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| Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Kostenersatz für die Herstellung eines Kanalanschlusses. |
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| Die Klägerin ist Eigentümerin der Grundstücke Neustädter Straße 75 (FIst.-Nr. 5538/4) und 77 (FIst.-Nr. 5538/3) auf der Gemarkung der Beklagten. Ursprünglich hatten beide Grundstücke zusammen mit weiteren benachbarten Grundstücken ein großes Grundstück gebildet, das im Eigentum der Beklagten gestanden hatte. Ende der 1950er Jahre wurde dieses ursprüngliche Grundstück in insgesamt sechs Einzelgrundstücke (Neustädter Straße 71 bis 81) aufgeteilt. Die Beklagte ist Eigentümerin des sich in nordöstlicher Richtung entlang dieser Grundstücke erstreckenden Geländestreifens (FIst.-Nr. 5550/1). |
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| Das Grundstück FIst.-Nr. 5550/1 unterteilt sich in zwei Teile: Die südwestlich an die Grundstücke der Neustädter Straße 71, 73, 75, 77, 79, 81 angrenzende Seite ist an die jeweiligen Eigentümer der Anwesen verpachtet und wird als Vorgarten genutzt, während sich auf der nordöstlich zur Straße zugewandten Seite ein öffentlicher Gehweg befindet. Im südwestlichen - als Vorgarten genutzten - Teil des Grundstücks verläuft ein in den 1950er Jahren errichteter Abwasserkanal. Die Entwässerung der bebauten Grundstücke (Neustädter Straße 71, 73, 75, 77, 79, 81) verläuft über zum gemeinsamen Abwasserkanal führende Anschlussleitungen. |
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| Nachdem sich die Sanierungsbedürftigkeit des Kanals herausstellte, verlegte die Beklagte einen neuen Kanal parallel zu dem bestehenden Kanal, da eine unterirdische Sanierung der Entwässerungsleitung nicht möglich sei. Der neu errichtete Kanal verläuft ca. 50 cm nordöstlich des alten Kanals parallel zur Neustädter Straße in dem als Vorgarten genutzten Bereich des Grundstücks FIst.-Nr. 5550/1. |
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| Mit Bescheiden vom 23.11.2010, zugestellt am 23.11.2010, erhob die Beklagte für das Grundstück Neustädter Straße 75 (FIst.-Nr. 5538/4) einen Kostenerstattungsbetrag in Höhe von 8.062,87 EUR und für das Grundstück Neustädter Straße 77 (FIst.-Nr. 5538/3) in Höhe von 8.138,31 EUR für die Herstellung des neuen Kanals. |
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| Dabei hat sich die Beklagte auf ihre Abwassersatzung - AbwS - vom 29.03.1979 gestützt, die vor Erlass der Bescheide zuletzt am 01.04.2010 geändert worden war. Diese enthielt u.a. folgende Regelungen: |
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| … (2) Zentrale öffentliche Abwasseranlagen sind insbesondere die öffentlichen Kanäle, Regenrückhaltebecken, Regenüberlauf- und Regenklärbecken, Abwasserpumpwerke und Kläranlagen sowie offene und geschlossene Gräben, soweit sie von der Stadt zur öffentlichen Abwasserbeseitigung benutzt werden. … |
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| Zu den zentralen öffentlichen Abwasseranlagen gehört auch der Teil der Hausanschlussleitung, der im Bereich der öffentlichen Verkehrs- und Grünflächen verläuft (Grundstücksanschluss). |
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| … (4) Grundstücksentwässerungsanlagen sind alle Einrichtungen zur Abwasserbeseitigung, die nicht Bestandteil einer öffentlichen Abwasseranlage sind. … |
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| § 8 Grundstücksanschlüsse |
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| (1) Grundstücksanschlüsse (§ 2 Abs. 2) werden ausschließlich von der Stadt hergestellt, unterhalten, erneuert, geändert, abgetrennt und beseitigt. … |
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| (5) Der Stadt sind vom Grundstückseigentümer zu erstatten: |
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| a) Die Kosten der Herstellung, Unterhaltung, Erneuerung, Veränderung und Beseitigung der Grundstücksanschlüsse; |
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| … (6) Der Erstattungsanspruch entsteht mit der endgültigen Herstellung des Grundstücksanschlusses, im Übrigen mit der Beendigung der Maßnahme. Der Erstattungsanspruch wird innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Abgabenbescheids fällig. |
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| § 11 Herstellung, Änderung und Unterhaltung der Grundstücksentwässerungsanlagen, Sicherung gegen Rückstau |
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| (1) Die Grundstücksentwässerungsanlagen sind vom Grundstückseigentümer auf seine Kosten herzustellen, zu unterhalten, und nach Bedarf gründlich zu reinigen. |
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| (2) Der Grundstückseigentümer hat die Verbindung der Grundstücksentwässerungsanlagen mit den öffentlichen Abwasseranlagen im Einvernehmen mit der Stadt herzustellen. … |
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| Mit Schreiben vom 30.11.2010 wandte sich die Klägerin unter Bezugnahme auf die „Leistungsbescheide Kanalanschluß“ persönlich an den Oberbürgermeister der Beklagten. Darin führte sie unter anderem aus: „Warum wurde ein Leistungsbescheid erstellt? Lt. Abwassersatzung […] ist die Geltendmachung der Kosten nur zivilrechtlich möglich.“ In einem weiteren Schreiben vom 02.12.2010 warf sie - nach einem wohl erfolgten zwischenzeitlichen Gespräch - insbesondere Fragen zur Höhe der Rechnungssumme aus und fügte ein von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholtes Rechtsgutachten bei. Dieses Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass für den Teil des Kanals, der unter der nicht als öffentliche Verkehrsfläche gewidmeten „Vorgartenfläche“ liege, (lediglich) „zivilrechtliche Anspruchsgrundlagen“ für einen Kostenersatz für die Sanierung des Kanals bestehen. |
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| Gegen beide Bescheide erhob die Klägerin zudem am 27.12.2010 durch ihren mittlerweile bestellten Bevollmächtigten ausdrücklich Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.04.2011, zugestellt am 14.04.2011, als unzulässig zurückwies. Die Frist des § 70 VwGO sei am 23.12.2010 abgelaufen und der Widerspruch daher verfristet. „Hilfsweise" führte sie weiter aus, die Rechtsgrundlage für die Erhebung der streitigen Leistungsbescheide ergebe sich aus § 8 Abs. 5 lit. a AbwS. Sie habe den Kanal nicht saniert, sondern neu verlegt und somit erstmals für die Grundstücke Neustädter Straße 71 bis 81 einen gemeinsamen Grundstücksanschluss hergestellt, der die privaten Grundstücksentwässerungsanlagen mit dem öffentlichen Kanal verbinde. |
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| Auf die am 13.05.2011 erhobene Klage der Klägerin hat das Verwaltungsgericht die angefochtenen Bescheide mit Urteil vom 12.12.2012 aufgehoben, soweit darin ein Erstattungsbetrag von mehr als 1.387,87 EUR für das Grundstück Neustädter Straße 75 und von mehr als 1.463,31 EUR für das Grundstück Neustädter Straße 77 festgesetzt wird; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Die Klage sei zulässig. Die angefochtenen Bescheide vom 23.11.2010 seien nicht bestandskräftig geworden. Das Schreiben der Klägerin an den Oberbürgermeister vom 30.11.2010 - „ergänzt durch ein Schreiben vom 01.12.2012“ - sei als Widerspruch auszulegen. Als Widerspruch i.S.d. §§ 69, 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO sei jede Äußerung zu verstehen, durch die der Betroffene zu erkennen gebe, mit der getroffenen Entscheidung oder Maßnahme nicht einverstanden zu sein. Im Zweifel seien Erklärungen nach §§ 133, 157 BGB so auszulegen, dass der Betreffende denjenigen Rechtsbehelf einlegen wolle, der nach Lage der Sache seinen Belangen entspreche. Die Schreiben der Klägerin erfüllten diese Mindestanforderungen. Sie nehme in ihren Schreiben explizit Bezug auf den Leistungsbescheid und erhebe Einwendungen zur Frage der Rechtmäßigkeit, deren Beantwortung sie vor Fälligkeit der Rechnungen erbitte. Aus der Auslegung der Schreiben werde deutlich, dass sie sich gegen ihre Heranziehung als Beitragspflichtige wende. Die Beklagte hätte bei bestehenden Zweifeln an der Einordnung des klägerischen Schreibens durch Rückfragen auf eine Klarstellung hinwirken müssen. |
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| Die Klage sei insoweit begründet, als die Beklagte eine Kostenerstattung für die Erneuerung des gemeinsamen Grundstücksanschluss für das Grundstück Neustädter Straße 75 und für das Grundstück Neustädter Straße 77 - jeweils in Höhe von 6.675,00 EUR - geltend mache. Das Satzungsrecht der Beklagten genüge für eine Kostenerstattung von Maßnahmen an einem gemeinsamen Grundstücksanschluss den Erfordernissen der §§ 2 und 42 KAG in wesentlichen Grundlagen nicht, da die Satzung keine Regelung enthalte, in welchem Umfang mehrere Eigentümer für die Kosten von Maßnahmen an einem gemeinsamen Grundstücksanschluss erstattungspflichtig seien. |
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| Soweit die Beklagte die Kosten für die von dem gemeinsamen Grundstücksanschluss zum Grundstück abzweigenden Anschlussleitungen bezüglich des Grundstücks Neustädter Straße 75 in Höhe von 1.387,87 EUR und bezüglich des Grundstücks Neustädter Straße 77 in Höhe von 1.463,31 EUR geltend mache, seien die Bescheide hingegen rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 5 lit. a AbwS seien erfüllt. Insbesondere stelle der sanierte Kanal einen Grundstücksanschluss im Sinne der Satzung dar. Unter Hausanschluss im Sinne des § 42 Abs. 1 Satz 1 KAG werde allgemein die Verbindung des Verteilungsnetzes mit der angeschlossenen baulichen oder sonstigen Anlage verstanden, die an der Abzweigstelle des Verteilungsnetzes beginne und mit der Hauptabsperrvorrichtung ende. Der Hausanschluss umfasse auch den Grundstücksanschluss, d. h. den Teil der genannten Verbindung, der abzweigend von der Hauptleitung bis zur Grundstücksgrenze des Anschlussnehmers reiche. Für die Abgrenzung der beiden Begriffe sei es wesentlich, dass ersterer im öffentlichen Raum verlaufe und der Hausanschluss im Privatbereich. Demnach zähle bei Hinterliegergrundstück- en, bei denen die Anschlussleitung über ein privates Grundstück geführt werde, die Leitungsstrecke von der Grenze Straße/Vorderliegergrundstück bis zum Prüfschacht des Hinterliegergrundstücks zum Hausanschluss; vorliegend jedoch zum Grundstücksanschluss, da die Satzung lediglich eine Kostenerstattung des Grundstücksanschlusses vorsehe. Die auf § 42 KAG beruhende Regelung in § 2 Abs. 2 AbwS sei in gleichem Sinne auszulegen. Der Wortlaut stehe dieser Auslegung nicht entgegen, da in der Satzung lediglich entsprechend den obigen Ausführungen klargestellt werde, dass auch der Teil der Hausanschlussleitung, der im Bereich der öffentlichen Verkehrs- und Grünflächen verlaufe (Grundstücksanschluss), zu den öffentlichen Abwasseranlagen gehöre. Da das klägerische Grundstück nicht an eine öffentliche Straße grenze, sondern an das im Privateigentum der Beklagten stehende Grundstück, müsse auch die zur öffentlichen Straße führende Anschlussleitung zum Grundstücksanschluss zählen. |
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| Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts richtet sich - soweit darin die Klage abgewiesen wird - die vom Senat mit Beschluss vom 06.05.2013 zugelassene Berufung der Klägerin. Zu deren Begründung macht diese geltend, die Auslegung des Begriffs des Grundstücksanschlusses durch das Verwaltungsgericht stehe nicht im Einklang mit der Satzung. Aus § 2 Abs. 4 AbwS gehe eindeutig hervor, dass alle Einrichtungen zur Abwasserbeseitigung, welche nicht Bestandteil einer öffentlichen Abwasseranlage seien, Grundstücksentwässerungsanlagen darstellten. |
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| das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12. Dezember 2012 - 2 K 1744/12 - zu ändern und die Bescheide der Beklagten vom 23.11.2010 und deren Widerspruchsbescheid vom 11.04.2011 auch insoweit aufzuheben, als die Beklagte bezüglich des Grundstücks Neustädter Straße 75 einen Kostenersatz in Höhe von 1.387,87 EUR und bezüglich des Grundstücks Neustädter Straße 77 in Höhe von 1.463,31 EUR festgesetzt hat. |
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| die Berufung der Klägerin zurückzuweisen. |
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| Sie macht ergänzend geltend, die Definition des Grundstücksanschlusses in § 2 Abs. 2 Satz 2 AbwS beziehe sich auf den Regelfall, wonach ein angeschlossenes Grundstück direkt an die Straße grenze und die Hausanschlussleitung von der Grundstücksgrenze bis zu dem unterhalb des öffentlichen Straßenbereichs liegenden Kanal führe. In einem solchen Fall teile sich der Hausanschluss als Oberbegriff in einen im öffentlichen Verkehrsbereich verlaufenden Grundstücksanschluss und eine im Privatgrundstücksbereich liegende Entwässerungsanlage. Im Hinblick auf diesen Regelfall seien Grundstücksentwässerungsanlagen im Sinne von § 2 Abs. 4 AbwS alle Einrichtungen zur Abwasserbeseitigung, soweit sie nicht einen Bestandteil der öffentlichen Abwasseranlage darstellten. Von diesem Regelfall abweichend gebe es Grundstücksanschlüsse, die eine Verbindung zwischen dem in der öffentlichen Straße liegenden Kanal und der Grundstücksentwässerungsanlage schafften, wenn das anzuschließende Grundstück nicht unmittelbar an eine öffentliche Straße angrenze. Dann müsse die Anschlussleitung von dem jeweiligen angeschlossenen Grundstück über ein Privatgrundstück geführt werden - im vorliegenden Fall über das im Eigentum der Beklagten liegende Grundstück. In der Rechtsprechung sei für einen solchen Fall anerkannt, dass diese Strecke bis zur Grundstücksgrenze des Anschlussnehmers zum Grundstücksanschluss gehöre. |
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| Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten der Beklagten und des Verwaltungsgerichts sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen. |
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