Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 28. Jan. 2014 - W 4 K 13.415
Gericht
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid des Landratsamts M. vom 18. April 2013, mit dem dieses die Bauarbeiten auf dem Anwesen Fl.Nr. ... 24/18 der Gemarkung G., A. 3 (Baugrundstück), einstellte und für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld androhte.
1.
Die Klägerin ist - zusammen mit ihrem Sohn K. W. - Eigentümerin der Grundstücke Fl.Nrn. ... 24/18 und ... 24/19 der Gemarkung G., die im Geltungsbereich des seit dem 25. Juni 1968 rechtsverbindlichen Bebauungsplans „A.“ liegen, der für diese und die westlich angrenzenden Grundstücke ein reines Wohngebiet festsetzt (Ziffer 1 der textlichen Festsetzungen). Die Grundstücke Fl.Nrn. ... 24/18 und ... 24/19 sind im Norden mit einem sich über beide Grundstücke erstreckenden Zweifamilienhaus mit Garage bebaut. Im südlichen Grundstücksbereich befinden sich mehrere aneinander gebaute Nebengebäude. Richtung Süden bzw. Südosten schließt sich als Übergang zum Außenbereich die Staatsstraße 2441 an.
Anlässlich einer Baukontrolle stellte das Landratsamt M. am 18. April 2013 ausweislich eines handschriftlichen Aktenvermerks fest, dass auf dem Baugrundstück an dem an der südlichen Grundstücksgrenze stehenden Nebengebäude auf einer Fläche von „5 - 7 m x 6 m“ das Dach erneuert wurde. Das Gebälk, Folie und Lattung wolle die Baufirma noch aufbringen, die Dachziegel würden von der Bauherrschaft aufgelegt werden. Die Bauarbeiten wurden vor Ort mündlich eingestellt.
Mit Bescheid vom 18. April 2013 wurden unter dem Betreff „Ungenehmigte Bauarbeiten“ am Bauort „G., A. 3“ die „Bauarbeiten an dem oben genannten Bauvorhaben“ eingestellt und die mündliche Baueinstellung bestätigt (Ziffer I) und hierfür die sofortige Vollziehung angeordnet (Ziffer II). In Ziffer III wurde für den Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer I ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR angedroht. In den Gründen wurde ausgeführt: Bei der Ortseinsicht sei festgestellt worden, dass auf dem Baugrundstück Bauarbeiten am Dach eines Nebengebäudes im südlichen Grundstücksbereich durchgeführt würden. Die Errichtung bzw. Änderung des Daches des Nebengebäudes erscheine nach überschlägiger Prüfung genehmigungspflichtig. Eine Baugenehmigung bzw. Anhaltspunkte dafür, dass es sich um ein baugenehmigungsfreies Vorhaben handele, lägen zurzeit nicht vor. Eine abschließende Aussage sei wegen der komplexen Genehmigungssituation auf dem Grundstück nicht möglich. Die Baueinstellung dürfe bereits erfolgen, wenn - wie im vorliegenden Fall - objektive und konkrete Anhaltspunkte dafür sprächen, dass dem Baurecht formell oder materiell widersprechende Zustände geschaffen würden. Atypische oder besondere Gründe, von einer Baueinstellung abzusehen, seien nicht ersichtlich.
2.
Am 14. Mai 2013 erhob die Klägerin hiergegen Klage mit dem
Antrag,
den Bescheid des Landratsamts M. vom 18. April 2013 aufzuheben.
Ebenfalls am 14. Mai 2013 stellte die Klägerin bei Gericht den Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen (W 4 S 13.417). Zur Begründung führte sie bzw. ihr Bevollmächtigter aus: Sie habe lediglich genehmigungsfreie Instandhaltungsarbeiten durchgeführt. Das Dach des Nebengebäudes sei undicht gewesen, so dass es in den Kleintierstall hineingeregnet habe. Sie habe einige Balken erneuert. Das Dach, das zuvor in Teilbereichen mit Wellpappe und in anderen Bereichen bereits mit Dachziegeln eingedeckt gewesen sei, solle nun komplett mit Ziegeln eingedeckt werden. Das Dach werde auf eine bestehende Mauer aufgelegt, so dass eine Dachrinne befestigt werden könne. Durch die erneute Dacheindeckung mit Ziegeln werde weder die äußere Gestalt noch die Konstruktion wesentlich geändert. Soweit der Beklagte eine erhebliche Änderung der Konstruktion unterstellen wolle, sei darauf hinzuweisen, dass die Dachkonstruktion gar nicht verändert werde. Das Dach habe seit Jahrzehnten so auf dem Mauerwerk gelegen. Es seien lediglich schadhafte Sparren ausgetauscht worden. Die Maßnahmen dienten damit alleine dem Erhalt des Gebäudes und seien als genehmigungsfreie Instandhaltungsmaßnahmen anzusehen. Der Nutzwert des Gebäudes werde ebenfalls nicht erhöht, sondern nur der frühere Nutzwert wiederhergestellt. Es werde auf die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs
3.
Das Landratsamt M. beantragte für den Beklagten,
den Antrag abzuweisen.
Das Landratsamt vertiefte seine Begründung aus dem streitgegenständlichen Bescheid. Das bestehende Nebengebäude überschreite die maximal verfahrensfrei zulässigen 75 m³. Das bestehende Nebengebäude werde ausweislich der Fotoaufnahmen vom 18. April 2013 mit 11 neuen Dachsparren versehen. Dies stelle keine verfahrensfreie Instandhaltungsmaßnahme dar, sondern eine genehmigungspflichtige Änderung einer baulichen Anlage. Es seien nämlich nicht vereinzelte Bauteile, sondern das komplette Dach erneuert bzw. nicht nur geringfügig geändert worden. Ausweislich der Klagebegründung sei das Dach nunmehr auf die bestehende Mauer aufgelegt worden, was in jedem Fall zu einer Änderung der äußeren Gestalt des Gebäudes führe und somit eine genehmigungspflichtige Änderung der baulichen Anlage darstelle. Zudem solle das Dach mit Ziegeln statt mit Wellpappe gedeckt werden. In der Vergangenheit seien bereits diverse Gerichtsverfahren in der Angelegenheit anhängig gewesen. Die auf dem Grundstück bestehenden Nebengebäude seien bislang baurechtlich nicht genehmigt.
4.
Auf Schreiben des Gerichts vom 17. Juni 2013, durch geeignete Maßnahmen Grundfläche und Höhe des streitgegenständlichen Nebengebäudes nachzuweisen, teilte der Beklagte mit Schreiben vom 19. Juni 2013 mit, dass den Mitarbeitern des Landratsamts M. auf eine telefonische Bitte um genaue Vermessung des betroffenen Gebäudes durch Behördenmitarbeiter von Seiten des Bevollmächtigten der Klägerin mitgeteilt worden sei, dass diese erklärt habe, keinen Vertreter des Landratsamts auf ihr Grundstück zu lassen. Darüber hinaus wurde dargelegt, dass sich aus den Bauzeichnungen des im Jahr 1978 eingereichten, aber nicht genehmigten, Bauantrags für die Errichtung von drei Nebengebäuden im südlichen Bereich des Baugrundstücks ein Brutto-Rauminhalt von 90 m³ ergebe. Aus den Daten des Geoinformationssystems errechne sich eine Länge von 8,50 m (Straßenseite) bzw. 7,70 m (Wohngebäudeseite) und eine Breite von 6,70 m bzw. 4,00 m sowie eine Grundfläche von 42,5 m². Bei einer Wandhöhe von nur 2,00 m ergebe dies einen Brutto-Rauminhalt von 90 m³.
Der Bevollmächtigte der Klägerin teilte auf ein gleichlautendes Schreiben des Gerichts mit Schriftsatz vom 21. Juni 2013 mit, dass dem Landratsamt M. die Maße des streitgegenständlichen Nebengebäudes bekannt seien und dass das Nebengebäude nicht so groß sei, als dass die Dacharbeiten einen besonderen Umfang hätten. Die nachgefragten Maße seien für den Rechtsstreit ohne Relevanz.
5.
Mit Beschluss vom 24. Juni 2013 lehnte die Kammer im Verfahren W 4 S 13.417 den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer I des Bescheids des Landratsamts M. vom 18. April 2013 sowie auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer III des Bescheids vom 18. April 2013 ab. Wegen der Begründung wird auf den Beschluss vom 24. Juni 2013 Bezug genommen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde (9 CS 13.1407) wurde vom Bayer. Verwaltungsgerichtshof München mit Beschluss vom 14. Oktober 2013 zurückgewiesen. Wegen der Begründung wird auf den Beschluss vom 14. Oktober 2013 verwiesen.
6.
Mit Schriftsatz vom 26. Januar 2014 brachte der Bevollmächtigte der Klägerin vor, dass es sich um ein verfahrensfreies Vorhaben i. S. v. Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 c) BayBO handele, das vor Erlass des Bebauungsplans errichtet worden sei, womit Bestandsschutz gegeben sei.
Mit den Parteien wurde die Sach- und Rechtslage im Rahmen der mündlichen Verhandlung erörtert, in der die Klägerseite (bedingte) Beweisanträge stellte. Wegen des Ablaufs der mündlichen Verhandlung im Übrigen wird auf die Sitzungsniederschrift vom 28. Januar 2014 verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Landratsamts M. vom 28. April 2013 ist formell und materiell rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1.
Der Baueinstellungsbescheid vom 28. April 2013 erweist sich als formell und materiell rechtmäßig.
Der streitgegenständliche Bescheid verstößt insbesondere nicht gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 37 BayVwVfG. So werden zwar weder im Tenor noch im Betreff des Bescheids die Baumaßnahmen, deren Einstellung verfügt wurde, genau bezeichnet, vielmehr auf „ungenehmigte Bauarbeiten“ am Bauort „G. Ö. 3“ abgestellt. Allerdings lässt sich den Gründen der Entscheidung klar und unmissverständlich entnehmen, dass es sich bei den „ungenehmigten Bauarbeiten“ um solche am Dach des Nebengebäudes im südlichen Grundstücksbereich handelt. Es ist aber für die Einhaltung des Bestimmtheitsgebots nicht erforderlich, dass sich der Inhalt eines Verwaltungsakts allein aus dem Anordnungssatz ergibt, vielmehr ist die dem Verwaltungsakt beigefügte Begründung (Art. 39 BayVwVfG) zur Auslegung des Regelungssatzes heranzuziehen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl. 2012, § 37 Rn. 6). Entgegen der Ansicht des Bevollmächtigten der Klägerin hat der Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid auch den Verstoß gegen die öffentlich-rechtliche Vorschrift benannt, denn die Behörde hat in den Gründen dargelegt, dass das Vorhaben im Widerspruch zu Art. 68 Abs. 5 BayBO, nämlich ohne die erforderliche Baugenehmigung, errichtet wurde. Sie hat des Weiteren ausgeführt, dass die Baumaßnahmen baugenehmigungspflichtig seien und Anhaltspunkte für ein verfahrensfreies Vorhaben nicht vorlägen.
Rechtsgrundlage für die Baueinstellung ist Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Bayerische Bauordnung (BayBO). Werden Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-recht-lichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt, kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung der Arbeiten anordnen. Dies gilt nach Art. 75 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BayBO insbesondere, wenn die Ausführung eines Bauvorhabens entgegen den Vorschriften des Art. 68 Abs. 5 BayBO - also ohne Baugenehmigung - begonnen wurde.
Für eine Baueinstellung ist (damit) allein die formelle Illegalität, also insbesondere das Bauen ohne die erforderliche Baugenehmigung, ausreichend. Auf die materielle Illegalität, also die Frage, ob ein Vorhaben genehmigungsfähig ist, kommt es also nicht an.
1.1.
Das Bauvorhaben der Klägerin ist formell illegal, denn es erweist sich nach der Bayerischen Bauordnung als genehmigungspflichtig und bedarf (darüber hinaus) einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans.
Nach Art. 55 Abs. 1 BayBO bedürfen die Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung von Anlagen der Baugenehmigung, soweit in Art. 56 bis 58, 72 und 73 BayBO nichts anderes bestimmt ist. Eine solche Ausnahme liegt hier nicht vor. Insbesondere handelt sich weder um ein verfahrensfreies Vorhaben nach Art. 57 Abs. 6 BayBO („Instandhaltungsarbeiten“), noch um ein solches nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 11 Buchst. f) BayBO („Bedachungen“), noch um ein solches Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) BayBO („Gebäude mit einem Brutto-Rauminhalt bis zu 75 m³“). Insoweit wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die ausführlichen Begründungen im Beschluss der Kammer vom 24. Juni 2013 im Verfahren W 4 S 13.417 (Bl. 10 - 15 des amtlichen Umdrucks) sowie im Beschluss des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs vom 14. Oktober 2013 im Beschwerdeverfahren 9 CS 13.1407 (Bl. 5 und 6 des amtlichen Umdrucks) Bezug genommen. Die Klägerseite hat nach Erlass der vg. Beschlüsse im Klageverfahren nicht das Geringste vorgebracht, was für ein verfahrensfreies Vorhaben im vg. Sinne sprechen könnte.
Bei dem streitgegenständlichen Vorhaben handelt es sich auch nicht um ein solches nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 11 Buchst. c) BayBO. Nach dieser Vorschrift sind freistehende Gebäude ohne Feuerungsanlagen, die einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb oder einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung im Sinne der § 35 Abs. 1 Nrn. 1 und 2, § 201 BauGB dienen, nur eingeschossig und nicht unterkellert sind, höchstens 100 m ² Grundfläche haben und nur zur Unterbringung von Sachen oder zum vorübergehenden Schutz von Tieren bestimmt sind, verfahrensfrei. Bei dem streitgegenständlichen Gebäude, das nach den Angaben der Klägerin zur dauernden Haltung von Kleintieren bestimmt ist, fehlt es schon an dem Tatbestandsmerkmal der „Unterbringung … zum vorübergehenden Schutz“. Darüber hinaus dient das streitgegenständliche Gebäude keinem landwirtschaftlichen Betrieb. Denn die Klägerin betreibt gerade keinen landwirtschaftlichen Betrieb. Ein solcher ist nämlich durch eine spezifisch betriebliche Organisation gekennzeichnet, die wiederum eine nachhaltige, ernsthafte und betriebswirtschaftlich sinnvolle landwirtschaftliche Betätigung erfordert. Es muss sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts um ein auf Dauer und zwar für Generationen gedachtes und auch lebensfähiges Unternehmen handeln. Gemessen an diesen Kriterien muss hier nach der Durchführung einer Gesamtbewertung ein landwirtschaftlicher Betrieb verneint werden. Es ist hier vielmehr von einer reinen Hobbytierhaltung, von einer bloßen Liebhaberei auszugehen. In diesem Zusammenhang bleibt festzuhalten, dass die Aufnahme in die Land- und Forstwirtschaftliche Berufsgenossenschaft lediglich versicherungsrechtliche Bedeutung, aber keinerlei Relevanz für die Entscheidung hat, ob ein landwirtschaftlicher Betrieb vorliegt.
Im Übrigen schließt sich die Kammer den folgenden Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Beschluss vom 14. Oktober 2014 (9 CS 13.1407, Rn. 27) an, der ebenfalls ein Vorhaben i. S. v. Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c) verneint hat:
„Darüber hinaus sind die vorgelegten Unterlagen zum Nachweis der Genehmigungsfreiheit der eingestellten Baumaßnahmen ungeeignet. In dem Schreiben der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Unterfranken wird lediglich bestätigt, dass die Antragstellerin im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Berufsgenossenschaft ein land- und forstwirtschaftliches Unternehmen bewirtschaftet. Auf welche Grundstücke sich dies bezieht, bleibt völlig unklar. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass die beiden Grundstücke, auf denen das streitgegenständliche Nebengebäude steht, keineswegs in einem Dorf- oder Mischgebiet, sondern in einem durch Bebauungsplan festgesetzten reinen Wohngebiet liegen, was einen „land- und forstwirtschaftlichen Betrieb“ an sich ausschlösse.“
Der vom Bevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung (sinngemäß) gestellte bedingte Beweisantrag, zum Beweis, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Gebäude um ein solches i. S. d. Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c) BayBO handele bzw. die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift eingehalten seien, einen gerichtlichen Augenschein durchzuführen bzw. ein Sachverständigengutachten einzuholen, war damit als unbehelflich abzulehnen, denn es handelt sich bei der hier entscheidenden Frage, ob das Gebäude einem landwirtschaftlichen Betrieb dient, nicht um eine Tatsachenfrage, sondern um eine Rechtsfrage.
1.2.
Der von Klägerseite reklamierte Bestandsschutz ist nicht gegeben. Zum einen ist das ursprünglich an dieser Stelle vorhandene Nebengebäude in der Vergangenheit deutlich umgebaut bzw. erweitert worden, so dass selbst für den Fall, dass ursprünglich Bestandsschutz gegeben gewesen sein sollte, dieser erloschen wäre. Im Übrigen muss aber davon ausgegangen werden, dass der Schuppen, in dem die Kleintierhaltung ursprünglich stattfand und der nach den Angaben der Klägerin im Jahr 1964 errichtet worden sein soll, zum damaligen Zeitpunkt formell rechtswidrig, weil baugenehmigungspflichtig, aber nicht genehmigt war. Denn die Regelung des Art. 84 Nr. 1 Buchst. d) BayBO 1962, wonach landwirtschaftliche, forstwirtschaftliche oder erwerbsgärtnerische Betriebsgebäude ohne Feuerstätte, die höchstens 70 m² Grundfläche haben und zur Unterbringung von Sachen und zum vorübergehenden Schutz von Pflanzen oder Tieren bestimmt sind, genehmigungsfrei sind, ist hier schon mangels einer landwirtschaftlichen Nutzung nicht einschlägig. Im Übrigen diente das Vorhaben als Kleintierstall offensichtlich der dauerhaften Unterbringung von Tieren, nicht nur deren vorübergehendem Schutz. Darüber hinaus waren nach Art. 84 Nr. 1 Buchst a) BayBO 1962 nur bauliche Anlagen ohne Aufenthaltsräume, ohne Aborte oder Feuerstätten mit einem umbauten Raum bis 5 m³, mit Ausnahme von Garagen, Verkaufs- und Ausstellungsständen genehmigungsfrei. Schließlich lag das damalige Gebäude vor Erlass eines Bebauungsplans im Außenbereich, so dass es sich auch als materiell rechtswidrig darstellte. Von einem bestandsgeschützten Gebäude kann mithin selbst dann nicht gesprochen werden, wenn man von der Errichtung eines Nebengebäudes auf dem streitgegenständlichen Grundstück vor Erlass des Bebauungsplans ausgehen würde.
Nach allem konnte der vom Bevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gestellte (sinngemäße) bedingte Beweisantrag, zum Beweis der Tatsache, dass das Nebengebäude bereits vor Erlass des Bebauungsplans errichtet worden war, Zeugen zu vernehmen, abgelehnt werden, weil die zu beweisende Tatsache als wahr unterstellt werden konnte. Im Übrigen war dieser Beweisantrag hinsichtlich der aufgebotenen Zeugen R. S., L. A., Herrn G. und M. R. bereits deshalb als unzulässig abzulehnen, weil die anwaltlich vertretene Klägerseite für die benannten Zeugen trotz Nachfrage keine ladungsfähige Anschrift angeben konnte. Gleiches gilt für den bereits schriftsätzlich benannten Zeugen G. Z., der nach den Ausführungen der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung bereits verstorben ist.
Wenn die Klägerseite aus dem Urteil der Kammer vom 22. Februar 2011 im Verfahren W 4 K 09.940 einen Bestandsschutz für das streitgegenständliche Nebengebäude ableiten möchte, kann dem nicht gefolgt werden. Davon, dass das Gericht entschieden habe, dass „aufgrund jahrelanger Untätigkeit der Behörden eine Nutzungsuntersagung für die Haltung von Kleintieren nicht in Betracht komme“, kann nicht die Rede sein. Die Kammer hat lediglich ausgeführt, dass „im Rahmen der nach Art. 76 Satz 2 BayBO gebotenen Ermessensbetätigung aber zumindest Erwägungen zu erwarten gewesen (wären), warum im Jahr 2009 (…) die Nutztierhaltung nunmehr gänzlich untersagt wird“ (S. 18 f. des amtlichen Urteilsumdrucks).
1.3.
Nachdem die im April 2013 auf dem Grundstück der Klägerin an dem Nebengebäude durchgeführten Bauarbeiten genehmigungspflichtig, aber nicht genehmigt sind, entsprach es pflichtgemäßem Ermessen, eine Baueinstellung anzuordnen. In der Regel besteht ein öffentliches Interesse, die Fortführung unzulässiger Bauarbeiten zu verhindern. An die Ermessensüberprüfung sind daher nur geringe Anforderungen zu stellen (vgl. Jäde in Jäde/Dirn-berger/Bauer/Weiß, Die neue Bayerische Bauordnung, 56. Erg.Lief. 2013, Art. 75 Rn. 19; Decker in Simon/Busse, BayBO, 114. Erg.Lief. 2013, Art. 75 Rn. 83 ff.). Für Ermessensfehler (§ 114 VwGO) ist hier weder etwas vorgetragen noch sonst wie ersichtlich.
In diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, dass bereits der Streit über die Genehmigungspflicht eines Vorhabens die Behörde berechtigt, eine entsprechende Baueinstellung zu verfügen; es genügt der durch Tatsachen belegte „Anfangsverdacht“ eines Rechtsverstoßes (Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Art. 75 Rn. 6; Molodovsky in Koch /Molodovsky/Famers, Bayerische Bauordnung, 108. Erg.Lief. 2013, Art. 75 Rn. 17; s.a. BayVGH, B. v. 29.3.1993 - 26 B 00.2110 - juris). Dieser ist hier zweifellos gegeben, zumal die Klägerseite nicht das Geringste zur Aufklärung eines Ausnahmetatbestandes von der Genehmigungspflicht beigetragen hat, vielmehr den Mitarbeitern des Landratsamts M. den Zutritt verweigert hat.
2.
Die Kammer hegt keinen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der in Ziffer III des streitgegenständlichen Bescheides verfügten Zwangsgeldandrohung (vgl. Art. 29, 30, 31 und 36 BayVwZVG), zumal von Klägerseite hierzu nichts vorgetragen wurde.
3.
Nach allem konnte die Klage keinen Erfolg haben und war mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Landwirtschaft im Sinne dieses Gesetzbuchs ist insbesondere der Ackerbau, die Wiesen- und Weidewirtschaft einschließlich Tierhaltung, soweit das Futter überwiegend auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden kann, die gartenbauliche Erzeugung, der Erwerbsobstbau, der Weinbau, die berufsmäßige Imkerei und die berufsmäßige Binnenfischerei.
Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.