Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 17. Jan. 2018 - W 2 K 17.33587

bei uns veröffentlicht am17.01.2018

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

I.

Der Kläger, ein nach eigenen Angaben am … … 1988 in Damaskus/Syrien geborener staatenloser Palästinenser römisch-katholischen Glaubens, reiste am 23. September 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 14. Januar 2015 einen Asylantrag, den auf die Zuerkennung internationalen Schutzes beschränkte.

Am 29. Januar 2015 gab er beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) an, er sei in Syrien geboren. Er habe Syrien im Februar 2011 verlassen und sei nach Libyen gegangen, weil er in Libyen als Automechaniker besser verdient habe. Libyen habe er am 17. September 2014 verlassen. Er habe in Syrien einen Reisepass und einen Personalausweis besessen. Die Papiere habe sein früherer Arbeitgeber in Libyen einbehalten. Er könne versuchen, seine Personalpapiere herschicken zu lassen. Er sei Christ und seine Familie sei im Jahr 2012 in Syrien diskriminiert worden. In Libyen habe er in letzter Zeit auch Probleme gehabt. Er sei er öfter wegen seiner Religion beleidigt worden.

Bei einer erneuten Bundesamtsanhörung am 12. Juli 2017 gab der Kläger weiterhin an, er brauche maximal zwei Monate, um seine Papiere von seinem ehemaligen Chef in Libyen zu besorgen. Sein Chef habe ihm alle Dokumente weggenommen, damit er ihm einen „Aufenthalt“ besorgen könne. Er habe ihm seine Papiere nicht wiedergeben und verlange jetzt Geld vom Kläger. Er habe seinem Chef nicht gesagt, dass er ausreise. Dieser hätte ihn sonst umgebracht. Er habe in Libyen 2011 bis 2014 gearbeitet. Er habe dort einen Aufenthaltstitel gehabt, den sein Chef jedes Jahr für ihn verlängert habe. Ab August 2013 habe er ihn nicht mehr verlängert. Er habe die Papiere des Klägers einbehalten und habe Geld von ihm verlangt. In Libyen habe nur sein Chef gewusst, dass er Christ sei. Deswegen habe er ihn bedroht. Er habe 2014 kostenlos für ihn arbeiten müssen. Die Situation sei nicht nur für ihn schwierig gewesen. Es sei für alle schlimmer geworden. Für ihn als Christ jedoch noch schlimmer. Bei einer Rückkehr nach Libyen, würde ihn sein Chef umbringen. Würde er ihn nicht töten, würde er von ihm als Sklave missbraucht.

Mit Bescheid vom 11. Oktober 2017 dem Kläger nach eigenen Angaben am 16. Oktober 2017 zugestellt, erkannte das Bundesamt dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Ziffer 1 und 2). Es stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 3), und forderte den Kläger unter Androhung der Abschiebung nach Libyen zur Ausreise auf (Ziffer 4). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot beschränkte es auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6). Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Bescheides vom 11. Oktober 2017 verwiesen.

II.

Gegen diesen Bescheid ließ der Kläger mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2017 bei Gericht am gleichen Tag eingegangen, Klage erheben.

Die Klage wurde mit Schriftsatz vom 20. November 2017 im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Kläger sei staatenloser Palästinenser mit gewöhnlichem Aufenthalt in Syrien. Er sei als Flüchtling anzuerkennen, weil er weder in Syrien noch in Libyen Schutz durch das UNRWA erlangen könne. Sei Aufenthalt in Libyen sei nur vorübergehender Natur gewesen Es werde auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Februar 2009 (10 C 50.07) verwiesen, in dem erst ein zehnjähriger Aufenthalt nicht mehr als nur vorübergehend eingestuft worden sei. Aufgrund seines Aufenthalts im westlichen Ausland und der Asylantragstellung bestünden für Syrien flüchtlingsrechtlich relevante Nachfluchtgründe. Als Christ sei dem Kläger zudem Abschiebungsschutz hinsichtlich Libyens zu bewilligen.

Der Kläger lässt beantragen,

  • 1.den Bundesamtsbescheid vom 11. Oktober 2017, zugestellt am 16. Oktober 2017, Az.: … * …, aufzuheben,

  • 2.die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

hilfsweise, den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen,

hilfsweise, festzustellen, dass Abschiebungsverbote eingreifen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtene Entscheidung.

Der Rechtsstreit wurde mit Beschluss vom 25. Oktober 2017 dem Einzelrichter übertragen.

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Bundesamtsakte, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Erkenntnismittel, sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 17. Januar 2018 Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage, über die trotz des Ausbleibens der ordnungsgemäß geladenen Parteien mündlich verhandelt werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet.

Der Bescheid des Bundesamtes vom 11. Oktober 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 und 5 VwGO.

Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, noch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus. Es liegen keine Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.

Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 des Asylgesetz (AsylG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2780), stellt das Gericht dabei auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab.

1.1. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor.

Gemäß § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 Nr, 1 und 2 lit. b AsylG besteht für einen staatenlosen Ausländer ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, in dem er seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Flucht nicht zurückkehren will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt.

Der Schutzsuchende muss sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darlegen. Er muss die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, zu denen insbesondere seine persönlichen Erlebnisse fallen, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, den geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen (VG Bayreuth, U.v. 13.7.2015 - B 3 K 14.30344 - juris). Dies ist nicht der Fall, wenn der Schutzsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen unauflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich erachtet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. VGH BW, U.v. 27.8.2013 - A 12 S 2023/11 - juris, VGH Kassel, U.v. 4.9.2014 - 8 A 2434/11.A - juris). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss das Gericht auch in Asylstreitigkeiten die volle Überzeugung von der Wahrheit - und nicht etwa nur der Wahrscheinlichkeit - des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangen (vgl. VG München, U.v. 31.3.2014 - M 25 K 13.31344 - juris). Aufgrund der häufig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Asylbewerbers kann schon allein sein eigener Sachvortrag zur Asylanerkennung führen, sofern sich das Tatsachengericht unter Berücksichtigung aller Umstände von dessen Wahrheit überzeugen kann (BVerwG, B.v. 21.7.1989 - 9 B 239/89 - InfAuslR 1989, 349). Maßgeblich sind die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und die Glaubwürdigkeit seiner Person (VG München, U.v. 20.12.2012 - M 15 K 12.30068 - juris). Seinem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung ist daher eine gesteigerte Bedeutung beizumessen. Auch unter Berücksichtigung des Herkommens, Bildungsstands und Alters muss der Asylbewerber im Wesentlichen gleichbleibende möglichst detaillierte und konkrete Angaben zu den Umständen machen.

Unter Zugrundelegung der Voraussetzungen des § 3 AsylG hat der Kläger zur Überzeugung des Gerichts vor seiner Ausreise keine solche Verfolgung erlitten:

Zu Recht hat das Bundesamt dabei auf Libyen als dem Land des vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts des Klägers abgestellt. So lässt das Bundesverwaltungsgericht in seinem - auch klägerseits zitierten - Urteil vom 26. Februar 2009 (BVerwGE 133, 203/214) für den gewöhnlichen Aufenthalt genügen, dass der Staatenlose in dem betreffenden Land tatsächlich seinen Lebensmittelpunkt gefunden hat, dort also nicht nur vorübergehend verweilt, ohne dass die zuständigen Behörden aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen ihn einleiten. Im konkreten Fall bejaht das Bundesverwaltungsgericht dies jedenfalls für eine zehnjährige Aufenthaltsdauer. Dass es damit keine zeitliche Mindestanforderung statuiert, belegt jedoch bereits die zur Bekräftigung herangezogene Rechtsprechung des Federal Court of Canada. Diese nimmt nämlich - worauf das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich hinweist - Bezug auf eine Rechtsauffassung, die einen einjährigen Aufenthalt als sinnvollen Abgrenzungsstandard ansieht (BVerwGE, a.a.O., 216). Hier hat der Kläger nach eigenen Angaben 3,5 Jahre in Libyen verbracht und dort - ebenfalls nach eigenen Angaben - bis August 2013, d.h. 2,5 Jahre, über einen Aufenthaltstitel verfügt. Auch nach Vortrag des Klägers wurden in Libyen zu keinem Zeitpunkt aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen ihn eingeleitet. Der Kläger ist nach eigenem Bekunden wegen der besseren Verdienstmöglichkeiten nach Libyen gegangen und hat dort von 2011 bis 2014 durchgängig in einer Werkstatt in Misrata gearbeitet. Seine Familie (Eltern und Geschwister) habe er lediglich im Urlaub alle sechs Monate (in Syrien) besucht. Spätestens als seine Eltern und Geschwister im November 2013 nach Jordanien gegangen waren, hatte der Kläger damit auch keine familiär bedingte Anbindung an Syrien mehr. So gab er auch im Rahmen der am 3. Juni 2016 aufgenommenen Sprachprobe an, dass ein Großteil seiner Familie in Palästina lebe. Als Begründung für seine mangelnden Detailkenntnisse zu Syrien verwies er selbst darauf, dass er nur kurze Zeit in Syrien verbracht habe. Er ließ sich - abweichend zu seinen früheren Angaben dahin gehend ein, dass er ungefähr 3,5 Jahre in Abu Dabi gearbeitet habe. Er sei von dort zurückgekehrt und dann nach Libyen gegangen. Sein Verweis, dass er krankheitsbedingt, Daten durcheinanderbringe bzw. vergesse, wertet das Gericht - vor dem Hintergrund des Fehlens jeglicher ärztlicher Atteste sowie des sich sonst aus den Akten ergebenden klaren Auftretens des Klägers als unglaubwürdige Schutzbehauptung. Unter Würdigung all dieser Angaben ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger seinen Lebensmittelpunkt für die Zeit 2011 bis 2013 tatsächlich in Libyen hatte und sich dort nicht nur vorübergehend im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufhielt. Für die Frage der flüchtlingsrechtlichen Verfolgungsgefahr ist mithin auf Libyen als Land des gewöhnlichen Aufenthalts abzustellen.

Eine Vorverfolgung hat der Kläger für Libyen zur Überzeugung des Gerichts nicht glaubhaft gemacht. Mangels Ausbleiben des ordnungsgemäß geladenen Klägers bei der mündlichen Verhandlung konnte das Gericht dabei alleine die Aktenlage würdigen. So trug der Kläger trotz mehrfacher Anhörung lediglich oberflächlich und ohne detaillierte Schilderung vor, sein ehemaliger Chef habe seine Ausweispapiere einbehalten und ihm den ihm zustehenden Lohn vorenthalten. Er habe 2014 kostenlos für ihn arbeiten müssen. Nur sein Chef habe gewusst, dass er Christ sei und habe ihn deswegen bedroht. Es fehlt dabei einerseits jede weitere Substantiierung zu den konkreten Umständen dieser Bedrohung und ihres genauen Inhalts. Andererseits gibt der Kläger dazu an anderer Stelle relativierende an, dass die Situation nicht nur für ihn schwierig wurde, sondern für alle. Für ihn als Christen sei es allerdings „extra schlimm“ gewesen. Auch hier wird kein Bezug zu konkreten Vorfällen, Personen oder Situationen hergestellt. Die pauschale Einlassung, sein ehemaliger Chef würde ihn bei einer Rückkehr umbringen, wird durch die immer wieder erhobene Behauptung konterkariert, er könne seine Ausweispapiere aus Libyen besorgen. Freunde in Libyen wollten das ohne Stress mit seinem Chef regeln. Selbst unter Berücksichtigung der sich aus den herangezogenen Erkenntnismittel ergebenden Tatsache, dass es 2014 in Libyen tatsächlich keinen funktionierenden Staatsapparat gegeben hat, an den der Kläger sich hätte wegen der Herausgabe seiner Ausweispapiere wenden können, ist eine flüchtlingsrechtliche Vorverfolgung damit nicht glaubhaft gemacht. Dabei kann offen bleiben, ob der Vortrag des Klägers bezüglich des Verbleibs seiner Papiere bei seinem ehem. Chef - angesichts der in der Niederschrift vom 14. Januar 2015 protokollierten anderweitigen Einlassung, der Schleuser habe ihm ihn Libyen alle Papiere abgekommen - tatsächlich glaubwürdig ist. Denn selbst wenn man ihren Wahrheitsgehalt unterstellen wollte, weist die Verweigerung der Herausgabe von Ausweisdokumenten für sich alleine noch keine solche Eingriffsintensität auf, dass damit die Schwelle zur Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 3a AsylG erfüllt wäre. Zwar steht es im Einklang mit den ins Verfahren einbezogenen Erkenntnismitteln, dass Arbeitgeber Migranten ohne gültigen Aufenthaltstitel bei den Behörden anzeigen und damit deren Inhaftierung erwirken (vgl. Amnesty International, Libyen 2017, S, 12). Jedoch droht diese Gefahr primär Migranten aus dem afrikanischen Raum südlich der Sahara, die - anders als der Kläger - bereits illegal ins Land kamen und noch nie über einen Aufenthaltstitel verfügt hatten. Nach Auskunft des Auswärtigen Amts vom 30. Juni 2017 an das Verwaltungsgericht Braunschweig können Palästinenser auch aktuell einen Aufenthaltstitel in Libyen erlangen, so dass eine Inhaftierung in einem Abschiebezentrum für den Kläger gerade nicht zu befürchten ist. Eine solche Bedrohung hat der Kläger zudem auch nicht vorgetragen. Schon mangels weitergehender Substantiierung, wie sie beispielsweise im Rahmen einer informatorischen Befragung des Klägers in der mündlichen Verhandlung möglich gewesen wäre, ist eine flüchtlingsrechtlich relevante Vorverfolgung nach Aktenlage nicht glaubhaft gemacht.

Zwar kann gemäß § 28 Abs. 1a AsylG die begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat. Jedoch bestehen zur Überzeugung des Gericht weder sog. Nachfluchtgründe noch ergibt sich eine Verfolgungsgefahr aufgrund einer sog. Gruppenverfolgung.

Dabei setzt die Annahme einer Gruppenverfolgung eine bestimmte Verfolgungsdichte voraus (vgl. BVerwG, U.v. 5.7.1994 - 9 C 158/94 -, juris): Erforderlich ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in geschützte Rechtsgüter, dass es sich nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht (vgl. BVerwG, U.v. 18.7.2006 - 1 C 15/05 - juris). Jedoch stellen nicht alle Rechtsgutsverletzungen, die die Gruppenmitglieder zu erleiden haben, unterschiedslos Verfolgungshandlungen dar. So zählen insbesondere Rechtsgutsverletzungen nicht dazu, denen es an der asylerheblichen Intensität mangelt. Die asylerhebliche Intensität liegt bei Eingriffen in die Schutzgüter des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit und der physischen Freiheit - sofern der Eingriff nicht ganz unerheblich ist - generell vor, bei Eingriffen in andere Schutzgüter jedoch nur, wenn diese nach Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzen (vgl. BVerwG, U.v. 25.10.1988 - 9 C 37/88 -, juris). Welches Verhältnis insoweit notwendig ist, um eine relevante Verfolgungsdichte zu begründen, hängt daneben maßgebend von der Qualität der festgestellten Verfolgungshandlungen ab. Bei der Ermittlung der für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderlichen Verfolgungsdichte ist schließlich zu berücksichtigen, dass nur solche Verfolgungsmaßnahmen als Referenzfälle heranzuziehen sind, die die Mitglieder der Gruppe gerade wegen ihrer Gruppenzugehörigkeit getroffen haben (vgl. BVerwG, U.v. 5.7.1994, a.a.O.).

Anknüpfungspunkt für eine Gruppenverfolgung könnte beim Kläger zum einen seine palästinensische Volkszugehörigkeit wie seine christliche Religionszugehörigkeit sein. Unter umfassender Würdigung der herangezogenen Erkenntnismittel geht das Gericht jedoch aktuell weder von einer Gruppenverfolgung von staatenlosen Palästinensern noch von einer Gruppenverfolgung von Christen in Libyen aus.

Zutreffend führt das Verwaltungsgericht Berlin in seinem Urteil vom 10. Juli 2017 (34 K 197.16 A - juris) zur aktuellen Situation der Palästinenser aus:

„Im Zuge der Absetzung Gaddafis gerieten die Palästinenser zwischen die Fronten und waren Gewalt sowohl von Seiten regimetreuer Gruppen - insbesondere bei Verweigerung, sich diesen anzuschließen - als auch von Regimegegnern ausgesetzt (Lifos, Thematic Report, S. 18). Nach dem Sturz Gaddafis wurden viele Palästinenser aus ihren - unter Gaddafi zu ihren Gunsten konfiszierten - Wohnungen vertrieben, da deren ursprüngliche Besitzer diese zurückforderten (Lifos, Thematic Report, S. 18; Accord, Anfragebeantwortung Palästinenser), oder verloren ihre Arbeitsstelle (UNHCR, Returns to Libya, S. 13). Zudem kam mit dem Ausbruch des Syrienkonflikts 2011 eine neue Welle von Syrern und Palästinensern nach Libyen, was eine zusätzliche Belastung der libyschen Strukturen darstellte und zu einer verstärkten Konkurrenz zwischen Libyern und Nicht-Libyern um die knappen Ressourcen und Arbeitsstellen führte. In der Folge erließ der nach der Absetzung Gaddafis gewählte General National Congress (GNC) Visabeschränkungen für Syrer und Palästinenser. Die lokalen Behörden in Misrata forderten Syrer und Palästinenser auf, die Stadt zu verlassen, wobei konkrete Folgen dieser Aufforderung nicht berichtet wurden. Spätestens mit dem Ausbruch verstärkter Kämpfe ab Mai 2014 zwischen den konkurrierenden Regierungen […] verschlechterte sich die Situation der Palästinenser folglich deutlich und wandelte sich die Wahrnehmung der Palästinenser von dem Bild der Mit-Araber hin zu unerwünschten Ausländern. Palästinenser wurden als Sündenböcke für konfliktbedingte Probleme angesehen und ihnen wurden Verbindungen zu radikalen Gruppen nachgesagt, was allerdings eher Palästinenser in Bengasi als solche in Tripolis und Westlibyen betrifft (Lifos, Thematic Report, S. 17 ff.; Accord, Anfragebeantwortung Palästinenser, jeweils unter Berufung auf Experten). Konkrete Übergriffe auf Palästinenser aus diesen Gründen werden jedoch nicht berichtet. Generell werden Palästinenser nicht mehr mit libyschen Bürgern gleichbehandelt, sondern erfahren zum Teil - wie andere Ausländer auch - faktische Diskriminierung beim Zugang zum Gesundheits- und Bildungswesen (Lifos, Thematic Report, S. 19 f. m.w.Nachw.). Eine darüber hinausgehende Verfolgung von Palästinensern lässt sich der Berichtslage nicht entnehmen. Jedoch sind Palästinenser - wie andere Migranten auch - mangels Schutzes durch ihre Stammesgruppen stärker als Libyer von kriminellen Handlungen wie Missbrauch, Entführungen, Gewalt und Diebstahl betroffen und haben aufgrund ihres oft unklaren Aufenthaltsstatus größere Schwierigkeiten, die zahlreichen Checkpoints im Lande zu passieren (Lifos, Thematic Report, S. 20 ff.). Palästinenser in Libyen fühlen sich - wie viele Bürger Libyens auch - unsicher und versuchen häufig, das Land zu verlassen, was aufgrund von Reisebeschränkungen jedoch schwierig ist (Office of the Commissioner General for Refugees and Stateless Persons [Belgien] / Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] / Ministry of Security and Justice [Niederlande] / Landinfo [Norwegen] / Lifos (Schweden), Report - Libya: Vulnerable Groups, 19. Dezember 2014, abrufbar unter https://www.government.nl/documents/reports/2014/12/20/libya-vulnerable-groups, S. 27).“

Selbst wenn sich die ökonomische und gesellschaftliche Situation der Palästinenser in Libyen in den letzten Jahren massiv verschlechtert hat, ist damit die flüchtlingsrechtlich relevante Schwelle zu einer Gruppenverfolgung bei weitem nicht erreicht. Gegen Palästinenser gerichtete Verfolgungshandlungen durch den Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen oder nichtstaatliche Akteure, vor denen der Staat, staatsgebietsbeherrschende Parteien oder Organisationen oder internationale Organisationen keinen Schutz gewähren könnten oder wollten, sind den Erkenntnismittel gerade nicht zu entnehmen.

Auch für die Situation der Christen in Libyen hat das Gericht die herangezogenen Erkenntnismittel umfassend gewürdigt und - jedenfalls in der für den Kläger relevanten Region um Misrata - trotz der sicherlich landesweit prekären Lage - keine Anhaltspunkte für eine Gruppenverfolgung alleine anknüpfend an die Religionszugehörigkeit gefunden. Nach Schätzungen des US State Departments (vgl. International Religious Freedom Report 2016 - Libya) gehören 97 Prozent der 6,5 Mio. Einwohner Libyens dem Islam in seiner sunnitischen Ausrichtung an, während sich die übrigen drei Prozent auf Christen, Hindus, Bahais, Ahmadiyya, Buddhisten und Juden verteilen. Es gebe kleine christliche Gemeinden, die fast ausschließlich aus Migranten aus dem subsaharen Afrika, Ägypten und einer kleinen Anzahl Europäern und US Staatsbürgern bestünden. Nach letzter Schätzung sei von 50.000 koptischen Christen auszugehen, die fast alle ägyptische Staatsangehörige seien. Die Zahl der Christen sei nach Medienberichten seit Ausbruch des bewaffneten Konflikts 2014 gesunken. Eine kleine Anzahl an Katholiken, Angelikanern, griechisch- und russisch-orthodoxen Christen sowie Christen ohne weitere Konfessionszugehörigkeit seien im Land verblieben. Die meisten davon seien ausländische Gastarbeiter. Die Verfassungserklärung von 2011, die als Interimsverfassung fungiere, erhebe den Islam zur Staatsreligion und messe der Scharia die Funktion als oberster Rechtsquelle zu. Nicht-Muslimen werde jedoch Religionsfreiheit gewährt. Es sei ausdrücklich vorgeschrieben, dass es im Hinblick auf gesetzliche, politische und Bürgerrechte keine Diskriminierung zwischen Libyern auf der Basis ihrer Religions- oder Konfessionszugehörigkeit geben solle. Laut UNSMIL erfüllten die Sicherheits- und Justizorgane ihre Schutzfunktion jedoch nicht. Verletzungen der Religionsfreiheit seien kaum geahndet worden (vgl. US State Department, a.a.O.). Libyen wird von Open Doors Deutschland e.V., einem Hilfswerk zugunsten verfolgter Christen, auf seinem „Weltverfolgungsindex 2018“ führend auf Platz 7 gelistet. Die dort größtenteils ohne weitere Quellenangaben aufgeführten Verfolgungsmaßnahmen beziehen sich jedoch primär auf Migranten aus afrikanischen Ländern südlich der Sahara, die Libyen als Transitland nach Europa durchqueren, und auf zum Christentum konvertierte Libyer aus muslimischen Familien. Für beide Gruppen treten neben der bloßen Religionszugehörigkeit weitere Umstände hinzu, die beim Kläger als christlichem Palästinenser, der seit 2011 in Libyen als Mechaniker in einer Autowerkstatt arbeitet, nicht vorliegen. Denn in der Wahrnehmung der libyschen Bevölkerung werden Palästinenser - trotz des oben beschriebenen Wahrnehmungswandels - weder mit Migranten dunkler Hautfarbe gleichgesetzt, noch steht der Kläger dem familiären oder gesellschaftlichem Druck wie ein vom Islam zum Christentum übergetretener Konvertit gegenüber. Seine Situation ist wohl am ehesten mit der eines koptischen Christen aus Ägypten zu vergleichen, der - wie er - zu Arbeitszwecken nach Libyen migriert ist. Im Einklang mit anderen Erkenntnismitteln wie beispielsweise dem International Religions Freedom Report des US State Department wird - auch und gerade auf koptische Christen bezogen - im Jahr 2016 von gezielte Tötung, Entführung, Versklavung und Vergewaltigung durch terroristische Gruppierungen wie IS oder Ansar al Sharia berichtet. Davon betroffen seien jedoch schwerpunktmäßig die von der jeweiligen Organisation kontrollierten Gebiete, d.h. für den IS bis Dezember 2016 Sirte und Ansar al Sharia mit den Hochburgen Benghazi und Derna, gewesen. Ferner benennt das österreichische Bundesamt (Länderinformationsblatt, Stand: 20.10.2017) Oubari in Südlibyen als auch Sabratha und Zawiyya als Aktionsraum terroristischer Elemente. Die Stadt Misrata, in der der Kläger nach eigenem Bekunden in Libyen ansässig war, gehörte mithin nicht zu den schwerpunktmäßig betroffenen Gebieten. Zudem ist zu berücksichtigen, dass insbesondere der IS durch die Rückeroberung Sirtes im Dezember 2016 stark an Operationsraum eingebüßt hat. Laut österreichischem Bundesamt (a.a.O.) bezeichnete der UN Gesandte Ghassan Salamé die Sicherheitslage in Libyen im September 2017 als „fragil, sich aber nicht verschlimmernd“, weil es in vielen Regionen, vor allem im Westen, eine „ausgehandelte Sicherheit“ gebe: Politiker und Geschäftsleute würden sich mit lokalen bewaffneten Gruppen arrangieren. Im ganzen Land bestehe ein hohes Risiko von Anschlägen und Entführungen. Auch Amnesty International berichtet in seinem Jahresbericht 2017 zu Libyen - allerdings ohne nähere Erläuterungen - davon, dass ausländische Staatsbürger aufgrund ihrer Religion, Herkunft oder Nationalität entführt worden seien. Einige von ihnen seien nach der Zahlung eines Lösegeldes oder Verhandlungen vor Ort wieder frei gekommen. Konkret wird jedoch lediglich auf die Entführung zweier Italiener und eines Kanadiers - also Personen ohne arabische Volkszugehörigkeit -am 19. September 2016 Bezug genommen. Eine spezifische allein an die nominelle Zugehörigkeit zum Christentum anknüpfende Verfolgung im Ausmaß einer Gruppenverfolgung ist den Erkenntnisquellen jedenfalls in Bezug auf den Großraum um Misrata damit nicht zu entnehmen.

1.2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 AsylG.

Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als solcher gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). In diesem Rahmen sind gemäß § 4 Abs. 3 AsylG die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend anzuwenden.

Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG bestehen nicht.

Dem Kläger droht zur Überzeugung des Gerichts auch kein ernsthafter Schaden in Form von Folter bzw. einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung. So hat er als Befürchtung bei einer Rückkehr nach Libyen lediglich angegeben, dass sein Chef ihn umbringen würde oder er von ihm als Sklave missbraucht werde. Jenseits der Glaubwürdigkeit dieser pauschalen Behauptungen, besteht eine solche Gefahr schon deshalb nicht, weil der Kläger weder gezwungen wäre, zu seiner früheren Arbeitsstelle zurückzukehren, noch davon auszugehen ist, dass sein Chef von einer Rückkehr des Klägers nach Libyen überhaupt Kenntnis erlangen würde. Nach Auskunft des Auswärtigen Amts vom 30. Juni 2017 an das Verwaltungsgericht Braunschweig können Palästinenser in Libyen einen Aufenthaltstitel erlangen. Sie werden weder im Berufsleben noch durch staatliche Behörden diskriminiert. Selbst wenn ein Aufenthaltstitel an die Voraussetzung einer Arbeitsstelle gebunden sein sollte, ist es dem Kläger als ortskundigem, gesunden jungen Mann mit Berufserfahrung in mehreren Ländern und einem nach wie vor intakten Netzwerk in Libyen (vgl. Bundesamtsakte, Bl. 120) selbst unter den derzeitig widrigen ökonomischen und sozialen Bedingungen in Libyen zur Überzeugung des Gerichts möglich, eine entsprechende anderweitige Anstellung zu finden. Dafür spricht seine hohe Eigeninitiative mit der er sich auch in Deutschland selbst eine Beschäftigung beschafft hat (vgl. Bundesamtakte, Bl. 115). Die Zwangslage, in die illegale Migranten in Libyen im Hinblick auf eine drohende Inhaftierung auf Betreiben ihrer Arbeitgeber gelangen, droht dem Kläger als Palästinenser zur Überzeugung des Gerichts gerade nicht.

Ebenso wenig liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes aufgrund einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts vor.

Mangels einer entsprechenden Gefahrendichte kann dabei offen bleiben, ob derzeit in Libyen ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrscht. Denn für die Zuerkennung subsidiären Schutzes reicht die von einem bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefährdung der Bevölkerung nicht aus. Erforderlich ist, dass sich die allgemeine Gefahr in der Person des Ausländers individuell verdichtet. Wann eine für den subsidiären Schutz hinreichende individuelle Betroffenheit vorliegt, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht generell geklärt. Das Bundesverwaltungsgericht verweist insofern auf seine Grundsätze zur Gruppenverfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 - 10 C 43/07 - juris). Demnach ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen sich vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet unterschiedslos auf alle Zivilpersonen richten und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jede Zivilperson nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Dabei geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass ein Risiko von 1:800 bzw. 0,125%, in dem betreffenden Gebiet im Laufe eines Jahres verletzt oder getötet zu werden, so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt ist, dass auch eine wertende Gesamtbetrachtung eine individuelle Bedrohung nicht mehr zu begründen vermag (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 - juris).

Maßgeblich für die Betrachtung ist die Sicherheitslage in der Herkunftsregion des Klägers, weil davon auszugehen ist, dass er auch in diese zurückkehren wird (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 - juris), vorliegend also Misrata. Die allgemeine Sicherheitslage in Misrata ist jedoch nicht von einem so außergewöhnlich hohen Gefahrengrad gekennzeichnet, dass allein deshalb die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG erfüllt wären. Der jüngste Bericht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen über die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Libyen (UNSMIL) dokumentiert für den Zeitraum 1. Dezember 2016 bis 17. Februar 2017 für ganz Libyen eine Gesamtzahl von 48 zivilen Opfern, davon 24 Verletzte und 24 Tote (vgl. UN Security Council, UNSMIL Report April 2017). Auf ein Jahr hochgerechnet bedeutet dies eine Zahl von ca. 230 Opfern. Selbst bei einer Dunkelziffer von 200% würde dies im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung Libyens von ca. 6,5 Millionen (vgl. u.a. UK Home Office, Country Note Libya) lediglich eine Wahrscheinlichkeit im Promillebereich ergeben, in Libyen im Laufe eines Jahres verletzt oder getötet zu werden. Dies ist weit von einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit im Sinne der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung entfernt. Selbst, wenn man die palästinensische Volks- und die christliche Religionszugehörigkeit des Klägers, die libyenweit hohe Kriminalitätsrate sowie die nicht flächendeckend gewährleistete medizinische Basisversorgung für Anschlagsopfer gefahrerhöhend berücksichtigen würde, kann nicht von einer solchen Risikoverdichtung ausgegangen werden, wie sie für die Zuerkennung subsidiären Schutzes notwendig wäre.

1.3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.

§ 60 Abs. 5 AufenthG sieht ein Abschiebungsverbot bei einer Verletzung der Menschenrechte und Grundfreiheiten im Sinne der EMRK, insbesondere im Fall einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung, vor. Eine solche ist im Fall des Klägers jedoch nicht zu befürchten. Wie bereits ausgeführt, handelt es sich bei dem Kläger um einen gesunden, jungen, ortskundigen Mann, der in mehreren Ländern über Berufserfahrung sowie ein lokales Netzwerk in Libyen verfügt. Es wird ihm deshalb zur Überzeugung des Gerichts trotz der - den Erkenntnismittel einstimmig zu entnehmenden - prekären wirtschaftlichen und sozialen Lage, die durch die 350.000 Binnenvertriebenen (vgl. Amnesty International, Libyen 2017) zusätzlich verschärft wird, möglich sein, sich ein wirtschaftliches Einkommen am Rande des Existenzminimums zu sichern. Ergänzend wird auf die dazu getroffenen Ausführungen im verfahrensgegenständlichen Bundesamtsbescheid Bezug genommen.

Anhaltspunkte für ein gesundheitsbedingtes Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor.

2. Die vom Bundesamt verfügte Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sind ebenfalls nicht rechtswidrig. Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung beruhen auf § 34 Abs. 1 AsylG, § 59 Abs. 1 bis 3 AufenthG, § 38 Abs. 1 AsylG.

3. Schließlich sind auch gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots des § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 5 des Bescheids) keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken vorgetragen worden oder sonst ersichtlich. Insbesondere sind keine Ermessensfehler des Bundesamts bei der Bemessung der Frist nach § 11 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 AufenthG zu erkennen. Es besteht mithin auch kein Anspruch auf Verkürzung der Befristung.

Somit konnte die Klage insgesamt keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708, 711 ZPO.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 17. Jan. 2018 - W 2 K 17.33587

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 17. Jan. 2018 - W 2 K 17.33587

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit
Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 17. Jan. 2018 - W 2 K 17.33587 zitiert 18 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 4 Subsidiärer Schutz


(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt: 1. die Verhängung oder Vollstreckung der To

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3 Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft


(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich1.aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 711 Abwendungsbefugnis


In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 59 Androhung der Abschiebung


(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfal

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 102


(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende di

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 34 Abschiebungsandrohung


(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn 1. der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,2. dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wir

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3c Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann


Die Verfolgung kann ausgehen von 1. dem Staat,2. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder3. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließl

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 38 Ausreisefrist bei sonstiger Ablehnung und bei Rücknahme des Asylantrags


(1) In den sonstigen Fällen, in denen das Bundesamt den Ausländer nicht als Asylberechtigten anerkennt, beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist 30 Tage. Im Falle der Klageerhebung endet die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Ab

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 28 Nachfluchttatbestände


(1) Ein Ausländer wird in der Regel nicht als Asylberechtigter anerkannt, wenn die Gefahr politischer Verfolgung auf Umständen beruht, die er nach Verlassen seines Herkunftslandes aus eigenem Entschluss geschaffen hat, es sei denn, dieser Entschluss

Referenzen - Urteile

Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 17. Jan. 2018 - W 2 K 17.33587 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 17. Jan. 2018 - W 2 K 17.33587 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 13. Juli 2015 - B 3 K 14.30344

bei uns veröffentlicht am 13.07.2015

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. 3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Tatbestand Der Kläger, afghanischer Staatsangeh

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 17. Nov. 2011 - 10 C 13/10

bei uns veröffentlicht am 17.11.2011

Tatbestand 1 Der Kläger, ein irakischer Staatsangehöriger, erstrebt Abschiebungsschutz wegen ihm im Irak drohender Gefahren.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 17. Jan. 2018 - W 2 K 17.33587.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 07. Jan. 2019 - 15 ZB 18.33244

bei uns veröffentlicht am 07.01.2019

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gründe I. Der Kläger - ein nach eigenen Angaben am 21. Oktober 1980 im Libanon

Referenzen

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger, afghanischer Staatsangehöriger, tadschikischer Volks- und schiitischer Religionszugehörigkeit, reiste nach eigenen Angaben am ... 2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am ... 2012 einen Asylantrag.

Im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung bei der Bundespolizeiinspektion ... am ... 2012 gab der Kläger an, dass er ledig sei und keine Kinder habe. Sein Vater wohne in Afghanistan, seine Mutter sei tot. Er habe für seine Reise 3.400,00 US-Dollar an einen Schleuser bezahlt. Das Geld habe er vom Bürgermeister ... - einem guten Freund - bekommen. Er sei am ... 2012 zusammen mit seinem Schleuser losgefahren. Der Kläger sei in Afghanistan arbeitslos gewesen. Er sei durch die Aufnahmeprüfung an der Universität gefallen. Vor 14 Jahren seien seine beiden Brüder und seine Mutter von seinem Vater umgebracht worden, da dieser unter schweren psychischen Problemen gelitten habe. Eine Schwester und ein Bruder vom Kläger würden noch in Afghanistan leben. Diese hätten bereits eigene Familien. Sein Vater habe erneut geheiratet. Die neue Ehefrau seines Vaters habe diesem erzählt, dass der Kläger sie habe vergewaltigen wollen. Das würde jedoch nicht stimmen. Der Vater des Klägers, der Polizeichef in ... sei, habe zum ihm gesagt, dass er ihn erschießen werde, wenn er ihn finde.

Zur Begründung seines Asylantrages gab der Kläger bei seiner persönlichen Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am ... 2014 an, dass er neben seinem Vater und seinen beiden Geschwistern noch mehrere Onkel und Tanten in Afghanistan habe. Der Kläger habe aber nur noch mit seinem Bruder telefoniert. Wo sich sein Bruder derzeit aufhalte, wisse niemand. Sein Bruder lebe noch in Afghanistan. Der Kläger habe die Schule nach zwölf Jahren abgeschlossen. Er habe nach der Schule nicht gearbeitet. Er habe vor seiner Ausreise bei seinem Vater gelebt. Der Kläger habe Afghanistan bzw. ... am ... 2012 in Richtung Tadschikistan verlassen. Seine Reise sei durch einen Schleuser organisiert worden. Ein großer religiöser Dorfbewohner habe dem Schleuser 3.400,00 US-Dollar gegeben. Er sei wie ein Mullah im Dorf gewesen. Die Stiefmutter des Klägers habe ihn vor seinem Vater schlecht gemacht, weshalb sein Vater mit ihm täglich gestritten habe. Es sei immer schlimmer geworden. Eines Tages, nämlich am ... 2012, habe seine Stiefmutter seinem Vater gegenüber behauptet, dass er sie mit seinen Blicken sexuell anmache. Sein Vater habe dann gesagt, dass er schon die Mutter und die zwei Brüder des Klägers getötet habe und dass er auch den Kläger töten werde. Sein Vater sei dann zehn Minuten zu Fuß in sein Büro gegangen, um eine Pistole zu holen. Die Schwägerin des Klägers habe ihn dann gerettet, indem sie zum Kläger gesagt habe, dass er gehen solle. Als sein Vater wieder mit der Pistole zurückgekommen sei, sei er, der Kläger, schon weg gewesen. Der Kläger habe dann seinen Bruder angerufen und ihm alles erklärt, was passiert sei. Sein Bruder habe ihn dann zu einem Mullah gefahren und ihm das Geschehene erzählt. Der Mullah habe dann mit dem Schleuser gesprochen und der Kläger sei ausgereist. Von seinem Bruder habe der Kläger telefonisch erfahren, dass sein Vater seinen Bruder vorgeworfen habe, dem Kläger geholfen zu haben. Sein Vater habe deshalb seinen Bruder und dessen Familie aus dem Haus geworfen. Sein Vater habe seinen Bruder jedoch nicht mit dem Tode bedroht, da sein Vater keine Beweise gehabt habe, dass sein Bruder ihm geholfen habe.

Mit Bescheid vom 16. September 2014, der als Einschreiben am 1. Oktober 2014 zur Post gegeben wurde, wurde der Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter, Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzstatus abgelehnt. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Schließlich wurde der Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung bzw. im Falle der Klageerhebung innerhalb von 30 Tagen nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen, widrigenfalls wurde die Abschiebung nach Afghanistan angedroht.

Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Kläger kein Flüchtling i. S. d. § 3 AsylVfG sei. Die Erklärungen des Antragstellers, dass er Probleme mit seiner Stiefmutter und auch seinem Vater habe sowie seine Befürchtung, dass er selbst Opfer krimineller Straftaten werden könne, führe nicht zu einer Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, weil eine Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale fehle. Eine politisch motivierte Verfolgung von Seiten des afghanischen Staates sei ebenfalls weder vorgetragen worden noch sei eine solche ersichtlich. Der Antragsteller habe erklärt, dass er sich nicht politisch betätigt hätte. Auch wegen seiner tadschikischen Volkszugehörigkeit habe er keine Schwierigkeiten konkret für seine Person geltend gemacht. Insgesamt habe der Antragsteller nicht darlegen können, in Afghanistan einer individuellen Bedrohungssituation ausgesetzt gewesen zu sein bzw. Afghanistan unter einem konkreten Verfolgungsdruck verlassen zu haben. Außerdem lägen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 AsylVfG nicht vor. Zwar sei davon auszugehen, dass in ... ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt i. S. d. § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG bestehe. Dem Kläger drohe jedoch bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund der dortigen Situation keine erhebliche individuelle Gefahr aufgrund willkürlicher Gewalt. Für keine der afghanischen Provinzen könne ein so hoher Gefährdungsgrad für Zivilpersonen angenommen werden, der die Feststellung einer erheblichen individuellen Gefahr allein aufgrund einer Rückkehr in das Herkunftsgebiet und Anwesenheit dort rechtfertige. Auch Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Eine Abschiebung sei nicht gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG unzulässig. Dem Kläger drohe in Afghanistan keine, durch einen staatlichen oder nichtstaatlichen Akteur verursachte, Folter oder relevante unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S. d. Art. 3 EMRK. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass die humanitären Bedingungen bei einer Rückkehr nach Afghanistan für den Kläger als derart schlecht zu bewerten wären, dass von einer Verletzung des Art. 3 EMRK ausgegangen werden müsse. Die hierfür vom EGMR geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Der Kläger habe keine stichhaltigen Ausführungen gemacht, die zu der Schlussfolgerung führen könnten, dass er nach einer Rückkehr in sein Herkunftsland mittellos und völlig auf sich allein gestellt sei. Es sei davon auszugehen, dass er auch bisher nicht ohne Hilfe und Unterstützung seiner Familie dort gelebt habe. Auch die Tatsache, dass der Kläger offensichtlich in der Lage gewesen sei, erhebliche Mittel für seine Ausreise aufzubringen, spreche gegen das Fehlen einer Unterstützung im Herkunftsland. Nach den vorliegenden Erkenntnissen würden für eine Schleusung in der Regel 10.000,00 US-Dollar, in Einzelfällen sogar mehr als 20.000,00 US-Dollar bezahlt. Angesichts dessen müsse entweder der Kläger selbst über enorme finanzielle Mittel verfügen oder die Geldmittel seien von der Familie aufgebracht und so auf mehrere Schultern verteilt worden. Die vorzunehmende wertende Gesamtschau komme somit zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall nicht von einer mangels Geldmittel, Erwerbsaussichten oder familiärer Unterstützung zugespitzten existenziellen Gefahrenlage ausgegangen werden könne. Zudem sei davon auszugehen, dass der Kläger als volljähriger, gesunder Mann ohne Unterhaltspflichten auch ohne nennenswertes Vermögen im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten wie etwa in Kabul oder Herat wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen, sich damit zumindest ein Leben am Rande des Existenzminimums zu finanzieren und allmählich wieder in die afghanische Gesellschaft zu integrieren. Somit sei auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Klägers die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch die Abschiebung nicht beachtlich. Schließlich drohe dem Kläger auch keine individuelle Gefahr für Leib und Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Schriftsatz seines damaligen Prozessbevollmächtigten vom 13. Oktober 2014, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am 14. Oktober 2014, Klage. Er beantragt,

1. die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 16. September 2014 verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

2. hilfsweise dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen,

3. hilfsweise festzustellen, dass bei dem Kläger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Zur Begründung lässt er vortragen, dass er sein Heimatland aus begründeter Furcht vor Verfolgung verlassen habe. Die Androhung seiner Abschiebung sei wegen Verstoßes gegen Art. 1 und 2 GG sowie Art. 3 EMRK unzulässig, da diese zu Gefahren für Leib, Leben und Freiheit des Klägers führen würde.

Die Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2014,

die Klage abzuweisen.

Mit Beschluss vom 8. Juni 2015 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wurde mit Beschluss vom 24. Juni 2015 abgelehnt.

Wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 8. Juli 2015 verwiesen. Ergänzend wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - auf die Gerichtsakte und die Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Der nach § 76 Abs. 1 AsylVfG zuständige Einzelrichter konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten über die Sache verhandeln und entscheiden, da diese ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war, § 102 Abs. 2 VwGO.

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 16. September 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 AsylVfG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG. Es ist ihm weder der subsidiäre Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylVfG zuzuerkennen, noch liegen in seiner Person nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor.

1. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG liegen nicht vor.

Nach § 3 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 AsylVfG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylVfG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylVfG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylVfG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylVfG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylVfG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylVfG).

Bei der Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft ist der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine "qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U. v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - NVwZ 2013, 936/940; VG München, U. v. 28.1.2015 - M 12 K 14.30579 - juris Rn. 23).

Es obliegt aber dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es - unter Angabe genauer Einzelheiten - einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, U. v. 27.8.2013 - A 12 S 2023/11 - juris; HessVGH, U. v. 4.9.2014 - 8 A 2434/11.A - juris).

Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung des Flüchtlingsschutzes. Das Gericht verweist insoweit auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheides und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylVfG).

Ergänzend ist zum gerichtlichen Verfahren auszuführen:

Das Gericht hält den Vortrag des Klägers zwar für glaubhaft. Der Kläger hat sowohl bei der Anhörung vor dem Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen übereinstimmende Angaben zu seinem Fluchtgrund gemacht und auch Einzelheiten der Vorfälle wiedergegeben. Er hat in der mündlichen Verhandlung die Geschehnisse nochmals im Wesentlichen geschildert und verbliebene Unklarheiten nachvollziehbar erläutert. Insbesondere hat der Kläger nachvollziehbar dargelegt, dass es sich bei dem Wort „Bürgermeister“ in der Niederschrift zu seiner Beschuldigtenvernehmung bei der Bundespolizeiinspektion ... am ... 2012 um einen Übersetzungsfehler handelt. Das Gericht glaubt dem Kläger, dass dieser bereits bei seiner Beschuldigtenvernehmung von einem „Mullah“ gesprochen hat und der damalige Dolmetscher dies versehentlich mit dem Wort „Bürgermeister“ übersetzt hat. Denn beiden Begriffen ist immanent, dass es sich um eine Person mit einer gehobenen gesellschaftlichen Stellung handelt, so dass auch das Gericht von einem Übersetzungsfehler ausgeht. Dieser sprachliche Widerspruch ist damit in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar geklärt worden.

Eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft scheitert aber daran, dass eine asylrelevante Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 AsylVfG nicht gegeben ist. Der Kläger hat vor seiner Ausreise keine flüchtlingsschutzrechtlich erhebliche Verfolgung erlitten bzw. eine solche im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan nicht zu befürchten. Bei seiner informatorischen Anhörung im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat der Kläger angegeben, dass seine Stiefmutter zu seinem Vater gesagt habe, dass der Kläger sie habe vergewaltigen wollen. Aufgrund dieses Vorwurfs sei sein Vater sehr aggressiv geworden. Sein Vater habe zu ihm gesagt, dass er bereits die Mutter und die beiden Brüder des Klägers getötet habe. Außerdem habe sein Vater ihm zwei Ohrfeigen gegeben und dem Kläger gedroht, ihn auch umzubringen. Hierbei handelt es sich für den Kläger um eine rein familiäre Auseinandersetzung ohne Anknüpfung an ein in § 3 Abs. 1 AsylVfG genanntes asylrelevantes Merkmal. Dieser Vorfall mag zwar strafrechtlich relevant sein. Eine Anknüpfung an einen Verfolgungsgrund nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG i. V. m. § 3b Abs. 1 AsylVfG ist aus dem Vortrag des Klägers aber nicht ersichtlich und auch sonst nicht erkennbar. Eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft scheidet daher aus.

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG.

Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt dabei die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylVfG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG). Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG gelten dabei die §§ 3c bis 3e AsylVfG entsprechend. Bei der Prüfung, ob dem Ausländer ein ernsthafter Schaden droht, ist - wie bei der Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft - der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzulegen (BVerwG, U. v. 27.4.2010 - 10 C 5/09 - BVerwGE 136, 377/384; VG München, U. v. 28.1.2015 a. a. O. juris Rn. 23).

a) Die Gefahr der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylVfG hat der Kläger nicht geltend gemacht.

b) Die Voraussetzungen für eine Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG liegen nicht vor, weil der Kläger auf internen Schutz nach § 3e AsylVfG zurückgreifen kann.

Nach § 3e Abs. 1 AsylVfG i. V. m. § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG wird einem Ausländer subsidiärer Schutz nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylVfG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen des § 3e Abs. 1 AsylVfG erfüllt, sind gemäß § 3e Abs. 2 Satz 1 AsylVfG die im sicheren Teil des Herkunftslandes vorhandenen allgemeinen Gegebenheiten sowie die persönlichen Umstände des Klägers zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichtes zu berücksichtigen. Dieser Zumutbarkeitsmaßstab geht über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 2 AufenthG beachtlichen existentiellen Notlage hinaus (BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - juris Rn. 20; U. v. 29.5.2008 - 10 C 11/07 - juris Rn. 35). Die Beurteilung erfordert eine Einzelfallprüfung (BayVGH, B. v. 11.12.2013 - 13a ZB 13.30185 - juris Rn. 5). Dabei sind die individuellen Besonderheiten wie Sprache, Bildung, persönliche Fähigkeiten, vorangegangene Aufenthalte des Klägers in dem in Betracht kommenden Landesteil, örtliche und familiäre Bindungen, Geschlecht, Alter, ziviler Status, Lebenserfahrung, soziale Einrichtungen, gesundheitliche Versorgung und verfügbares Vermögen zu berücksichtigen (vgl. Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, Kapitel 3, § 14 Rn. 207). Entscheidend dafür, ob eine inländische Fluchtalternative als zumutbar angesehen werden kann, ist dabei insbesondere auch die Frage, ob an dem verfolgungssicheren Ort das wirtschaftliche Existenzminimum des Asylsuchenden gewährleistet ist. Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn der Asylsuchende durch eigene Arbeit oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu seinem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen kann. Nicht mehr zumutbar ist die Fluchtalternative demgegenüber dann, wenn der Asylsuchende an dem verfolgungssicheren Ort bei der gebotenen grundsätzlich generalisierenden Betrachtungsweise auf Dauer ein Leben zu erwarten hat, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tode führt, oder wenn er dort nichts anderes zu erwarten hat als ein Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums (VG Gelsenkirchen, U. v. 22.8.2013 - 5a K 156/11.A - juris Rn. 38).

Gemessen an diesen Grundsätzen geht das Gericht davon aus, dass für den Kläger eine inländische Fluchtalternative besteht.

Das Gericht ist davon überzeugt, dass sich der Kläger in Afghanistan an verschiedenen anderen Ort außerhalb seiner Herkunftsprovinz ... niederlassen kann, an denen er verfolgungssicher ist. Zwar hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sein Vater bei der Polizei arbeite und daher viele Leute kenne, so dass eine Flucht in eine andere afghanische Stadt nicht in Betracht komme. Das Gericht hält diese Aussage jedoch für eine Schutzbehauptung. Der Kläger hat zur Überzeugung des Gerichts nicht glaubhaft machen können, dass sein Vater ihn in Afghanistan landesweit auffinden werde. Der diesbezügliche Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung war sehr allgemein gehalten. Der Kläger hat keine konkreten, detaillierten und überzeugenden Angaben dazu gemacht, wie weitreichend die Kontakte seines Vaters als Polizeichef sind, die diesen in die Lage versetzen könnten, den Kläger überall in Afghanistan zu finden. Das Gericht ist deshalb der Auffassung, dass der Kläger in einer größeren afghanischen Stadt abseits von ... keine Verfolgung durch seinen Vater mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten hat. Diese Einschätzung entspricht auch der Auskunftslage. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes bieten größere Städte aufgrund ihrer Anonymität eher Schutz als kleinere Städte oder Dorfgemeinschaften (Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 31. März 2014, Stand: Februar 2014 - im Folgenden: Lagebericht - S. 16). Eine schützende Anonymität bieten nach Auffassung des Gerichts insbesondere die Städte Kabul, Herat oder Kandahar. Dort könnte sich der Kläger z. B. niederlassen, ohne der ernsthaften Gefahr ausgesetzt zu sein, von seinem Vater entdeckt zu werden.

Nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls kommt das Gericht zu der Auffassung, dass es dem Kläger auch zumutbar ist, eine Ausweichmöglichkeit innerhalb Afghanistans zu suchen und in Anspruch zu nehmen. Gegen die Zumutbarkeit des internen Schutzes spricht zwar, dass der Bruder des Klägers, zu dem der Kläger einen engen (telefonischen) Kontakt hatte, vor einem Jahr in den Iran ausgereist ist. Außerdem hat der Kläger bisher keinen Beruf erlernt. Er besitzt auch keine Vermögenswerte. Andererseits hat der Kläger aber die Möglichkeit, sich in Afghanistan bei seiner Schwester oder bei seiner Tante bzw. seinen drei Onkeln niederzulassen. Die Schwester des Klägers ist ca. 27 Jahre alt und verheiratet. Es ist daher davon auszugehen, dass der Kläger bei seiner Schwester ausreichend versorgt sein wird. Außerdem hat der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung ausgesagt, dass seine Schwester und sein Vater überhaupt keinen Kontakt mehr zueinander haben. Der Kläger hat daher auch nicht zu befürchten, dass seine Schwester ihn an seinen Vater verraten wird. Gleiches gilt in Bezug auf die Tante und die drei Onkel des Klägers. Auch diese haben keinerlei Kontakt zum Vater des Klägers, weil sie diesen für den Tod der Mutter des Klägers verantwortlichen machen. Diese familiären Verbindungen des Klägers sprechen mithin dafür, dass die Verweisung des Klägers auf internen Schutz zumutbar ist. Hierfür spricht auch, dass der Kläger unabhängig von seinem Familienverband eine reale Möglichkeit hat, seine Existenz ausreichend zu sichern. Der Kläger ist nämlich in Afghanistan zwölf Jahre zur Schule gegangen. Dort hat er auch seine Abiturprüfung abgelegt und bestanden. Der Kläger kann neben seiner Muttersprache Dari auch die Sprachen Deutsch, Englisch und Russisch sprechen. Dies hebt ihn auch ohne Berufsausbildung aus der Masse an unqualifizierten Afghanen hervor und dürfte es ihm erheblich erleichtern, bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine Arbeit zu finden, mit der er sein Existenzminimum sichern kann. Außerdem ist der Kläger gesund und muss keinerlei Medikamente nehmen. Mit seinen 30 Jahren ist der Kläger auch für afghanische Verhältnisse noch nicht als alt anzusehen, so dass er verhältnismäßig gute Aussichten hat, auf dem hart umkämpften afghanischen Arbeitsmarkt eine Arbeit zu finden, von der er leben kann. Hierfür spricht auch, dass der Kläger ledig ist und keine Unterhaltspflichten zu erfüllen hat. Schließlich spricht für die Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative auch, dass der Kläger nach eigenen Angaben mit den afghanischen Lebensgewohnheiten, Normen, Werten und Riten vertraut ist.

c) Der Kläger hat weiter keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes auf der Grundlage von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG, wonach von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen ist, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Die Voraussetzungen hierfür liegen nicht vor, weil dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund der dortigen Situation keine erheblichen individuellen Gefahren aufgrund willkürlicher Gewalt drohen. Insoweit folgt das Gericht den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Bescheides, auf den gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG verwiesen wird.

3. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestehen ebenfalls nicht. Ergänzend zu den Ausführungen im angefochtenen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylVfG) wird noch ausgeführt:

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. In Fällen, in denen wie hier, gleichzeitig über die Gewährung unionsrechtlichen und nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, scheidet bei Verneinung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus, so dass in der Sache divergierende Bewertungen kaum denkbar sind (vgl. BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris; VG München, U. v. 8.5.2014 - M 15 K 12.30903 - juris Rn. 37). Anhaltspunkte für eine davon abweichende Konstellation liegen nicht vor.

Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde anordnen, dass die Abschiebung für längstens sechs Monate ausgesetzt wird.

Eine Gefahr kann grundsätzlich auch in einer unzureichenden Versorgungslage in Afghanistan, die insbesondere für Rückkehrer ohne Berufsausbildung und ohne familiäre Unterstützung besteht, begründet sein. Dies stellt jedoch eine allgemeine Gefahr im Sinn des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG dar, die auch dann nicht als Abschiebungshindernis unmittelbar nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG berücksichtigt werden kann, wenn sie durch Umstände in der Person oder in den Lebensverhältnissen des Ausländers begründet oder verstärkt wird, aber nur eine typische Auswirkung der allgemeinen Gefahrenlage ist (BVerwG, U. v. 8.12.1998 - 9 C 4.98 - BVerwGE 108, 77). Dann greift grundsätzlich die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Eine Abschiebestoppanordnung besteht jedoch für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nicht.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist allerdings im Einzelfall Ausländern, die zwar einer gefährdeten Gruppe im Sinn des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG angehören, für welche aber ein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 AufenthG oder eine andere Regelung, die vergleichbaren Schutz gewährleistet, nicht besteht, ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Handhabung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zuzusprechen, wenn die Abschiebung wegen einer extremen Gefahrenlage im Zielstaat Verfassungsrecht verletzen würde. Das ist der Fall, wenn der Ausländer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (st. Rspr. des BVerwG, z. B. U. v. 12.7.2001 - 1 C 5/01 - BVerwGE 115,1 m. w. N.).

Die allgemeine Gefahr in Afghanistan hat sich für den Kläger nicht derart zu einer extremen Gefahr verdichtet, dass eine entsprechende Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geboten ist. Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung hierfür aufgestellten Voraussetzungen sind nicht erfüllt (st. Rspr. des BayVGH, z. B. U. v. 20.1.2012 - 13a B 11.30425, U. v. 24.10.2013 - 13a B 13.30031, B. v. 28.11.2013 - 13.30293, B. v. 11.12.2013 - 13a ZB 13.30119, 13a ZB 13.30131, 13a ZB 13.30185 - alle juris; so auch VGH BW, U. v. 27.4.2012 - A 11 S 3079/11 - juris). Wann allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Das Erfordernis des unmittelbaren - zeitlichen - Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung setzt zudem für die Annahme einer extremen Gefahrensituation voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann (Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 60 AufenthG Rn. 54). Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, U. v. 29.6.2010 - 10 C 10.09 - BVerwGE 137, 226).

In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (z. B. B. v. 19.2.2014 - 13a ZB 14.30022; B. v. 4.2.2014 - 13a ZB 13.30393; U. v. 24.10.2013 - 13a B 13.30031, B. v. 28.11.2013 - 13.30293, B. v. 11.12.2013 - 13a ZB 13.30119, 13a ZB 13.30131, 13a ZB 13.30185 - alle juris) geht das Gericht davon aus, dass derzeit für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende, alleinstehende, männliche, arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige wie den Kläger in Afghanistan nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen ist, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 7 AufenthG führt. Dies gilt grundsätzlich auch für Rückkehrer, die keine Berufsausbildung haben und nicht auf einen aufnahmefähigen Familienverband zurückgreifen können.

Dem Kläger droht keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben wegen der allgemeinen Versorgungslage in Afghanistan. Zwar gestaltet sich die allgemeine Versorgungslage nach wie vor schwierig. Das Auswärtige Amt teilt mit, dass die medizinische Versorgung in Afghanistan trotz der erkennbaren und erheblichen Verbesserungen weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken, insbesondere an fehlenden Ärzten, leide (Lagebericht, S. 20). Ein Anteil von rund 36% der Bevölkerung lebe unterhalb der Armutsgrenze. Außerhalb der Hauptstadt Kabul und der Provinzhauptstädte fehle es vielerorts an grundlegender Infrastruktur für Transport, Energie und Trinkwasser. Das rapide Bevölkerungswachstum stelle eine weitere besondere Herausforderung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes dar (Lagebericht, S. 19). Nach Erkenntnissen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe habe die Regierung in Kabul mit der Verstädterung besonders bei den sanitären Bedingungen nicht Schritt halten können. Die hohe Arbeitslosigkeit treffe vor allem Jugendliche, die deswegen besonders verletzlich seien (SFH-Update vom 11. August 2010 zur aktuellen Sicherheitslage, S. 16 ff.). Viele Menschen könnten nicht für ihren Lebensunterhalt aufkommen. Die Kinder- und Müttersterblichkeit sei sehr hoch, die medizinische Versorgung sehr schlecht (SFH-Update vom 23. August 2011 zur aktuellen Sicherheitslage, S. 18 f.).

Obwohl die Versorgungslage kritisch ist, muss nicht jeder Rückkehrer aus Europa generell in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit den Tod oder schwerste Gesundheitsschäden bei einer Rückführung erleiden. In einer gutachterlichen Stellungnahme von Dr. Karin Lutze vom 8. Juni 2011 an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz wird festgestellt, dass von den rund 3.000 Rückkehrerfällen in den vergangenen fast zehn Jahren keine Fälle bekannt seien, in denen die Rückkehrer aufgrund von Hunger oder Unterernährung gestorben seien. Migranten, denen es gelungen sei, schwierige Wege und Situationen bis nach Europa zu meistern, gehörten zum mobileren Teil der afghanischen Bevölkerung und würden es daher erfahrungsgemäß schaffen, ihre Beziehungen so zu gestalten, dass sie ihr Überleben sichern könnten (S. 12). Dr. Danesch geht in seiner Auskunft an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof vom 7. Oktober 2010 davon aus, dass am ehesten noch junge, kräftige Männer - häufig als Tagelöhner - einfache Jobs finden können, bei denen harte körperliche Arbeit gefragt sei (S. 9). Im Hinblick auf die allgemeine gesamtwirtschaftliche Lage ist zu berücksichtigen, dass sich Afghanistan in fast allen Bereichen positiv entwickelt habe. Die Bewertung Afghanistans im Human Development Index (HDI) habe sich kontinuierlich verbessert. Die afghanische Wirtschaft sei - nach einer Dekade starken Wachstums - im Jahr 2013 immerhin noch um 3% gewachsen (Lagebericht, S. 19).

In der Gesamtschau der aktuellen Auskünfte ist also nicht davon auszugehen, dass jeder Rückkehrer aus Europa generell in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit den Tod oder schwerste Gesundheitsschäden bei einer Rückführung nach Kabul erleiden müsste (vgl. hierzu auch BayVGH, U. v. 20.1.2012 - 13a B 11.30425 - juris Rn. 32 ff.; U. v. 8.11.2012 - 13a B 11.30465 - UA S. 25 ff.; VGH BW, U. v. 14.5.2009 - A 11 S 983/06 - juris Rn. 28). Nach Auffassung des Gerichts kann sich zwar eine extreme Gefahrenlage jedenfalls für besonders schutzbedürftige Rückkehrer wie alte oder behandlungsbedürftig kranke Personen, alleinstehende Frauen mit und ohne Kinder, Familien und Personen, die aufgrund besonderer persönlicher Merkmale zusätzlicher Diskriminierung unterliegen, ergeben. Für alleinstehende, junge und arbeitsfähige Männer aus der Bevölkerungsmehrheit ohne erhebliche gesundheitliche Einschränkungen, ist jedoch zumindest die Möglichkeit gegeben, sich eine neue Existenz aufzubauen (BayVGH, U. v. 8.12.2011 - 13a B 11.30276 - juris Rn. 37; U. v. 15.3.2012 - 13a B 11.30439 - juris Rn. 25).

Der Kläger ist volljährig und leidet nicht an gesundheitlichen Einschränkungen. Er ist nach eigenen Angaben mit den afghanischen Lebensgewohnheiten, Normen, Werten und Riten vertraut. Der Kläger verfügt in Afghanistan über ein familiäres Netzwerk (eine verheiratete Schwester, eine Tante, drei Onkel), auf das er nach seiner Rückkehr zurückgreifen kann. Anders als viele andere afghanische Männer seines Alters ist der Kläger zwölf Jahre zur Schule, einem Gymnasium, gegangen. Er verfügt deshalb auch über ein Abiturzeugnis. Er kann die Sprachen Deutsch, Russisch, Afghanisch (Dari) und Englisch lesen und schreiben. Dies hebt ihn auch ohne Berufsausbildung aus der Masse an unqualifizierten Afghanen hervor und dürfte es ihm erheblich erleichtern, bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine Arbeit zu finden. Es ist daher davon auszugehen, dass der Kläger sein Existenzminimum bei einer Rückkehr nach Afghanistan notfalls durch die Annahme von Tagelöhnertätigkeiten sichern kann. Für eine Sicherung des Existenzminimums spricht auch, dass der Kläger ledig ist und daher keine Unterhaltspflichten zu erfüllen hat.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Ein Ausländer wird in der Regel nicht als Asylberechtigter anerkannt, wenn die Gefahr politischer Verfolgung auf Umständen beruht, die er nach Verlassen seines Herkunftslandes aus eigenem Entschluss geschaffen hat, es sei denn, dieser Entschluss entspricht einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung. Satz 1 findet insbesondere keine Anwendung, wenn der Ausländer sich auf Grund seines Alters und Entwicklungsstandes im Herkunftsland noch keine feste Überzeugung bilden konnte.

(1a) Die begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 zu erleiden, kann auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat, insbesondere auch auf einem Verhalten des Ausländers, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist.

(2) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines Asylantrags erneut einen Asylantrag und stützt diesen auf Umstände, die er nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung seines früheren Antrags selbst geschaffen hat, kann in einem Folgeverfahren in der Regel die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt werden.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein irakischer Staatsangehöriger, erstrebt Abschiebungsschutz wegen ihm im Irak drohender Gefahren.

2

Der 1976 in Mosul geborene Kläger ist kurdischer Volkszugehöriger sunnitischen Glaubens. Zur Begründung des im Juli 2001 beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt -) gestellten Asylantrags gab er an, dass er in Mosul ein Lebensmittelgeschäft betrieben habe. Eine von einem Kunden in seinem Laden abgestellte Tasche, die Flugblätter von Schiiten enthalten habe, sei von einem Unbekannten inspiziert worden. Sein Vater habe ihm daraufhin zur Flucht geraten und sei seinetwegen später verhaftet worden. Er befürchte, wegen des Vorfalls getötet oder lebenslang inhaftiert zu werden. Mit Bescheid vom 14. September 2001 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers ab, stellte jedoch fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 51 Abs. 1 AuslG 1990 (inzwischen § 60 Abs. 1 AufenthG) hinsichtlich des Irak vorliegen. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger aufgrund der illegalen Ausreise und der Asylantragstellung verfolgt werde.

3

Wegen der veränderten politischen Verhältnisse im Irak widerrief das Bundesamt am 16. März 2006 die Flüchtlingsanerkennung und stellte zugleich fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen.

4

Die hiergegen erhobene Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 1. Februar 2007 im Wesentlichen ausgeführt, der Widerruf sei rechtmäßig, weil der Kläger im Irak nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein keine Verfolgung mehr zu befürchten habe. Er könne auch keine Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bzw. subsidiären Schutz gemäß Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG beanspruchen. Im Irak liege kein landesweiter innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vor. Zudem habe der Kläger die Möglichkeit, in Teilen des Irak internen Schutz zu finden. Im Übrigen stehe die Erlasslage des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, die bei allgemeinen Gefahren vergleichbaren Abschiebungsschutz biete, der Gewährung richtliniengemäßen subsidiären Schutzes entgegen.

5

Während des Revisionsverfahrens hat der Kläger seine Revision hinsichtlich des Widerrufs der Flüchtlingsanerkennung zurückgenommen. Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 44.07 - das Revisionsverfahren insoweit eingestellt. Im Übrigen hat er, soweit die Verpflichtung zur Feststellung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes aus § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG und hilfsweise nationalen Abschiebungsschutzes aus § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG begehrt wird, das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Zur Begründung hat er darauf abgestellt, dass § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG keinen landesweiten bewaffneten Konflikt voraussetze. Die zusätzliche Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger könne innerhalb des Irak internen Schutz finden, beruhe auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage. Schließlich verletze der Verweis auf die Aussetzung von Abschiebungen durch ministerielle Erlasse revisibles Recht. Denn § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG sei richtlinienkonform dahin auszulegen, dass die Sperrwirkung nicht greife, wenn die Voraussetzungen des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG erfüllt seien.

6

Während des neuen Berufungsverfahrens hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass der Kläger im Besitz einer Niederlassungserlaubnis sei. Damit sei sein Aufenthalt gesichert und es komme auf subsidiären Schutz nicht mehr an.

7

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 21. Januar 2010 zurückgewiesen, soweit sie sich auf das noch anhängige Begehren zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bezieht. Die Berufung sei zulässig, denn für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis, obwohl der Kläger mittlerweile im Besitz einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG sei. Die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach Art. 18 der Richtlinie 2004/83/EG könne dem Kläger eine zusätzliche Rechtsposition vermitteln. Die Berufung sei aber unbegründet. Mit Blick auf § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG führt das Berufungsgericht aus, es könne dahinstehen, ob die im Irak seit 2003 andauernden und durch staatliche Sicherheitskräfte bekämpften terroristischen Handlungen nach Intensität und Größenordnung als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt zu qualifizieren seien. Jedenfalls sei der Kläger keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt. An seinem Herkunftsort in Mosul bestehe keine so hohe Gefahrendichte, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt sei. Dies ergebe sich aus der Zahl der Anschläge und der Anzahl der Opfer im Verhältnis zur Einwohnerzahl. Die Wahrscheinlichkeit, durch einen Terroranschlag in der Provinz Ninive verletzt oder getötet zu werden, habe 2009 ca. 0,12 % oder ca. 1:800 pro Jahr betragen. Für eine Verschärfung der Sicherheitslage gebe es keine Anhaltspunkte. Gefahrerhöhende individuelle Umstände seien bei dem Kläger nicht ersichtlich. Die Voraussetzungen des hilfsweise begehrten nationalen Abschiebungsschutzes (§ 60 Abs. 7 Satz 1 und § 60 Abs. 5 AufenthG) lägen ebenfalls nicht vor.

8

Mit seiner vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision wendet sich der Kläger allein gegen die Ablehnung der Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Er rügt, der Verwaltungsgerichtshof habe bei der Ermittlung der Gefahrendichte auf die im Rahmen der Gruppenverfolgung entwickelten Kriterien der Verfolgungsdichte abgestellt, ohne zwischen den Schutzsystemen zu differenzieren und die Besonderheiten des subsidiären Schutzes zu berücksichtigen. Auch seien die in das Verfahren eingeführten Quellen zur Häufigkeit von Anschlägen im Irak und zur Zahl der Toten und Verletzten nicht interpretiert und bewertet worden.

9

Die Beklagte verteidigt das Berufungsurteil.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Klägers, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat die begehrte Verpflichtung zur Gewährung subsidiären unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes ohne Verstoß gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) abgelehnt.

11

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch das Verpflichtungsbegehren auf Gewährung subsidiären unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes. Die darüber hinausgehende Beschränkung des Revisionsantrags auf das Vorliegen eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG erweist sich als unwirksam. Denn der geltend gemachte Anspruch auf Verpflichtung zur Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (entsprechend den Voraussetzungen für den subsidiären Schutz in Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 304 S. 12; ber. ABl EU vom 5. August 2005 Nr. L 204 S. 24) bildet nach dem dafür maßgeblichen materiellen Recht einen einheitlichen, in sich nicht weiter teilbaren Streitgegenstand (Urteile vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 11 und vom 8. September 2011 - BVerwG 10 C 14.10 - zur Veröffentlichung in der Sammlung BVerwGE vorgesehen - Rn. 16). Eine Revision kann daher nicht wirksam auf einzelne materielle Anspruchsgrundlagen dieses einheitlichen prozessualen Anspruchs beschränkt werden (Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 13).

12

Für diesen Verpflichtungsantrag ist, obwohl der Kläger mittlerweile eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG besitzt, entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten das Rechtsschutzinteresse nicht entfallen. Dieses Interesse fehlt nur, wenn die Klage für den Kläger offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann (Urteil vom 29. April 2004 - BVerwG 3 C 25.03 - BVerwGE 121, 1 <3>). Der Beklagten ist einzuräumen, dass sich nach nationalem Aufenthaltsrecht die Rechtsstellung eines Ausländers in der Situation des Klägers, der im Besitz einer Niederlassungserlaubnis gemäß § 26 Abs. 4 AufenthG ist, durch die Zuerkennung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes derzeit nicht verbessern kann. Diese Betrachtung greift aber zu kurz. Denn aus dem Umsetzungsdefizit des deutschen Gesetzgebers, der - entgegen den unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG im 5. Erwägungsgrund, in Art. 2 Buchst. f und in Art. 18 - den Status des subsidiär Schutzberechtigten im nationalen Recht nicht explizit ausgeformt hat, darf für den Kläger kein Nachteil entstehen (vgl. auch Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 13). Er hat daher ein legitimes Interesse, dass trotz seiner gesicherten aufenthaltsrechtlichen Stellung mit Blick auf diesen Schutzstatus und die damit einhergehenden Vergünstigungen über das Bestehen eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots entschieden wird.

13

Die zulässige Klage ist aber unbegründet. Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen, nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und das Revisionsgericht daher bindenden tatsächlichen Feststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) greift keines der auf Unionsrecht beruhenden Abschiebungsverbote (§ 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG).

14

1. Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Diese Bestimmung entspricht nach der Rechtsprechung des Senats trotz geringfügig abweichender Formulierungen den Vorgaben des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG und ist in diesem Sinne auszulegen (Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 17 und Rn. 36).

15

Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob die im Irak seit 2003 andauernden und durch staatliche Sicherheitskräfte bekämpften terroristischen Handlungen nach Intensität und Größenordnung als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt anzusprechen sind, weil der Kläger auch bei Annahme eines derartigen Konflikts keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt wären. Das hält revisionsgerichtlicher Nachprüfung stand.

16

a) Für seine Prognose, ob der Kläger bei Rückkehr in den Irak einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt ist, hat der Verwaltungsgerichtshof zu Recht auf die tatsächlichen Verhältnisse in seiner Herkunftsregion Mosul abgestellt. Dort hat der Kläger zuletzt gelebt, so dass die Annahme gerechtfertigt ist, dass er dorthin zurückkehren wird (Urteil vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 17).

17

b) Das Berufungsgericht hat des Weiteren zutreffend geprüft, ob von dem - zugunsten des Klägers unterstellten - bewaffneten Konflikt in der Region von Mosul für eine Vielzahl von Zivilpersonen eine allgemeine Gefahr ausgeht, die sich in der Person des Klägers so verdichtet, dass sie für diesen eine erhebliche individuelle Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG darstellt. Denn auch eine von einem bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr kann sich individuell verdichten und damit die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG und des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG erfüllen (Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 34).

18

Eine derartige Individualisierung kann sich bei einem hohen Niveau willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Betroffenen ergeben. Dazu gehören in erster Linie persönliche Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z.B. als Arzt oder Journalist - gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Antragsteller als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht bereits die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt (Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 4.09 - BVerwGE 136, 360 Rn. 33). Gefahrerhöhende individuelle Umstände hat das Berufungsgericht bei dem Kläger nicht festgestellt (UA S. 12); dem ist der Kläger mit der Revision auch nicht entgegengetreten.

19

Eine Individualisierung der allgemeinen Gefahr kann aber auch dann, wenn individuelle gefahrerhöhende Umstände fehlen, ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (Urteil vom 14. Juli 2009 a.a.O. Rn. 15 mit Verweis auf EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07, Elgafaji - Slg. 2009, I-921 = NVwZ 2009, 705). Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 33).

20

In jedem Fall setzt § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr voraus, dass dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Schaden an den Rechtsgütern Leib oder Leben droht. Das ergibt sich aus dem Tatbestandsmerkmal "... tatsächlich Gefahr liefe ..." in Art. 2 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG. Der darin enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ab ("real risk"; vgl. nur EGMR (GK), Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi/Italien - NVwZ 2008, 1330 ); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 22 zu § 60 Abs. 2 AufenthG und Art. 15 Buchst. b Richtlinie 2004/83/EG).

21

Gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG gilt für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG u.a. die Beweisregel des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Beweiserleichterung in Gestalt einer widerleglichen tatsächlichen Vermutung setzt aber auch im Rahmen des subsidiären Schutzes voraus, dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem vor der Ausreise erlittenen oder damals unmittelbar drohenden Schaden (Vorschädigung) und dem befürchteten künftigen Schaden besteht. Denn die der Vorschrift zugrunde liegende Wiederholungsvermutung beruht wesentlich auf der Vorstellung, dass eine Verfolgungs- oder Schadenswiederholung - bei gleichbleibender Ausgangssituation - aus tatsächlichen Gründen naheliegt (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 31).

22

Eine für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr ausreichende Gefahrendichte hat das Berufungsgericht für den Bereich der Stadt Mosul verneint. Es hat - in Anlehnung an die Vorgehensweise zur Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts (vgl. dazu Urteil vom 18. Juli 2006 - BVerwG 1 C 15.05 - BVerwGE 126, 243 Rn. 20 ff.) - aufgrund aktueller Quellen die Gesamtzahl der in der Provinz Ninive und deren Hauptstadt Mosul lebenden Zivilpersonen annäherungsweise ermittelt und dazu die Häufigkeit von Akten willkürlicher Gewalt sowie der Zahl der dabei Verletzten und Getöteten in Beziehung gesetzt. Dabei hat es festgestellt, dass das Risiko, in der Provinz Ninive verletzt oder getötet zu werden, für das gesamte Jahr 2009 ungefähr 1:800 betrug. Einen Trend zur Verschlechterung der Sicherheitslage vermochte es nicht festzustellen (UA S. 12). Seine auf der Grundlage dieser Feststellungen gezogene Schlussfolgerung, dass der Kläger bei seiner Rückkehr in sein Herkunftsland keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt ist, ist revisionsgerichtlich im Ergebnis nicht zu beanstanden.

23

Zwar bedarf es - wie die Revision im Ansatz zu Recht rügt - neben dieser quantitativen Ermittlung auch einer wertenden Gesamtbetrachtung des statistischen Materials mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 33). Zu dieser wertenden Betrachtung gehört jedenfalls auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann. Der Mangel in der Vorgehensweise des Berufungsgerichts bleibt aber im vorliegenden Fall ohne Folgen. Denn die Höhe des vom Berufungsgericht festgestellten Risikos eines dem Kläger drohenden Schadens ist so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt, dass sich der Mangel im Ergebnis nicht auszuwirken vermag.

24

Auch der Umstand, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht auf die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG eingegangen ist, verhilft der Revision nicht zum Erfolg, denn das Vorfluchtschicksal des Klägers gab dazu keinen Anlass. Dieses lässt keine Beeinträchtigung erkennen, die auch unter dem Blickwinkel des Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG die Qualität einer Vorschädigung erreichen könnte. Zudem bestünde kein sachlicher Zusammenhang mit den nunmehr im Irak drohenden Gefahren.

25

2. Das Berufungsgericht hat auch die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2 und 3 AufenthG in den Blick genommen, sie aber nicht als durchgreifend angesehen. Dagegen bestehen aus revisionsgerichtlicher Sicht keine Bedenken.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn

1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,
2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird,
2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird,
3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und
4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
Eine Anhörung des Ausländers vor Erlass der Abschiebungsandrohung ist nicht erforderlich. Im Übrigen bleibt die Ausländerbehörde für Entscheidungen nach § 59 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes zuständig.

(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) In den sonstigen Fällen, in denen das Bundesamt den Ausländer nicht als Asylberechtigten anerkennt, beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist 30 Tage. Im Falle der Klageerhebung endet die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens.

(2) Im Falle der Rücknahme des Asylantrags vor der Entscheidung des Bundesamtes oder der Einstellung des Verfahrens beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist eine Woche.

(3) Im Falle der Rücknahme des Asylantrags oder der Klage oder des Verzichts auf die Durchführung des Asylverfahrens nach § 14a Absatz 3 kann dem Ausländer eine Ausreisefrist bis zu drei Monaten eingeräumt werden, wenn er sich zur freiwilligen Ausreise bereit erklärt.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.