I.
Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung des akademischen Grades „Dr. med. dent.“ und Rückforderung der Promotionsurkunde.
1. Die Beklagte verlieh dem Kläger am 14. Januar 2009 aufgrund der Dissertation mit dem Titel „Die Pest in der Mandschurei in den Jahren 1910 bis 1914 und der Vergleich zu der SARS-Epidemie in China beginnend im Jahr 2002“ den akademischen Grad „Dr. med. dent.“ mit der Note „rite“.
Mit dem Gesuch zur Zulassung zur Doktorprüfung vom 1. Mai 2007 gab der Kläger die ehrenwörtliche Erklärung ab, die Dissertation selbstständig angefertigt und keine anderen als die von ihm angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt zu haben.
Mit Email vom 9. Januar 2014 wies Frau Prof. Dr. W.-W. die Beklagte auf eine im Internet veröffentlichte Dokumentation von VroniPlag hin, wonach von der 50 Seiten Text umfassenden Dissertation des Klägers 20 Seiten als fehlerhaft beanstandet worden seien, größtenteils aufgrund fehlender Kennzeichnung wörtlicher Zitate durch Anführungszeichen.
Daraufhin leitete die Beklagte ein förmliches Untersuchungsverfahren durch die Ständige Kommission zur Untersuchung wissenschaftlichen Fehlverhaltens ein. Bei seiner Anhörung am 21. Mai 2014 räumte der Kläger ein, insbesondere im Teil der Arbeit, der sich mit SARS („Severe Acute Respiratory Syndrome“) befasst, hinsichtlich der Zitierweise handwerkliche Fehler gemacht zu haben. Er habe seine Dissertation im Jahr 2003 begonnen und sich daraufhin im September 2003 im Bundesarchiv in Berlin handschriftliche Notizen aus den dort vorhandenen Quellen gemacht. Auch seien ihm von dort Kopien zugeschickt worden. Insbesondere zum Thema SARS habe er es hierbei versäumt, zu markieren, was eigene Worte bzw. übernommene fremde Passagen gewesen seien. Durch die zeitweise Unterbrechung der Erstellung seiner Promotion habe er sich bei der Fertigstellung im Jahr 2008 nicht mehr erinnern können, ob die handschriftlich erstellten Passagen wörtliche, überwiegend wörtliche Zitate oder aber eigene Zusammenfassungen darstellten. Er sei sich seiner mangelnden Sorgfalt bewusst. Diese habe unter anderem aus einer erforderlichen kurzfristigen Übernahme der Praxis seines Vaters resultiert. Keinesfalls jedoch habe der Kläger vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt. Über Zitierstandards sei im Rahmen der Betreuung durch seinen Doktorvater nie gesprochen worden. Zwar habe er ein Merkblatt zum Anfertigen von Doktorarbeiten erhalten. Fehler bei der unterschiedlichen Darstellung von wörtlichen Zitaten und allgemeinen Verweisen auf Literaturquellen seien ihm jedoch nicht bewusst gewesen.
In ihrem Abschlussbericht vom 23. Juni 2014 kam die Ständige Kommission zur Untersuchung wissenschaftlichen Fehlverhaltens zu dem Ergebnis, dass der Kläger in seiner Dissertation in erheblichem Umfang gegen Regeln guter wissenschaftlicher Praxis sowie die Promotionsordnung der Medizinischen Fakultät der Beklagten verstoßen und damit ein wissenschaftliches Fehlverhalten begangen habe, und empfahl den Entzug des Doktortitels.
In seiner Sitzung vom 20. Oktober 2014 beschloss der Promotionsausschuss der Medizinischen Fakultät der Beklagten (im Folgenden: Promotionsausschuss) die Eröffnung eines Prüfverfahrens wegen des Verdachts des Vorliegens eines Plagiats in der Dissertation des Klägers.
In seiner Sitzung vom 15. April 2015 beschloss der Promotionsausschuss nach Anhörung des Klägers, den dem Kläger verliehenen Doktorgrad wieder zu entziehen. Auf den weiteren Inhalt des Sitzungsprotokolls (S. 154 der Behördenakte) wird Bezug genommen.
2. Mit Bescheid vom 16. Juni 2015, dem Kläger zugestellt am 24. Juni 2015, entzog die Beklagte dem Kläger den am 14. Januar 2009 verliehenen akademischen Grad „Dr. med. dent.“ rückwirkend (Ziffer 1) und ordnete die Rückgabe der verliehenen Doktorurkunde mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des Bescheides an (Ziffer 2).
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Der Entzug des Doktorgrades richte sich gem. § 11 Abs. 5 der Promotionsordnung für die Medizinische Fakultät der Beklagten (PromO) vom 10. Juni 2011 nach Art. 69 des Bayerischen Hochschulgesetzes (BayHSchG) vom 23. Mai 2006 (GVBl. S. 245), zuletzt geändert durch Verordnung vom 22. Juli 2014 (GVBl. 286), der wiederum auf Art. 48 BayVwVfG verweise. Der Doktortitel sei dem Kläger rechtswidrig erteilt worden. Entgegen der nach § 4 Abs. 3 Ziffer 3 der Promotionsordnung für die Medizinische Fakultät der Beklagten vom 29. März 1983 (PromO a.F.) abgegebenen ehrenwörtlichen Erklärung des Klägers vom 1. Mai 2007, dass er die Dissertation selbstständig angefertigt und keine anderen als diese angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe, habe der Kläger keine eigenständige wissenschaftliche Arbeit erbracht. Der Kläger habe in seiner Dissertation in ganz erheblichem Umfang gegen geltende wissenschaftliche Zitierstandards sowie gegen § 6 Abs. 2 Satz 4 PromO a.F. verstoßen, wonach wörtliche oder nahezu wörtliche, dem Schrifttum entnommene Stellen kenntlich zu machen seien, da weite Teile nicht nur vereinzelt, sondern in dem Kapitel zu SARS nahezu durchgängig aus zwei Fremdtexten wortwörtlich oder nur mit geringfügigen sprachlichen Modifikationen übernommen worden seien ohne dies durch Anführungszeichen kenntlich zu machen. Es handele sich dabei um folgende Fundstellen:
– Fragen und Antworten zu SARS, www.scienceticker.info/sars.shtml, übernommen in der Dissertation auf den Seiten 29 – 30
– Maas/Umbach 2004, www.kas.de/wf/de/33.4632/ in der Dissertation übernommen auf den Seiten 32 – 42 und 45 ff.
Zwar habe der Kläger an verschiedenen Stellen seiner Arbeit wiederholt in Fußnoten auf diese Quellen verwiesen. Verzichtet worden sei aber durchgehend auf die Kennzeichnung als wörtliches Zitat. Durch den Verzicht auf die Anführungszeichen entstehe der Eindruck, der Kläger habe einen eigenständigen Gedankengang entwickelt, der lediglich durch Literaturbelege gestützt werde. Tatsächlich handle es sich bei diesem Teil der Arbeit jedoch überwiegend um eine wortwörtliche Übernahme aus den beiden oben genannten Fremdtexten ohne eigenständige gedankliche Leistung. Die Verstöße bezögen sich quantitativ auf ca. 30% des Gesamttextes der Dissertation.
In qualitativer Hinsicht sei festzustellen, dass mit dem Kapitel zu SARS ein Teil der Arbeit fast durchgehend plagiiert sei, der auch im Titel genannt sei. Plagiate befänden sich zuletzt aber auch in dem Vergleichsteil der Dissertation (S. 45 ff.), bei dem in jedem Fall eine eigenständige wissenschaftliche Leistung erwartet werden könne.
Dem Einwand des Klägers, wonach der hauptsächlich betroffene SARS-Teil nicht den Kernbereich der Arbeit ausmache, sei entgegenzuhalten, dass das Promotionsrecht eine „geltungserhaltende Reduktion“ nicht kenne. Es werde ein prüfungsrechtlicher Regelverstoß sanktioniert, aber keine Gesamtbewertung der Arbeit nach ihrem wissenschaftlichen Restwert vorgenommen.
In subjektiver Hinsicht sei der Promotionsausschuss davon überzeugt, dass der Kläger die Mängel in seiner Dissertation mindestens grob fahrlässig herbeigeführt habe. Wissenschaftliches Fehlverhalten setze nicht begriffsnotwenig Vorsatz voraus. Vielmehr indiziere auch grobe Fahrlässigkeit ein Fehlverhalten, weil Forschung erst durch ihre Methode zur Wissenschaft werde, Wissenschaft also schon begrifflich auch methodische Mindeststandards voraussetze, die bei grob fahrlässigen Verstößen gegen Sorgfaltspflichten im Einzelfall unterschritten sein könnten.
Die Einlassung des Klägers zur Vorgehensweise bei der Anfertigung der Dissertation belege das Vorliegen grober Fahrlässigkeit, da der Kläger offensichtlich im zweiten Teil der Dissertation die Übersicht über die Herkunft seiner Quellen verloren und den SARS-Teil ohne weitere Nachprüfung zusammengestellt habe. Auch der wiederholte Hinweis auf seine berufliche Überlastung lege den Verdacht nahe, dass der Kläger Bedenken an der wissenschaftlichen Redlichkeit seines Vorgehens bewusst beiseitegeschoben habe. Nicht nachvollziehbar sei zudem der Versuch der Rechtfertigung handwerklicher Fehler mit der oberflächlichen Übernahme handschriftlicher Notizen aus dem Bundesarchiv. Tatsächlich handle es sich bei den übernommenen Fremdtexten nämlich um zwei frei im Internet abrufbare Beiträge. Insofern sei auch der Vorwurf einer absichtlichen Täuschung unter Umständen nicht von der Hand zu weisen. Ohne Täuschungsabsicht kaum zu erklären sei auch, dass der praktisch durchgehend plagiierte Teil (S. 29 – 42) lediglich durch ein wörtliches Zitat von einer dreiviertel Seite unterbrochen werde (S. 34). Wenn dort Anführungszeichen gesetzt würden, gebe es für den Verzicht im übrigen Teil keine andere wirklich plausible Erklärung, als den Versuch, den Gutachtern zu suggerieren, die vorangehenden und die folgenden Abschnitte seien nicht wortwörtlich übernommen worden. Ungeachtet einer Täuschungsabsicht sei dem Kläger jedoch entgegenzuhalten, dass er habe wissen müssen, nicht rund 30% einer medizinhistorischen Arbeit mit der wörtlichen Übernahme zweier Fremdtexte ohne Setzung von Anführungszeichen bestreiten zu können.
Die Unkenntnis der Gutachter über die Qualität und Quantität der nicht ausreichend gekennzeichneten wörtlichen Übernahme sei für die Verleihung des Doktorgrades auch ursächlich gewesen, da bei Kenntnis der wahren Umstände eine Verleihung des Doktorgrades nicht erfolgt wäre. Sowohl der Erst- als auch der Zweitgutachter hätten in ihren Stellungnahmen vom 1. und 4. April 2014 jeweils dargelegt, dass sie bei der Korrektur nicht erkannt hätten, dass wörtliche Zitate nicht hinreichend kenntlich gemacht worden seien. Insbesondere der Erstgutachter habe betont, dass er die Dissertation bei Kenntnis der Verstöße nicht angenommen hätte.
Auch der Einwand der mangelnden Betreuung greife nicht durch, da sowohl der Erstgutachter als auch der Kläger selbst dargelegt hätten, dass mehrfach mündliche Besprechungstermine stattgefunden hätten. Nach den plausiblen Angaben des Erstgutachters seien auch die wissenschaftlichen Zitierregeln Gegenstand der Kommunikation gewesen.
Der Promotionsausschuss sei daher nach eingehender Beratung und sorgfältiger Abwägung aller Umstände, insbesondere auch der sich für den Kläger aus dieser Entscheidung möglicherweise ergebenden beruflichen und gesellschaftlichen Erschwernisse, zu der Überzeugung gelangt, dass der wissenschaftliche Rang und das akademische Interesse der Beklagten im Allgemeinen und der Medizin im Besonderen gegenüber dem beruflichen und gesellschaftlichen Interesse des Klägers an der Beibehaltung des Doktortitels überwögen.
Die Rückforderung der verliehenen Doktorurkunde beruhe auf Art. 52 BayVwVfG.
II.
Gegen diesen Bescheid ließ der Kläger am 22. Juli 2015 Klage erheben.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Die Entziehung des Doktortitels sei bereits deshalb rechtswidrig, da die Rücknahmefrist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG abgelaufen sei. Die Beklagte habe seit Anfang des Jahres 2014 Kenntnis derjenigen Tatsachen gehabt, aus denen sich die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes ergäbe. Selbst wenn man hinsichtlich des Fristbeginns erst auf den Zeitpunkt des Abschlussberichts der Ständigen Kommission zur Untersuchung wissenschaftlichen Fehlverhaltens vom 23. Juni 2014 abstellen würde, wäre die Rücknahmefrist zum Zeitpunkt der Bescheidszustellung bereits abgelaufen gewesen.
Darüber hinaus fehle es an einer Täuschung seitens des Klägers. Die bloße Tatsache, dass eine bestimmte Anzahl an nicht ordnungsgemäß offengelegten bzw. wörtlich zitierten Quellen gegeben sei, bedeute nicht, dass ein planmäßiges Vorgehen vorliege. Unstreitig seien dem Kläger Fehler bei der Zitierung und Quellenangabe unterlaufen, diese seien aber keinesfalls absichtlich oder gar planmäßig von ihm begangen worden. Der Kläger sei, wie sich bereits aus seinem Lebenslauf bei Einreichung der Dissertation ergebe, ab Januar 2005 vollberuflich tätig gewesen sei. Die Dissertation habe er bereits im Jahr 2003 begonnen. Dabei habe er zugegebenermaßen ein eigenwilliges Verfahren gewählt und sämtliche für ihn relevanten Textpassagen, gleich ob diese aus dem Bundesarchiv oder aus Büchern oder Internet-Quellen stammten, handschriftlich herausgeschrieben. Bei der Fertigstellung der Dissertation sei ihm dann aufgrund des bereits erheblich lange zurückliegenden Zeitraumes nicht mehr bewusst gewesen, dass er entsprechende Passagen seinerzeit nicht selbst formuliert, sondern diese wörtlich aus dem Quellentext abgeschrieben habe. Mangels Rüge und Hinweis durch den Doktorvater oder den Zweitkorrektor habe der Kläger aufgrund der vollberuflichen Tätigkeit keine nochmalige Überprüfung der Quellen und Literaturangaben vorgenommen, da er keinen Fehler bemerkt habe.
Ein solcher Hinweis hätte ihm jedoch erteilt werden müssen. So habe der Doktorvater Prof. Dr. F. bereits mit Schreiben vom 9. März 2007 festgestellt, dass der Kläger mit der wissenschaftlichen Zitier- und Arbeitsweise erhebliche Probleme habe, ihm gleichzeitig aber mitgeteilt, dass er mit den Ergebnissen der Arbeit einverstanden sei, und sich darauf beschränkt, dem Kläger lediglich Merkblätter für die vermeintlich richtige Erstellung zu übergeben. Eine stichpunktartige detaillierte Kontrolle sei aber offensichtlich unterblieben. Insoweit seien die Einlassungen von Prof. Dr. F. in seiner Stellungnahme vom 4. April 2014 nicht glaubhaft, worin er behaupte, dass ihm der Umfang der Zitierverstöße nicht bekannt gewesen sei. Dies sei bereits insoweit widersprüchlich, als er in dem Schreiben gleichzeitig ausführe, dass Art und Umfang des schwachen Literaturstudiums sowie die summarische Zitierung zur Notengebung „rite“ wesentlich mit beigetragen habe. Prof. Dr. F. könne nicht einerseits angeben, er habe aufgrund fehlerhaft summarischer Zitierung eine entsprechende Notengebung veranlasst und gleichzeitig angeblich zahlreiche Zitierverstöße nicht bemerkt. Der Zweitkorrektor habe in seinem Votum zur Dissertation vom 15. September 2008 diverse fehlerhafte Angaben im Literaturverzeichnis schon bei oberflächlicher Durchsicht erkannt und dem Kläger vor der Veröffentlichung eine nochmalige Durchsicht zur Auflage machen wollen. Gleichwohl sei dem Kläger eine solche Auflage nicht gemacht worden, obwohl dies zeitlich möglich gewesen wäre. Bezeichnend sei auch, dass der Zweitkorrektor in seiner Stellungnahme vom 1. April 2014 selbst davon ausgehe, dass der Kläger die geltenden Zitierstandards nicht gekannt habe und es ihm leicht gewesen wäre, die Dissertation mit einem Arbeitsaufwand von wenigen Stunden unter Berücksichtigung der tatsächlich anzuwendenden Zitierstandards zu berichtigen. Der Zweitkorrektor habe auch ausgeführt, dass er eine solche Unkenntnis gerade bei Medizinstudenten, die geisteswissenschaftliches Arbeiten lediglich aus der Schulzeit kennen würden, häufig vorgefunden habe. Weiterhin habe der Zweitkorrektor zu erkennen gegeben, dass es bei den beanstandeten Passagen im Wesentlichen um solche gehe, bei denen klar erkennbar sei, dass kein eigener Sachvortrag des Klägers stattfinde. Auch hätte sich die Notengebung über eine Korrekturauflage hinaus nicht verändert, da es sich bei den betreffenden Kapiteln für den Leser erkennbar nicht um bewertungsrelevante eigene Forschungsleistungen, sondern lediglich um die Zusammenfassung der Forschungsergebnisse anderer handle.
Zudem habe der Kläger angeboten, entsprechende Zitier- und Quellenfehler im Sinne der Nachbesserung zu beheben, woran er weiterhin ausdrücklich festhalte.
Der Kläger lässt beantragen,
den Bescheid der Beklagten vom 16. Juni 2015 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wurde seitens der Beklagten im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger verkenne bei seinen Ausführungen zur Verfristung, dass das Verfahren vor der Ständigen Kommission zur Untersuchung wissenschaftlichen Fehlverhaltens ein dem Verfahren des Promotionsausschusses vorgeschaltetes Verfahren darstelle, das mit einer reinen Entscheidungsempfehlung an diesen im Abschlussbericht vom 23. Juni 2014 geendet habe. Zuständiges Gremium für die Entzugsentscheidung sei im Anschluss daran der Promotionsausschuss, der sodann detailliert in die Prüfung einsteige und den eigentlichen Entzug aufgrund eigener Sachverhaltsaufklärung und in eigener Ermessensausübung prüfe. Das Prüfverfahren gegen den Kläger und damit die Willensbildung innerhalb der Beklagten sei daher keineswegs mit dem Abschlussbericht der der Ständigen Kommission zur Untersuchung wissenschaftlichen Fehlverhaltens vom 23. Juni 2014 beendet gewesen, sondern sei sodann in die zweite Phase vor dem zuständigen Gremium Promotionsausschuss getreten. Dieses Verfahren habe am 15. April 2015 mit der Anhörung des Klägers geendet, woraufhin der Beschluss über den Entzug des Doktortitels gefasst worden sei. Von Verfristung könne daher keine Rede sein, da die Jahresfrist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG nach herrschender Meinung eine reine Entscheidungsfrist sei, die erst ab Entscheidungsreife des Falles zu laufen beginne.
Das Vorliegen einer Täuschung werde seitens der Gegenseite missverständlich in den Vordergrund gedrängt. Zwar habe der Promotionsausschuss und vorab auch die Ständige Kommission zur Untersuchung wissenschaftlichen Fehlverhaltens das Vorliegen einer Täuschungsabsicht nicht gänzlich ausgeschlossen, dennoch liege der wesentliche Vorwurf im Vorliegen einer durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführten wissenschaftlichen Fehlleistung, die die Bagatellgrenze überschreite.
Die Tatsache, dass der Erstgutachter Prof. Dr. F. den Kläger auf wissenschaftliche Zitierregeln hingewiesen, diese jedoch vor Abgabe der Dissertation nicht mehr überprüft habe, könne das grob fahrlässige wissenschaftliche Fehlverhaltens nicht rechtfertigen. Jeder Doktorand, der durch seine Dissertation die besondere Befähigung zur selbstständigen wissenschaftlicher Arbeit nachweisen wolle, sei selbst für den Zustand seiner Arbeit und etwaiger Plagiate verantwortlich. Die Kenntnis elementarer Regeln dürfe unterstellt werden. Der Betreuer einer Dissertation sei kein Dienstleister, der für den Doktoranden Fußnoten zu überprüfen oder zu ergänzen hätte, zumal Plagiate meist nur schwer und mit erheblichem Aufwand zu erkennen seien.
Eine Rückgabe der Dissertation zur Nachbesserung sei nach § 7 Abs. 2 PromO lediglich im noch laufenden Promotionsverfahren vorgesehen. Als Sanktion im Entzugsverfahren erscheine sie ungeeignet, da eine solche Option eine unerwünschte Präzedenzwirkung dergestalt hätte, dass sich Nachlässigkeit im Dissertationsverfahren etablierten, da die Folgen nicht merklich spürbar seien.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte mit der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 19. Juli 2017 und der beigezogenen Behördenakte verwiesen.
1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 16. Juni 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1.1 Die Beklagte hat den Entzug des Doktorgrades zutreffend auf § 11 Abs. 5 PromO i.Vm. Art. 69 BayHSchG i.V.m. Art. 48 BayVwVfG gestützt.
Gem. § 11 Abs. 5 PromO richtet sich die Entziehung des Doktorgrades nach Art. 69 BayHSchG. In Art. 69 BayHSchG ist zwar (explizit) nur die Entziehung des Doktorgrades wegen nachträglicher Unwürdigkeit geregelt. Durch den Hinweis, dass die Regelung „unbeschadet des Art. 48 des Bayerischen Verwaltungs- und Verfahrensgesetzes“ gilt, ist jedoch klargestellt, dass für die Rücknahme eines rechtswidrig zuerkannten Doktortitels die allgemeine Verfahrensvorschrift des Art. 48 BayVwVfG zur Anwendung kommen soll (BayVGH, U.v. 4.4.2006 – 7 BV 05.388 – juris, Rn. 11). Diese genügt auch bei der Rücknahme einer Promotionsentscheidung dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetztes (BVerwG, B.v. 20.10.2006 – 6 B 67/06 – juris, Rn. 4).
1.2. Der streitgegenständliche Bescheid ist formell rechtmäßig.
Der Promotionsausschuss war gem. Art. 20 Abs. 2 Satz 1, 69 Satz 2, 64 Abs. 1 Satz 5 BayHSchG i.Vm. § 11 Abs. 5 PromO für die Entziehung des Doktorgrades zuständig. Die gem. Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG erforderliche Anhörung des Klägers ist erfolgt. Das Entzugsverfahren ist auch ansonsten formell ordnungsgemäß durchgeführt worden; Verfahrensfehler sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
1.3. Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen, unter denen ein Doktorgrad nach § 11 Abs. 2 bis 5 PromO i.V.m. Art. 69 BayHSchG i.V.m. Art. 48 BayVwVfG entzogen werden kann, liegen vor.
1.3.1. Die Verleihung des Doktorgrades an den Kläger war rechtswidrig. Die Promotionsschrift des Klägers stellt keine selbstständige wissenschaftliche Arbeit i.S.d. Art. 64 Abs. 1 Satz 1 BayHSchG, § 6 Satz 1 PromO dar.
Aus dem Begriff der selbständigen wissenschaftliche Leistung folgt, dass fremde geistige Hervorbringungen, die zulässigerweise in der Dissertation verwertet werden, als solche in einer Weise zu kennzeichnen sind, dass der Leser ohne eigenen Aufwand wie das Nachschlagen von Zitaten in die Lage versetzt wird, fremde geistige Hervorbringungen in der Dissertation zuverlässig von eigenen geistigen Hervorbringungen des Verfassers der Dissertation zu unterscheiden. Ein Zitat darf beim Leser keine Fehlvorstellungen darüber hervorrufen, welchen Umfang es abdeckt (OVG Lüneburg, U.v. 15.7.2017 – 2 LB 363/13 – juris, Rnrn. 104 und 110). Diesen grundlegenden Anforderungen wissenschaftlichen Arbeitens ist der Kläger nicht nachgekommen.
Unstreitig hat der Kläger im dritten und vierten Kapitel seiner Dissertation auf den Seiten 29 bis 42 und 45 bis 46 umfangreiche wörtliche Zitate nicht durch das Setzen von Anführungszeichen oder auf sonstige Weise als wörtliche Zitate gekennzeichnet, sondern lediglich in Fußnoten, meist am Ende eines Absatzes, auf die jeweilige Quelle verwiesen. Das dritte Kapitel der Arbeit (S. 29 – 42), das auch im Titel genannt ist, besteht nahezu vollständig aus einer weitgehend wörtlichen Übernahme von Textpassagen aus zwei Fremdtexten, was jedoch durch das lediglich gelegentliche Setzen von Fußnoten am Ende von Absätzen verschleiert wird. Für den Leser wird dadurch der (falsche) Eindruck erweckt, dass es sich um einen Text des Klägers handle und die verwendeten Formulierungen von ihm selbst herrührten und das Ergebnis seiner eigenen wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema seien. Dieser Anschein wird durch den gelegentlichen Verweis auf die beiden Fremdtexte in Fußnoten nicht entkräftet. Jedenfalls dann, wenn mehr als nur einzelne Sätze dem Wortlaut nach aus Fremdtexten entnommen werden, sind wortlautgetreue Übernahmen – etwa durch das Setzen in Anführungszeichen oder einen ausdrücklichen Hinweis auf die wortlautgetreue Fremd-entnahme in der Fußnote – als solche kenntlich zu machen. Andernfalls wird bei dem Leser die Fehlvorstellung erzeugt, hier setze sich der Verfasser mit eigenen Worten mit fremden Texten auseinander, wohingegen er tatsächlich nur abschreibt (VG Bremen, B.v. 4.6.2013 – 6 V 1056/12 – juris, Rn. 48 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Die Verwendung von Fremdtexten ist auch dann hinreichend kenntlich zu machen, wenn es sich um Textpassagen handelt, in denen keine eigenen Wertungen angestellt oder selbstständige Gedankengänge entwickelt werden, sondern lediglich eine Zusammenfassung historischer oder rein tatsächlicher Geschehensabläufe oder Umstände erfolgt. Auch die Aufbereitung und Vermittlung vorgegebener Gegebenheiten kann eine anerkennenswerte wissenschaftliche Leistung darstellen. Überdies wird jeder Prüfer voraussetzen, dass ein Doktorand eine selbstständige Zusammenfassung „in eigenen Worten“ vornimmt und nicht wortwörtlich ganze Abschnitte anderer Autoren übernimmt (VG Bremen, B.v. 4.6.2013 – 6 V 1056/12 – juris, Rn. 46).
Die vom Kläger eingeräumte, etwa 30 Prozent seiner Dissertation betreffende Kennzeichnung längerer wortwörtlicher Zitate allein durch gelegentliche Fußnoten war demnach unzureichend und irreführend und führt dazu, dass die Arbeit nicht mehr als selbständige wissenschaftliche Leistung i.S.v. Art. 64 Abs. 1 BayHSchG, § 6 Satz 1 PromO angesehen werden kann.
1.3.2. Der Kläger hat auch eine Täuschung im Promotionsverfahren i.S.v. § 11 Abs. 2 PromO begangen.
Während Art. 48 Abs. 3 BayVwVfG nur die objektive Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes voraussetzt, knüpfen die § 11 Abs. 2 bis 4 PromO an das Vorliegen einer Täuschung bzw. ein vorsätzliches Verhalten an. Zwar hat die Beklagte den Entzug des Doktorgrades lediglich auf ein grob fahrlässiges wissenschaftliches Fehlverhalten des Klägers gestützt. Es kann jedoch dahin stehen, ob dies den Entzug trägt, denn das Vorgehen des Klägers ist als vorsätzliche Täuschung zu werten.
Mit der Vorlage seiner Dissertation hat der Kläger konkludent erklärt – und in seiner ehrenwörtlichen Erklärung vom 1. Mai 2007 auch ausdrücklich versichert – dass es sich dabei um eine selbstständige wissenschaftliche Leistung handelt. Entgegen dieser Erklärung hat er jedoch billigend in Kauf genommen, dass ein erheblicher Teil seiner Arbeit aus nicht als solche gekennzeichneten wörtlichen Fremdtextübernahmen besteht und ihm diese von den Gutachtern und dem Promotionsausschuss irrtümlich als eigene wissenschaftliche Leistung zugeschrieben werden.
Mit seiner Einlassung, er habe bei der Fertigstellung seiner Dissertation im Jahr 2008 nicht mehr gewusst, ob es sich bei seinen handschriftlichen Notizen aus dem Jahr 2003 um wortwörtliche Auszüge aus Quellen oder eigenen Zusammenfassungen der Quellen handelte, eine entsprechende Überprüfung aber aufgrund einer beruflichen Überlastung unterlassen, hat der Kläger selbst eingeräumt, es zumindest billigend in Kauf genommen zu haben, dass ein erheblicher Teil seiner Arbeit aus einer nicht ausreichend gekennzeichneten wortwörtliche Übernahme von Fremdtexten besteht. Das Vorliegend eines bedingten Täuschungsvorsatzes, der in Anlehnung an den Täuschungsbegriff in § 263 StGB ausreichend ist, ist damit belegt.
Auch soweit der Kläger behauptet, die Zitierregeln nicht gekannt zu haben, schließt dies den bedingten Vorsatz nicht aus. Ein Doktorand, der sich nicht über die Grundregeln wissenschaftlichen Arbeitens informiert, hält es zumindest für möglich und nimmt es billigend in Kauf, nicht korrekt zu zitieren und damit über den Umfang der eigenen geistigen Leistung zu täuschen (VG Hannover, U.v. 3.11.2016 – 6 A 6114/13 juris, Rn. 40). Überdies musste auch dem Kläger klar gewesen sein, dass es dem Gebot der wissenschaftlichen Redlichkeit widerspricht, 30 Prozent einer Dissertation wortwörtlich aus Fremdtexten zu übernehmen und dies nicht hinreichend kenntlich zu machen.
Durch seine irreführende Zitierweise hat der Kläger bei den beiden Gutachtern sowie dem für die Durchführung des Promotionsverfahrens zuständigen Promotionsausschuss auch einen Irrtum darüber hervorgerufen, dass es sich bei einem erheblichen Teil der Arbeit um eine wörtliche Übernahme von Fremdtexten und keine eigene Leistung des Klägers handelt. Dieser Irrtum war für die Verleihung des Doktorgrades auch kausal, denn dieser wäre ihm sonst für die vorgelegte Arbeit nicht zuerkannt worden. Es kommt hierbei nicht darauf an, ob der Kläger für die eingereichte Dissertation ohne die beanstandenden Seiten oder bei jeweils ordnungsgemäß gekennzeichneter wörtlicher Zitierung der Doktorgrad noch verleihen worden wäre – was angesichts des erheblichen, rund 30 Prozent der Arbeit ausmachenden Umfangs wörtlicher Fremdtextübernahmen und der erfolgten Notengebung ohnehin äußerst fraglich erscheint. Derartige hypothetische Erwägung finden nicht satt. Es ist für die Ursächlichkeit der vom Kläger begangenen Täuschung nicht von Bedeutung, ob ihm für eine andere Arbeit, als er tatsächlich vorgelegt hat, der Doktorgrad verliehen worden wäre (VG Freiburg, U.v. 23.5.2012 – 1 K 58/12 – juris, Rn. 44)
1.3.3. Die Rücknahme des Doktorgrades ist auch ermessensfehlerfrei (§ 114 VwGO).
Die Beklagte ist von einer vollständig ermittelten Tatsachengrundlage ausgegangen und hat alle widerstreitenden Interessen gewürdigt und gegeneinander abgewogen. Dabei ist es ist nicht zu beanstanden, dass der wissenschaftlichen Rang und das akademische Interesse der Beklagten im Allgemeinen und der Medizin im Besonderen höher bewertet wurden als die beruflichen und gesellschaftlichen sozialen Folgen für den Kläger.
Auf Vertrauensschutz kann sich der Kläger gem. Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 BayVwVfG nicht berufen, da er die Verleihung des akademischen Grades „Dr. med. dent.“ durch eine bewusste Täuschung über die selbständige Erstellung der Promotionsschrift erwirkt hat, was ein arglistiges Vorgehen darstellt (vgl. BayVGH, B.v. 5.2.2016 – 7 ZB 15.1073 – juris, Rn. 9).
In Anbetracht des erheblichen Umfangs der Zitierverstöße musste auch keine Nachbesserung der Arbeit als gegenüber der Entziehung milderes Mittel erwogen werden. Dies kommt allenfalls bei Bagatellvergehen in Betracht.
Soweit der Kläger einen Ermessensfehler darin sieht, dass die Beklagte es nicht ausreichend berücksichtigt habe, dass sowohl der Doktorvater als auch der Zweitkorrektor erkannt und auch in die Notengebung mit einfließen lassen hätten, dass der Kläger mit der wissenschaftlichen Zitier- und Arbeitsweise erhebliche Probleme habe, jedoch keine stichpunktartige detaillierte Kontrolle der Arbeit vorgenommen und dem Kläger trotz gesehener Mängel auch keinen Hinweis auf Überprüfung der Zitierregeln oder nochmalige Durchsicht zur Auflage gemacht hätten, vermag er damit nicht durchzudringen. Die von den Gutachten festgestellten und monierten Mängel in Form von fehlerhaften Angaben im Literatur- und Abkürzungsverzeichnis gaben keinen Anlass, die Arbeit in Bezug auf eine nicht ordnungsgemäße Kenntlichmachung wörtlicher Zitate zu überprüfen. Auch wurden dem Kläger unstrittig Merkblätter für die korrekte Zitierweise von seinem Doktorvater überreicht. Eine Verletzung der wissenschaftlichen Betreuungspflicht lässt sich insoweit nicht feststellen und würde den Kläger im Übrigen auch nicht von seiner eigenen Verantwortung für die Einhaltung grundlegender Zitierregeln entlasten.
1.3.4. Die Rücknahmemöglichkeit war auch nicht verfristet.
Die Jahresfrist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG musste nicht gewahrt werden. Sie findet gemäß Art. 48 Abs. 4 Satz 2 BayVwVfG i.V.m. Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 BayVwVfG keine Anwendung, wenn der Verwaltungsakt – wie hier – durch arglistige Täuschung erwirkt wurde. Abgesehen davon, wäre die Jahresfrist zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses noch nicht verstrichen gewesen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der für die Entscheidung zuständige Amtswalter – hier der Promotionsausschuss – vollständige Kenntnis aller für die Rücknahme entscheidungserheblichen Tatsachen erlangt, was erst mit der Anhörung des Klägers vor dem Promotionsausschuss am 15. April 2015 der Fall war.
1.3.5. Als rechtmäßig erweist sich auch die in Ziffer 2 des Bescheides verfügte Rückgabe der Promotionsurkunde nach Unanfechtbarkeit des Bescheides. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 11 Abs. 4 Satz 2, Abs. 5 PromO i.V.m. Art. 52 Satz 1 BayVwVfG.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.