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Der Senat kann ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO darauf verzichtet haben, die entscheidungserhebliche Sach- und Rechtslage geklärt ist und auch die nachgereichten Schriftsätze der Beteiligten vom 11.6. und 16.6.2004 keine neuen rechtlichen Gesichtspunkte enthalten, die einer mündlichen Erörterung bedürfen.
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Die zulässige, insbesondere fristgerecht und inhaltlich ausreichend begründete Berufung des Klägers (§ 124a Abs. 6 VwGO) hat zum überwiegenden Teil in der Sache Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte die - ihrerseits zulässige - Verpflichtungsklage des Klägers nicht insgesamt als unbegründet abweisen dürfen. Denn der Kläger, ein abgelehnter Asylbewerber, erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen des § 30 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 AuslG für eine Aufenthaltsbefugnis (dazu I.). Der Beklagten war daher Ermessen eröffnet, das sie zwar nicht ordnungsgemäß ausgeübt hat, welches aber - insbesondere hinsichtlich der begehrten Rückwirkung der Aufenthaltsbefugnis - auch nicht „auf Null“ reduziert ist, so dass der Kläger nur einen Anspruch auf Neubescheidung seines Antrags auf Aufenthaltsbefugnis hat (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO), und seine weitergehende Klage abzuweisen ist (dazu II.).
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I. Nach § 30 Abs. 3 AuslG kann einem Ausländer, der unanfechtbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 8 Abs. 1 AuslG eine Aufenthaltsbefugnis erteilt werden, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 AuslG für eine Duldung vorliegen, weil seiner freiwilligen Ausreise und seiner Abschiebung Hindernisse entgegenstehen, die er nicht zu vertreten hat. Ferner dürfen keine - dem Anspruch nach § 30 Abs. 3 AuslG entgegen zu haltende - Regelversagungsgründe nach § 7 Abs. 2 AuslG eingreifen. Diese Tatbestandsvoraussetzungen sind - im maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung - beim Kläger erfüllt, so dass es eines Rückgriffs auf § 30 Abs. 4 AuslG (dessen Voraussetzungen im übrigen ebenfalls vorliegen) nicht bedarf.
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1. Der Kläger ist vollziehbar ausreisepflichtig. Die vollziehbare Ausreisepflicht trat mit Unanfechtbarkeit des Asylablehnungsbescheids des Bundesamts mit Abschiebungsandrohung vom 4.1.1995 am 22.5.1998 ein, als seine Aufenthaltsgestattung erlosch (vgl. §§ 42 Abs. 2 Satz 2 AuslG, 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylVfG) und gleichzeitig die Abschiebungsandrohung vollziehbar wurde (vgl. § 42 Abs. 2 Satz 2 AuslG, §§ 67 Abs. 1 Nr. 4, 75 AsylVfG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO).
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2. Beim Kläger liegen auch die Voraussetzungen einer Duldung nach § 55 Abs. 2 AuslG vor. Hierbei kann offen bleiben, ob die Abschiebung nach Intensität und Dringlichkeit der gegenwärtigen Gefährdungslage im Kosovo bereits rechtlich unmöglich wäre (§ 55 Abs. 2 AuslG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 GG). Denn der Kläger erfüllt, wie vom Bundesamt verbindlich festgestellt (dazu noch unten), die Tatbestandsvoraussetzungen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG. Diese Feststellung bezog sich - entsprechend dem Antrag des Klägers - räumlich ersichtlich auf die damalige Bundesrepublik Jugoslawien (heute: Serbien-Montenegro). In diesem Fall „soll“ nach § 55 Abs. 2 AuslG die Abschiebung ausgesetzt werden. Die Beklagte hat sich aufgrund dieser Feststellung erkennbar zur Aussetzung entschlossen, indem sie dem Kläger seit dem feststellenden Bescheid des Bundesamts vom 7.3.2001 - und hierauf bezogen - fortlaufend Duldungen erteilt hat und erteilt. Damit ist den Anforderungen des § 30 Abs. 3 AuslG genügt (vgl. dazu BVerwG Urteil vom 8.4.1997 - 1 C 12.94 -, BVerwGE 104, 210 = InfAuslR 1997, 416 m.w.N):
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3. Einem Anspruch des Klägers nach § 30 Abs. 3 AuslG können - jedenfalls gegenwärtig - auch Regelversagungsgründe nach § 7 Abs. 2 AuslG nicht entgegengehalten werden. Dass er sich straffrei geführt hat und - derzeit - auch für seinen und seiner Familie Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel sorgen kann (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 AuslG), ist zwischen den Beteiligten zwischenzeitlich unstreitig (vgl. Erwiderung der Beklagten auf den Zulassungsantrag vom 15.1.2004). Auch der Regelversagungsgrund des § 7 Abs. 2 Nr. 1 AuslG greift nicht ein. Dass der Kläger, wie im Ausgangsbescheid ausgeführt, 1992 ohne Pass und als Folge davon - obwohl Angehöriger eines Staates auf der (damaligen) Positivliste - ohne Visum eingereist ist (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 AuslG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 DVAuslG), steht dem Anspruch nach § 30 Abs. 3 AuslG nicht entgegen. Dies dürfte sich bereits daraus ergeben, dass dieser Anspruch „abweichend von § 8 Abs. 1“ besteht. Die damalige unerlaubte Einreise (vgl. § 58 Abs. 1 Nr. 2 AuslG), die einen Straftatbestand erfüllt (§ 92 Abs. 1 Nr. 6 AuslG), kann dem Kläger gegenwärtig aber auch nicht (mehr) als Ausweisungsgrund nach § 46 Nr. 2 AuslG vorgehalten werden. Denn selbst wenn der Kläger wegen dieser Straftat verurteilt worden wäre, wäre diese zwischenzeitlich längst getilgt (§§ 45, 46 Abs. 1 Nr. 1 BZRG) und damit nicht mehr zum Nachteil des Klägers verwertbar (§ 51 Abs. 1 BZRG).
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4. Der freiwilligen Ausreise und der Abschiebung des Klägers stehen während der Dauer der Feststellung des Bundesamts über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG auch Hindernisse entgegen, die er nicht zu vertreten hat. Dies ergibt sich zunächst aus einer rechtssystematischen Analyse des Tatbestands des § 30 Abs. 3 AuslG. Dieser verlangt zweierlei: Es müssen der freiwilligen Ausreise und der Abschiebung nicht zu vertretende Hindernisse entgegenstehen. Dementsprechend sind die Komplexe „nicht zu vertretende Abschiebung“ und „nicht zu vertretende Hindernisse einer freiwilligen Ausreise“ getrennt zu prüfen (dazu 4.1). Ferner ist die Kompetenzverteilung zwischen Bundesamt und Ausländerbehörden, insbesondere aus der dieses Kompetenzsystem absichernden Bindungswirkung nach § 42 Satz 1 AsylVfG, in den Blick zu nehmen (dazu 4.2 und 4.3).
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4.1 § 30 Abs. 3 AuslG verlangt - als erstes Merkmal - das Vorliegen von (eine Duldung nach § 55 Abs. 2 AuslG begründenden) Abschiebungshindernissen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat. Sie werden teilweise als objektive Duldungsgründe (im Unterschied zu den selbstgeschaffenen Duldungsgründen) bezeichnet (vgl. Jakober/Welte, Aktuelles Ausländerrecht, Bd. 2, § 30 AuslG Rdnr. 32). Dabei ist zwischen rechtlichen und tatsächlichen Abschiebungshindernissen zu unterscheiden. Zu den rechtlichen Abschiebungshindernissen gehören außer den - durch höherrangiges Verfassungs- oder supranationales Recht gebotenen - inlandsbezogenen Abschiebungshindernissen auch zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse nach §§ 51 Abs. 1 und 53 Abs. 1 bis 4 AuslG sowie - wie hier - Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 AuslG. Die tatsächlichen Abschiebungshindernisse umfassen in erster Linie Fälle der faktisch unmöglichen Rückübernahme durch den Herkunfts- oder einen Drittstaat. Das „Vertretenmüssen“ hinsichtlich des Bestehens dieser Abschiebungshindernisse beschränkt sich nicht auf schuldhaftes (vorsätzlich oder fahrlässiges) Handeln oder Unterlassen. Es genügt, dass der Ausländer durch ihm zurechenbares vorwerfbares - in seinem Verantwortungsbereich liegendes - Handeln die Ursache für das Abschiebungshindernis gesetzt hat oder eine solche Ursache mit zumutbaren Bemühungen wieder beseitigen könnte (Möglichkeit und Zumutbarkeit der Beseitigung des Abschiebungshindernisses, vgl. dazu auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.6.2001 - 13 S 1983/00 - [Juris]; Jakober/Welte a.a.O. mit Rechtsprechungsnachweisen). Die zu stellenden Anforderungen und zumutbaren Mitwirkungspflichten hängen von der Art des jeweiligen Abschiebungshindernisses ab und sind für den Bereich der wichtigsten tatsächlichen Abschiebungshindernisse (etwa: Mitwirkung bei der Beschaffung von Rückreisedokumenten) geklärt (vgl. dazu etwa VGH Bad.-Württ., Urteile vom 6.5.2003 - 13 S 1234/01 - und vom 25.6.2003 - 13 S 276/02 - [Juris].). Bei rechtlichen Abschiebungshindernissen zielstaatsbezogener Ausrichtung ist die Möglichkeit einer Beseitigung durch den Ausländer mit eigenen Mitteln naturgemäß begrenzt. Derartige zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse sind daher in aller Regel nicht zu vertreten. Einfluss hat der Ausländer höchstens auf die in seiner persönlichen Sphäre liegenden verfolgungsauslösenden Ursachen. Ihm kann daher im Rahmen zurechenbaren „Vertretenmüssens“ allenfalls vorgeworfen werden, nicht das Erforderliche und Zumutbare für die Beseitigung solcher Ursachen getan zu haben.
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Gemessen daran liegt beim Kläger ein nicht zu vertretendes Abschiebungshindernis - ein objektiver Duldungsgrund - vor. Auslöser seiner Duldung ist seine Erkrankung. Es handelt sich um eine larvierte Depression in Form einer somatoformen Störung (F 45) mit erheblichen Wirbelsäulenbeschwerden, die der regelmäßigen psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlung bedarf und die im Kosovo nicht im erforderlichen Umfang behandelbar ist, weshalb für den Kläger im Kosovo „eine erhebliche individuelle Gefahr für Leben und Gesundheit besteht“ (vgl. VG Karlsruhe im Urteil vom 27.9.2000 - A 4 K 11695/00 - unter Bezugnahme auf die damals vorliegenden Gutachten des Medizinischen Dienstes der AOK vom 4.4.2000 und der Hochschwarzwaldklinik St. Blasien vom 25.9.2000). Die Entstehung dieser Krankheit, die der Kläger sich durch jahrelange schwere Arbeit zugezogen hat, kann ihm nicht vorgeworfen werden. Der Kläger hat ersichtlich auch das in seinem Verantwortungsbereich Liegende und Zumutbare zur Besserung der Erkrankung getan. Er hat sich einer Behandlung in Deutschland keinesfalls entzogen, sondern befindet sich seit April 2000 in Behandlung bei dem Neurologen und Psychiater Dr. K.. Dieser diagnostiziert auch heute noch eine chronifizierte reaktive Depression und eine Somatisierungsstörung (Attest vom 3.5.2004, Bl. 87 VGH-Akte). Die bisherige Behandlung habe „keine entscheidende Linderung“ bringen können (Attest vom 10.10.2003, Bl. 69 VG-Akte), eine weitere psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung hält er für erforderlich (Attest vom 3.5.2004). Mehr als diese Behandlung der Erkrankung als Mittel zur Beseitigung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses kann nach Lage der Dinge vom Kläger nicht verlangt werden. Dafür, dass er sich zusätzlich etwa noch in orthopädische Behandlung hätte begeben müssen und dadurch seinen Gesundheitszustand entscheidend hätte verbessern können, wird von der Beklagten nichts vorgetragen und ist aus den Akten auch nichts ersichtlich.
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4.2 § 30 Abs. 3 AuslG verlangt - als zweites Merkmal -, dass der Ausländer nicht freiwillig ausreisen kann, weil einer solchen freiwilligen Ausreise nicht zu vertretende Hindernisse entgegenstehen (nicht zu vertretendes Ausreisehindernis). Für die Trennung dieses Merkmals vom Merkmal des „nicht zu vertretenden Abschiebungshindernisses“ spricht schon der eindeutige, oben zitierte Wortlaut des § 30 Abs. 3 AuslG (so zur insofern gleichlautenden und an § 30 Abs. 3 AuslG orientierten Vorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 2 AsylbLG a.F.[BGBl. 1993, 1074], zutreffend OVG Lüneburg, Beschluss vom 27.1.1997 - 12 L 264/97 -, NVwZ 1997, Beil. Nr. 4, 28; ebenso - zu § 30 Abs. 3 AuslG - VGH Bad.-Württ., Urteil vom 7.3.1996 - 13 S 1443/95 -, VBlBW 1996,309 und Urteil vom 17.12.1998 - 13 S 3121/96 -, VBlBW 1999, 133 = InfAuslR 1999, 191; ebenso Kloesel/Christ/Häußer, Ausländerrecht, Bd. 1, § 30 Rdnr. 68; a.A - zu § 2 Abs. 1 Nr. 2 AsylbLG a.F. -, OVG Lüneburg, Beschluss vom 20.1.1997 - 4 M 7062/96 -, AuAS 1997, 154). Diese Trennung ist auch vom Zweck des § 30 Abs. 3 AuslG her geboten, der Fälle erfassen soll, in denen eine Aufenthaltsbeendigung (sei es durch Abschiebung oder durch freiwillige Ausreise) aus rechtlichen oder tatsächlichen, von dem Ausländer nicht zu vertretenden Gründen, unmöglich ist (so zutreffend VGH Bad.-Württ., Urteil vom 7.3.1996 a.a.O.; vgl. auch amtl. Begründung, abgedruckt bei Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches Ausländerrecht, zu § 30 AuslG). Erforderlich ist damit, dass nicht nur die Beseitigung von Abschiebungshindernissen (dazu oben), sondern auch die freiwillige Ausreise unmöglich oder unzumutbar sein muss (ebenso OVG Lüneburg, Beschluss vom 27.1.1997 a.a.O.). Zwar sind die Anforderungen beider Merkmale - namentlich bei den tatsächlichen Abschiebungshindernissen, insbesondere der Passlosigkeit - oft deckungsgleich und werden daher in dieser Konstellation in der Rechtsprechung nicht selten gemeinsam abgehandelt. Diese Identität besteht jedoch nicht zwangsläufig und ist gerade bei zielstaatsbezogenen rechtlichen Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG häufig nicht gegeben. Die Fragestellungen sind hier unterschiedlich. Für die Beurteilung, ob die freiwillige Ausreise vertretbar (möglich und zumutbar) ist, sind die Verhältnisse im Zielstaat in den Blick zu nehmen. Für die Frage der Vertretbarkeit einer Beseitigung des Abschiebungshindernisses kommt es demgegenüber auf die oben dargelegten persönlichen Einflussmöglichkeiten des Ausländers an.
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Ob die freiwillige Ausreise möglich und zumutbar ist, ist in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu beurteilen. Bei den Anforderungen an die tatsächliche Möglichkeit und Zumutbarkeit der freiwilligen Ausreise ist auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abzustellen (etwa: Möglichkeit und Zumutbarkeit der Einreise in den Herkunftsstaat auch ohne Pass [dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.6.2001 a.a.O. und Urteil vom 6.5.2003 - 13 S 1234/01 -], ohne Besitz der betreffenden Staatsangehörigkeit, unter Umgehung der Grenzkontrollen etc.). Die Frage der rechtlichen Möglichkeit und Zumutbarkeit einer freiwilligen Ausreise ist demgegenüber anhand der jeweiligen Wertung des Gesetzgebers zu beurteilen. Entscheidend ist, ob die Rechtsordnung es dem Betroffenen ansinnt, die - faktisch mögliche - freiwillige Ausreise anzutreten (ebenso im Ergebnis OVG Lüneburg, Beschluss vom 27.1.1997 a.a.O.). Gegen ein solches Ansinnen kann etwa das materielle Gewicht sprechen, welches die Rechtsordnung dem jeweiligen Duldungsgrund beimisst. Zum anderen können auch verfahrensrechtliche Entscheidungen des Gesetzgebers und der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung es verbieten, dem Ausländer die freiwillige Ausreise abzuverlangen. Dies ist vorliegend wegen der vom Bundesamt getroffenen Feststellung der Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG aus Gründen der Kompetenzverteilung zwischen Ausländerbehörde und der Bindungswirkung des § 42 Satz 1 AsylVfG der Fall (dazu unten 4.4).
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4.3 Das Bundesamt hat (aufgrund der Verpflichtung durch das am 20.2.2001 rechtskräftig gewordene Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 27.9.2000) mit Bescheid vom 7.3.2001 festgestellt, dass beim Kläger die Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG im Zielstaat Bundesrepublik Jugoslawien (heute: Serbien-Montenegro) vorliegen. Dieser Bescheid ist bis heute nicht nach § 73 Abs. 3 AsylVfG widerrufen worden. Das Bundesamt hat zwar auf Anregung durch das Regierungspräsidium inzwischen ein Widerrufsverfahren eingeleitet (vgl. § 9 VwVfG), indem es Mitte 2003 ein Anhörungsschreiben verschickt hat. Hierauf hat der Kläger mit Schreiben vom 3.9.2003 Stellung genommen. Seither ist, wie in der mündlichen Verhandlung geklärt wurde, nichts mehr geschehen. Es ist daher gegenwärtig schon nicht absehbar, ob und wann eine Widerrufsverfügung (überhaupt) ergehen wird, geschweige denn kann prognostiziert werden, wann eine solche Verfügung, sollte sie ergehen, bei Ausschöpfung aller Rechtsmittel (zur aufschiebenden Wirkung vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 AsylVfG) Bestandskraft erlangen wird. Aus der Kompetenzverteilung zwischen Bundesamt und Ausländerbehörden und der zu deren Absicherung geregelten Bindungswirkung in § 42 Satz 1 AsylVfG folgt jedoch, dass einem Ausländer die freiwillige Ausreise - unabhängig von deren tatsächlicher Möglichkeit und Zumutbarkeit - von der Rechtsordnung so lange nicht angesonnen wird, als die positive Feststellung des Bundesamts nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG wirksam fortbesteht:
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4.4 Die Kompetenzabgrenzung zwischen Bundesamt und Ausländerbehörden hinsichtlich der Entscheidung über Gefahren nach § 53 Abs. 6 AuslG im Zielstaat der Abschiebung ist vom Gesetzgeber eindeutig und lückenlos geregelt. Zur Erschließung dieses Konzepts empfiehlt es sich, die entsprechenden Regelungen bei der Entscheidung über die Flüchtlingseigenschaft (Anerkennung als Asylberechtigter und Feststellung nach § 51 Abs. 1 AuslG) in die Betrachtung einzubeziehen.
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a) Die Entscheidung über die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft ist ausschließlich beim Bundesamt als der kompetenten Fachbehörde konzentriert und als Statusverfahren ausgestaltet (vgl. §§ 1 Abs. 1, 13 Abs. 1 und 2, 24 Abs. 1, 31 Abs. 2 AsylVfG). Dies gilt auch für nachträgliches - erstmaliges - Verfolgungsvorbringen in einem ausländerrechtlichen Verfahren. Um dieses gesetzgeberische Konzept zu vervollständigen, erkennt der Gesetzgeber folgerichtig in § 4 AsylVfG den Entscheidungen des Bundesamts über das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft eine umfassende, nicht auf bestimmte Behörden beschränkte Verbindlichkeit zu. Diese Verbindlichkeit der Statusfeststellung schließt eine eigenständige, von der Beurteilung des Bundesamts zum Widerruf (§ 73 Abs. 1 AsylVfG) losgelöste Beurteilung des Fortbestands oder der voraussichtlichen Dauer der Verfolgungsgefahr durch andere Behörden durchgehend aus; parallele Prüfungen und zugleich sich widersprechende Entscheidungen zum Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft sollen ausgeschlossen werden (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 30.6.2000 - 13 S 2740/99 -, VBlBW 2001, 30 = InfAuslR 2001, 98). Es ist mithin allein Sache des Bundesamts, die Flüchtlingsanerkennung unter Kontrolle zu halten. Dementsprechend ist das Bundesamt gem. § 73 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 AsylVfG nicht nur ermächtigt, sondern verpflichtet, den Status unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für seine Erteilung nicht mehr vorliegen. Gegenteiliges ergibt sich nicht aus § 70 AsylVfG, weil sich die dortige Prüfungskompetenz der Ausländerbehörde nicht auf den Verfolgungssachverhalt, sondern im Wesentlichen nur darauf bezieht, ob der betreffende Flüchtling in einen Drittstaat abgeschoben werden kann (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 30.6.2000 a.a.O. sowie GK-AsylVfG, Bd. 2, § 70 Rdnrn. 10 ff.; zum Prüfungsumfang bei § 70 AsylVfG vgl. auch BVerwG, Urteil vom 17.12.2002 - 1 C 3.02 -, BVerwGE 117, 276 = InfAuslR 2003, 310).
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b) Zu diesem Verfahren auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft weist das Verfahren zur Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG entscheidende Parallelen auf. Nach Stellung des Asylantrags hat ebenfalls das Bundesamt eigenständig festzustellen, ob solche Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 1 bis 6 AuslG vorliegen (§ 24 Abs. 2 AsylVfG). Dieses Verfahren ist ebenfalls als Statusverfahren ausgestaltet (vgl. §§ 31 Abs. 3, 32, 39 AsylVfG), und dem Bundesamt soll auch hier die ausschließliche Kompetenz für die Prüfung und förmliche Feststellung der verschiedenen Abschiebungshindernisse zustehen. Nach § 73 Abs. 3 AsylVfG - vergleichbar mit § 73 Abs. 1 AsylVfG beim Flüchtlingsstatus - besteht ebenfalls die Pflicht zur Rücknahme oder zum Widerruf der Feststellung nach § 53 Abs. 1, 2, 4 oder 6 AuslG, wenn diese Feststellung fehlerhaft ist bzw. wenn die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Das Bundesamt hat damit auch seine Statusentscheidungen nach § 53 AuslG von Amts wegen unter Kontrolle zu halten, Doppelprüfungen oder abweichende Entscheidungen der Ausländerbehörden sollen auch insoweit ausgeschlossen werden. Auch insofern besteht daher das gesetzgeberische Konzept einer ausschließlichen Kompetenz des Bundesamts für die Prüfung und förmliche Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG. Dies gilt allerdings nur für die dem sachlichen Regelungsbereich des § 53 AuslG unterfallenden zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse (zur Abgrenzung dieser Kategorie von den sog. inlandsbezogenen Abschiebungshindernissen vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 21.9.1999 - 9 C 12.99 - , BVerwGE 109, 305 = InfAuslR 2000, 93 m.w.N; BVerwG, Urteil vom 25.11.1997 - 9 C 58.96 -, BVerwGE 105, 383 = NVwZ 1998, 524 = InfAuslR 1998, 62).
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c) Das Konzept der ausschließlichen Kompetenz des Bundesamts für Statusfeststellungen nach § 53 AuslG wird - entsprechend § 4 AsylVfG beim Flüchtlingsstatus - durch die Regelung des § 42 Satz 1 AsylVfG abgesichert, wonach die Ausländerbehörden an die Entscheidung des Bundesamts (und des Verwaltungsgerichts) über das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG gebunden sind. Diese Bindungswirkung, von der nur Feststellungen zu § 53 Abs. 3 AuslG ausgenommen sind (§ 42 Satz 2 AsylVfG), gilt uneingeschränkt sowohl für die positive wie für die negative Statusfeststellung nach § 53 AuslG (zur Verfassungsmäßigkeit vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 21.6.2000 - 2 BvR 1989/97 -, NVwZ 2000, 1279 = InfAuslR 2000, 459; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 6.12.1999 - 13 S 514/99 -, VBlBW 2000, 231). § 41 AsylVfG stellt diese Bindungswirkung nicht in Frage, sondern bestätigt sie. § 41 Abs. 1 AsylVfG schreibt - aufgrund der Feststellung des Bundesamts - einen gesetzlichen Duldungsanspruch von drei Monaten vor und geht für diesen Zeitraum § 53 Abs. 6 AuslG vor, wonach der Ausländerbehörde grundsätzlich ein Duldungsermessen zusteht. § 41 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG stellt lediglich klar, dass die Befugnis zur Ermessensentscheidung nach Ablauf der Dreimonatsfrist wieder auflebt.
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Mit § 42 Satz 1 AsylVfG macht der Gesetzgeber deutlich, dass Feststellungen nach § 53 AuslG aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit auf Dauer angelegt sind und dass späteren Entwicklungen grundsätzlich nur durch förmliche Aufhebung bzw. Änderung der Entscheidung des Bundesamts nach § 73 Abs. 3 AsylVfG Rechnung getragen werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.3.2000 - 1 C 41.99 -, BVerwGE 111, 77 = InfAuslR 2000, 410). Die Bindungswirkung des § 42 Satz 1 AsylVfG einer (Status)Feststellung nach § 53 AuslG hängt dabei nicht davon ab, mit welchen Gründen sich das Bundesamt im Einzelnen befasst hat bzw. welcher Lebenssachverhalt der Entscheidung des Bundesamts zugrunde lag. Folglich geht die Prüfungskompetenz auch nicht auf die Ausländerbehörde über, wenn Umstände vom Bundesamt nicht geprüft wurden oder sich der Lebenssachverhalt (die „Gründe“ für das Abschiebungshindernis im Sinne des Streitgegenstandsbegriffs) zu Gunsten oder zu Lasten des Ausländers nachträglich ändern (vgl. BVerwG, Urteil vom 7.9.1999 - 1 C 6.99 -, NVwZ 2000, 204 = InfAuslR 2000, 16; zu solchen - positiven wie negativen - „nachgewachsenen“ Gründen vgl. auch VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 13.9.2000 - 11 S 988/00 -, VBlBW 2001,151, sowie Sächsisches OVG, Beschluss vom 19.6.2001 - 3 Bs 336/00 -, EZAR 043 Nr. 53). Die Bindungswirkung geht daher über den Umfang der Bestandskraft des Feststellungsbescheids hinaus, sie „überdauert“ diese Bestandskraft (vgl. VG Freiburg, Urteil vom 6.8.2003 - 1 K 308/02 - [VENSA] unter Hinweis auf Sennekamp in HTK-AuslR § 42 AsylVfG S. 3). Eine eigenständige Beurteilung des Fortbestands und der voraussichtlichen Dauer der Gefahren nach § 53 AuslG ist den Ausländerbehörden damit verwehrt.
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4.5 Das Konzept der ausschließlichen und verbindlichen Kompetenz des Bundesamts für Statusfeststellungen nach § 53 AuslG bezieht sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts und der Beklagten nicht nur auf die Erteilung/Versagung von Duldungen an abgelehnte Asylbewerber nach § 55 Abs. 2 AuslG. § 42 Satz 1 AsylVfG bindet die Ausländerbehörden vielmehr auch im Rahmen des § 30 Abs. 3 AuslG. Solange das zuständige Bundesamt zugunsten eines Ausländers festgestellt hat, dass bei ihm in einem bestimmten Staat die Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG vorliegen - d.h., dass in diesem Staat für ihn eine erhebliche Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht - mutet ihm die Rechtsordnung die freiwillige Ausreise nicht zu (positive Bindungswirkung); umgekehrt kann der Ausländer die Unzumutbarkeit der freiwilligen Ausreise aber auch nicht auf eine Gefahrensituation nach § 53 AuslG stützen, wenn und solange das zuständige Bundesamt die Feststellung nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG abgelehnt oder darüber noch nicht entschieden hat (negative Bindungswirkung). Auf die Gründe für die Statusfeststellung (Lebenssachverhalt) kommt es dabei nicht an. Die Ausländerbehörde darf diese Gründe nicht von sich aus überprüfen und von der Entscheidung des Bundesamts abweichen, indem sie als Ergebnis einer eigenen - neuen - Prüfung der Verhältnisse im Zielstaat von einer freiwilligen Ausreisemöglichkeit des Ausländers nach § 30 Abs. 3 AuslG ausgeht. Denn dies liefe auf eine unzulässige Parallelkompetenz der Ausländerbehörde mit sich möglicherweise widersprechenden Entscheidungen hinaus. Die strikte Bindungswirkung des § 42 Satz 1 AsylVfG würde dadurch bezüglich einer tatbestandlichen Vorfrage des § 30 Abs. 3 AuslG ausgehöhlt (ebenso VG Freiburg a.a.O sowie - für einen Fall einer negativen Bindungswirkung - VG Karlsruhe, Urteil vom 4.9.2003 - 9 K 4682/02 - [VENSA] und VG Stuttgart, Urteil vom 22.5.2003, - 4 K 891/02 - [VENSA]). Eine andere Auslegung des § 30 Abs. 3 AuslG wäre im Übrigen schwerlich mit dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung vereinbar. Es stellte einen Widerspruch in sich dar, wenn der Gesetzgeber auf der einen Seite der Ausländerbehörde Bindung an die Feststellung vorschreibt, dass für den betreffenden Ausländer im Zielstaat ein humanitäres Abschiebungshindernis wegen “konkrete(r) Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit“ besteht, auf der anderen Seite dem Ausländer den humanitären Aufenthaltstitel der Aufenthaltsbefugnis unter Hinweis darauf vorenthalten würde, er könne freiwillig in einen solchen Staat ausreisen.
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4.6 Zusammenfassend ist daher der von der Beklagten und vom Verwaltungsgericht in Frage gestellte „rechtliche Automatismus“ zwischen der Statusfeststellung nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG und der Nichtvertretbarkeit der freiwilligen Rückkehr im Tatbestand des § 30 Abs. 3 AuslG zu bejahen. Entgegen der Auffassung der Beklagen steht diese Sicht nicht im Gegensatz zur Rechtsprechung der Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 25.9.1997 (1 C 3.97, BVerwGE 105, 232 = InfAuslR 1998, 12). Darin stellt das Bundesverwaltungsgericht lediglich heraus, dass es für die Erteilung einer Duldung - also eines bloßen Vollstreckungshindernisses (vgl. §§ 55 Abs. 1, 56 Abs. 1 AuslG) - anders als bei einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 3 AuslG - eines Aufenthaltsrechts (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 4 AuslG) - nicht darauf ankommt, ob der Ausländer freiwillig ausreisen könne. § 30 Abs. 3 AuslG bestimme nicht zugleich auch die Voraussetzungen einer Duldung, sondern enthalte darüber hinausgehende Anforderungen. Von dieser Stufenfolge zwischen Duldung und Aufenthaltsbefugnis geht auch der Senat aus, sie steht nicht im Streit. Entscheidungserheblich ist allein die - sich daran anschließende - Frage, unter welchen (rechtlichen) Voraussetzungen die Rechtsordnung es zulässt, den Ausländer auf die freiwillige Ausreise zu verweisen. Dies ist während der Dauer einer verbindlichen Statusfeststellung des Bundesamts über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 53 AuslG zu verneinen. Mit dieser Frage setzt sich das Bundesverwaltungsgericht in der zitierten Entscheidung nicht auseinander und brauchte es auch nicht. Denn nach dem Sachverhalt bestand beim dortigen Kläger „nur“ ein tatsächliches Abschiebungshindernis (fehlende Bereitschaft der Sozialistischen Republik Vietnam zur Rücknahme zwangsweise abgeschobener Staatsangehöriger), dessen Beseitigung dem Kläger durch freiwillige Ausreise möglich und zumutbar war (keine generelle Sperre gegenüber freiwilligen Rückkehrern). Schließlich verfängt auch der von der Beklagten gegen die hier vertretene Auffassung ins Feld geführte Hinweis auf § 70 AsylVfG nicht, aus dem sich im Umkehrschluss ergebe, dass der Gesetzgeber Statusinhabern nach § 53 AuslG im Gegensatz zu Inhabern des Flüchtlingsstatus nicht „automatisch“ eine Aufenthaltsbefugnis zugestehen wolle. Denn schon diese Prämisse trifft nicht zu. § 30 AuslG gewährt nicht „automatisch“ eine Aufenthaltsbefugnis, sondern stellt - im Gegensatz zu § 70 AsylVfG - die Entscheidung hierüber grundsätzlich ins behördliche Ermessen und macht sie zudem vom Anspruch auf Duldung und von der Möglichkeit und Zumutbarkeit der freiwilligen Ausreise abhängig. Auf diese freiwillige Ausreisemöglichkeit muss sich der Ausländer im Einzelfall verweisen lassen; der Rückgriff hierauf ist nur im Sonderfall des - wie hier - festgestellten Status nach § 53 AuslG unzulässig.
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5. Nach all dem sind beim Kläger die Tatbestandsvoraussetzungen des § 30 Abs. 3 AuslG erfüllt. Die Beklagte ist angesichts der wirksam fortbestehenden und bindenden positiven Statusfeststellung des Bundesamts, dass dem Kläger in Jugoslawien (heute: Serbien-Montenegro) eine konkrete Gefahr für Leib, Leben und Gesundheit droht, rechtlich gehindert, den Kläger auf die freiwillige Ausreise in diesen Herkunftsstaat zu verweisen. Der Beklagten war es verwehrt, die Frage der Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG in Bezug auf Serbien-Montenegro eigenständig und abweichend vom Bundesamt anhand der neueren Erkenntnisse (Auskunft des Deutschen Verbindungsbüros in Pristina) zu überprüfen und als Folge davon von der tatsächlichen Zumutbarkeit einer Rückkehr des Klägers nach Serbien-Montenegro auszugehen. § 67 Abs. 1 AuslG, der eine Entscheidung der Ausländerbehörden auf der Grundlage solcher „im Bundesgebiet zugängliche(r) Erkenntnisse“ vorsieht, ist auf Fälle abgelehnter Asylbewerber nicht uneingeschränkt anwendbar. Darauf, ob die von der Beklagten verwertete Auskunft hinreichend aussagekräftig ist, um annehmen zu können, dass dem Kläger die Gesundheitsgefahr - wegen Verbesserung der medizinischen Versorgung - gegenwärtig nicht mehr droht, kommt es nicht an. Für diese Entscheidung ist allein das Bundesamt mittels einer Widerrufsentscheidung zuständig, die Parallelprüfung der Beklagten war unzulässig und ging rechtlich ins Leere. Die Beklagte wäre allerdings nicht gehindert, den Kläger auf die freiwillige Ausreise in einen Drittstaat zu verweisen, wenn ein solcher Staat feststünde. Dafür, dass ein anderer Staat bereit ist, den Kläger aufzunehmen, trägt die Beklagte aber nichts Substantiiertes vor und ist auch nichts ersichtlich.
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II. Die Beklagte hätte mithin das ihr nach § 30 Abs. 3 AuslG (ebenso wie auch nach § 30 Abs. 4 AuslG) eröffnete Ermessen ausüben müssen. Dies ist im Ausgangsbescheid vom 4.4.2002 nicht geschehen. Dort hat die Beklagte schon die Tatbestandsvoraussetzungen des § 30 Abs. 3 AuslG verneint, indem sie einen Regelversagungsgrund (ohne Ausnahme) angenommen hat. Auch das Regierungspräsidium hat im Widerspruchsbescheid vom 30.7.2002 maßgeblich auf einen Regelversagungsgrund abgestellt. Weiterhin führt es aus, „dass alleine das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 6 AuslG noch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis.... begründet“. Dies ist ebenfalls als Hinweis auf das Fehlen einer Tatbestandsvoraussetzung zu verstehen. Die weitere Erwägung, dass „möglicherweise ... das Abschiebungshindernis nur von vorübergehender Dauer sein wird“, lässt nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit erkennen, ob Ermessen ausgeübt werden sollte. Auch im Klag- und im Berufungsverfahren hat die Beklagte ihre Begründung nicht im Sinne einer - nunmehr - eindeutigen Ermessensbetätigung ergänzt, so dass offen bleiben kann, ob dies von der Heilungsvorschrift des § 114 Satz 2 VwGO gedeckt wäre. Die Erwägung im Widerspruchsbescheid, dass „möglicherweise ... das Abschiebungshindernis nur von vorübergehender Dauer sein wird“, würde im Übrigen für eine ordnungsgemäße Ermessensbetätigung nicht ausreichen. Bei Erlass des Widerspruchsbescheids stand ein Verfahren auf Widerruf durch das Bundesamt noch in weiter Ferne, aus den Akten ergeben sich auch keinerlei Hinweise, dass das Bundesamt ein solches Verfahren - trotz Anregung durch das Regierungspräsidium - auch nur in Erwägung zog. Zudem waren damals bereits etwa 16 Monate seit der feststellenden Entscheidung des Bundesamts vergangen. Auch gegenwärtig könnte die bloße Begründung, dass das Abschiebungshindernis „möglicherweise nur von vorübergehender Dauer sein wird“ eine ablehnende Ermessensentscheidung nicht tragen. Seit der Stellungnahme des Klägers auf die Anhörung durch das Bundesamt im Widerrufsverfahren ist - nach Ablauf von mehr als neun Monaten - nichts weiteres geschehen. Daher ist auch heute, wie bereits ausgeführt, noch nicht absehbar, ob und wann eine Widerrufsverfügung ergehen und wann sie möglicherweise bestandskräftig werden wird. Diese Ungewissheit kann nicht - ebenso wenig wie eine etwaige Säumigkeit des Bundesamts im Widerrufsverfahren - zu Lasten des Klägers gehen, zumal die Feststellung des Bundesamts nunmehr schon über drei Jahre besteht. Soweit die Beklagte auf die ermessen lenkende Regelung in Nr. 30.3.7. der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Ausländergesetz - AuslG-VwV - vom 6.10.2000 (GMBl. S. 617) verweist, hat diese - wie der dortige Hinweis auf § 67 Abs. 1 AuslG zeigt - nur Bedeutung für den Fall, dass die Ausländerbehörde für die Prüfung der Abschiebungshindernisse selbst zuständig ist. Im Übrigen wäre auch mit einem negativ-bestandskräftigen Abschluss des Widerrufsverfahrens „voraussichtlich innerhalb der nächsten sechs Monate“ nicht zu rechnen.
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Bei der zu treffenden Ermessensentscheidung wird die Beklagte die genannten Gesichtspunkte zu berücksichtigen haben. Sie wird insbesondere zusätzlich ernsthaft erwägen müssen, ab welchem Zeitpunkt sie die Aufenthaltsbefugnis rückwirkend erteilt. An einer solchen rückwirkenden Erteilung der Aufenthaltsbefugnis - ab Antragstellung am 2.1.2002 - hat der Kläger im Hinblick auf die zeitlichen Anforderungen an eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach § 35 Abs. 1 AuslG ein berechtigtes Interesse, das mit einem gegebenenfalls entgegenstehenden - derzeit allerdings nicht erkennbaren - öffentlichen Interesse abzuwägen sein wird. In diesem Zusammenhang wird die Beklagte auch zu prüfen haben, ob beim Kläger möglicherweise in der Vergangenheit der Regelversagungsgrund des § 7 Abs. 2 Nr. 2 AuslG zeitweise vorlag, ob sich insofern angesichts der persönlichen Situation des Klägers (Erkrankung nach jahrelanger schwerer Arbeit) ein Ausnahmefall ergab und welche Schlüsse daraus zu ziehen sind.
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Insgesamt liegt eine Ermessensreduzierung zugunsten der vom Kläger begehrten rückwirkenden Erteilung der Aufenthaltsbefugnis nicht vor. Andererseits bestehen - entgegen Andeutungen der Beklagten - aber auch umgekehrt keine Anhaltspunkt dafür, dass das Ermessen im öffentlichen Interesse „auf Null“ im Sinne einer Ablehnung der Aufenthaltsbefugnis eingeschränkt ist. Die in diesem Zusammenhang vom Verwaltungsgericht angestellte Erwägung, der Beklagten könne „auf derart unsicherer Grundlage“ nicht zugemutet werden, eine Aufenthaltsbefugnis zu erteilen, trägt nicht. Zum einen ist die Grundlage hier - verfahrensrechtlich - nicht unsicher, sondern eindeutig. Zum anderen ist, wie dargelegt, nicht absehbar, ob und wann die - auf Dauer angelegte - Statusfeststellung nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG beim Kläger widerrufen wird. Schließlich eröffnet das Gesetz ausreichend Möglichkeiten, um zeitnah zu einem eventuellen späteren Widerruf den Aufenthalt des Klägers zu beenden und auch sonst eine unerwünschte Verfestigung des Aufenthalts zu verhindern. Die Aufenthaltsbefugnis kann - gegebenenfalls unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Dauer eines Widerrufsverfahrens - befristet werden und bei Bestandskraft des Widerrufs darf sie nicht verlängert werden (§ 34 Abs. 1 und 2 AuslG). Ferner dürfen im Zeitpunkt der jeweiligen Erteilung oder Verlängerung keine (nicht durch einen Ausnahmefall gekennzeichneten) Regelversagungsgründe nach § 7 Abs. 2 AuslG vorliegen (zur Anwendbarkeit des § 7 Abs. 2 AuslG im Rahmen des § 30 Abs. 3 und 4 AuslG vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 17.12.1998 - 13 S 3121/96 -, VBlBW 1999, 150 = InfAuslR 1999, 191; Beschluss vom 22.7.1997 - 13 S 1191/97 -, VBlBW 1998, 75 = InfAuslR 1998, 75). Vertrauensschutz für eine andere Art der Aufenthaltsgenehmigung nach § 5 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 AuslG könnte der Kläger aus der - allein auf humanitäre Zwecke zugeschnittenen - Aufenthaltsbefugnis grundsätzlich nicht herleiten. Eine Ausnahme bildet § 35 Abs. 1 AuslG. Danach kann einem Ausländer, der seit 8 Jahren eine Aufenthaltsbefugnis (unter Anrechnung der Zeiten einer Aufenthaltsgestattung und einer wegen zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisses erteilten Duldung) besitzt, zwar eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Entscheidung hierüber liegt jedoch im behördlichen Ermessen und setzt zudem zusätzlich voraus, dass die im öffentlichen Interesse zu beachtenden wichtigen wirtschaftlichen, sprachlichen und sozialen Integrationsvoraussetzungen des § 24 Abs. 1 Nrn. 2 bis 6 AuslG erfüllt sein müssen.
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Die Revision war gemäß § 132 Abs. 2 VwGO zuzulassen, weil der hier entscheidungserheblichen Frage, ob ein vom Bundesamt festgestelltes Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG im Rahmen des § 30 Abs. 3 AuslG einem Verweis des Ausländers auf die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise aus Rechtsgründen entgegensteht, grundsätzliche Bedeutung zukommt.
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