Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 13. Okt. 2016 - W 5 K 15.1135

bei uns veröffentlicht am13.10.2016

Gericht

Verwaltungsgericht Würzburg

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 6. Oktober 2015 wird aufgehoben.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1. Der Kläger wendet sich gegen Anordnungen zur Hundehaltung.

Am 19. Juli 2015 gegen 16:00 Uhr ereignete sich in … in der S...straße ein Vorfall zwischen der Ehefrau des Klägers, die mit vier Hunden unterwegs war, und der 10-jährigen …, die ihren Toy-Terrier ausführte. Der genaue Ablauf des Vorfalls, in dessen Verlauf die 10-Jährige nach ihren Angaben von einem der Hunde der Ehefrau des Klägers gebissen worden sein soll, ist laut Akteninhalt strittig. Das Attest der Gemeinschaftspraxis … vom 24. Juli 2015 weist bei der 10-Jährigen einen Hundebiss am linken Unterarm (vier Bisswunden, zwei davon punktförmig, zwei ca. 1,5 cm lang klaffend, Sekundärheilung) aus.

In einer Kurzmitteilung des Polizeipräsidiums Unterfranken, operative Ergänzungsdienste, vom 26. September 2015 an die Beklagte, erstellt von …, wurde ausgeführt, der Ehefrau des Klägers sei aufgrund ihrer Angabe, dass vermutlich das ängstliche Verhalten ihrer Collie-Mix-Hündin Abby den Auslöser für den Vorfall gesetzt habe, zur Auflage gemacht worden, dass das Rudel getrennt bzw. mit einer zweiten geeigneten Person auszuführen sei. Bei derzeitigem Sachstand seien aus polizeilicher Sicht keine weiteren Maßnahmen erforderlich. Laut Anlage dieses Schreibens erließ der Polizeihundeführer am 22. September 2015 gegenüber der Ehefrau des Klägers eine polizeiliche Auflage gemäß Art. 11 PAG, dass das Rudel entweder getrennt voneinander (maximal zwei Hunde gleichzeitig) oder mit einer zweiten geeigneten Person ausgeführt werden müsse.

Die Akten der Beklagten enthalten einen Aktenvermerk (Bl. 18) mit folgendem Wortlaut: „Vor Ort war Herr …, PI Würzburg …, auffällig = Collie-Mix (hat wahrscheinlich gebissen), laut Rechtsanwalt, …, hat der Collie-Schäferhund-Blue Merle-Rüde, Langhaar, namens Lenny gebissen, > Hundehalter = … (siehe Anmeldung).“ Die Anmeldung bei der Beklagten zur Hundesteuer vom 7. Oktober 2010 für den Mischling (Collie-Schäferhund) Blue Merle, männlich, Wurfzeitpunkt 11/2009, lautet auf den Namen des Klägers (vgl. Kopie der Anmeldung, Bl. 19 der Akten). Auf die Aktenvermerke zu den Vorsprachen von Frau … und Herrn … bei der Beklagten (Bl. 20/21 der Akten) wird Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 6. Oktober 2015 erließ die Beklagte gegenüber dem Kläger folgende Anordnungen:

„1. Durch ausbruchsichere Unterbringung (Zaun, Schließvorrichtung) ist zu gewährleisten, dass Ihr Hund sicher verwahrt wird, d.h. weder das Grundstück, auf dem er gehalten wird, unbeaufsichtigt verlassen kann noch sich dort befugt aufhaltenden Personen gefährden kann.

2. Der Collie-Schäferhund-Blue Merle-Mix-Rüde, Langhaar, namens Lenny darf außerhalb des befriedeten Besitztums von Herrn … nur mit einer reißfesten Leine (nicht länger als 1,50 m) mit schlupfsicherem Halsband ausgeführt werden, solange der Hund sich in bebauten Gebieten und im Umkreis von 100 m davon aufhält und hat stets einen Maulkorb zu tragen. Außerhalb geschlossener Ortschaften kann der Hund an einer sog. Schleppleine (ca. 10 m lang, befestigt an der ausführenden Person) und mit Maulkorb geführt werden.

3. Der Hund darf nur von Personen ausgeführt werden, die diesen sicher beherrschen und zum Führen des Hundes körperlich geeignet sind.

4. Die sofortige Vollziehung der vorstehenden Nrn. 1, 2 und 3 wird angeordnet.

5. Für den Fall, dass Herr … seiner Verpflichtung aus Nrn. 1 - 3 dieses Bescheides nicht sofort nachkommt, wird bei Zuwiderhandlungen ein Zwangsgeld von 400,00 EUR fällig.

6. Die Kosten dieses Verfahrens hat Herr … zu tragen.

7. Für diesen Bescheid wird eine Gebühr in Höhe von 50,00 EUR festgesetzt. Die Gebühr ist innerhalb von 7 Tagen auf eines der unten angegebenen Konten zu überweisen.“

Zur Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, der Kläger sei Halter des Collie-Schäferhund-Blue Merle-Mix-Rüden, Langhaar, namens Lenny. Am 19. Juli 2015 gegen 16:00 Uhr habe der Hund des Klägers die Geschädigte … in den linken Unterarm gebissen. Der Kläger und seine Ehefrau seien am 17. September 2015 durch die Klägerin angehört worden, hätten sich zur Beschuldigung aber nicht äußern wollen.

Die Beklagte sei zum Erlass dieses Bescheides zuständig nach Art. 6, 18 Abs. 2 LStVG, Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a BayVwVfG und werde im übertragenen Wirkungskreis tätig. Nach Art. 6 LStVG habe die Beklagte die Aufgabe, die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch die Abwehr von Gefahren aufrecht zu erhalten. Dazu gehöre auch die Unversehrtheit von Gesundheit und Leben von Mensch und Tier. Nach den gegebenen Umständen - dem Unfall im Juli 2015 - sei von einer konkreten Gefahr, deren Ursache in dem Verhalten des Collie-Schäferhund-Blue Merle-Mix liege, auszugehen. Nach Art. 18 Abs. 2 LStVG könnten die Gemeinden und die Verwaltungsgemeinschaften zum Schutz von Leben und Gesundheit Anordnungen für den Einzelfall zur Haltung von Hunden treffen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift seien erfüllt. Der Erlass einer solchen Anordnung liege im pflichtgemäßen Ermessen der Gemeinde. Im öffentlichen Interesse sei ein solches Einschreiten geboten. Keinesfalls könne mit einer Entscheidung bzw. Anordnung zugewartet werden. Der Collie-Schäferhund-Blue Merle-Mix habe ein Kind verletzt. Dieser Vorfall belege, dass die Notwendigkeit bestehe, das Halten des Hundes insoweit einzuschränken, als durch einen Leinenzwang und Maulkorbpflicht Verletzungen unmöglich gemacht würden. Der Kläger habe die Möglichkeit zur Anhörung nicht wahrgenommen, er habe sich zur Beschuldigung nicht äußern wollen. Die getroffene Anordnung entspreche dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach Art. 8 LStVG. Die Maßnahmen seien geeignet, um die von dem Collie-Schäferhund-Blue Merle-Mix ausgehenden Gefahren zu verhindern. Mildere Mittel zur Gefahrenabwehr seien nicht ersichtlich. Der Kläger sei als Halter des Hundes der richtige Adressat der Maßnahme nach Art. 9 Abs. 2 LStVG. Die Androhung des Zwangsgeldes stütze sich auf Art. 19 Abs. 1 Nr. 3, 29 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 31, 36 VwZVG. Die Pflicht der sofortigen Unterlassung der Handlung könne dem Pflichtigen sofort auferlegt werden, weil das öffentliche Interesse daran gegenüber dem Interesse des Pflichtigen auf Fristsetzung eindeutig überwiege.

Der Bescheid wurde dem Kläger laut Postzustellungsurkunde am 8. Oktober 2015 zugestellt.

2. Am 4. November 2015 ließ der Kläger Klage erheben und beantragen,

den Bescheid der Beklagten vom 6. Oktober 2015 aufzuheben.

Zur Klagebegründung wurde ausgeführt, der Kläger sei der falsche Adressat des Bescheides. Er sei weder Halter noch Eigentümer des Collie-Schäferhund-Blue Merle-Mix-Rüdens, Langhaar, namens Lenny. Im Hinblick darauf sei nicht nachvollziehbar, warum sich der Bescheid gegen ihn richte. Der Klägerbevollmächtigte habe persönlich mit einer Bediensteten der Beklagten telefoniert und mit dieser abgeklärt, wer Hundehalter sei. Die gegenteiligen Ausführungen in der Klageerwiderung seien daher nicht nachvollziehbar. Darüber hinaus sei es falsch, dass der Hund die Geschädigte 10-Jährige in den linken Unterarm gebissen habe. Insoweit sei gegen die Ehefrau des Klägers ein Verfahren bei der Beklagten und bei der Staatsanwaltschaft Würzburg anhängig gewesen. Das Strafverfahren gegen die Ehefrau des Klägers sei mit Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Würzburg vom 21. Dezember 2015 beendet worden. Warum im vorliegenden Fall in Bezug auf den Hund Lenny gegen den Kläger ein Bescheid erlassen worden sei, sei nicht nachvollziehbar, zumal von Seiten des Polizeipräsidiums Unterfranken eine Überprüfung der Hunde erfolgt sei mit dem Ergebnis, dass die Tiere ordnungsgemäß gehalten würden und zwar seitens der Eigentümerin, der Ehefrau des Klägers. Darüber hinaus liege eine Urkunde über die Begleithundeprüfung der Ehefrau des Klägers betreffend den streitgegenständlichen Hund vor, so dass nicht nachvollziehbar sei, warum ein entsprechender Bescheid nunmehr gegen den Kläger ergangen sei.

In der Originalanzeige seien alle vier Hunde angeleint gewesen. Die Aussage, wonach die Ehefrau des Klägers ihre Hunde nicht habe halten können, sei nicht richtig. Sie habe vielmehr bei dem Angriff des anderen Hundes die Leinen loslassen müssen, da sie vom anderen Hund gebissen worden sei. Bei dem Attest der Gemeinschaftspraxis … vom 24. Juli 2015, das fünf Tage nach dem Vorfall erstellt worden sei, sei unklar, wo die Erstversorgung der 10-Jährigen durchgeführt worden sei und wie die sonstigen Wunden attestiert hätten werden können. Die Verletzungen dürften möglicherweise auf das Stoppelfeld zurückzuführen sein, in das das Kind gefallen sei. Der Hund Lenny sei nicht in der Lage, punktförmige Bisswunden auszuführen. Es sei ein großer Hund mit großen Zähnen, von denen keine punktförmigen Bisswunden herrühren könnten. Es sei vielmehr aufgrund der Größe des Kindes davon auszugehen, dass die entsprechenden Bisswunden von seinem eigenen Hund stammten, wahrscheinlich als das Kind diesen auf den Arm genommen habe. Das sei aufgrund der Bezeichnung der Verletzungen sehr viel wahrscheinlicher. Hinsichtlich der Stellungnahme der Bediensteten der Beklagten werde der E-Mail-Verkehr der Ehefrau des Klägers mit dieser vorgelegt. Die Aussage, dass der Polizeihundeführer … festgestellt habe, dass der Collie-Mix Lenny auffällig sei, sei von Seiten des Klägers nie mitgeteilt worden, das Gegenteil sei der Fall. Soweit auf Art. 37 LStVG Bezug genommen werde, treffe diese Vorschrift auf die Hunde nicht zu. Lenny gehöre weder zu den Kampfhunden, noch sei er ein gefährliches Tier. Er habe nachweislich eine Begleithundeprüfung und es könnten eine Menge Zeugen angeführt werden, die dies bestätigten und die ebenfalls bestätigten, dass Lenny ein friedlicher Hund sei. Soweit behauptet werde, der Aktenvermerk vom 17. September 2015 von Frau S. ergebe, dass der bezeichnete Hund des Klägers im Januar 2015 deren Hund verletzt habe, sei dies falsch. Im Aktenvermerk handele es sich um ein Tier, und zwar um einen Collie-Mix/weiblich - Abby. Dieses Tier habe mit Lenny nichts zu tun, bezüglich dessen das streitgegenständliche Verfahren anhängig sei. Weiterhin enthalte der bezeichnete Aktenvermerk von Frau S. die Mitteilung, dass Lenny und Onita nicht beißen würden, dafür aber Abby und Finn. Dieser habe zum damaligen Zeitpunkt noch gar nicht bei der Familie des Klägers gelebt. Offensichtlich seien die Ausführungen in der Klageerwiderung falsch und im vorliegenden Verfahren nicht verwertbar. Jeglicher konkrete Sachverhalt in Bezug auf die Anzeige der Polizei und die einzelnen Hunde fehle. In Bezug auf die Arztatteste gebe es keinen Erstversorgungsbericht des Krankenhauses, aus dem ersichtlich sei, welche Verletzungen am Unfalltag festgestellt worden seien. Darüber hinaus seien unerklärlich kleine Bisswunden und eine klaffende Wunde aufgenommen worden, die nicht dem Vorfall und nicht dem Hund der Ehefrau des Klägers zugeordnet werden könnten.

3. Die Beklagte ließ beantragen,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dem Erlass des streitgegenständlichen Bescheids vorausgegangen seien Ermittlungen gegen die Ehefrau des Klägers wegen fahrlässiger Körperverletzung am 19. Juli 2015 zum Nachteil der minderjährigen … Die am 30. Juli 2015 von der PI Kitzingen einvernommene Geschädigte habe angegeben, sie sei am 19. Juli 2015 gegen 16:00 Uhr alleine in … in der S...straße mit ihrem Hund, einem Toy-Terrier unterwegs gewesen. Sie habe ihn an der Leine geführt und sei in Richtung … gegangen. Ca. 200 m außerhalb von … sei ihr eine Frau entgegen gekommen, bei der vier Hunde gewesen seien, einer sei grau und weiß gewesen, einer schwarz, einer fuchsfarben mit Flecken und der andere schwarz mit braunen Flecken. Einer der Hunde, der große graue mit weißen Flecken, sei nicht angeleint gewesen. Als ihr Hund die Hunde gesehen habe, sei er ruckartig auf diese zu gelaufen und sie habe dadurch seine Leine verloren, so dass er mit der Leine auf die Hunde habe zurennen können. Zwei der Hunde der Frau, die diese dann nicht mehr habe halten können, seien auf ihren Hund los gerannt. Die anderen beiden seien auf sie selbst zu gerannt. Die Frau habe die zwei Hunde, die auf sie zu gerannt seien, gerufen. Es sei aber nur einer der beiden zurück zu der Frau gerannt. Der andere sei weiter zu ihr gerannt und habe sie mit seinen Pfoten angesprungen und sie umgeworfen. Dann habe ihr der Hund in den linken Unterarm gebissen. Die Hunde seien dann wieder weggelaufen. Bei der Frau mit den vier Hunden habe es sich um die Ehefrau des Klägers gehandelt. Durch das Attest der Gemeinschaftspraxis … werde bei der Geschädigten ein Hundebiss am linken Unterarm attestiert. Auf einer Mail der Ehefrau des Klägers vom 28. September 2015 habe die zuständige Sachbearbeiterin der Beklagten folgende handschriftliche Angaben angebracht: „Vor Ort war Herr …, PI Würzburg, …; auffällig = Collie-Mix (hat wahrscheinlich gebissen); laut Rechtsanwalt, Herrn …, hat der Collie-Schäferhund-Blue Merle-Rüde, Langhaar, namens Lenny, gebissen; > Hundehalter = … (siehe Anmeldung).“ Ausweislich der durch den Kläger unter dem 7. Oktober 2010 in der Hundesteuer-Anmeldung getroffenen Angaben sei dieser Halter des Hundes der Rasse „Mischling (Collie-Schäferhund) Blue Merle“, genannt Lenny, so dass der Kläger keineswegs der falsche Adressat des Bescheides sei, denn er sei als Hundehalter Inhaber der tatsächlichen Gewalt über den streitgegenständlichen Hund. Ob es sich bei dem Kläger um den Eigentümer oder sonst dinglich Verfügungsberechtigten handele, sei insoweit von Rechts wegen unbeachtlich. Die für Art. 18 Abs. 2 LStVG erforderliche konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit sei durch den Vorfall vom 19. Juli 2015 belegt. Darüber hinaus seien die durch den streitgegenständlichen Bescheid getroffenen Regelungsinhalte auch zum Schutz des Eigentums Dritter gerechtfertigt, zumal sich aus dem Aktenvermerk vom 17. September 2015 ergebe, dass der Hund des Klägers im Januar 2015 den Hund von Frau … mit der Folge notwendig gewordener tierärztlicher Versorgung verletzt habe. Der mögliche Mangel hinreichender Bestimmtheit hinsichtlich der in Ziffern 1 und 3 des Bescheides verwendeten Bezeichnung „ihr Hund“ bzw. „der Hund“ komme angesichts der Tatsache nicht in Betracht, dass sich aus der Zusammenschau von Ziffern 1 und 3 mit Ziffer 2 eindeutig ergebe, dass es sich um den Collie-Schäferhund-Blue Merle-Mix-Rüden Lenny handele. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei gewahrt. Die Androhung des Zwangsgeldes sei rechtmäßig.

4. Das Ermittlungsverfahren gegen die Ehefrau des Klägers wegen fahrlässiger Körperverletzung zu Lasten der Geschädigten … wurde gemäß § 170 Abs. 2 StPO mit Einstellungsverfügung vom 18. Dezember 2015 eingestellt (Az. der Staatsanwaltschaft Würzburg 851 Js 15480/15).

5. In der mündlichen Verhandlung am 13. Oktober 2016 wiederholten der Kläger- und der Beklagtenbevollmächtigte ihre schriftlich gestellten Anträge. Wegen des weiteren Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

6. Die einschlägigen Behördenakten lagen dem Gericht vor. Die Akte der Staatsanwaltschaft Würzburg, Az. 851 Js 15480/15, wurde beigezogen.

Gründe

1. Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 6. Oktober 2015 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1.1 Der Kläger kann zwar nicht allein deswegen die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids verlangen, weil er vor dessen Erlass nicht angehört worden ist. Der Bescheid der Beklagten ist formell rechtmäßig, denn der Mangel der zunächst fehlenden Anhörung ist inzwischen geheilt.

Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG schreibt vor, dass vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben ist, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Eine solche Anhörung im Verwaltungsverfahren hat vor Erlass des Bescheids der Beklagten vom 6. Oktober 2015 nicht stattgefunden. Es ist lediglich eine Anhörung im Bußgeldverfahren erfolgt. Da auch keine Gründe vorliegen, die dazu führen, dass von der Anhörung nach Art. 28 Abs. 2 BayVwVfG abgesehen werden konnte oder eine Anhörung nach Art. 28 Abs. 3 BayVwVfG unterbleiben durfte, liegt ein Verfahrensfehler im Sinne von Art. 45 BayVwVfG vor.

Gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG ist eine Verletzung der Verfahrensvorschrift des Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG aber unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird. Dies kann bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erfolgen.

Im vorliegenden Fall liegt die Nachholung der Anhörung darin, dass sich der Klägerbevollmächtigte im verwaltungsgerichtlichen Verfahren umfangreich zu den Maßnahmen der Beklagten geäußert hat und der Beklagtenvertreter das Vorbringen der Klägerseite zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen, ob der Bescheid aufgrund des Vorbringens der Klägerseite abgeändert werden sollte, einbezogen hat. Das Gericht schließt sich insoweit der Rechtsprechung des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs an und hält eine Nachholung der Anhörung in dieser Form für ausreichend, zumal Art. 45 Abs. 2 BayVwVfG für die Nachholung der Anhörung lediglich eine zeitliche Grenze setzt, nämlich den Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, nicht aber eine bestimmte Form vorschreibt. Dass eine unterlassene Anhörung allein im Rahmen eines behördlichen Verwaltungsverfahrens nachgeholt werden kann, ist dieser Regelung nicht zu entnehmen. Die Gegenmeinung berücksichtigt nicht, dass die frühere Regelung des Art. 45 Abs. 2 BayVwVfG den Zeitraum der Heilungsmöglichkeit noch nicht bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz vorsah. Schließlich überzeugt auch nicht die teilweise in der Literatur vertretene Rechtsauffassung (z.B. Kopp/Ramsauer, VwVfG, Art. 45 Rn. 27 und 45 f.), dass die Nachholung der Anhörung stets eines besonderen Ergänzungs- oder Nachverfahrens vor der Ausgangsbehörde bedarf sowie nach der Nachholung einer weiteren, ergänzenden Entscheidung dieser Behörde. Denn Art. 45 Abs. 2 BayVwVfG fordert die Einhaltung dieser Form gerade nicht (vgl. BayVGH, U.v. 12.5.2014 - 10 B 12.2084 - juris).

1.2 Der Bescheid der Beklagten ist jedoch materiell rechtswidrig. Zwar ist die Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass von der streitgegenständlichen Hundehaltung eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht, so dass die Voraussetzungen für ein sicherheitsbehördliches Einschreiten vorliegen. Die Anordnungen des Bescheids der Beklagten sind jedoch teilweise nicht von der Rechtsgrundlage gedeckt, der Bescheid erweist sich insgesamt als ermessensfehlerhaft - insbesondere auch hinsichtlich der Auswahl des Bescheidadressaten -, und seine Anordnungen stellen sich, insbesondere im Gesamtgefüge, als unverhältnismäßig dar.

1.2.1 Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Anordnung ist Art. 18 Abs. 2 LStVG. Danach kann die zuständige Sicherheitsbehörde zum Schutz von Leben, Gesundheit, Eigentum oder der öffentlichen Reinlichkeit Anordnungen für den Einzelfall zur Haltung von Hunden treffen. Eine solche Anordnung darf jedoch nur verfügt werden, wenn im zu betrachtenden Einzelfall eine konkrete Gefahr für die genannten Schutzgüter vorliegt. Letzteres ist dann der Fall, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden kann, dass es in absehbarer Zeit zu einem Schaden, d.h. einer Verletzung der geschützten Rechtsgüter, kommt. Hierbei sind an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer der zu erwartende Schaden ist. Es ist für die Bejahung einer konkreten Gefahr nicht erforderlich, dass vor dem Erlass entsprechender Anordnungen bereits (Beiß-)Zwischenfälle stattgefunden haben (st. Rspr. d. BayVGH, s. U.v. 21.12.2011 - 10 B 10.2806 - juris). Ist es jedoch bereits zu einem Beißvorfall oder einem sonstigen Vorfall gekommen, bei dem ein Hund eine Person oder einen anderen Hund angegriffen hat, so hat sich die von jedem Hund ausgehende abstrakte Gefahr bereits realisiert. Es besteht dann die konkrete Gefahr weiterer derartiger Vorfälle, die Gefährlichkeit des Hundes bedarf dann keiner weiteren Nachprüfung mehr, etwa durch ein Gutachten (Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Art. 18 Rn. 40, 42). Eine vollständige Aufklärung des tatsächlichen Ablaufs eines Vorfalls ist als Voraussetzung für ein sicherheitsbehördliches Einschreiten nicht erforderlich (Bengl/Berner/Emmerig, a.a.O., Art. 18 Rn. 53, m.w.N.).

Für die Bejahung einer konkreten Gefahr kommt es nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und des erkennenden Gerichts nicht darauf an, ob von dem Hund eine gesteigerte Aggressivität gegen Menschen oder andere Hunde ausgeht oder ob es sich um ein hundetypisches Verhalten handelt (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 20.1.2011 - 10 B 09.2966 - juris m.w.N.). Sinn der Ermächtigung des Art. 18 Abs. 2 LStVG ist es, den Gemeinden die Befugnis zu geben, zur Verhütung jeglicher Gefahren für die in Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG genannten Rechtsgüter Anordnungen zur Haltung von Hunden zu treffen, unabhängig davon, in welcher Weise diese von Hunden verursacht werden. Die Mehrheit der von Hunden ausgehenden Gefahren beruht nämlich gerade auf hundetypischem Verhalten. Auch wenn ein Schaden durch den Hund dadurch herbeigeführt wird, dass er durch ein „Fehlverhalten“ oder eine „Fehlreaktion“ einer anderen Person entstanden ist, sind nach der zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung solche Vorfälle dennoch dem Hund zuzurechnen, da die Gefahr ausschließlich von diesem ausgeht (vgl. BayVGH, a.a.O. und U.v. 15.3.2005 - 24 BV 04.2755 sowie B.v. 31.7.2014 - 10 ZB 14.688 - alle juris). Von Passanten wird kein hundegerechtes Verhalten erwartet, vielmehr steht der Hundehalter in der Pflicht, wenn er seinen Hund in der Öffentlichkeit ausführt. Nur das bewusste und gezielte Reizen eines Hundes stellt kein (Fehl-)Verhalten eines Passanten dar, mit dem der Hundehalter jederzeit hätte rechnen und die Reaktion seines Hundes hierauf hätte verhindern müssen (vgl. BayVGH, B.v. 31.7.2014 - 10 ZB 14.688 - juris).

Bei der Aufklärung des Sachverhalts darf die Sicherheitsbehörde grundsätzlich von der Richtigkeit von Zeugenaussagen ausgehen, insbesondere dann, wenn die Aussage den Vorfall detailliert und nachvollziehbar schildert und wenn mehrere Aussagen verschiedener Zeugen übereinstimmen (Bengl/Berner/Emmerig, a.a.O., Art. 18 Rn.35). Sie darf auch polizeiliche Erkenntnisse heranziehen, ist allerdings an die im Ermittlungsverfahren getroffene Beurteilung nicht gebunden (Bengl/Berner/Emmerig, a.a.O., Art. 18 Rn.39).

1.2.2 Nach diesen Maßgaben es im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass die Beklagte zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids von einer Gefahr ausgegangen ist. Es ist im Rahmen der Gefahrenprognose hinsichtlich der Hundehaltung nicht entscheidend, ob eine Gefahr für die Gesundheit und körperliche Unversehrtheit von Menschen ausschließlich von dem streitgegenständlichen Hund ausgeht, wie die Beklagte aufgrund des von ihr angenommenen Beißvorfalls meint, oder ob sie vielmehr aus dem Rudelverhalten der am Tag des streitgegenständlichen Vorfalls zusammen ausgeführten Hunde resultiert, die von der Ehefrau des Klägers nicht mehr unter Kontrolle gehalten werden konnten. Es muss auch nicht näher aufgeklärt werden, ob der Hund „Lenny“ am 19. Juli 2015 ein Kind gebissen hat, wie die Beklagte aufgrund der Zeugenaussage der Geschädigten angenommen hat. Jedenfalls war der Hund „Lenny“ entweder nicht angeleint oder er hat sich zusammen mit den anderen Hunden, die von der Ehefrau des Klägers ausgeführt wurden, losgerissen und ist auf das Kind zugerannt. Die Beklagte durfte bei Erlass des Bescheides aufgrund der Zeugenaussage der 10-Jährigen auch davon ausgehen, dass das Kind im Laufe des Vorfalls eine Bissverletzung erlitten hat. Von welchem Hund es gebissen worden ist, kann insofern letztlich offen bleiben.

1.2.3 Damit ist die Beklagte grundsätzlich berechtigt, Einzelfallanordnungen zu erlassen. Allerdings ist nach Auffassung des Gerichts der Bescheid der Beklagten vom 6. Oktober 2015 deswegen rechtswidrig, weil sein Regelungsgehalt teilweise nicht von der Rechtsgrundlage gedeckt ist und im Hinblick auf einzelne Regelungen des Bescheids und das Gesamtgefüge der Regelungen eine nachvollziehbare Ermessensausübung, auch hinsichtlich der Störerauswahl, nicht erkennbar ist. Der Bescheid verstößt auch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 8 LStVG).

Der Erlass von Anordnungen für den Einzelfall zur Haltung von Hunden nach Art. 18 Abs. 2 LStVG liegt im Ermessen der Behörde. Die von dieser zu treffende Entscheidung umfasst sowohl die Frage, ob sie handeln will (Entschließungsermessen) als auch die Frage, wie sie handeln will (Auswahlermessen). Dabei hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (Art. 40 BayVwVfG). Liegt eine konkrete Gefahr vor, sind an die Begründung des Entschließungsermessens regelmäßig keine hohen Anforderungen zu stellen (Bengl/Berner/Emmerig, a.a.O., Art. 18 Rn. 61). Weiterhin müssen die getroffenen Anordnungen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 8 LStVG) genügen, d.h., sie müssen zur Abwehr der festgestellten Gefahr erforderlich und geeignet sowie verhältnismäßig im engeren Sinne sein, d.h. angemessen und zumutbar (Bengl/Berner/Emmerig, a.a.O., Art. 18 Rn. 63).

Ob die Ermessensausübung im Einzelfall pflichtgemäß oder fehlerhaft erfolgte, lässt sich nur anhand der nach Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG erforderlichen Begründung des Bescheids ermitteln (Kopp/Schenke, VwGO, § 114 RdNrn. 14 ff.). Eine bezüglich der Ermessensausübung fehlende oder unzureichende Begründung indiziert einen Ermessensnicht- oder -fehlgebrauch, sofern sich nicht aus den Umständen anderes ergibt.

Nach dem Wortlaut des streitgegenständlichen Bescheids ist zwar von einer Ermessensausübung hinsichtlich des Entschließungsermessens auszugehen, das Auswahlermessen ist jedoch nicht bzw. fehlerhaft ausgeübt worden. Diesbezüglich fehlt es im Ausgangsbescheid völlig an einer begründeten Ermessensentscheidung. Aus den beigezogenen Akten kann auch nicht auf eine ordnungsgemäße Ermessensausübung hinsichtlich der gewählten Maßnahmen geschlossen werden.

Selbst wenn nicht von vollständigem Ermessensausfall auszugehen sein sollte, hat die Beklagte ihre Ermessenserwägungen jedoch auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht nachträglich den rechtlichen Anforderungen entsprechend (§ 114 Satz 2 VwGO) ergänzt, so dass sich der Bescheid auch insofern nicht als ermessensfehlerfrei erweist.

Eine Anordnung darf nur dann ergehen, wenn sie geeignet und erforderlich ist und keine milderen Mittel erkennbar sind. Ebenfalls darf die Maßnahme nicht „über das Ziel hinausschießen“, also einen überzogenen und nicht verhältnismäßigen Schutz anstreben.

1.2.3.1 Im vorliegenden Fall ist bereits die Geeignetheit der von der Beklagten ergriffenen Maßnahmen nicht ersichtlich. Nach den durchgeführten Ermittlungen ergaben sich Gefahren aus dem gemeinsamen Ausführen mehrerer Hunde durch eine einzelne Person. Die Beklagte traf jedoch keinerlei Maßnahmen im Hinblick auf die Rudelhaltung, sondern lediglich Anordnungen für einen der vier Hunde. Es sind dem Akteninhalt auch keine Überlegungen dazu zu entnehmen, warum nicht das getrennte Ausführen des Rudels oder das gleichzeitige Ausführen der Hunde durch zwei geeignete Personen in Erwägung gezogen wurde, wie es in der polizeilichen Anordnung nach Art. 11 PAG vom 22. September 2015 verfügt wurde. Diese Anordnung war der Beklagten zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 6. Oktober 2015 ausweislich des Eingangsstempels vom 12. Oktober 2015 auf dem Schreiben des Polizeipräsidiums Unterfranken vom 26. September 2015 zwar noch nicht bekannt, bei einem Vorfall im Rahmen einer Hundehaltung von vier Hunden hätte die Beklagte jedoch Überlegungen dazu anstellen müssen, ob Anordnungen bzgl. eines Hundes geeignet sind, die aufgetretene Gefahr zu beseitigen.

1.2.3.2 Nr. 1 des Bescheids vom 6. Oktober 2015 ist auch deshalb aufzuheben, weil die Anordnung im Hinblick auf die Regelung hinsichtlich sich auf dem Haltergrundstück aufhaltender Personen von Art. 18 Abs. 2 LStVG als Rechtsgrundlage nicht gedeckt ist. Nach Auffassung des Gerichts ist auch bei Anordnungen nach Art. 18 Abs. 2 LStVG der Anwendungsbereich des Abs. 1 zu beachten, da im Abs. 2 ausdrücklich auf den Schutzbereich des Abs. 1 Bezug genommen wird und zudem Art. 6 LStVG eine gemeindliche Aufgabe als Sicherheitsbehörde nur zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorsieht. Aus der Sicht des Gerichts ermächtigt Art. 18 Abs. 2 LStVG die Gemeinden daher nur zum Erlass von Anordnungen, soweit die Haltung von Hunden in öffentlichen Anlagen sowie auf öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen im Sinne von Abs. 1 geregelt wird, nicht aber zu Einschränkungen der Hundehaltung auf Privatgrundstücken. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass Art. 7 Abs. 1 LStVG Anordnungen der Sicherheitsbehörden, die in Rechte anderer eingreifen, nur zulässt, wenn eine besondere Ermächtigung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes vorliegt. Nachdem der Anwendungsbereich des Art. 18 Abs. 1 LStVG ausdrücklich beschränkt ist, Abs. 2 auf Abs. 1 Bezug nimmt und zwar die Einschränkung des Anwendungsbereichs nicht wiederholt, jedoch auch nicht ausdrücklich erweitert, ist nach Auffassung des Gerichts Art. 18 Abs. 2 LStVG aufgrund des Erfordernisses einer konkreten gesetzlichen Eingriffsermächtigung restriktiv dahingehend auszulegen, dass die Befugnis für Einzelfallanordnungen ebenfalls nur im Rahmen des Anwendungsbereiches des Art. 18 Abs. 1 LStVG gilt. Die Beklagte war daher nicht berechtigt, eine Anordnung zu erlassen, nach der der streitgegenständliche Hund innerhalb des klägerischen Grundstücks in bestimmter Art und Weise zu halten ist, soweit es nicht um die Abwehr von Gefahren für Dritte außerhalb des Anwesens durch Entweichen des Hundes o.ä. geht (vgl. VG Bayreuth, U.v. 4.12.2012 - B 1 K 11.5 - juris).

Die Anordnung Nr. 1 ist weiterhin deshalb rechtswidrig und rechtsverletzend für den Kläger, weil sie zu weit geht und daher gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 8 LStVG) verstößt.

Die Notwendigkeit der grundstücksbezogenen Anordnungen ergibt sich weder aus dem streitgegenständlichen (Beiß-)Vorfall, noch aus dem Vortrag der Beklagten. Es wurde weder vorgetragen, dass der Hund jemals das Haltergrundstück unbeaufsichtigt verlassen hätte, noch dass das Haltergrundstück im Hinblick auf Ausbruchsicherheit überhaupt irgendwelche Defizite aufweisen würde.

1.2.3.3 Darüber hinaus vermochte die Beklagte - auch in der mündlichen Verhandlung - nicht darzulegen, warum die weiteren Anordnungen für den streitgegenständlichen Hund im Einzelnen bzw. in Kombination erforderlich sind, um der von der Hundehaltung ausgehenden Gefahr zu begegnen.

1.2.3.3.1 Die ausnahmslose Kombination von Leinen- und Maulkorbzwang auf allen öffentlichen Flächen in Nr. 2 des Bescheids erweist sich als unverhältnismäßig.

Eine Kombination von Leinen- und Maulkorbzwang verstößt zwar nicht von vornherein gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (ständige Rechtsprechung des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs, B.v. 5.2.2014 - 10 ZB 13.1645 - juris). Ein zusätzlicher Maulkorbzwang kann verfügt werden, wenn es im Einzelfall zur effektiven Gefahrenabwehr unabdingbar ist, weil z.B. eine hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Hund auch angeleint zubeißen oder sich von der Leine losreißen würde (vgl. VG Augsburg, B.v. 26.4.2012 - Au 5 S. 12.316 - juris). Nachdem der Vorfall sich vorliegend mit dem angeleinten Hund ereignet hat, hatte die Beklagte Anlass, für Bereiche, in denen mit Begegnungen mit Personen zu rechnen ist, eine Kombination von Leinen- und Maulkorbzwang in Erwägung zu ziehen. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wäre die Beklagte jedoch auch verpflichtet gewesen zu prüfen, ob geeignete öffentliche Flächen vom Leinenzwang ausgenommen werden können, um dem Bewegungsdrang des großen Hundes Rechnung zu tragen, oder ob dieser auf bestimmte Teile des Gemeindegebiets beschränkt werden kann. Es ist jedenfalls nicht erkennbar, warum für den Hund auf allen öffentlichen Flächen in jedem Fall ein Anlein- und Maulkorbzwang erforderlich sein soll. Der Kläger darf nach dem Bescheidinhalt den Hund auch außerhalb bewohnter Bereiche nicht ohne lange Leine laufen lassen, was dem Bewegungsbedürfnis des Tieres nicht hinreichend Rechnung trägt. Damit erweist sich die Kombination von Leinen- und Maulkorbzwang auf allen öffentlichen Flächen in Nr. 2 des Bescheids als unverhältnismäßig.

1.2.3.3.2 Für Nr. 3 des Bescheids fehlt es an jeglicher Begründung im Bescheid. Eine solche Anordnung ist zwar an sich nicht problematisch, im vorliegenden Fall ist sie aber nicht geeignet, der bestehenden Gefahr angemessen zu begegnen, da keine Anordnung zu der Frage getroffen wurde, wie viele Hunde gleichzeitig ausgeführt werden dürfen.

1.2.3.4 Schließlich ist der Bescheid insgesamt auch deshalb rechtsfehlerhaft, weil er sich (ausschließlich) gegen den Kläger richtet.

Gemäß Art. 9 Abs. 2 Satz 1 LStVG sind dann, wenn das Verhalten oder der Zustand eines Tieres oder einer anderen Sache Maßnahmen nach diesem Gesetz notwendig macht, diese gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt zu richten; ausnahmsweise können die Maßnahmen auch gegen andere Personen gerichtet werden, und zwar zusätzlich oder alternativ (Art. 9 Abs. 2 Satz 2 und 3 LStVG). Geht es, wie vorliegend, um Anordnungen zur Hundehaltung im Einzelfall gemäß Art. 18 Abs. 2 LStVG, so kommt als Adressat einer Anordnung nach dem Zweck der Vorschrift primär der Halter des Hundes in Betracht. Der Halter trägt die Verantwortung dafür, dass die verfügten Maßnahmen umgesetzt und die Verpflichtungen eingehalten werden. Halter ist, wer ein eigennütziges Interesse an der Haltung des Hundes und die Befugnis hat, über dessen Betreuung und Existenz zu entscheiden. Eigentum bzw. Eigenbesitz sind für die Bejahung der Haltereigenschaft nicht Voraussetzung, belegen jedoch das eigennützige Interesse und das Vorliegen der Entscheidungsbefugnis über den Hund. Indizien hierfür sind, wer die Bestimmungsgewalt über den Hund hat, für seine Kosten aufkommt, seinen allgemeinen Wert und Nutzen für sich in Anspruch nimmt und das Risiko seines Verlustes trägt. Wer „Halter“ i.S.d. Steuerrechts ist, also die Hundesteuer bezahlt, hat keine Auswirkung auf die Frage, wer Halter i.S.d. Sicherheitsrechts und damit Adressat einer sicherheitsrechtlichen Anordnung ist (Bengl/Berner/Emmerig, a.a.O., Art. 18 Rn. 87 m.w.N.).

Im vorliegenden Fall sprechen die relevanten Tatsachen dafür, dass die Ehefrau des Klägers die alleinige Halterin oder zumindest auch Halterin des streitgegenständlichen Hundes ist.

Der Kläger ist zwar auf der von der Beklagten vorgelegten Kopie der Anmeldung des Hundes zur Hundesteuer als Hundehalter angegeben. Ob der Kläger tatsächlich den streitgegenständlichen Hund auf sich angemeldet hat, was von ihm bestritten wird, braucht nach den o.g. Grundsätzen jedoch nicht weiter aufgeklärt zu werden. Der Kläger hat jedenfalls einen Abgabenbescheid „Hundesteuer 2. Hund“ aus dem Jahr 2012 und eine Abbuchungsvorankündigung für das Jahr 2016 vorgelegt, die jeweils an seine Ehefrau gerichtet waren. Letztlich ist nicht entscheidend, wer Halter des streitgegenständlichen Hundes i.S.d. Steuerrechts ist, sondern wer Halter i.S.d. Sicherheitsrechts ist. Der Hund lebt bei der Familie des Klägers. Die Ehefrau des Klägers hat mit dem streitgegenständlichen Hund eine Begleithundeprüfung abgelegt und war mit den Hunden zum Zeitpunkt des Vorfalls unterwegs. Bei der Überprüfung der Hunde durch den Polizeihundeführer war (nur) die Ehefrau des Klägers anwesend. Die Hunde orientierten sich laut Kurzmitteilung von POM … stark an der Ehefrau des Klägers. Es liegen daher einige Tatsachen vor, die darauf schließen lassen, dass die Ehefrau des Klägers zumindest ebenfalls Halterin des Hundes ist. Diese Tatsachen hat die Beklagte in ihre Überlegungen zur Auswahl des Bescheidadressaten offensichtlich nicht einbezogen. Nachdem eine Anordnung, die sich nur gegen einen von zwei Haltern richtet, ungeeignet und damit ermessensfehlerhaft ist (vgl. VG Würzburg, B.v. 26.8.2010 - W 5 S. 10.907 - juris), ist der (ausschließlich) gegen den Kläger gerichtete Bescheid allein deswegen rechtswidrig, ohne dass noch entschieden werden muss, ob der Kläger überhaupt als Halter des Hundes anzusehen ist.

1.3 Nachdem die Anordnungen in Nrn. 1 bis 3 des Bescheids vom 6. Oktober 2015 rechtswidrig sind und den Kläger in seinen Rechten verletzen, können auch die akzessorischen Regelungen (Zwangsmittelandrohung in Nr. 5 sowie die Nrn. 4, 6 und 7) keinen Bestand haben und der Bescheid war insgesamt aufzuheben.

Überdies verstößt die Zwangsgeldandrohung gegen den Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 37 BayVwVfG. Da die Zwangsgeldandrohung nicht jeweils auf eine einzelne Verpflichtung - entweder Ziffer 1, 2 oder 3 - bezogen ist, bleibt letztlich zu Lasten des Klägers unklar, an welche Handlungspflichten die Zwangsgeldandrohung anknüpft. Für den Kläger ist unklar, ob bereits bei einem Verstoß gegen alternativ die Ziffer 1, 2 oder 3 das angedrohte Zwangsgeld zur Zahlung fällig ist. Der Kläger kann deshalb nicht absehen, in welchen Fällen mit der Fälligstellung eines Zwangsgeldes in nicht unerheblicher Höhe (400,00 EUR) er rechnen muss. Die Beschränkung einer Zwangsgeldandrohung auf jeweils eine einzelne Verpflichtung ergibt sich insoweit auch aus dem Wortlaut des Art. 31 Abs. 1 VwZVG. Wird danach die Pflicht zu einer Handlung, einer Duldung oder einer Unterlassung nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit erfüllt, so kann die Vollstreckungsbehörde den Pflichtigen durch ein Zwangsgeld zur Erfüllung anhalten.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 13. Okt. 2016 - W 5 K 15.1135

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 13. Okt. 2016 - W 5 K 15.1135

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 13. Okt. 2016 - W 5 K 15.1135 zitiert 9 §§.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 711 Abwendungsbefugnis


In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 114


Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch

Strafprozeßordnung - StPO | § 170 Entscheidung über eine Anklageerhebung


(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht. (2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren

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Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 13. Okt. 2016 - W 5 K 15.1135 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 31. Juli 2014 - 10 ZB 14.688

bei uns veröffentlicht am 31.07.2014

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner. III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro fes

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 05. Feb. 2014 - 10 ZB 13.1645

bei uns veröffentlicht am 05.02.2014

Tenor I. Die Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 27. Juni 2013 wird zugelassen, soweit damit die Klage gegen die Anordnung der Beklagten in Nr. 2. des Bescheids vom 6. September 2011 abgewiesen wur

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(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Zulassungsgründe liegen nicht vor. Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; 1.). Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist nicht den Anforderungen von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt (2.).

Gegenstand des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 30. Januar 2014 ist der Bescheid der Beklagten vom 8. August 2012, mit der den Klägern untersagt wurde, ihre Mischlingshündin „L.“ außerhalb des Grundstücks auf öffentlichen Straßen und Plätzen der Gemeinde P. ohne Leine (Ziffer 1) und ohne einen, den tierschutzrechtlichen Bestimmungen entsprechenden Maulkorb (Ziffer 2) auszuführen. Außerdem ist die Hündin außerhalb der öffentlichen Straßen und Plätze im Gebiet der Gemeinde bei der Annäherung von Mensch und Tier an die Leine zu nehmen (Ziffer 1). Das Verwaltungsgericht hat die auf Aufhebung des Bescheids gerichtete Klage abgewiesen.

Das Vorbringen im Zulassungsantrag richtet sich ausschließlich gegen die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zum zusätzlich zum Leinenzwang verfügten Maulkorbzwang, so dass der Antrag auf Zulassung der Berufung nach § 88 VwGO dahingehend auszulegen ist, dass er sich nur insoweit gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 30. Januar 2014 richtet, als die Klage gegen Ziffer 2 des Bescheids vom 8. August 2012 abgewiesen wurde.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils - soweit es angefochten ist - lägen nur vor, wenn die Kläger einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hätten (BVerfG, B. v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11). Dies ist jedoch nicht der Fall.

Bezüglich der Anordnung des Maulkorbzwangs bringen die Kläger im Zulassungsverfahren vor, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestünden, weil das Erstgericht den entscheidungserheblichen Sachverhalt unzutreffend ermittelt habe. Anlass für den Maulkorbzwang sei der Vorfall vom 6. Dezember 2011 gewesen. Der genaue Ablauf des Vorfalls sei jedoch zwischen den Beteiligten streitig geblieben. Der Geschädigte, Herr U., sei von der Hündin der Kläger in den Oberschenkel gezwickt worden. Dennoch sei Herr U. nicht als Zeuge vernommen worden. Tatsächlich sei Herr U. in den ordnungsgemäß an kurzer Leine geführten Hund von hinten „hineingelaufen“. Das Verwaltungsgericht halte den genauen Ablauf des Vorfalls für unbeachtlich, da Passanten keine Pflicht zu hundegerechtem Verhalten treffe. Herr U. habe sich jedoch verkehrswidrig verhalten, weil er den Kläger ohne Beachtung des vor ihm geführten Hundes überholte und dabei von hinten in den Hund „hineingerannt“ sei. Wenn Herr U. tatsächlich von hinten in den Hund hineingelaufen sei, so sei ein atypischer Sonderfall mit einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Reizung des Hundes gegeben. Dem Hund könne dann sein Biss nicht als Fehlverhalten zugerechnet werden. Das Gericht hätte Herrn U. und den Kläger zum Geschehen vernehmen müssen.

Mit diesen Ausführungen stellen die Kläger die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zum Vorliegen einer der Hündin der Kläger zurechenbaren konkreten Gefahr im Sinne von Art. 18 Abs. 2 LStVG nicht in Frage. Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, wonach von einem Hund auch dann eine konkrete Gefahr im Sinne des Art. 18 Abs. 2 LStVG ausgeht, wenn seine Reaktion auf das Verhalten anderer Personen oder Tiere ein hundetypisches Verhalten darstellt, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats. Sinn des Art. 18 Abs. 2 LStVG ist es, den Behörden die Ermächtigung zu geben, zur Verhütung jeglicher Gefahren für die in Art. 18 Abs. 1 LStVG genannten Rechtsgüter Anordnungen zur Haltung von Hunden zu treffen, und zwar unabhängig davon, in welcher Weise diese von den Hunden verursacht werden. Auch hundetypisches und artgerechtes Verhalten eines Hundes kann eine konkrete Gefahr für Passanten und andere Tiere verursachen (vgl. BayVGH, B. v. 27.10.1995 - 21 CS 95.858 - BayVBl. 1996, 212, 213; U. v. 18.2.2004 - 24 B 03.645 - juris Rn. 26).

Ebenso wird die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Verletzung des Herrn U. der Hündin der Kläger auch dann zuzurechnen ist, wenn der Hundebiss auf einem Fehlverhalten oder einer Fehlreaktion des Verletzten beruht, durch das Zulassungsvorbringen nicht ernstlich in Zweifel gezogen. Von Passanten wird kein hundegerechtes Verhalten erwartet, vielmehr steht der Hundehalter in der Pflicht, wenn er seinen Hund in der Öffentlichkeit ausführt (BayVGH, B. v. 21.10.2002 - 24 ZB 02.2109 - juris Rn. 9; B. v. 27.10.1995, a. a. O.). Die durch einen Hund verursachten Verletzungen sind dem Tier sicherheitsrechtlich auch dann zuzurechnen, wenn sie (mit) auf einem Fehlverhalten anderer Personen beruhen (BayVGH, B. v. 18.11.2011 - 10 ZB 11.1837 - juris Rn. 19 m. w. N.). Dies bedeutet, dass selbst dann, wenn die Hündin der Kläger sich durch das dichte Vorbeigehen von Herrn U. bedrängt gefühlt hätte oder sie erschrocken wäre, und ihre Reaktion, ein unvermitteltes Zubeißen, artgerecht gewesen wäre, von ihr dennoch eine konkrete Gefahr im Sinne des Art. 18 Abs. 2 LStVG ausgegangen wäre, die grundsätzlich den Erlass einer Anordnung zur Hundehaltung rechtfertigt. Das Erstgericht stellt insoweit auch zu Recht darauf ab, dass dichtes Gedränge und das knappe Vorbeigehen an einem Hund in dessen unmittelbarer Nähe alltägliche Ereignisse darstellen, die auf öffentlichen Straßen und Wegen häufiger vorkämen. Eine weitere Sachaufklärung musste sich dem Gericht bei dieser Rechtsauffassung nicht aufdrängen. Nur das bewusste und gezielte Reizen des Hundes stellt kein (Fehl-)Verhalten eines Passanten dar, mit dem der Hundehalter jederzeit hätte rechnen und die Reaktion seines Hundes hierauf hätte verhindern müssen (Schenk in Bengl/Berner/Emmerig, LStVG. Art. 18, Rn. 56 m. w. N.). Von einer bewussten Reizung ihrer Hündin durch Herrn U. gehen aber selbst die Kläger nicht aus. Die Kläger haben im Schriftsatz vom 17. Oktober 2012 an das Verwaltungsgericht selbst ausgeführt, dass Herr U. ihre Hündin nicht vorsätzlich geärgert oder provoziert habe, sondern sein Verhalten fahrlässig gewesen sei. Herr U. sei fast auf das Tier getreten bzw. habe es fast umgerannt und sei daher im Vorbeigehen gebissen worden.

Soweit die Kläger vorbringen, das Gericht habe nicht aus eigener Sachkunde beurteilen können, ob eine atypische Sondersituation im Sinne einer bewussten Reizung des Hundes vorgelegen habe, und hätte deshalb ein gerichtliches Sachverständigengutachten einholen müssen, begründet dies keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung. Bei der Frage, ob eine bewusste Reizung vorliegt, handelt es sich nicht um eine verhaltensbiologische Grundfrage, die nur von einem Sachverständigen hätte beantwortet werden können. Der Begriff der „bewussten Reizung“ dient im Sicherheitsrecht als Abgrenzungskriterium für eine von einem Hund verursachte konkrete Gefahr im Sinne des Art. 18 Abs. 2 LStVG. Die Rechtsprechung geht dabei davon aus, dass hundetypisches, artgerechtes Verhalten, mit dem ein Hundehalter in bestimmten Situationen rechnen muss, ebenso wie außergewöhnlich aggressives Verhalten eines Hundes vom Schutzzweck des Art. 18 Abs. 2 LStVG erfasst werden und daher die auf diesem Verhalten beruhenden Verletzungen dem Hund sicherheitsrechtlich zuzurechnen sind. Eine bewusste Reizung des Hundes liegt folglich nur dann vor, wenn der Hundehalter mit der Verhaltensweise anderer Passanten oder Hundehalter nicht hätte rechnen müssen und daher die Reaktion seines Hundes hierauf nicht hätte verhindern können (Schenk, a. a. O., Rn. 56). Zur Beantwortung der Frage, ob ein Hundehalter mit einem bestimmten Verhalten anderer Passanten oder Hundehalter rechnen muss, bedarf es jedoch keines Sachverständigengutachtens. Die Feststellung, es entspreche allgemeiner Lebenserfahrung, dass Passanten in verschiedenen Situationen relativ nah an einem Hund vorbeigingen, und das Verhalten des Herrn U. daher nicht als bewusste Reizung im dargelegten Sinn zu werten sei, konnte das Verwaltungsgericht in Kenntnis der rechtlichen Kriterien für die sicherheitsrechtliche Zurechnung von durch Hunde verursachten Verletzungen oder Schäden ohne Sachverständigengutachten treffen.

Der Einwand der Kläger, dass angesichts der besonderen Situation am 6. Dezember 2011 ein befristeter Maulkorbzwang ausreichend gewesen wäre, führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Liegt eine konkrete Gefahr im Sinne von Art. 18 Abs. 2 LStVG für die geschützten Rechtsgüter vor und ist es - wie hier - bereits zu Beißvorfällen oder sonstigen Zwischenfällen gekommen, so ist ein Einschreiten zur Abwehr der bereits realisierten Gefahr regelmäßig nicht nur zulässig, sondern sogar geboten. Da die Hündin der Kläger zugebissen bzw. zugeschnappt hat, obwohl sie angeleint war, ist auch ein Ermessensfehler der Beklagten bei der Anordnung eines Maulkorbzwangs in Ausübung ihres Gestaltungsermessens nicht ersichtlich. Ebenso ist ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht erkennbar. Das Verwaltungsgericht ist der Einschätzung der Beklagten, dass der Vorfall vom 6. Dezember 2011 die Annahme einer konkreten Gefahr rechtfertige, der nicht alleine durch die Anordnung eines Leinenzwangs begegnet werden könne, gefolgt. Die zusätzliche Anordnung eines Maulkorbzwangs ist geeignet, erforderlich und auch angemessen, um weitere Beißvorfälle künftig zu vermeiden. Die Kläger haben im Zulassungsverfahren nicht dargelegt, dass die von ihrer Hündin ausgehende Gefahr nur für einen befristeten Zeitraum bestehe.

2. Die Berufung ist auch nicht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Insoweit fehlt es bereits an der nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO erforderlichen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung. Um den auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- und Tatsachenfrage formulieren, ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 124a Rn. 72).

Die von den Klägern aufgeworfenen Fragen zur sicherheitsrechtlichen Zuordnung einer von einem Hund ausgehenden Gefahr und zur Verhältnismäßigkeit des Maulkorbzwangs sind nicht entscheidungserheblich bzw. haben keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung. Die Frage, ob eine Gefahrenlage von Passanten bedingt vorsätzlich bzw. grob fahrlässig provoziert wurde, stellt sich im vorliegenden Fall nicht, da selbst bei Zugrundelegung der Schilderung der Kläger bei dem Vorfall vom 6. Dezember 2011 keine Gefahrenlage provoziert wurde. Denn der Begriff der Provokation indiziert eine bewusste und gezielte Reizung, also Absicht. Die Zurechnung einer durch das Verhalten eines Hundes hervorgerufenen Gefahr für die körperliche Unversehrtheit anderer Personen oder Hunde ist von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängig, so dass sich insoweit ein allgemeiner Rechtssatz, bei einem bestimmten Verhalten der geschädigten Person finde eine Zurechnung nicht statt, nicht treffen lässt. Diese Frage kann also keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung erlangen. Das gleiche gilt für die Frage, ob eine bestimmte Maßnahme zur Unterbindung einer konkreten Gefahr verhältnismäßig ist. Insbesondere bei der Angemessenheit der Maßnahme müssen die durch den Hund hervorgerufene Gefahr und die Maßnahme in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen, so dass eine allgemein gültige Aussage über die Angemessenheit eines Maulkorbzwangs nicht möglich ist.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Kläger tragen die Kosten als Gesamtschuldner, § 159 VwGO i. V. m. § 100 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 GKG, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 30. Januar 2014 rechtskräftig (§ 124 Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Tenor

I.

Die Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 27. Juni 2013 wird zugelassen, soweit damit die Klage gegen die Anordnung der Beklagten in Nr. 2. des Bescheids vom 6. September 2011 abgewiesen wurde.

Im Übrigen wird der Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt.

II.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird vorläufig auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die Berufung ist nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, soweit das Verwaltungsgericht die Klage gegen die Anordnung der Beklagten in Nr. 2. des Bescheids vom 6. September 2011 abgewiesen hat, weil ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils dargelegt sind und vorliegen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 und § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; 1.). Hinsichtlich der Nr. 1. des Bescheids vom 6. September 2011 (Leinenzwang) ist der Antrag auf Zulassung der Berufung dagegen als unzulässig abzulehnen, da der Kläger durch die angefochtene Entscheidung des Erstgerichts insoweit nicht beschwert ist (2.).

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen dann, wenn der Kläger einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage stellt (vgl. BVerfG, B. v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11). Dies ist bezüglich der die Anordnung der Beklagten in Nr. 2. des Bescheids vom 6. September 2011 (Verpflichtung, der Schäferhündin „Raja“ außerhalb des selbstbewohnten Grundstücks einen abstreifsicheren Maulkorb oder eine abstreifsichere Maulschlaufe anzulegen) betreffenden Klageabweisung der Fall.

Das Verwaltungsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung darauf gestützt, dass der von der Beklagten neben dem Leinenzwang angeordnete Maulkorb- bzw. Maulschlaufenzwang zur Abwehr der von der Schäferhündin des Klägers „Raja“ ausgehenden Gefahr dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 8 LStVG) entspreche und von der Beklagten auch sonst ermessensfehlerfrei verfügt worden sei. Die durch die Anordnungen der Beklagten erfolgte „doppelte“ Absicherung durch eine Kombination von Leinen- und Maulkorbzwang erfordere im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (besondere) rechtfertigende Umstände. Solche Umstände lägen schon aufgrund der Intensität des den Anordnungen zugrunde liegenden Vorfalls vom 3. Juli 2011 vor, bei dem die Schäferhündin neben einem Pudel auch dessen Halterin gebissen habe. Dadurch sei das stark ausgeprägte „Trieb(Dominanz)verhalten“ des Hundes bei geringer Auslöseschwelle belegt. Der Leinenzwang (allein) sei nicht geeignet, ein „Fassen“ anderer Tiere oder die Verletzung von Personen auszuschließen. Dazu kämen das Verhalten der den Hund ausführenden Ehefrau des Klägers, die den Hund bei dem Vorfall absichtlich von der Leine gelassen habe, sowie die uneinsichtige Reaktion des Klägers auf den Vorfall, der damit zeige, dass er sich des Gefahrenpotenzials seines Hundes nicht bewusst sei.

Diese Feststellungen des Verwaltungsgerichts hat der Kläger mit seinem Zulassungsvorbringen ernsthaft infrage gestellt. So hat der Kläger vorgetragen, dass der der streitbefangenen Anordnung zugrunde liegende erstmalige Vorfall vom 3. Juli 2011 allein darauf zurückzuführen sei, dass seine Ehefrau die Schäferhündin von der Leine genommen habe, wodurch diese dem bellenden Pudel hinterher jagen und ihn fassen habe können. Wäre die Schäferhündin angeleint gewesen bzw. geblieben, wäre es zu dem Vorfall nicht gekommen. Es sei auch nicht ersichtlich, dass zu besorgen wäre, dass seine Ehefrau nach der (erstmaligen) behördlichen Anordnung eines zwangsgeldbewehrten Leinenzwangs in ähnlich gelagerten Situationen die Schäferhündin erneut von der Leine nehmen könnte, zumal der Kläger in Nr. 3. des Bescheids vom 6. September 2011, ebenfalls zwangsgeldbewehrt, sicherzustellen habe, dass nur zuverlässige Dritte mit der Führung der Schäferhündin beauftragt würden. Soweit das Verwaltungsgericht den angeordneten Leinenzwang (allein) nicht für geeignet halte, das „Fassen“ anderer Tiere oder die Verletzung von Personen auszuschließen, sei dies nicht nachvollziehbar. Dies würde letztlich dazu führen, dass stets ein Nebeneinander von Leinen- und Maulkorbzwang verhältnismäßig und damit rechtlich zulässig wäre. Damit hat der Kläger aber mit schlüssigen Gegenargumenten die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der angefochtenen Maßnahme durch das Verwaltungsgerichts infrage gestellt. Denn sowohl von der Beklagten im angefochtenen Bescheid als auch vom Verwaltungsgericht ist nicht hinreichend berücksichtigt worden, dass die Schäferhündin des Klägers vor dem Vorfall am 3. Juli 2011 offensichtlich regelmäßig an einer Leine ausgeführt wurde und sich bis zu diesem Zeitpunkt in keiner Weise auffällig verhalten hat. Auch seit diesem Vorfall gab es, soweit aus den Akten ersichtlich, keine weiteren konkreten Gefahrensituationen oder Vorfälle im Zusammenhang mit der Schäferhündin des Klägers. Vor diesem Hintergrund ist der Einwand des Klägers, wenn „Raja“ angeleint sei, gehe von ihr keine konkrete Gefahr mehr (für die in Art. 18 Abs. 1 LStVG geschützten Rechtsgüter) aus, hinreichend nachvollziehbar und schlüssig. Dem kann auch ohne entsprechende konkrete Anhaltspunkte nicht entgegengehalten werden, der Kläger oder seine Ehefrau würden sich nicht zuverlässig an den behördlich verfügten und mit einer Zwangsgeldandrohung versehenen Leinenzwang halten. Das Erstgericht hat bei seiner Bewertung, der Kläger sei sich über die von seinem Hund ausgehenden Gefahren überhaupt nicht im Klaren, im Übrigen auch unberücksichtigt gelassen, dass sich der Kläger gegen den durch die Beklagte angeordneten Leinenzwang mit seiner Klage nicht gewandt und eine dadurch abzuwehrende Gefahrenlage anerkannt hat. Soweit das Verwaltungsgericht schließlich den Leinenzwang für nicht geeignet gehalten hat, „ein Fassen anderer Tiere oder die Verletzung von Personen auszuschließen“, ist in der angefochtenen Entscheidung weder dargelegt noch hier sonst ersichtlich, aufgrund welcher Erwägungen oder Umstände eine derartige konkrete Gefahr bei der Schäferhündin des Klägers angenommen wird, auch wenn diese - wie angeordnet - durch eine Person an der Leine geführt wird, die zuverlässig und körperlich hinreichend befähigt ist, den Hund zu kontrollieren. Die vom Erstgericht festgestellte Intensität des einmaligen Beißvorfalls vom 3. Juli 2011 dürfte jedenfalls dafür allein (noch) nicht ausreichen. Auch wenn eine Kombination von Leinen- und Maulkorbzwang nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht von vornherein gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt (vgl. z. B. B. v. 28.9.2012 - 10 CS 12.1791 - juris Rn. 28), sind die vom Kläger in seinem Fall geltend gemachten Bedenken gegen die Notwendigkeit dieser Kombination und die daraus abgeleitete Unverhältnismäßigkeit der angefochtenen Anordnung nach alledem geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils zu begründen.

2. Hinsichtlich der Nr. 1. des Bescheids vom 6. September 2011 (Leinenzwang) ist der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung als Rechtsmittel nicht statthaft und damit unzulässig, weil ihm als Rechtsmittelführer insoweit die erforderliche Beschwer fehlt (vgl. Meyer-Ladewig/Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 25. Ergänzungslieferung 2013, Vorbemerkung § 124 Rn. 39 und § 124a Rn. 122). Denn das Verwaltungsgericht hat in seinem angegriffenen Urteil über die Rechtmäßigkeit der Anordnung in Nr. 1. des Bescheids vom 6. September 2011 (Leinenzwang) zu Recht nicht entschieden, weil sich das Klagebegehren des Klägers (s. § 88 VwGO) und damit der Streitgegenstand in erster Instanz (nur) auf die Anfechtung der Nr. 2. dieses Bescheids beschränkte (vgl. den in der mündlichen Verhandlung am 23.6.2013 gestellten Klageantrag aus dem Klageschriftsatz des Klägers vom 6.10.2011, Bl. 1 und 33 der VG-Akte). Daher war der Antrag auf Zulassung der Berufung im Übrigen abzulehnen.

Die Kostenentscheidung bleibt auch bezüglich des abgelehnten Antrags dem Berufungsverfahren vorbehalten.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, § 47, § 52 Abs. 2 GKG. [8] Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Belehrung

Das Verfahren wird, soweit die Berufung zugelassen worden ist, als Berufungsverfahren fortgesetzt. Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Wegen der Verpflichtung, sich im Berufungsverfahren vertreten zu lassen, wird auf die Rechtsmittelbelehrung der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.