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Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO). Gegenstand der uneingeschränkt zugelassenen Berufung ist allein der in erster Instanz mit dem Hauptantrag verfolgte Anspruch auf Rücknahme der Ausweisung, nachdem der Kläger in der Berufungsverhandlung klargestellt hat, das vor dem Verwaltungsgericht hilfsweise geltend gemachte Begehren auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nicht weiter zu verfolgen.
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Die Berufung ist auch begründet. Über die zulässige Verpflichtungsklage, für die dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht (unten 1.), ist unter Zugrundelegung der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw., soweit es um die Frage der Rechtswidrigkeit der Ausweisung geht, unter Zugrundelegung der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung zu entscheiden (unten 2.). Die Ausweisung erweist sich als rechtswidrig, so dass das Rücknahmeermessen nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG eröffnet ist (unten 3.). Der Kläger hat einen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zur Rücknahme der Ausweisung, weil deren Aufrechterhaltung ihn schwer und unerträglich hart trifft und daher das Rücknahmeermessen auf Null reduziert ist (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO; unten 4.).
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1. Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig. Insbesondere besteht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, weil die Ausweisung trotz der bereits 2002 erfolgten Befristung ihrer gesetzlichen Wirkungen in Bezug auf das Recht des Klägers, in das Bundesgebiet einzureisen und sich darin aufzuhalten, weiterhin belastende Regelungswirkungen entfaltet. Wird sie rückwirkend aufgehoben, lebt die Rechtsstellung des Klägers aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 wieder auf und ihm ist auf entsprechenden Antrag eine Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG auszustellen. Der Vater des Klägers hat dem regulären Arbeitsmarkt angehört. Der in Deutschland geborene Kläger, der bis zum 30.08.1997 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis war, deren Verlängerung er rechtzeitig beantragt hatte, hat mit seinem Vater mehr als fünf Jahre in häuslicher Gemeinschaft gelebt, so dass die Voraussetzungen des Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 erfüllt sind (vgl. zur Geltung des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 entsprechend für ein Kind, das im Mitgliedstaat geboren ist und stets dort gewohnt hat: EuGH, Urt. v. 11.11.2004 - C-467/02 - [Cetinkaya] - Slg. 2004, I-10895 = InfAuslR 2005, 13). Seine Volljährigkeit im Zeitpunkt der Ausweisung änderte an der unmittelbar aus dem ARB 1/80 folgenden Rechtsposition ebenso wenig etwas, wie die ab 23.07.1998 erfolgte Verbüßung von Strafhaft (zu diesen Einzelheiten des Aufenthaltsrechts nach Art. 7 ARB 1/80 vgl. EuGH, Urt. v. 07.07.2005 - C-373/03 [Aydinli] - Slg. 2005, I-6181 = InfAuslR 2005, 352; ferner EuGH, Urt. v. 16.01.2006 - C-502/04 [Torun] - Slg. 2006, I-1563 = InfAuslR 2006, 209). Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 vermittelt im Ergebnis ein Daueraufenthaltsrecht, da die Rechtsposition nach dieser Vorschrift nach der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften nur unter zwei Voraussetzungen beschränkt werden darf: Entweder stellt die Anwesenheit des Assoziationsberechtigten im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates wegen seines persönlichen Verhaltens eine tatsächliche und schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit im Sinne von Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 dar, oder der Betroffene hat das Hoheitsgebiet dieses Staates für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen (vgl. EuGH, Urt. v. 16.03.2000 - C-329/97 [Ergat] - Slg. 2000, I-1487 Rn. 45, 46 und 48 und Urt. v. 18.12.2008 - C-337/07 [Altun] - NVwZ 2009, 235 Rn. 62). Dabei ist grundsätzlich vom abschließenden Charakter der beiden genannten Verlustgründe auszugehen (BVerwG, Urt. v. 09.08.2007 - 1 C 47.06 - BVerwGE 129, 162 Rn. 15 und Urt. v. 30.04.2009 - 1 C 6.08 - NVwZ 2009, 1162 Rn. 24). Daraus folgt, dass ein gemäß Art. 7 ARB 1/80 assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger sein Aufenthaltsrecht nicht allein deshalb verlieren kann, weil er wegen der Verurteilung zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe keine Beschäftigung ausgeübt hat und dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stand; denn die Rechtsstellung der in Art. 7 ARB 1/80 genannten Familienangehörigen hängt nicht von der Ausübung einer Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis ab (EuGH, Urt. v. 25.09.2008 - C-453/07 [Er] - NVwZ 2008, 1337 Rn. 31 f.; BVerwG, Urt. v. 30.04.2009 - 1 C 6.08 - a.a.O.). Hier ist die Rechtsstellung durch das Verlassen des Bundesgebiets und den mittlerweile zehnjährigen Aufenthalt des Klägers in der Türkei nicht erloschen, weil er nicht freiwillig aus einem berechtigten Grund ausgereist ist, sondern aufgrund einer nicht vom Vorbehalt nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 gedeckten rechtswidrigen Ausweisung (siehe unten 3. c)) gegen seinen Willen abgeschoben wurde und nach Absolvierung des Militärdienstes kontinuierlich von allen rechtlich in Betracht kommenden Möglichkeiten zur Wiedererlangung seines Aufenthaltsrechts Gebrauch gemacht hat. Er hat konsequent seine Rückkehr nach Deutschland betrieben und zu keinem Zeitpunkt zu erkennen gegeben, dauerhaft in der Türkei bleiben zu wollen.
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2. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage des mit der Verpflichtungsklage geltend gemachten Anspruchs auf Rücknahme einer bestandskräftigen Ausweisungsverfügung ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. - wenn die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergeht - der Zeitpunkt, in dem die Entscheidung gefällt wird (BVerwG, Urteil v. 23.10.2007 - 1 C 10.07 - BVerwGE 129, 367 = InfAuslR 2008, 116 = NVwZ 2008, 326 = EZAR NF 48 Nr. 9). Abweichend hiervon kommt es für die im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG entscheidungserhebliche Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der bestandskräftig gewordenen Ausweisung auf den Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung an (siehe unten 3. b)).
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3. a) Die Rücknahme einer Ausweisung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG ist neben der Befristung ihrer gesetzlichen Wirkungen gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 bis 6 AufenthG bzw. § 7 Abs. 2 Satz 2 und 3 FreizügG/EU möglich; denn die Rechtsgrundlagen von Rücknahme und Befristung unterscheiden sich sowohl in den Voraussetzungen als auch in den Rechtsfolgen (BVerwG, Urt. v. 07.12.1999 - 1 C 13.99 - BVerwGE 110, 140 <143>; Senatsurteil vom 19.12.2008 - 11 S 1453/07 - VBlBW 2009, 274).
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b) Die Rücknahmevoraussetzung der Rechtswidrigkeit i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG ist grundsätzlich dann gegeben, wenn der Verwaltungsakt, um dessen Aufhebung gestritten wird, zum Zeitpunkt seines Erlasses einer Rechtsgrundlage entbehrte (BVerwG, Urt. v. 23.10.2007 - 1 C 10.07 - BVerwGE 129, 367 = InfAuslR 2008, 116 = NVwZ 2008, 326 = EZAR NF 48 Nr. 9; Beschl. v. 07.07.2004 - 6 C 24.03 - BVerwGE 121, 226 <229> m.w.N.; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.01.2007 – 13 S 451/06 - InfAuslR 2007, 182 = EZAR NF 93 Nr. 3). Da der Kläger die Ausweisung nicht angefochten hatte, steht § 121 VwGO ihrer gerichtlichen Inzidentprüfung im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG nicht entgegen (vgl. dazu Senatsurteil vom 30.04.2008 - 11 S 759/06 - VBlBW 2009, 32).
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c) Die Ausweisung war zum Zeitpunkt ihres Erlasses sowohl formell als auch materiell rechtswidrig.
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aa) In formeller Hinsicht wurde die Verfahrensvorschrift des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG nicht beachtet. Diese Vorschrift ist vorliegend anzuwenden, da die Richtlinie 64/221/EWG durch die Richtlinie 2004/38/EG erst mit Wirkung vom 30.04.2006 (vgl. Art. 38 Abs. 2 RL 2004/38/EG) aufgehoben wurde. Die formelle Rechtmäßigkeit von Verfügungen gegen den von Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG erfassten Personenkreis ist nach dem Grundsatz des intertemporalen Verwaltungsverfahrensrechts, dass neues Verfahrensrecht auf abgeschlossene Verwaltungsverfahren keine Anwendung findet, nach der Rechtslage zur Zeit der letzten Behördenentscheidung zu prüfen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.10.2006 – 13 S 192/06 – InfAuslR 2007, 49 = EZAR NF 19 Nr. 18).
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In Ausweisungsverfahren gegen Unionsbürger und assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige wurde - außer in dringenden Fällen - Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG verletzt, wenn weder ein Widerspruchsverfahren stattfand noch sonst eine zweite zuständige Stelle im Sinne der Richtlinie im Verwaltungsverfahren eingeschaltet wurde (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.09.2005 – 1 C 7.04 – BVerwGE 124, 217 = InfAuslR 2006, 110 = NVwZ 2006, 472 = EZAR NF 40 Nr. 1). Die zweite Stelle musste dabei, wie sich aus der Rechtssprechung des EuGH ergibt, eine andere sein als diejenige, welche für die Entscheidung über die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet zuständig ist (EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – Rs. C-482/01 und C-493/01 [Orfanopoulos und Oliveri] – Slg. 2004, I-5257 = InfAuslR 2004, 268 = NVwZ 2004, 1099 = EZAR 810 Nr. 14; Senatsurteil vom 19.12.2008 - 11 S 1453/07 - a.a.O.). Daran hat es hier gefehlt, weil die Ausweisung vom Regierungspräsidium Freiburg ohne Einschaltung einer zweiten zuständigen Stelle verfügt wurde, so dass das in Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG verankerte Vier-Augen-Prinzip nicht gewahrt war.
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Es lag auch kein dringender Fall vor, der die Einschaltung einer zweiten unabhängigen Stelle entbehrlich gemacht hätte. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 13.09.2005 - 1 C 7.04 -, a.a.O.) ist das Merkmal der Dringlichkeit als Ausnahme vom Grundsatz der Freizügigkeit „besonders eng auszulegen“; ein dringender Fall kann erst dann angenommen werden, wenn ein Zuwarten mit der Vollziehung der Ausweisung nicht zu verantworten ist, etwa weil die begründete Besorgnis besteht, die von dem Ausländer ausgehende erhebliche Gefahr werde sich schon vor Abschluss des „Hauptverfahrens“ realisieren. Die Verzögerung durch Einschaltung einer zweiten Behörde ist dann nicht hinnehmbar. Daher genügt für die Annahme eines dringenden Falles nicht, dass die Ausländerbehörde die sofortige Vollziehung der Ausweisung angeordnet hat. Vielmehr muss (vergleichbar den Anforderungen aus § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO für die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Ausweisung nach den Maßstäben der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts) ein besonderes öffentliches Interesse daran festgestellt werden, das „Hauptverfahren“ nicht abzuwarten, sondern die Ausweisung sofort zu vollziehen, um damit einer „weiteren, unmittelbar drohenden erheblichen Gefährdung“ der öffentlichen Ordnung durch den Ausländer zu begegnen. Daran gemessen lag kein dringender Fall vor. Der Kläger befand sich zum Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung in Haft, aus der heraus er später in die Türkei abgeschoben wurde. Zudem hatte die Ausländerbehörde nicht einmal - was im Übrigen nicht genügen würde - die sofortige Vollziehung angeordnet.
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bb) Materiell stand die Ausweisung nicht mit Art. 14 ARB 1/80 in Einklang. Da die in Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 vorgesehene Ausnahme der öffentlichen Ordnung ebenso auszulegen ist wie die gleiche Ausnahme im Bereich der Freizügigkeit von Unionsbürgern (EuGH, Urt. v. 20.02.2000 - C-340/97 [Nazli] - Slg. 2000, I-957 = InfAuslR 2000, 161; Urt. v. 11.11.2004 - C-467/02 [Cetinkaya] - Slg 2004, I-10895 = InfAuslR 2005, 13), durfte der Kläger als assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger nur ausgewiesen werden, wenn eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorlag, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. zu diesem Maßstab EuGH, Urt. v. 28.10.1975 - 36/75 [Rutili] - Slg. 1975, 1219 = DÖV 1976, 129; Urt. v. 18.05.1989 - 249/86 [Kommission/Deutschland] - Slg. 1989, 1263; Urt. v. 19.01.1999 - C-348/96 [Calfa] - Slg 1999, I-11 = InfAuslR 1999, 165), wobei eine strafrechtliche Verurteilung nur insoweit eine Ausweisung rechtfertigen kann, als die ihr zugrundeliegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefahr der öffentlichen Ordnung darstellt (z.B. EuGH, Urt. v. 20.02.2000 - C-340/97 [Nazli] - a.a.O.). Die Frage, ob die Begehung einer Straftat ein persönliches Verhalten erkennen lässt, das ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, lässt sich nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilen. Das Erfordernis einer gegenwärtigen Gefährdung der öffentlichen Ordnung besagt nicht, dass eine "gegenwärtige Gefahr" im Sinne des deutschen Polizeirechts vorliegen müsste, die voraussetzt, dass der Eintritt des Schadens sofort und nahezu mit Gewissheit zu erwarten ist. Es verlangt vielmehr eine hinreichende - unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit nach dem Ausmaß des möglichen Schadens und dem Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts differenzierende - Wahrscheinlichkeit, dass der Ausländer künftig die öffentliche Ordnung beeinträchtigen wird. Für die Beantwortung der Frage, ob dies der Fall ist, sind insbesondere die einschlägigen strafrichterlichen Entscheidungen heranzuziehen, soweit sie für die Prüfung der Wiederholungsgefahr bedeutsam sind. Zu prüfen ist auch, ob eine Verbüßung der Strafe erwarten lässt, dass der Assoziationsberechtigte künftig keine die öffentliche Ordnung gefährdenden Straftaten mehr begehen wird (vgl. zu alledem BVerwG, Urt. v. 03.08.2004 - 1 C 30.02 - BVerwGE 121, 297 = InfAuslR 2005, 18 m.w.N.). Dabei können und müssen das Maß der Einsicht in das begangene Unrecht und die Aufarbeitung der Tat in die vorzunehmende Prognoseentscheidung einfließen. Bei der Entscheidung ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu wahren (EuGH vom 29.04.2004 - C-482/01 u. C-493/01 [Orfanopoulos und Oliveri] - Slg. 2004, I-5257 = InfAuslR 2004, 268 = NVwZ 2004, 1099 = EZAR 810 Nr. 14), der eine Einzelfallwürdigung insbesondere auch der durch Art. 8 EMRK geschützten Rechtspositionen verlangt.
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Dieser Maßstab wird hier durch Art. 28 RL 2004/38/EG ungeachtet der offenen Frage, ob diese Vorschrift auf assoziationsberechtigte Türken anwendbar ist (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Vorlagebeschluss vom 22.07.2008 - 13 S 1917/07 - InfAuslR 2008, 439; BVerwG, Vorlagebeschluss vom 25.08.2009 - 1 C 25.08 -), schon deshalb nicht modifiziert, weil die Ausweisung, um deren Rücknahme es geht, vor dem 01.05.2006 bestandskräftig wurde und daher das erhöhte Schutzniveau des Art. 28 Abs. 2 und 3 RL 2004/38/EG hier nicht zu beachten ist. Die erhöhten Anforderungen nach dieser Vorschrift sind nur bei Ausweisungen zu beachten, bei denen der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage nach dem 30.04.2006 liegt (vgl. EuGH, Urt. v. 04.10.2007 – C-349/06 [Polat] – Slg. 2007, I-08167 Rdn. 26 f. = InfAuslR 2007, 425 = NVwZ 2008, 59 = EZAR NF 19 Nr. 22; BVerwG, Urt. v. 03.12.2008 - 1 C 35.07 - NVwZ 2009, 326).
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Vorliegend war Anlass der Ausweisung die Verurteilung des Klägers zu einer Jugendstrafe wegen Hausfriedensbruchs in zwei Fällen und versuchten Diebstahls. Bei diesen Straftaten handelt es sich wie bei den vorangegangenen Verurteilungen um Fälle der mittleren Kriminalität, die sämtlich nach Jugendstrafrecht abgeurteilt worden sind. Nach der Rechtsprechung des Senats liegt bei den in Frage stehenden Delikten eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vor, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, wenn diese Delikte - insbesondere Diebstahl und Hehlerei - gehäuft auftreten und gewerbsmäßig begangen werden oder sonstige erschwerende Umstände vorliegen (Senatsurteile vom 10.09.2003 - 11 S 973/03 - EzAR 037 Nr. 8 und vom 23.07.2008 - 11 S 2889/07 - InfAuslR 2008, 429). Daran gemessen lag hier eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, nicht vor. Eine Häufung von der Beschaffungskriminalität zuzuordnenden Delikten vermag der Senat entgegen der Auffassung des Beklagten nicht festzustellen. Zwischen der letzten Tat und der zuvor begangenen lag ein - gemessen am damaligen Alter des Klägers - relativ langer straffreier Zeitraum von über drei Jahren. Bei den mit Urteilen vom 22.06.1994 und vom 08.03.1995 abgeurteilten Straftaten handelte es sich zudem um jugendtypische Verfehlungen, die nicht eindeutig mit dem Drogenkonsum des Klägers in Verbindung standen, da eine Drogenabhängigkeit nach den strafgerichtlichen Feststellungen zweifelsfrei erst ab 1997 vorlag. Insgesamt handelte es sich um Fälle des einfachen Diebstahls und der einfachen Hehlerei, die Schadenssummen waren nicht besonders hoch (vgl. zu diesem Aspekt BVerwG, Urt. v. 02.09.2009 - 1 C 2.09 - juris) und der Kläger war nicht derart gehäuft straffällig geworden, dass aus diesem Grund eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung hätte angenommen werden können. Zwar war mit Blick auf die damals unbewältigte Drogenproblematik eine gewisse Wiederholungsgefahr in Bezug auf die Begehung weiterer Eigentums- und/oder Vermögensdelikte nicht von der Hand zu weisen, doch war diese nicht derart hoch, dass die konkrete Gefahr weiterer schwerer Störungen der öffentlichen Ordnung hätte prognostiziert werden können.
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cc) War die Ausweisung bereits gemessen an Art. 14 ARB 1/80 materiell rechtswidrig, so gilt dies erst recht, wenn man Art. 8 EMRK mit in den Blick nimmt.
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(1) Die Ausweisung griff nicht nur in den Schutzbereich des Rechts auf Achtung des Privatlebens, sondern auch in den Schutzbereich des Rechts auf Achtung des Familienlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK ein. Bei Beziehungen zwischen nahen Verwandten außerhalb der klassischen Kleinfamilie kommt es darauf an, ob die tatsächlich bestehenden Bindungen hinreichend für die Annahme einer familiären Beziehung sind. Beziehungen zwischen Erwachsenen unterliegen nicht notwendig dem Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK in seiner Ausprägung als Recht auf Achtung des Familienlebens. Es müssen besondere zusätzliche Aspekte der Abhängigkeit hinzutreten, die weiter reichen als normale affektive Beziehungen (EGMR, Urt. v. 17.04.2003 - Nr. 52853/99 [Yilmaz] - NJW 2004, 2147 Rn. 44 m.w.N.; Urt. v. 15.07.2003 - Nr. 52206/99 [Mokrani] - InfAuslR 2004, 183; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, 3. Aufl., § 22 Rn. 18 m.w.N.). Art. 8 EMRK vermittelt insoweit grundsätzlich keinen weitergehenden Schutz als Art. 6 GG bei familiären Beziehungen unter Volljährigen. Bei jungen Erwachsenen, die nach Erreichen der Volljährigkeit weiterhin mit ihren Eltern in häuslicher Gemeinschaft leben, geht der EGMR allerdings davon aus, dass auch ihre Beziehung zu den Eltern und anderen nahen Familienmitgliedern Familienleben darstellt und aufenthaltsbeendende Maßnahmen daher auch in das Recht auf Achtung des Familienlebens eingreifen (Urt. v. 23.06.2008 - Nr. 1638/03 [Maslov II] - InfAuslR 2008, 333). Hier hat der Kläger bis zu seiner Inhaftierung mit seinem Vater und den älteren Geschwistern in häuslicher Gemeinschaft gelebt.
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(2) Das ebenfalls betroffene Recht auf Achtung des Privatlebens umfasst die Summe der persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind (vgl. EGMR, Urt. v. 09.10.2003 - 48321/99 [Slivenko] - EuGRZ 2006, 560 <561> Rn. 96) und denen angesichts der zentralen Bedeutung dieser Bindungen für die Entfaltung der Persönlichkeit eines Menschen bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zukommt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.05.2007 – 2 BvR 304/07 – BVerfGK 11, 153 = InfAuslR 2007, 275 m.w.N.; Hoppe, ZAR 2006, 125 <130>). Die Gesamtheit der sozialen Beziehungen und der Gemeinschaft bildet einen Teil des Privatlebens i.S.v. Art. 8 EMRK.
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(3) Der Eingriff in die Rechte des Klägers aus Art. 8 Abs. 1 EMRK war unverhältnismäßig.
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Ein Eingriff in die Rechte aus Art. 8 Abs. 1 EMRK muss gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK eine in einer demokratischen Gesellschaft notwendige Maßnahme darstellen, die durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt und mit Blick auf das verfolgte legitime Ziel auch im engeren Sinne verhältnismäßig ist (vgl. EGMR, Urt. v. 18.02.1991 - 31/1989/191/291 [Moustaquim] - EuGRZ 1993, 552 <554>; BVerfG, Beschl. v. 10.05.2007 – 2 BvR 304/07 - BVerfGK 11, 153 = InfAuslR 2007, 275; BVerwG, Urt. v. 09.12.1997 - 1 C 19.96 - BVerwGE 106, 13 <21> m.w.N.). Dabei ist die Befristung der Ausweisungswirkungen nur eines von mehreren Kriterien im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.05.2007 – 2 BvR 304/07 - a.a.O.; EGMR, Urteil vom 22.03.2007 - 1638/03 [Maslov I] - InfAuslR 2007, 221). Vorrangig ist im Hinblick auf die konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob die Ausweisung überhaupt - unabhängig von einer Befristung - dem Gebot der Verhältnismäßigkeit entspricht (BVerfG, Beschl. v. 10.05.2007 – 2 BvR 304/07 - a.a.O.). Dies gilt umso mehr, wenn die Ausweisung ein Daueraufenthaltsrecht vernichtet und - wie hier - dem Kläger auch bei einer Befristung der Wirkungen der Ausweisung eine dauerhafte Rückkehr versagt bleibt. Erforderlich ist eine Verhältnismäßigkeitsprüfung unter Beachtung der vom EGMR entwickelten Kriterien, die im Wesentlichen in den Entscheidungen Boultif und Üner zusammengefasst worden sind (EGMR, Urt. v. 02.08.2001 - Nr. 54273/00 [Boultif] - InfAuslR 2001, 476; Urt. v. 05.07.2005 - Nr. 46410/99 [Üner] - InfAuslR 2005, 450 = DVBl 2006, 688). Dabei kommt es zunächst auf den jeweiligen Grad der „Verwurzelung“ an; je stärker der Betroffene im Aufenthaltsstaat integriert ist, desto schwerer müssen die öffentlichen Interessen wiegen. Weiter ist auf den Grad der „Entwurzelung“ abzustellen, d. h. auf die Möglichkeit und Zumutbarkeit der Reintegration im Herkunftsstaat, insbesondere aufgrund der Vertrautheit mit den dortigen Verhältnissen und den dort lebenden und aufnahmebereiten Verwandten. Schließlich können im Rahmen der Schrankenprüfung sonstige Faktoren Berücksichtigung finden, etwa ob der Aufenthalt des Betroffenen zumindest vorübergehend legal war und damit - i.S. einer „Handreichung des Staates“ - schutzwürdiges Vertrauen auf ein Hierbleibendürfen entwickelt werden konnte.
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Daran gemessen war die Ausweisung hier unverhältnismäßig. Bis zu seiner Abschiebung im Jahre 1999 verbrachte der Kläger sein gesamtes Leben in der Deutschland, er besuchte hier die Schule, erreichte den Hauptschulabschluss und verfügte über ein Daueraufenthaltsrecht. Sein gesamtes soziales Umfeld befand sich ebenfalls in Deutschland. Nähere Beziehungen zur Türkei, die über die eines Urlaubslandes hinausgingen, hatte er nicht. Die türkische Sprache beherrschte er kaum, da in seiner Familie deutsch und kurdisch gesprochen wurde. Auch wenn die Familienverhältnisse zerrüttet waren, so lebten die nächsten Familienangehörigen - neben seinem Vater auch seine Geschwister und Halbgeschwister - ebenfalls im Bundesgebiet und hatten - wie er - ein assoziationsrechtliches, verfestigtes Aufenthaltsrecht. Demnach war bei dem Kläger von einer weitreichenden „Verwurzelung“ einerseits und von einer vollständigen „Entwurzelung“ andererseits auszugehen.
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Bei Art und Schwere der der Ausweisung zugrunde liegenden Straftaten war zu berücksichtigen, dass der Kläger ausschließlich nach Jugendstrafrecht, zuletzt als Heranwachsender, verurteilt worden war (vgl. EGMR, Urt. v. 17.04.2003 - Nr. 52853/99 [Yilmaz] - NJW 2004, 2147 und Urt. v. 23.06.2008 - Nr. 1638/03 [Maslov II] - InfAuslR 2008, 333). Von Bedeutung ist auch, dass er nicht wegen Verbrechen, nicht wegen Betäubungsmitteldelikten und nicht wegen Gewaltdelikten verurteilt wurde (vgl. EGMR, Urt. v. 23.06.2008 - Nr. 1638/03 [Maslov II] - a.a.O.). Mit Blick darauf, dass der im Bundesgebiet geborene und aufgewachsene Kläger die für sein Familien- und Privatleben nach Art. 8 EMRK konstitutiven Bindungen und sein Daueraufenthaltsrecht unwiederbringlich verlor, war seine Ausweisung nicht gerechtfertigt. Den für eine Ausweisung sprechenden Gründe kam, selbst wenn man mit dem Beklagten von einer gewissen Wiederholungsgefahr ausgehen wollte, kein überragendes Gewicht zu (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 - a.a.O.; EGMR, Urt. v. 23.06.2008 - Nr. 1638/03 [Maslov II] - a.a.O.).
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4. Der Kläger hat einen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zur Rücknahme der Ausweisung, weil deren Aufrechterhaltung ihn schwer und unerträglich hart trifft und daher das Rücknahmeermessen auf Null reduziert ist.
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Im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG besteht im Hinblick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit einerseits und das der Rechtssicherheit andererseits nur ausnahmsweise ein Rücknahmeanspruch; die Aufrechterhaltung des Bescheides muss dann „schlechthin unerträglich“ sein. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Behörde durch unterschiedliche Ausübung der Rücknahmebefugnis in gleichen oder ähnlich gelagerten Fällen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt oder wenn Umstände gegeben sind, die die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit als einen Verstoß gegen die guten Sitten oder das Gebot von Treu und Glauben erscheinen lassen. Darüber hinaus vermag die offensichtliche Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts, die sich zum Zeitpunkt des Erlasses beurteilt, die Annahme zu rechtfertigen, seine Aufrechterhaltung sei schlechthin unerträglich (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.10.2007 - 1 C 10.07 - a.a.O. m.w.N.; Discher in GK-AufenthG, Vor §§ 53 ff. AufenthG Rn. 1773.7 m.w.N.). Auch außerhalb dieser Fallgruppen kommt eine Ermessensreduzierung auf Null in Betracht, wenn ein Aufrechterhalten des Verwaltungsakts schlechthin unerträglich ist (BVerwG, Urt. v. 30.01.1974 - VIII C 20.72 - BVerwGE 44, 333 <336>; BVerwG, Beschl. v. 22.10.1984 - 8 B 56.84 - NVwZ 1985, 265; BVerwG, Urt. v. 23.10.2007 - 1 C 10.07 - a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 31.01.1989 - 9 S 1141/88 - NVwZ 1989, 882; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 48 Rn. 79; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 48 Rn. 85).
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a) Anhaltspunkte für eine gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoßende unterschiedliche Ausübung der Rücknahmebefugnis sind nicht ersichtlich. Der Vertreter des Beklagten hat in der Berufungsverhandlung dargelegt, dass in den übrigen vom Regierungspräsidium Freiburg in den vergangenen Jahren entschiedenen Fällen jeweils § 121 VwGO dem geltend gemachten Rücknahmeanspruch entgegenstand und dass es sich bei dem vorliegenden Fall um den einzigen handelt, bei dem es um eine ohne gerichtliche Überprüfung bestandskräftig gewordene Ausweisungsverfügung geht. Eine Verwaltungspraxis, an die der Beklagte über Art. 3 Abs. 1 GG gebunden wäre, existiert somit nicht.
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b) Es sind auch keine Umstände erkennbar, die die Berufung des Beklagten auf die Unanfechtbarkeit als einen Verstoß gegen die guten Sitten oder das Gebot von Treu und Glauben erscheinen lassen.
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c) Die Ausweisung war des weiteren nicht offensichtlich rechtswidrig. Eine offensichtliche Rechtswidrigkeit ist dann gegeben, wenn an dem Verstoß der streitigen Maßnahme gegen formelles oder materielles Recht vernünftigerweise kein Zweifel besteht und sich deshalb die Rechtswidrigkeit aufdrängt. Hierbei ist maßgeblich auf den Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisung abzustellen. Eine spätere Klärung der Rechtsfrage und die damit eintretende Evidenz desselben bleiben außer Betracht (BVerwG, Urt. v. 23.10.2007 - 1 C 10.07 - a.a.O.; Urt. v. 17.01.2007 - 6 C 32.06 - NVwZ 2007, 709; Beschl. v. 07.07.2004 - 6 C 24/03 - BVerwGE 121, 226 <229 ff.> m.w.N.). Hier war zum damaligen Zeitpunkt in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, dass die Verfahrensgarantien des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG auch auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige anwendbar sind. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht erst mit Urteil vom 13.09.2005 (- 1 C 7.04 - BVerwGE 124, 217) entschieden. Ebensowenig war geklärt, dass Ansprüche nach Art. 7 ARB 1/80 durch Strafhaft nicht verloren gehen. Dass auch eine längere Strafhaft die Rechte aus Art. 7 Satz 1 zweiter Spiegelstrich ARB 1/80 nicht berührt, hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften erst 2004 entschieden (vgl. Urt. v. 11.11.2004 - C-467/02 - [Cetinkaya] - Slg. 2004, I-10895 = InfAuslR 2005, 13 und Urt. v. 07.07.2005 - C-373/03 [Aydinli] - Slg. 2005, I-6181 = InfAuslR 2005, 352). Es war daher nicht offensichtlich rechtswidrig, dass bei Erlass der Ausweisung eine Privilegierung des Klägers nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 verneint wurde. Die Maßstäbe für die Verhältnismäßigkeitsprüfung im Rahmen des Art. 8 EMRK bei im Inland geborenen jungen Erwachsenen sind ebenfalls erst später hinreichend präzisiert worden (BVerfG, Beschl. v. 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 - a.a.O.; EGMR, Urt. v. 23.06.2008 - Nr. 1638/03 [Maslov II] - a.a.O.), so dass auch insoweit eine offensichtliche Rechtswidrigkeit zu verneinen ist.
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d) Der Verstoß gegen die materiellen Schutzbestimmungen der EMRK begründet nur dann einen Rücknahmeanspruch, wenn der EGMR im konkreten Fall einen Verstoß gegen die EMRK festgestellt hat (Discher in GK-AufenthG, Vor §§ 53 ff. Rn. 763.1; VG Freiburg, Urt. v. 01.10.2007 - 1 K 893/06 - InfAuslR 2008, 252). Liegt eine auf die konkrete Ausweisung bezogene Entscheidung des EGMR nicht vor, führt ein Verstoß gegen die EMRK nicht bereits als solcher zu einer Reduzierung des Rücknahmeermessens auf Null (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 28.06.2007 - 13 S 1045/07 - VBlBW 2008, 68; Discher, a.a.O., Rn. 763.3).
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e) Das Aufrechterhalten der Ausweisung ist jedoch bei Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls schlechthin unerträglich.
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Auf dem Gebiet des Ausländerrechts ist eine Ermessensreduzierung auf Null in Betracht zu ziehen, wenn es um eine nicht lediglich formell rechtswidrige Ausweisung eines Ausländers der zweiten Generation geht, der in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, sich rechtmäßig hier aufgehalten und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht erworben hat und bei dem die Befristung der Wirkungen der Ausweisung mangels Rückkehrrecht ohne praktische Wirkung bleibt (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 - a.a.O.). Dieser Personenkreis wird von einer Ausweisung besonders hart getroffen, was für sich genommen indes noch nicht zu einer Reduzierung des Rücknahmeermessens auf Null führen kann. Vielmehr müssen besondere Umstände des Einzelfalls hinzutreten, die die Aufrechterhaltung der Ausweisung als schlechthin unerträglich erscheinen lassen. Hierbei sind auch die aktuellen Lebensumstände des Ausländers mit in den Blick zu nehmen, soweit noch ein Ursachenzusammenhang mit der Ausweisung besteht. Ein solcher Kausalzusammenhang besteht nicht mehr, wenn einem ausgewiesenen Ausländer in seinem Herkunftsstaat zunächst die wirtschaftliche und soziale Wiedereingliederung gelingt und er später aus anderen Gründen - etwa einer schweren Wirtschaftskrise - in prekäre Lebensumstände gerät, die ihn veranlassen, seine Rückkehr nach Deutschland zu betreiben.
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Hier ist nach den Umständen des Einzelfalls die Aufrechterhaltung der Ausweisung schlechthin unerträglich, so dass das Rücknahmeermessen auf Null reduziert ist. Der Kläger ist ein in Deutschland geborener und aufgewachsener Ausländer der zweiten Generation, der sich durchgehend rechtmäßig in Deutschland aufgehalten, einen Schulabschluss erworben und ein Daueraufenthaltsrecht nach Art. 7 ARB 1/80 erlangt hat. Seine Ausweisung war nicht nur formell, sondern auch materiell rechtswidrig. Er wurde, wie oben ausgeführt wurde, unter Verstoß gegen Art. 14 ARB 1/80 und Art. 8 EMRK ausgewiesen. Entgegen der Auffassung des Beklagten wäre eine rechtsfehlerfreie Ausweisung nach den zwischenzeitlich in der Rechtsprechung entwickelten Maßstäben nicht möglich gewesen. Die Befristung der Wirkungen der Ausweisung ist für den Kläger ohne jede praktische Wirkung geblieben. Sie hat er ihm nicht einmal ermöglicht, seine engsten Familienangehörigen, die inzwischen deutsche Staatsangehörige sind, hier besuchen können. Alle Anträge auf Besuchsvisa wurden abgelehnt, weil aufgrund seiner fehlenden Verwurzelung in der Türkei Zweifel an seiner Rückkehrwilligkeit bestanden. Trotz entsprechender Bemühungen ist dem Kläger in der Türkei eine Integration weder in wirtschaftlicher noch in gesellschaftlicher Hinsicht gelungen. Er hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat glaubhaft und in jeder Hinsicht überzeugend geschildert, dass er bei seinen Verwandten mütterlicherseits in sehr bescheidenen Verhältnissen ein Dasein am Rande des Existenzminimums fristet, ohne dort wirklich als gleichberechtigtes Familienmitglied aufgenommen worden zu sein, und dass es ihm auch außerhalb der Familie nicht gelungen ist, mehr als nur oberflächliche soziale Kontakte zu knüpfen. Seine engsten Bezugspersonen sind die in Deutschland lebenden Geschwister. Der Senat verkennt nicht, dass eine Vermutung dafür spricht, dass ein Ausländer nach einem zehnjährigen Aufenthalt in dem Staat seiner Staatsangehörigkeit dort gewisse, ein Privatleben begründende Bindungen aufgebaut hat, die die Aufrechterhaltung dieses Zustandes im Regelfall nicht als unerträglich erscheinen lassen. Der Kläger hat diese Vermutung mit seinen Angaben in der Berufungsverhandlung (siehe oben) indes eindrucksvoll widerlegt. Er hat glaubhaft gemacht, dass das im Vordergrund stehende Rückkehrmotiv seine durch die Trennung von seinen engsten Familienangehörigen ausgelöste emotionale Vereinsamung ist.
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Schließlich kann dem Kläger nicht vorgehalten werden, seine Rückkehr nach Deutschland nicht konsequent genug betrieben und andere rechtliche Möglichkeiten zur Behebung seiner unerträglichen Lage nicht ausgeschöpft zu haben. Insbesondere wäre ein Weiterbetreiben des auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 37 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 AufenthG gerichteten Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht Berlin nicht erfolgversprechend gewesen, weil es nach der insoweit sehr restriktiven Rechtsprechung des zuständigen Oberverwaltungsgerichts an einer besonderen Härte im Sinne von § 37 Abs. 2 Satz 1 AufenthG fehlt, wenn der Ausländer nicht alles ihm Mögliche und Zumutbare unternommen hat, um die aus seiner Sicht ungerechtfertigte aufenthaltsbeendende Maßnahme zu beseitigen. Als möglich und zumutbar wird dabei die Durchführung eines auf Wiederaufgreifen des Verfahrens und/oder Rücknahme gerichteten behördlichen und gerichtlichen Verfahrens angesehen (OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 30.04.2009 - 12 B 19.07 - juris). Es würde daher einen Zirkelschluss darstellen, wenn man umgekehrt im auf Rücknahme der Ausweisung gerichteten Verfahren das auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 37 AufenthG gerichtete Verfahren als vorgreiflich ansehen würde.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
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Beschluss vom 4. November 2009
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