei, ergebe sich bereits daraus, dass im Verkaufsprospekt, in einer Werbebroschüre sowie in den "Basisinformationen über die Vermögensanlagen in Wertpapieren" auf diese Möglichkeit hingewiesen werde, die ein Liquiditätsrisiko für die Anleger begründe. Der im Falle einer Aussetzung der Rücknahme mögliche Verkauf der Anteile über die Börse berge erkennbar das Risiko, dass nur ein niedrigerer Preis als bei einer ordnungsgemäßen Rückgabe erzielt werden könne. Die Tatsache der Aussetzung der Anteilsrücknahme werde in den Kurs ein-gepreist und führe zu Abschlägen. Bei der Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme handele es sich auch nicht nur um "graue Theorie", da bereits Ende 2005/Anfang 2006 drei offene Immobilienfonds die Rücknahme ihrer Anteile ausgesetzt hätten.
Soweit die Beklagte die "Mündelsicherheit" der Anlage in offene Immobilienfonds betone, stehe dies zur Aufklärungsbedürftigkeit der Aussetzung der Rücknahme in keinem Spannungsverhältnis. Eine anlagegerechte Beratung erfordere eine Aufklärung über die Funktionsweise und die strukturtypischen Chancen und Risiken der empfohlenen Anlage. Auch bei einer grundsätzlich als "sicher" einzustufenden Kapitalanlage seien dem Anleger deren charakteristische Merkmale, Chancen und Risiken aufzuzeigen. Die Möglichkeit der Aussetzung der Rücknahme sei als Ausnahme von der grundsätzlichen Pflicht der Kapitalanlagegesellschaften zur Anteilsrücknahme ein die Anlage in offene Immobilienfonds prägendes Strukturprinzip, das dem Interessenten aufgezeigt werden müsse.
Der grundsätzlichen Aufklärungsbedürftigkeit des Risikos einer Aussetzung der Anteilsrücknahme könne nicht damit begegnet werden, dass diese dem Schutz der Anleger diene, weil so verhindert werde, dass Fondsvermögen unter Zeitdruck und damit ggf. zu einem niedrigeren Preis veräußert werde. Eine Aussetzung der Anteilsrücknahme möge zur Aufrechterhaltung des Wertes der Fondsanteile vorteilhaft sein, berühre aber nicht die mit ihr verbundenen Konsequenzen für den auf Liquidität angewiesenen Anleger.
Bei der Aussetzung der Anteilsrücknahme handele es sich um ein grundsätzliches, immer bestehendes Liquiditätsrisiko. Zur Begründung der Aufklärungspflicht und der Wesentlichkeit dieses Gesichtspunktes für die Anlageentscheidung bedürfe es daher keiner sich verdichtenden Anzeichen für eine bevorstehende Aussetzung der Anteilsrücknahme. Im Übrigen hätten im Juli 2008 hinreichende Anhaltspunkte für die Krise am Immobilienmarkt und die sich daraus ergebende besondere Relevanz der Möglichkeit einer Rücknahmeaussetzung bestanden.
Die Beklagte habe ihre Pflicht zur Aufklärung über diese Möglichkeit auch nicht durch die Übergabe der Basisinformationen im November 2007 erfüllt. Die Übergabe eines mehr als 100seitigen Kompendiums ohne ausdrücklichen Hinweis auf die für die konkrete Anlageentscheidung relevanten Risikohinweise sei nicht geeignet, die Unvollständigkeit eines vorangegangenen Aufklärungsgesprächs zu beseitigen. Das gelte erst recht, wenn die Übergabe der Informationen geraume Zeit vor dem Beratungsgespräch erfolge und in keinem konkreten Zusammenhang mit der streitigen Anlageentscheidung stehe. Der der Klägerin übergebene Flyer enthalte zwar einen entsprechenden Risikohinweis. Von dessen rechtzeitiger Übergabe könne jedoch nicht ausgegangen werden, da die Klägerin den Flyer erst nach ihrer Anlageentscheidung erhalten habe.
Die fehlende Aufklärung sei für die Anlageentscheidung der Klägerin auch kausal gewesen. Der Ursachenzusammenhang sei auf Basis der sog. "Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens" anzunehmen. Die Aufklärungspflichtverletzung sei zudem fahrlässig erfolgt. Die Beklagte habe entgegen § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht hinreichend dargelegt, sich in einem unvermeidbaren Rechtsirrtum befunden zu haben. Nach ihrem Vortrag bleibe schon unklar, wer sich wann auf Seiten der Beklagten mit der hier im Streit stehenden Problematik eingehend befasst habe.
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung im Ergebnis stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 BGB zusteht. Dabei hat es die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob eine beratende Bank verpflichtet ist, ihre Kunden im Zusammenhang mit der Empfehlung eines offenen Immobilienfonds über die Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme nach § 8 InvG ungefragt aufzuklären, zu Recht bejaht.
Das Berufungsgericht ist zutreffend und von der Revision unangegriffen davon ausgegangen, dass zwischen den Parteien ein Beratungsvertrag geschlossen worden ist.
Zu Recht hat das Berufungsgericht eine schuldhafte Beratungspflichtverletzung der Beklagten bejaht.
Eine beratende Bank ist zu einer anleger- und objektgerechten Beratung verpflichtet. Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen dabei von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich sind einerseits der Wissensstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden und andererseits die allgemeinen und speziellen Risiken, die sich aus den Besonderheiten des Anlageobjekts ergeben. Die Beratung hat sich auf diejenigen Eigenschaften des Anlageobjekts zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Während die Bank über diese Umstände richtig, sorgfältig, zeitnah, vollständig und für den Kunden verständlich zu unterrichten hat, muss die Bewertung und Empfehlung des Anlageobjekts unter Berücksichtigung der genannten Gegebenheiten lediglich ex ante betrachtet vertretbar sein. Das Risiko, dass eine aufgrund anleger- und objektgerechter Beratung getroffene Anlageentscheidung sich im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Anleger.
Danach hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Beklagte verpflichtet war, die Klägerin über die Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme gemäß § 81 InvG aF aufzuklären. Die hiergegen von der Revision vorgebrachten Einwände bleiben ohne Erfolg.
Die Frage, ob eine Bank, die den Erwerb von Anteilen an einem offenen Immobilienfonds empfiehlt, den Anleger ungefragt über das Bestehen der Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme durch die Kapitalanlagegesellschaft aufklären muss, wird in der Instanzrechtsprechung und der Literatur unterschiedlich beantwortet.
Nach einer Auffassung hat bis zum Beginn der Finanzkrise im Oktober 2008 eine solche Aufklärungspflicht nicht bestanden, weil es sich bei der Möglichkeit, die Anteilsrücknahme auszusetzen, bis dahin um ein fernliegendes, rein theoretisches Risiko gehandelt habe, die Aussetzung der Anteilsrücknahme ein Instrument zum Anlegerschutz sei und die Anleger auch während einer solchen Aussetzung ihre Anteile jederzeit an der Börse veräußern könnten.
Demgegenüber bejaht die Gegenansicht, die vom Berufungsgericht geteilt wird, eine Aufklärungspflicht der Bank, weil die Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme ein die Anlage in offene Immobilienfonds prägendes Strukturprinzip und ein ihr grundsätzlich innewohnendes Risiko darstelle.
Der erkennende Senat entscheidet die Frage im Sinne der zuletzt genannten Meinung.
Kennzeichnend für regulierte Immobilien-Sondervermögen ist, dass die Anleger gemäß § 37 Abs. 1 InvG aF ihre Fondsanteile grundsätzlich jederzeit liquidieren und deren Rückgabe zu einem in § 23 Abs. 2 Satz 3, § 79 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 79 Abs. 1 InvG aF geregelten Rücknahmepreis an die Kapitalanlagegesellschaft verlangen können. Von diesem Grundsatz macht § 81 InvG aF eine Ausnahme. Danach wird der Kapitalanlagegesellschaft bei nicht ausreichender Liquidität das Recht eingeräumt, die Rücknahme der Anteile vorrübergehend zu verweigern mit der Folge, dass die Anleger ihre Fondsanteile nicht mehr zu dem gesetzlich bestimmten Rücknahmepreis zurückgeben können.
Über dieses Risiko hat die Bank den Anleger im Rahmen der von ihr geschuldeten vollständigen Risikodarstellung in verständlicher Weise aufzuklären. Diese Verpflichtung besteht, weil das dem Anleger kraft Gesetzes gemäß § 37 Abs. 1 InvG aF gemachte Versprechen, seine Investition in einen offenen Immobilienfonds jederzeit durch die Rückgabe seiner Anteile an die Kapitalanlagegesellschaft zu einem gesetzlich bestimmten Rücknahmepreis liquidieren zu können, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 81 InvG aF nicht eingehalten wird.
Ob hier zum Zeitpunkt der Beratung im Juli 2008 bei dem Fonds bereits konkrete Anhaltspunkte für eine bevorstehende Aussetzung der Anteilsrücknahme vorgelegen haben, ist für das Bestehen dieser Aufklärungspflicht ohne Bedeutung, da es für die Entscheidung des Anlegers auch ohne solche konkreten Anhaltspunkte von wesentlicher Bedeutung sein kann, dass er dieses Risiko während der gesamten Investitionsphase übernimmt. Soweit sich die Revision in dem Zusammenhang gegen die Auffassung des Berufungsgerichts wendet, dass es im Juli 2008 bereits hinreichende Anhaltspunkte für eine Aussetzung der Anteilsrücknahme gegeben habe, handelt es sich lediglich um eine nicht tragende Hilfsbegründung. Das Berufungsgericht hat in erster Linie rechtsfehlerfrei darauf abgestellt, dass es zur Begründung der Aufklärungspflicht und der Wesentlichkeit dieses Gesichtspunktes für die Anlageentscheidung keiner sich verdichtender Anzeichen für eine bevorstehende Aussetzung der Anteilsrücknahme bedarf.
Dementsprechend ist es für die Beantwortung der Frage, ob die Bank den Anleger über dieses Risiko aufklären muss, ebenfalls unerheblich, ob bis zum Ausbruch der Finanzkrise im Oktober 2008 insoweit ein fernliegendes oder gar ein nur theoretisches Risiko bestanden hat. Die Möglichkeit, die Rücknahme der Anteile auszusetzen, stellt ein während der gesamten Investitionsphase bestehendes Liquiditätsrisiko dar, über das der Anleger informiert sein muss, bevor er seine Entscheidung trifft.
Der Umstand, dass die Anleger eines offenen Immobilienfonds ihre Anteile während einer Aussetzung der Anteilsrücknahme jederzeit an der Börse veräußern können, spricht - wie das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision zutreffend angenommen hat - ebenfalls nicht gegen die Pflicht der Bank, über die Möglichkeit einer solchen Aussetzung aufzuklären.
Die Revision weist zwar zutreffend darauf hin, dass die Anleger damit weiter die Möglichkeit haben, ihre Anteile jederzeit zu liquidieren. Diese Möglichkeit stellt aber angesichts der an einer Börse oder an einem sonstigen Sekundärmarkt bestehenden Beeinflussung des Preises durch spekulative Elemente keinen gleichwertigen Ersatz für die gesetzlich geregelte Möglichkeit dar, die Anteile zu einem vorab festgelegten Rücknahmepreis an die Kapitalanlagegesellschaft zurück zu geben. Dem Anleger wird die Liquidität seiner Fondsanteile im Fall einer Aussetzung der Anteilsrücknahme daher nicht mehr mit der Qualität eines vorab im Gesetz bestimmten Rücknahmepreises gewährleistet.
Soweit die Revision meint, dass es sich bei der Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme um eine Schutzmaßnahme zugunsten der Anleger handele, kommt es für die Aufklärungspflicht der Bank hierauf nicht an. Die Regelungen des § 81 InvG aF über die Aussetzung der Rücknahme von Anteilen an offenen Immobilienfonds sollen es der Kapitalanlagegesellschaft ermöglichen, sich im Fall einer unerwartet hohen Zahl ihr zur Rückgabe angedienter Fondsanteile während der Aussetzung die Liquidität zu beschaffen, die für die Bedienung der rückgabewilligen Anleger erforderlich ist. Zugleich soll der Gefahr einer wirtschaftlich nicht sinnvollen Verwertung des Fondsvermögens in einer Krisensituation vorgebeugt werden. Da die Aussetzung jedoch - wie dargelegt - dem Liquiditätsinteresse der Anleger entgegensteht, ist hierüber vor der Anlageentscheidung aufzuklären.
Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe ihre Pflicht, die Klägerin über die Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme aufzuklären, nicht erfüllt.
Es ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht eine Erfüllung dieser Pflicht durch die Übergabe der Basisinformationen verneint hat. Dabei kann allerdings offen bleiben, ob deren Übergabe im November 2007 im Hinblick auf die Anlageentscheidung der Klägerin Ende Juli 2008 noch als zeitnahe Unterrichtung der Klägerin anzusehen ist.
Das Berufungsgericht hat die fehlende Erfüllungswirkung dieser Übergabe nämlich rechtsfehlerfrei auch darauf gestützt, dass zwischen der Anlageentscheidung und der Übergabe der Basisinformationen kein konkreter Zusammenhang bestand. Die Revisionserwiderung weist insoweit zutreffend darauf hin, dass bei einem offenen Immobilienfonds nach § 81 InvG aF die Anteilsrücknahme nur dann ausgesetzt werden konnte, wenn die Vertragsbedingungen des jeweiligen Fonds eine solche Befugnis vorsahen. Informationen darüber, ob hier der Kapitalanlagegesellschaft in den Vertragsbedingungen eine solche Befugnis eingeräumt worden war, enthalten die allgemeinen Basisinformationen naturgemäß nicht. Hierüber hätte die Beklagte die Klägerin entweder in verständlicher Weise mündlich oder durch die rechtzeitige Übergabe eines auf den streitgegenständlichen Fonds bezogenen Informationsmaterials schriftlich aufklären müssen. Entgegen der Auffassung der Revision ist es deshalb auch unerheblich, ob die Klägerin im Rahmen ihrer langjährigen Geschäftsbeziehung zur Beklagten bereits seit 2003 Anteile an offenen Immobilienfonds erworben hat.
Soweit sich die Revision weiter gegen die Feststellung des Berufungsgerichts wendet, die Klägerin habe den Flyer des Fonds, auf dessen Titelseite ein Hinweis auf die Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme abgedruckt ist, erst nach ihrer Anlageentscheidung und damit nicht rechtzeitig erhalten, hat dies ebenfalls keinen Erfolg. Die Revision hat gegen diese tatrichterliche Feststellung keine durchgreifende Verfahrensrüge erhoben.
Das Berufungsgericht ist weiter in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats zur "Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens" davon ausgegangen, dass die unterlassene Aufklärung über die Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme kausal für die Anlageentscheidung der Klägerin war.
Entgegen der Auffassung der Revision ist diese Senatsrechtsprechung auf die hier streitige Aufklärungspflichtverletzung ohne weiteres anzuwenden. Die Argumentation der Revision, ein Anleger würde mit der Information über die Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme kein zusätzliches Risiko verbinden, sondern eine solche Aussetzung als Schutzmaßnahme gegen Verluste des Fonds und damit gegen eine Wertminderung seiner Beteiligung begreifen, weshalb der Anleger bei der gebotenen Aufklärung in seiner Anlageentscheidung sogar bestärkt werde, verkennt bereits im Ansatz, dass die Aussetzung der Anteilsrücknahme - wie dargelegt - dem Liquiditätsinteresse des Anlegers entgegensteht.
Nicht zu beanstanden ist schließlich die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten sei fahrlässig erfolgt.
Nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB muss der Aufklärungspflichtige darlegen und beweisen, dass er eine Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Die Beklagte hat folglich bereits für Fahrlässigkeit einzustehen. Eine Haftung wegen Fahrlässigkeit ist zwar bei einem unvermeidbaren Rechtsirrtum ausgeschlossen. An das Vorliegen eines solchen Rechtsirrtums sind aber strenge Maßstäbe anzulegen, wobei der Schuldner die Rechtslage sorgfältig prüfen, soweit erforderlich, Rechtsrat einholen und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig beachten muss. Grundsätzlich trifft den Schuldner das Risiko, die Rechtslage zu verkennen. Er handelt mithin schuldhaft, wenn er mit der Möglichkeit rechnen musste, dass das zuständige Gericht einen anderen Rechtsstandpunkt einnimmt.
Gemessen an diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei eine Fahrlässigkeit der Beklagten bejaht. Es ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte nicht hinreichend dargelegt hat, dass sie sich hinsichtlich ihrer Pflicht, die Klägerin über die Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme aufzuklären, in einem unvermeidbaren Rechtsirrtum befunden habe. Einem unvermeidbaren Rechtsirrtum steht hier schon entgegen, dass für die Beklagte im Juli 2008 ein konkreter Anhaltspunkt bestand, aus dem sie ohne weiteres hätte erkennen können, dass es sich bei der Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme um eine aufklärungspflichtige Eigenschaft des Fonds handeln kann. Im Flyer des Fonds wird nämlich bereits auf der Titelseite - und damit an exponierter Stelle - darauf aufmerksam gemacht, dass die Rücknahme von Anteilen gemäß § 81 InvG aF binnen einer in den Vertragsbedingungen festgelegten Frist ausgesetzt werden kann.
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Tenor
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Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 13. Februar 2013 wird auf ihre Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die ausgesprochene Verurteilung über die im Berufungsurteil angeführten weiteren Zahlungen hinaus abzüglich der weiter erbrachten Zahlungen vom 19. Juli 2013 in Höhe von 2.443,50 € und vom 20. Dezember 2013 in Höhe von 1.276,05 € erfolgt.
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Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
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Die Klägerin begehrt von der beklagten Bank Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb von Anteilen an dem offenen Immobilienfonds Morgan Stanley P2 Value (nachfolgend: Fonds). Dem liegt, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, folgender Sachverhalt zugrunde:
- 2
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Die Klägerin war seit 1999 Kundin der Rechtsvorgängerin der Beklagten (nachfolgend: Beklagte). Im Rahmen eines Beratungsgesprächs am 31. Juli 2008 empfahl eine Mitarbeiterin der Beklagten (nachfolgend: Beraterin) der Klägerin, Anteile an dem Fonds zu erwerben. Die Beraterin wies die Klägerin nicht darauf hin, dass die Rücknahme der Fondsanteile ausgesetzt werden kann. Die Klägerin zeichnete 543 Anteile des Fonds für insgesamt 30.476,67 €. Am Ende des Gesprächs übergab die Beraterin der Klägerin eine Werbebroschüre mit den Worten: "Damit Sie auch wissen, was Sie gekauft haben." In dieser Broschüre findet sich sowohl auf der Titelseite als auch auf Seite 7 folgender Hinweis:
-
"Offene Immobilienfonds können grundsätzlich börsentäglich zurückgegeben werden. Offene Immobilienfonds können zum Schutz der Anleger nach § 81 Investmentgesetz die Rücknahme von Anteilen bis zu einer in den Vertragsbedingungen festgelegten Frist aussetzen, wenn die Bankguthaben und der Erlös der nach § 80 Abs. 1 Investmentgesetz angelegten Mittel zur Zahlung des Rücknahmepreises und zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen laufenden Bewirtschaftung nicht ausreichen oder nicht sogleich zur Verfügung stehen. Der Fonds wendet sich an Anleger, die beabsichtigen, langfristig in eine indirekte Immobilienanlage in Form eines Offenen Immobilienfonds zu investieren."
- 3
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Die Rücknahme der Anteile des Fonds wurde im Oktober 2008 ausgesetzt. Der Fonds wird inzwischen abgewickelt. Die Klägerin beansprucht von der Beklagten das investierte Kapital in Höhe von ursprünglich 27.490,17 € abzüglich in den Vorinstanzen erhaltener Ausschüttungen in Höhe von insgesamt 5.049,90 € zurück. Die Klägerin meint, dass sie auf die Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme habe hingewiesen werden müssen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.
- 4
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Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. In der Revisionsverhandlung haben die Parteien wegen weiterer Ausschüttungen die Hauptsache in Höhe von insgesamt 3.719,55 € übereinstimmend für erledigt erklärt.
Entscheidungsgründe
- 5
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Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.
-
I.
- 6
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Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner in BKR 2013, 290 ff. veröffentlichten Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
- 7
-
Im Rahmen einer Anlageberatung sei der Anlageinteressent grundsätzlich auf die Möglichkeit einer Aussetzung der Rücknahme der Fondsanteile gemäß § 81 InvG hinzuweisen. Dass dieser Gesichtspunkt für die Anlageentscheidung wesentlich sei, ergebe sich bereits daraus, dass im Verkaufsprospekt, in einer Werbebroschüre (nachfolgend: Flyer) sowie in den "Basisinformationen über die Vermögensanlagen in Wertpapieren" (nachfolgend: Basisinformationen) auf diese Möglichkeit hingewiesen werde, die ein Liquiditätsrisiko für die Anleger begründe. Der im Falle einer Aussetzung der Rücknahme mögliche Verkauf der Anteile über die Börse berge erkennbar das Risiko, dass nur ein niedrigerer Preis als bei einer ordnungsgemäßen Rückgabe erzielt werden könne. Die Tatsache der Aussetzung der Anteilsrücknahme werde in den Kurs eingepreist und führe zu Abschlägen. Bei der Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme handele es sich auch nicht nur um "graue Theorie", da bereits Ende 2005/Anfang 2006 drei offene Immobilienfonds die Rücknahme ihrer Anteile ausgesetzt hätten.
- 8
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Soweit die Beklagte die "Mündelsicherheit" der Anlage in offene Immobilienfonds betone, stehe dies zur Aufklärungsbedürftigkeit der Aussetzung der Rücknahme in keinem Spannungsverhältnis. Eine anlagegerechte Beratung erfordere eine Aufklärung über die Funktionsweise und die strukturtypischen Chancen und Risiken der empfohlenen Anlage. Auch bei einer grundsätzlich als "sicher" einzustufenden Kapitalanlage seien dem Anleger deren charakteristische Merkmale, Chancen und Risiken aufzuzeigen. Die Möglichkeit der Aussetzung der Rücknahme sei als Ausnahme von der grundsätzlichen Pflicht der Kapitalanlagegesellschaften zur Anteilsrücknahme ein die Anlage in offene Immobilienfonds prägendes Strukturprinzip, das dem Interessenten aufgezeigt werden müsse.
- 9
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Der grundsätzlichen Aufklärungsbedürftigkeit des Risikos einer Aussetzung der Anteilsrücknahme könne nicht damit begegnet werden, dass diese dem Schutz der Anleger diene, weil so verhindert werde, dass Fondsvermögen unter Zeitdruck und damit ggf. zu einem niedrigeren Preis veräußert werde. Eine Aussetzung der Anteilsrücknahme möge zur Aufrechterhaltung des Wertes der Fondsanteile vorteilhaft sein, berühre aber nicht die mit ihr verbundenen Konsequenzen für den auf Liquidität angewiesenen Anleger.
- 10
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Bei der Aussetzung der Anteilsrücknahme handele es sich um ein grundsätzliches, immer bestehendes Liquiditätsrisiko. Zur Begründung der Aufklärungspflicht und der Wesentlichkeit dieses Gesichtspunktes für die Anlageentscheidung bedürfe es daher keiner sich verdichtenden Anzeichen für eine bevorstehende Aussetzung der Anteilsrücknahme. Im Übrigen hätten im Juli 2008 hinreichende Anhaltspunkte für die Krise am Immobilienmarkt und die sich daraus ergebende besondere Relevanz der Möglichkeit einer Rücknahmeaussetzung bestanden.
- 11
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Die Beklagte habe ihre Pflicht zur Aufklärung über diese Möglichkeit auch nicht durch die Übergabe der Basisinformationen im November 2007 erfüllt. Die Übergabe eines mehr als 100seitigen Kompendiums ohne ausdrücklichen Hinweis auf die für die konkrete Anlageentscheidung relevanten Risikohinweise sei nicht geeignet, die Unvollständigkeit eines vorangegangenen Aufklärungsgesprächs zu beseitigen. Das gelte erst recht, wenn die Übergabe der Informationen geraume Zeit vor dem Beratungsgespräch erfolge und in keinem konkreten Zusammenhang mit der streitigen Anlageentscheidung stehe. Der der Klägerin übergebene Flyer enthalte zwar einen entsprechenden Risikohinweis. Von dessen rechtzeitiger Übergabe könne jedoch nicht ausgegangen werden, da die Klägerin den Flyer erst nach ihrer Anlageentscheidung erhalten habe.
- 12
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Die fehlende Aufklärung sei für die Anlageentscheidung der Klägerin auch kausal gewesen. Der Ursachenzusammenhang sei auf Basis der sog. "Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens" anzunehmen. Die Aufklärungspflichtverletzung sei zudem fahrlässig erfolgt. Die Beklagte habe entgegen § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht hinreichend dargelegt, sich in einem unvermeidbaren Rechtsirrtum befunden zu haben. Nach ihrem Vortrag bleibe schon unklar, wer sich wann auf Seiten der Beklagten mit der hier im Streit stehenden Problematik eingehend befasst habe.
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II.
- 13
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Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung im Ergebnis stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 BGB zusteht. Dabei hat es die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob eine beratende Bank verpflichtet ist, ihre Kunden im Zusammenhang mit der Empfehlung eines offenen Immobilienfonds über die Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme nach § 81 InvG (in der bis zum 7. April 2011 gültigen Fassung, nachfolgend: aF; nunmehr § 257 KAGB) ungefragt aufzuklären, zu Recht bejaht.
- 14
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1. Das Berufungsgericht ist zutreffend und von der Revision unangegriffen davon ausgegangen, dass zwischen den Parteien ein Beratungsvertrag geschlossen worden ist.
- 15
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2. Zu Recht hat das Berufungsgericht eine schuldhafte Beratungspflichtverletzung der Beklagten bejaht.
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a) Eine beratende Bank ist zu einer anleger- und objektgerechten Beratung verpflichtet (st. Rspr., vgl. Senatsurteil vom 6. Juli 1993 - XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126, 128 f.). Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen dabei von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich sind einerseits der Wissensstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden und andererseits die allgemeinen und speziellen Risiken, die sich aus den Besonderheiten des Anlageobjekts ergeben. Die Beratung hat sich auf diejenigen Eigenschaften des Anlageobjekts zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Während die Bank über diese Umstände richtig, sorgfältig, zeitnah, vollständig und für den Kunden verständlich zu unterrichten hat, muss die Bewertung und Empfehlung des Anlageobjekts unter Berücksichtigung der genannten Gegebenheiten lediglich ex ante betrachtet vertretbar sein. Das Risiko, dass eine aufgrund anleger- und objektgerechter Beratung getroffene Anlageentscheidung sich im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Anleger (vgl. zusammenfassend Senatsurteile vom 27. September 2011 - XI ZR 182/10, BGHZ 191, 119 Rn. 22 und XI ZR 178/10, WM 2011, 2261 Rn. 23 sowie vom 24. September 2013 - XI ZR 204/12, WM 2013, 2065 Rn. 20).
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b) Danach hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Beklagte verpflichtet war, die Klägerin über die Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme gemäß § 81 InvG aF aufzuklären. Die hiergegen von der Revision vorgebrachten Einwände bleiben ohne Erfolg.
- 18
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aa) Die Frage, ob eine Bank, die den Erwerb von Anteilen an einem offenen Immobilienfonds empfiehlt, den Anleger ungefragt über das Bestehen der Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme durch die Kapitalanlagegesellschaft aufklären muss, wird in der Instanzrechtsprechung und der Literatur unterschiedlich beantwortet.
- 19
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Nach einer Auffassung hat bis zum Beginn der Finanzkrise im Oktober 2008 eine solche Aufklärungspflicht nicht bestanden, weil es sich bei der Möglichkeit, die Anteilsrücknahme auszusetzen, bis dahin um ein fernliegendes, rein theoretisches Risiko gehandelt habe, die Aussetzung der Anteilsrücknahme ein Instrument zum Anlegerschutz sei und die Anleger auch während einer solchen Aussetzung ihre Anteile jederzeit an der Börse veräußern könnten (vgl. OLG Dresden, WM 2013, 363, 366; OLG Schleswig, WM 2013, 2258, 2262 ff.; Homberger, EWiR 2013, 475 f.; Stumpf/Kotte, BB 2013, 1613, 1617; Thume/Edelmann, WuB I G 5.- 3.13).
- 20
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Demgegenüber bejaht die Gegenansicht, die vom Berufungsgericht geteilt wird, eine Aufklärungspflicht der Bank, weil die Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme ein die Anlage in offene Immobilienfonds prägendes Strukturprinzip und ein ihr grundsätzlich innewohnendes (Liquiditäts-)Risiko darstelle (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 23. August 2012 - 4 U 512/12, juris Rn. 8 f.; Schröder, jurisPR-BKR 7/2012 Anm. 6; Merk, BKR 2013, 290, 294).
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bb) Der erkennende Senat entscheidet die Frage im Sinne der zuletzt genannten Meinung.
- 22
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(1) Kennzeichnend für regulierte Immobilien-Sondervermögen ist, dass die Anleger gemäß § 37 Abs. 1 InvG aF (nunmehr § 187 Abs. 1 Nr. 1 KAGB) ihre Fondsanteile grundsätzlich jederzeit liquidieren und deren Rückgabe zu einem in § 23 Abs. 2 Satz 3, § 79 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 79 Abs. 1 InvG aF geregelten Rücknahmepreis an die Kapitalanlagegesellschaft verlangen können (sog. Open-End-Prinzip; vgl. Köndgen/Schmies in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 113 Rn. 140; Baur/Ziegler, BuB Rn. 9/277; Gutsche in Emde/Dornseifer/Dreibus/Hölscher, InvG, 2013, § 37 Rn. 7 ff.;Reiter in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., Rn. 9.55; Schödermeier/Baltzer in Brinkhaus/Scherer, KAGG AuslInvestG, 2003, § 11 Rn. 5 ff.; Gringel, ZBB 2012, 106, 107; Hartrott/Goller, BB 2013, 1603, 1604; Stumpf/Kotte, BB 2013, 1613, 1614; Döser, jurisPR-BKR 5/2009 Anm. 3). Von diesem Grundsatz macht § 81 InvG aF eine Ausnahme (vgl. BT-Drucks. 17/3628, S. 28; Schultz-Süchting in Emde/Dornseifer/Dreibus/Hölscher, aaO, § 81 Rn. 1). Danach wird der Kapitalanlagegesellschaft bei nicht ausreichender Liquidität das Recht eingeräumt, die Rücknahme der Anteile vorrübergehend zu verweigern mit der Folge, dass die Anleger ihre Fondsanteile nicht mehr zu dem gesetzlich bestimmten Rücknahmepreis zurückgeben können.
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Über dieses Risiko hat die Bank den Anleger im Rahmen der von ihr geschuldeten vollständigen Risikodarstellung in verständlicher Weise aufzuklären. Diese Verpflichtung besteht, weil das dem Anleger kraft Gesetzes gemäß § 37 Abs. 1 InvG aF gemachte Versprechen, seine Investition in einen offenen Immobilienfonds jederzeit durch die Rückgabe seiner Anteile an die Kapitalanlagegesellschaft zu einem gesetzlich bestimmten Rücknahmepreis liquidieren zu können, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 81 InvG aF nicht eingehalten wird.
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(2) Ob hier zum Zeitpunkt der Beratung im Juli 2008 bei dem Fonds bereits konkrete Anhaltspunkte für eine bevorstehende Aussetzung der Anteilsrücknahme vorgelegen haben, ist für das Bestehen dieser Aufklärungspflicht ohne Bedeutung, da es für die Entscheidung des Anlegers auch ohne solche konkreten Anhaltspunkte von wesentlicher Bedeutung sein kann, dass er dieses Risiko während der gesamten Investitionsphase übernimmt. Soweit sich die Revision in dem Zusammenhang gegen die Auffassung des Berufungsgerichts wendet, dass es im Juli 2008 bereits hinreichende Anhaltspunkte für eine Aussetzung der Anteilsrücknahme gegeben habe, handelt es sich lediglich um eine nicht tragende Hilfsbegründung. Das Berufungsgericht hat in erster Linie rechtsfehlerfrei darauf abgestellt, dass es zur Begründung der Aufklärungspflicht und der Wesentlichkeit dieses Gesichtspunktes für die Anlageentscheidung keiner sich verdichtender Anzeichen für eine bevorstehende Aussetzung der Anteilsrücknahme bedarf.
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(3) Dementsprechend ist es für die Beantwortung der Frage, ob die Bank den Anleger über dieses Risiko aufklären muss, ebenfalls unerheblich, ob bis zum Ausbruch der Finanzkrise im Oktober 2008 insoweit ein fernliegendes oder gar ein nur theoretisches Risiko (so OLG Dresden, WM 2013, 363, 366; OLG Schleswig, WM 2013, 2258, 2262; vgl. auch Stumpf/Kotte, BB 2013, 1613, 1617; Thume/Edelmann, WuB I G 5.- 3.13) bestanden hat. Die Möglichkeit, die Rücknahme der Anteile auszusetzen, stellt ein während der gesamten Investitionsphase bestehendes Liquiditätsrisiko dar, über das der Anleger informiert sein muss, bevor er seine Entscheidung trifft.
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(4) Der Umstand, dass die Anleger eines offenen Immobilienfonds ihre Anteile während einer Aussetzung der Anteilsrücknahme jederzeit an der Börse veräußern können, spricht - wie das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision zutreffend angenommen hat - ebenfalls nicht gegen die Pflicht der Bank, über die Möglichkeit einer solchen Aussetzung aufzuklären (ebenso Schröder, jurisPR-BKR 7/2012 Anm. 6; a.A. OLG Dresden, WM 2013, 363, 366; OLG Schleswig, WM 2013, 2258, 2262; Homberger, EWiR 2013, 475 f.; Stumpf/Kotte, BB 2013, 1613, 1617).
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Die Revision weist zwar zutreffend darauf hin, dass die Anleger damit weiter die Möglichkeit haben, ihre Anteile jederzeit zu liquidieren. Diese Möglichkeit stellt aber angesichts der an einer Börse oder an einem sonstigen Sekundärmarkt bestehenden Beeinflussung des Preises durch spekulative Elemente keinen gleichwertigen Ersatz für die gesetzlich geregelte Möglichkeit dar, die Anteile zu einem vorab festgelegten Rücknahmepreis an die Kapitalanlagegesellschaft zurück zu geben. Dem Anleger wird die Liquidität seiner Fondsanteile im Fall einer Aussetzung der Anteilsrücknahme daher nicht mehr mit der Qualität eines vorab im Gesetz bestimmten Rücknahmepreises gewährleistet.
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(5) Soweit die Revision meint, dass es sich bei der Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme um eine Schutzmaßnahme zugunsten der Anleger handele, kommt es für die Aufklärungspflicht der Bank hierauf nicht an. Die Regelungen des § 81 InvG aF über die Aussetzung der Rücknahme von Anteilen an offenen Immobilienfonds sollen es der Kapitalanlagegesellschaft ermöglichen, sich im Fall einer unerwartet hohen Zahl ihr zur Rückgabe angedienter Fondsanteile während der Aussetzung die Liquidität zu beschaffen, die für die Bedienung der rückgabewilligen Anleger erforderlich ist (vgl. Gringel, ZBB 2012, 106, 108; Schultz-Süchting in Emde/Dornseifer/Dreibus/Hölscher, InvG, 2013, § 81 Rn. 2; Baur, Investmentgesetze, 1997, § 36 KAGG Rn. 1; Baur/Ziegler in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 9/283; vgl. auch BT-Drucks. 17/3628, S. 28 und zu BT-Drucks. V/4414, S. 6). Zugleich soll der Gefahr einer wirtschaftlich nicht sinnvollen Verwertung des Fondsvermögens in einer Krisensituation vorgebeugt werden. Da die Aussetzung jedoch - wie dargelegt - dem Liquiditätsinteresse der Anleger entgegensteht, ist hierüber vor der Anlageentscheidung aufzuklären.
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3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe ihre Pflicht, die Klägerin über die Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme aufzuklären, nicht erfüllt.
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a) Es ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht eine Erfüllung dieser Pflicht durch die Übergabe der Basisinformationen verneint hat. Dabei kann allerdings offen bleiben, ob deren Übergabe im November 2007 im Hinblick auf die Anlageentscheidung der Klägerin Ende Juli 2008 noch als zeitnahe Unterrichtung der Klägerin anzusehen ist.
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Das Berufungsgericht hat die fehlende Erfüllungswirkung dieser Übergabe nämlich rechtsfehlerfrei auch darauf gestützt, dass zwischen der Anlageentscheidung und der Übergabe der Basisinformationen kein konkreter Zusammenhang bestand. Die Revisionserwiderung weist insoweit zutreffend darauf hin, dass bei einem offenen Immobilienfonds nach § 81 InvG aF die Anteilsrücknahme nur dann ausgesetzt werden konnte, wenn die Vertragsbedingungen des jeweiligen Fonds eine solche Befugnis vorsahen (vgl. Köndgen/Schmies in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 113 Rn. 141). Informationen darüber, ob hier der Kapitalanlagegesellschaft in den Vertragsbedingungen eine solche Befugnis eingeräumt worden war, enthalten die allgemeinen Basisinformationen naturgemäß nicht. Hierüber hätte die Beklagte die Klägerin entweder in verständlicher Weise mündlich oder durch die rechtzeitige Übergabe eines auf den streitgegenständlichen Fonds bezogenen Informationsmaterials schriftlich aufklären müssen. Entgegen der Auffassung der Revision ist es deshalb auch unerheblich, ob die Klägerin im Rahmen ihrer langjährigen Geschäftsbeziehung zur Beklagten bereits seit 2003 Anteile an offenen Immobilienfonds erworben hat.
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b) Soweit sich die Revision weiter gegen die Feststellung des Berufungsgerichts wendet, die Klägerin habe den Flyer des Fonds, auf dessen Titelseite ein Hinweis auf die Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme abgedruckt ist, erst nach ihrer Anlageentscheidung und damit nicht rechtzeitig erhalten, hat dies ebenfalls keinen Erfolg. Die Revision hat gegen diese tatrichterliche Feststellung keine durchgreifende Verfahrensrüge erhoben (§ 564 ZPO).
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4. Das Berufungsgericht ist weiter in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats zur "Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens" (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 28 ff.) davon ausgegangen, dass die unterlassene Aufklärung über die Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme kausal für die Anlageentscheidung der Klägerin war.
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Entgegen der Auffassung der Revision ist diese Senatsrechtsprechung auf die hier streitige Aufklärungspflichtverletzung ohne weiteres anzuwenden. Die Argumentation der Revision, ein Anleger würde mit der Information über die Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme kein zusätzliches Risiko verbinden, sondern eine solche Aussetzung als Schutzmaßnahme gegen Verluste des Fonds und damit gegen eine Wertminderung seiner Beteiligung begreifen, weshalb der Anleger bei der gebotenen Aufklärung in seiner Anlageentscheidung sogar bestärkt werde, verkennt bereits im Ansatz, dass die Aussetzung der Anteilsrücknahme - wie dargelegt - dem Liquiditätsinteresse des Anlegers entgegensteht.
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5. Nicht zu beanstanden ist schließlich die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten sei fahrlässig erfolgt.
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Nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB muss der Aufklärungspflichtige darlegen und beweisen, dass er eine Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Die Beklagte hat folglich bereits für Fahrlässigkeit einzustehen. Eine Haftung wegen Fahrlässigkeit ist zwar bei einem unvermeidbaren Rechtsirrtum ausgeschlossen. An das Vorliegen eines solchen Rechtsirrtums sind aber strenge Maßstäbe anzulegen, wobei der Schuldner die Rechtslage sorgfältig prüfen, soweit erforderlich, Rechtsrat einholen und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig beachten muss. Grundsätzlich trifft den Schuldner das Risiko, die Rechtslage zu verkennen. Er handelt mithin schuldhaft, wenn er mit der Möglichkeit rechnen musste, dass das zuständige Gericht einen anderen Rechtsstandpunkt einnimmt (Senatsbeschluss vom 29. Juni 2010 - XI ZR 308/09, WM 2010, 1694 Rn. 3).
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Gemessen an diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei eine Fahrlässigkeit der Beklagten bejaht. Es ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte nicht hinreichend dargelegt hat, dass sie sich hinsichtlich ihrer Pflicht, die Klägerin über die Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme aufzuklären, in einem unvermeidbaren Rechtsirrtum befunden habe. Einem unvermeidbaren Rechtsirrtum steht hier schon entgegen, dass für die Beklagte im Juli 2008 ein konkreter Anhaltspunkt bestand, aus dem sie ohne weiteres hätte erkennen können, dass es sich bei der Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme um eine aufklärungspflichtige Eigenschaft des Fonds handeln kann. Im Flyer des Fonds wird nämlich bereits auf der Titelseite - und damit an exponierter Stelle - darauf aufmerksam gemacht, dass die Rücknahme von Anteilen gemäß § 81 InvG aF binnen einer in den Vertragsbedingungen festgelegten Frist ausgesetzt werden kann.
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Wiechers Joeres Ellenberger
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Matthias Menges
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.