Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 03. Sept. 2018 - W 3 E 18.1105

bei uns veröffentlicht am03.09.2018

Tenor

I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Der am … 2012 geborene Antragsteller soll mit Beginn des Schuljahres 2018/2019 in die Grundschule K. eingeschult werden. Bei dem Antragsteller wurde u.a. ein Asperger-Autismus (ICD-10: F 84.5) festgestellt.

Der Antragsteller hatte am 24. Mai 2018 im Verfahren W 3 K 18.694 Untätigkeitsklage gegen den Antragsgegner erhoben mit dem Ziel, Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII in Form einer Schulbegleitung ab Beginn des Schuljahrs 2018/2019 zu bewilligen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen: Der Antragsteller gehöre zum Personenkreis derjenigen, die von einer dauerhaften seelischen Behinderung betroffen seien. Aufgrund der bevorstehenden Einschulung des Antragstellers und wegen der damit aufgrund seiner Behinderung verbundenen und vor allem absehbaren Schwierigkeiten hätten die Eltern des Antragstellers Anfang Januar das Jugendamt des Antragsgegners um Prüfung einer Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche in Form der Schulbegleitung gebeten. Zwischenzeitlich seien dem Antragsgegner angeforderte Unterlagen vorgelegt worden, insbesondere zwei Stellungnahmen der Universitätsklinik Würzburg - Zentrum für psychische Gesundheit - vom 16. November 2017 und vom 16. März 2018. Ferner sei eine Stellungnahme des bislang vom Antragsteller besuchten Kindergartens und der Grundschule K. als aufnehmender Schule vorgelegt worden. Eine Reaktion des Antragsgegners sei noch nicht erfolgt, so dass Untätigkeitsklage geboten sei. Der Antragsteller habe einen Anspruch auf die Bewilligung der beantragten Eingliederungshilfe.

Der Antragsgegner beantragte im Hauptsacheverfahren Klageabweisung und führte aus: Es sei bereits durch das Jugendamt festgestellt worden (Feststellung vom 6.4.2018), dass bei dem Antragsteller eine Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei. Die Feststellung des Bedarfs für einen Schulbegleiter sei jedoch erst final nach Prüfung im Kontext des Teilhabebereichs Schule möglich. Das Jugendamt plane in der ersten Juliwoche jeden Jahres die Einsätze von Schulbegleitern mit den von ihm beauftragten Trägern der Schulbegleitungen. Hier werde der Antragsteller auch unter Vorbehalt bereits vorgesehen, um nach tatsächlicher Feststellung des Teilhabeergebnisses für den Bereich Schule bei positiver Bedarfsfeststellung keine Nachteile entstehen zu lassen. In der Regel sei hierfür nach der ersten Schulwoche ein Schulbericht nach Echterfahrungen und auch die noch fehlende Passage der Elterneinschätzung einzubeziehen, um einen kompetenten kind- und bedarfsgerechten Eingliederungsumfang festlegen zu können. Die Sachentscheidung könne erst nach Prüfung der Teilhabebeeinträchtigung im Kontext des Teilhabebereichs Schule abschließend getroffen werden. Im Rahmen dessen sei ein Eingliederungshilfebedarf nach § 35a SGB VIII in Tiefe und Breite zu prüfen, was erst nach der Einschulung möglich sei, da zu diesem Zeitpunkt erst der Kontext Schule mit Klasse, Klassengröße, Zusammensetzung der Klassengruppe, Beziehung zu den Sozial- und Interaktionspartnern und Erfahrungshintergrund der Klassenlehrer/in sichtbar werde. Außerdem müssten auch im Hinblick auf § 10 Abs. 1 SGB VIII die schulischen Unterstützungsmöglichkeiten im Einzelfall in Betracht gezogen werden. Der Antragsteller habe im Kindergarten keinen Integrationshelfer oder sonstige individuelle Helfersysteme zur Seite gestellt bekommen. Nach Auswertung des vorliegenden Berichts könne im vorliegenden Fall nicht von der Notwendigkeit eines sofortigen Einsatzes eines Schulbegleiters ab dem ersten Schultag ausgegangen werden.

Am 22. August 2018 beantragte der Antragsteller, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die beantragte Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII in Form einer Schulbegleitung für die Zeit ab dem 11. September 2018 bis 28. September 2018 zu bewilligen.

Nach Auskunft des Gerichts sei mit einer Entscheidung in der Hauptsache vor Schuljahresbeginn nicht zu rechnen, so dass der Antrag erforderlich sei, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller zu vermeiden. Es werde nochmals auf die ärztliche Stellungnahme vom 16. März 2018 verwiesen. Aus dieser gehe klar hervor, dass der Antragsteller aufgrund seiner unstreitig bestehenden Autismus-Spektrums-Störung bei einer Einschulung ohne Schulbegleitung mit erheblichen Problemen und Konflikten rechnen müsse und bestehende Erfolge in der Behandlung dieser Störung gefährdet werden würden. Der Antragsgegner wolle erst nach Schulbeginn und einer Hospitation entscheiden, ob und in welchem Umfang eine Schulbegleitung bewilligt werde. Wenn man dem Standpunkt des Antragsgegners folgen würde, würden die schon nach der ersten Schulwoche aufgrund des dargestellten vermutlichen Ablaufs auftretenden Probleme des Antragstellers zwingend die Installation einer Schulbegleitung erforderlich machen. Wenn es dem Antragsteller und seinen Eltern nur um den Erfolg der Klage ginge, würde es völlig ausreichen, die erste Woche abzuwarten, weil dann eine Situation bestünde, die eine umfassende und längerfristige Schulbegleitung unausweichlich erscheinen lasse. Die Probleme und Schwierigkeiten entstünden durch den Neuanfang, deshalb sei für den Neuanfang die Schulbegleitung so wichtig. Ohne Schulbegleitung vom ersten Tag an sei mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass Dauer und Intensität der Schulbegleitung in weit höherem Umfang anfallen würden, als wenn von Beginn an eine Schulbegleitung viele Probleme erst gar nicht entstehen lasse. Nach den Ausführungen des Antragsgegners in der Klageerwiderung vom 20. Juni 2018 sei nach der ersten Schulwoche ein Schulbericht nach Echterfahrungen und auch noch die fehlende Passage in der Elterneinschätzung einzubeziehen, um einen fachlich kompetenten, kind- und bedarfsgerechten Eingliederungsumfang festlegen zu können. Berücksichtige man dann noch einen gewissen Prüfungszeitraum, erscheine es zunächst ausreichend, eine Regelung für die ersten drei Schulwochen zu treffen, um schwere Nachteile für den Antragsteller zu vermeiden und ohne eine Entscheidung in der Hauptsache vorweg zu nehmen.

Der Antragsgegner beantragte,

den Antrag abzulehnen.

Ein Anordnungsanspruch bestehe nur, wenn der Antragsteller einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Gewährung seines Begehrens glaubhaft machen könne. Diesbezüglich werde auf die Ausführungen in der Klageerwiderung vom 20. Juni 2018 verwiesen. Es sei nicht glaubhaft gemacht, dass ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung nicht zumutbar sei. Das standardisierte Vorgehen im Amt für Jugend und Familie des Landkreises Würzburg sehe vor, dass innerhalb der ersten Schultage (üblicherweise innerhalb der ersten sieben Unterrichtstage) durch den zuständigen Bezirkssozialarbeiter an der Grundschule des betreffenden Kindes eine Unterrichtshospitation durchgeführt werde. Wenn der Sozialpädagoge nach eigener Beobachtung zu dem Ergebnis komme, dass eine Schulbegleitung gemäß § 35a SGB VIII notwendig sei, werde dieser sich unverzüglich mit dem zuständigen Fachdienst für ambulante Eingliederungshilfe des Amtes für Jugend und Familie in Verbindung setzen. Sobald die notwendigen Unterlagen sowie die persönliche Einschätzung des Sachbearbeiters der zuständigen Fachkraft für ambulante Eingliederungshilfe vorliege, werde diese sich mit einem Träger für Schulbegleitung in Verbindung setzen und diesen auffordern, eine Schulbegleitung für das betreffende Kind zu organisieren. In der Regel könne dann innerhalb weniger Werktage eine ambulante Eingliederungshilfe ihren Dienst aufnehmen. Der Beginn der Eingliederungshilfe sei unabhängig vom darauf folgenden Hilfeplanverfahren.

Die Antragstellerseite erwiderte hierauf, der Antragsgegner gehe in keiner Weise darauf ein, dass der Antragsteller als Autist zu Beginn einer neuen Lebenssituation auf eine Schulbegleitung angewiesen sei. Stattdessen verweise er nur auf sein standardisiertes Verfahren. Selbst bei optimalem Ablauf würde aufgrund der Beteiligung unterschiedlicher Personen eine Schulbegleitung nicht vor Ablauf von zwei Wochen ihre Tätigkeit aufnehmen können. In dieser Zeit sei der Antragsteller komplett auf sich allein angewiesen. Sämtliche bisher überreichten ärztlichen Berichte, die Stellungnahmen des Kindergartens und der Schule sowie die in Bezug genommene Fachliteratur verwiesen demgegenüber darauf, dass ein Autist, wie der Antragsteller, gerade in dieser Zeit auf eine ihn führende und unterstützende Begleitung angewiesen sei. Ohne diese Begleitung würde sich sein Zustand wesentlich verschlechtern. Außerdem werde noch einmal auf den Schriftsatz vom 11. Juli 2018 im Hauptsacheverfahren hingewiesen, wo bisher unwidersprochen vorgetragen worden sei, dass im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners Schulbegleitungen für Autisten ab Schulbeginn bewilligt worden seien. Der Erwiderung war eine eidesstattliche Versicherung der Eltern des Antragstellers beigefügt, in welcher diese versichern, sie seien sich sicher, dass ihr Sohn … größte Schwierigkeiten haben werde, wenn er ohne Schulbegleitung eingeschult werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung - vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen - um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gefahr zu verhindern oder aus anderen Gründen notwendig erscheint (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Der Antragsteller hat sowohl die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, den sog. Anordnungsgrund, als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts, den sog. Anordnungsanspruch, glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

Dabei entspricht es dem Wesen der einstweiligen Anordnung, dass es sich um eine vorläufige Regelung handelt und der Antragsteller nicht bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes das erhalten soll, worauf sein Anspruch in einem Hauptsachverfahren gerichtet ist; das Verfahren der einstweiligen Anordnung soll also nicht die Hauptsache vorweg nehmen. Das grundsätzliche Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache gilt im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG jedoch dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn die zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar wären und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht (vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2016 - 12 CE 16.66 - BeckRS 2016, 44855, Rn. 4; B.v. 18.2.2013 - 12 CE 12.2104 - juris Rn. 38; W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 123 Rn. 14).

Auch wenn der Antragsteller seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt hat, begehrt er der Sache nach die teilweise Vorwegnahme der Hauptsache. Es liegt auf der Hand, dass die Verpflichtung des Antragsgegners zum Stellen eines Schulbegleiters sofort zum Beginn des neuen Schuljahres das eigentliche Begehren des Antragstellers jedenfalls für einen Zeitraum von drei Wochen vorwegnehmen würde. Es kommt daher zur Anwendung der vorstehend dargelegten Grundsätze.

Nach der im Sofortverfahren nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung erscheint derzeit zweifelhaft, ob ein Anordnungsanspruch vorliegt. Darüber hinaus wurde ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.

Nach § 35a Abs. 1 Satz 2 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII) haben Kinder oder Jugendliche Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn

1. ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht und

2. daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.

Aufgrund der vorliegenden Stellungnahmen des Universitätsklinikums Würzburg - Zentrum für psychische Gesundheit - vom 16. November 2017 und 16. März 2018 gehört der Antragsteller zu denjenigen, die aus fachärztlicher Sicht von einer übergreifenden dauerhaften seelischen Behinderung betroffen sind. Es reicht für eine Leistungsbewilligung aber nicht aus, dass ein Facharzt nach § 35a Abs. 1 a SGB VIII die Grundvoraussetzung, also eine Abweichung des Zustandes der seelischen Gesundheit, feststellt. Eingliederungshilfe ist nur zu gewähren, wenn hierdurch die Teilhabe des Betroffenen am Leben in der Gemeinschaft beeinträchtigt oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist. Das Abweichen der seelischen Gesundheit vom Lebensaltertypischen im vorgenannten Sinne muss für diese Teilhabebeeinträchtigung auch kausal sein. Dabei ist eine Teilhabebeeinträchtigung gegebenenfalls auf der Basis von Gutachten nach § 35a Abs. 1 SGB VIII konkret festzustellen. Unter Federführung des Jugendamtes haben ärztliche und sozialpädagogische Fachkräfte nachvollziehbare und gerichtlich überprüfbare Aussagen insbesondere auch darüber zu treffen, welche Lebensbereiche und welches soziale Umfeld von der Teilhabebeeinträchtigung betroffen sind. Erst auf dieser Grundlage kann der Jugendhilfeträger den tatsächlichen aktuellen Hilfebedarf des Betroffenen - wiederum durch Fachkräfte - feststellen und die notwendigen und geeigneten Hilfemaßnahmen auswählen (BayVGH, B.v. 21.1.2009 - 12 CE 08.2731 - Rn. 20, juris).

Bei der Entscheidung über die Notwendigkeit und Geeignetheit einer Maßnahme der Kinder- und Jugendhilfe handelt es sich um das Ergebnis eines kooperativen pädagogischen Entscheidungsprozesses unter Mitwirkung von Fachkräften, welches nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit erhebt, jedoch eine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation enthalten soll. Dem Jugendhilfeträger steht demnach ein Beurteilungsspielraum zu, der nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt. Die Verwaltungsgerichte haben zu prüfen, ob der Jugendhilfeträger die Betroffenen entsprechend den gesetzlichen Vorschriften beteiligt und alle für die Entscheidung relevanten Gesichtspunkte ermittelt hat, wobei die Entscheidung nicht auf sachfremden Erwägungen beruhen darf und fachlich vertretbar und nachvollziehbar sein muss (BayVGH, B.v. 17.6.2004 - 12 CE 04.578 - juris; B.v. 7.8.2003 - 12 C 03.842 - juris; Wiesner in Wiesner, SGB VIII; Kommentar, 5. Aufl. 2015, § 35a Rn. 31 m.w.N.). Zwar können die Verwaltungsgerichte unabhängig von dem der Behörde bei ihrer Entscheidung zustehenden Beurteilungsspielraum die Behörde im Rahmen des § 123 Abs. 3 VwGO zu einer bestimmten Handlung verpflichten, wenn und soweit dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes erforderlich ist. Allerdings sieht das Gericht im vorliegenden Fall keinen Anlass, durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung die Vorgehensweise des Antragsgegners zu korrigieren. Nach Aktenlage ist die Einschätzung des Landratsamts, dass derzeit eine Teilhabebeeinträchtigung des Antragstellers für den Bereich Schule nicht beurteilt werden kann und deshalb eine Entscheidung über die Hilfe erst nach erfolgter Einschulung und einer Begutachtung im Rahmen einer Hospitation sowie der Vorlage des Schulfragebogens erfolgen kann, nicht zu beanstanden. Es kommt auch nicht entscheidungserheblich darauf an, ob in anderen Fällen vom Antragsgegner oder in dessen Zuständigkeitsbereich schon Schulbegleitung vom ersten Schultag an bewilligt worden ist. Denn eine Beurteilung der Teilhabebeeinträchtigung kann immer nur einzelfallbezogen erfolgen. Der Antragsteller hat bisher die Regelgruppe des Kindergartens besucht, ohne dass ihm ein Integrationshelfer zur Seite gestellt war. Auch wenn diesbezüglich von der Antragstellerseite darauf hingewiesen wird, dass nach dem Bericht des Kindergartens dem Antragsteller häufig ein Erzieher zur Seite gestellt worden sei, der ihn bei der sozialen Interaktion beobachtet habe und bei Bedarf hätte intervenieren können, lässt sich diesem Bericht des Kindergartens aber auch entnehmen, dass sich der Antragsteller nach anfänglichen Schwierigkeiten im Kindergarten gut eingewöhnt und positiv entwickelt hat.

Ohne Kenntnis der konkreten Klassensituation (Größe der Klasse, Zusammensetzung, „Kindergartenfreunde“, Lehrkraft etc.) lassen sich deshalb nur Mutmaßungen darüber anstellen, wie der Antragsteller mit der für ihn neuen Situation zurecht kommen wird, ob und in welchem Umfang der Antragsteller Hilfen benötigt und ob und inwieweit diese von der Schule geleistet werden können. Die vorgelegten ärztlichen Unterlagen sowie die Stellungnahmen des Kindergartens und der aufnehmenden Schule lassen keine unabweisbaren Gründe aus medizinischer Sicht erkennen, weshalb beim Antragsteller abweichend vom standardisierten Vorgehen des Antragsgegners und ohne Betrachtung der konkreten Situation vom ersten Schultag an eine Schulbegleitung installiert werden muss. Während in der ärztlichen Stellungnahme vom 16. November 2017 noch „vor dem Hintergrund der anstehenden Einschulung die regelmäßige Überprüfung der notwendigen Unterstützungsmaßnahmen“ empfohlen wird und darauf hingewiesen wird, „gegebenenfalls“ sollte eine Schulbegleitung installiert werden, wird in der Stellungnahme vom 16. März 2018 die Installation eines Schulbegleiters mit Eintritt in die Schule empfohlen. Aus den bisherigen Erfahrungen sei abzuleiten, dass der Antragsteller in der neuen schulischen Situation und dem veränderten sozialen Kontext eine intensive Betreuung benötige, die ihm das neue Umfeld hinsichtlich der räumlichen und organisatorischen Struktur erkläre, Regeln konsequent in Erinnerung rufe, diese umsetze und einsetze. Deshalb und um einem frühen schulischen Scheitern entgegen zu wirken und absehbare negative Interaktionen mit den Lehrkräften abzumildern, werde die Installation eines Schulbegleiters mit Eintritt in die Schule empfohlen. Auch die Stellungnahme der Grundschule K. ist nicht dafür geeignet, Rückschlüsse auf eine konkrete Teilhabebeeinträchtigung des Antragstellers in den ersten Wochen seines Schulbesuchs zu ziehen. Die Stellungnahme ist offensichtlich lediglich auf der Grundlage eines „Schnupperunterrichts“ und der Beobachtungen im Kindergarten erstellt worden. Erfahrungen hinsichtlich der regulären Schulsituation in der künftigen Klasse in ihrer konkreten Zusammensetzung können ihr nicht zugrunde liegen, so dass es sich hier lediglich um Vermutungen, Befürchtungen und Wünsche handelt, die für eine Entscheidung des Antragsgegners nicht ausschlaggebend sein können. Zudem bezieht sich diese Stellungnahme pauschal auf den (vermuteten) Bedarf für die gesamte Grundschulzeit und nicht konkret auf die ersten Wochen nach der Einschulung. Demgegenüber ist der Übergang vom Kindergarten in die Schule für alle „neuen“ Schulkinder eine große Veränderung und ein Einschnitt, dem - neben den Erziehungsberechtigten - auch die Schule mit geeigneten Mitteln (gesteigerte Aufmerksamkeit und geduldige Zuwendung, Hilfestellungen, Erlernen von Regeln und Einübung von Ritualen etc.) begegnen muss. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII werden die Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, durch dieses Buch nicht berührt. Der Vorrang der Schule und auch deren Aufgaben wurden im Gesetz ausdrücklich klargestellt (vgl. Wiesner in Wiesner, Sozialgesetzbuch VIII, 5. Auflage 2015, § 10 Rn. 23 f.).

Damit wird deutlich, dass noch nicht alle Voraussetzungen vorliegen, um die Frage nach einer Teilhabebeeinträchtigung in der Schule in den ersten Wochen nach der Einschulung angemessen beurteilen zu können. Ist also nicht glaubhaft gemacht, dass tatsächlich eine entsprechende Teilhabebeeinträchtigung vorliegen wird, ist auch kein Anordnungsanspruch erkennbar.

Darüber hinaus muss in den Fällen, in denen ein Betroffener die Verpflichtung des Trägers der Jugendhilfe zur Durchführung einer bestimmten Hilfemaßnahme im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erwirken will, dieser darlegen und glaubhaft machen, dass jedenfalls derzeit allein die beanspruchte Hilfemaßnahme zur Deckung des Hilfebedarfs erforderlich und geeignet ist (BayVGH, B.v. 2.8.2011 - 12 CE 11.1180 - juris Rn. 46). Auch dies ist vorliegend nicht erkennbar; selbst wenn man - entgegen den obigen Darstellungen - tatsächlich von einer entsprechenden Teilhabebeeinträchtigung des Antragstellers im Rahmen des Schulunterrichts bis zum 28. September 2018 ausgehen würde, wäre es seitens des Antragstellers nicht glaubhaft gemacht, dass die Stellung eines Schulbegleiters für die gesamte Unterrichtszeit die einzig mögliche und zielführende Maßnahme wäre oder ob dies in zeitlich eingeschränktem Umfang genauso wirksam wäre oder ob andere den Schulbesuch begleitende Maßnahmen in Betracht kommen würden, die wirksamer wären.

Bei dieser Sachlage besteht auch kein Anordnungsgrund. Dieser läge vor, wenn ein Anspruch auf die begehrte Hilfe bestehen würde und ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache für den Antragsteller unzumutbar wäre, weil ansonsten wesentliche Nachteile drohen würden. Wie vorstehend ausgeführt, ist noch nicht eindeutig, ob und inwieweit eine Teilhabebeeinträchtigung in dem Bereich der Schule vorliegt. Es ist auch nicht dargetan und glaubhaft, dass dem Antragsteller wesentliche gesundheitliche oder soziale Beeinträchtigungen drohen, wenn er die Schule zwei bis drei Wochen ohne Einsatz eines Schulbegleiters besuchen muss. Insbesondere die vorgelegten Unterlagen gehen auf diese spezielle Frage nicht dezidiert ein. Der Antragsgegner hat in seinem Schriftsatz vom 24. August 2018 mitgeteilt, dass nach dem standardisierten Vorgehen des Amtes für Jugend und Familie innerhalb kürzester Zeit (wenige Werktage) ein Schulbegleiter organisiert werden kann, wenn sich dies als erforderlich erweist. Dieses Vorgehen, zunächst alle erforderlichen Informationen dann einzuholen, sobald sie eingeholt werden können und damit das Beurteilungsmaterial zu vervollständigen und sodann unverzüglich - soweit erforderlich - über Maßnahmen zu entscheiden, die dem Antragsteller eine angemessene Teilhabe am Schulunterricht ermöglichen, erscheint dem Gericht sachgerecht; dies insbesondere auch unter Berücksichtigung des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war demnach als unbegründet abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 03. Sept. 2018 - W 3 E 18.1105

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 03. Sept. 2018 - W 3 E 18.1105

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(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

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(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten. (2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen. (3) Das Gesuch kann vor der
Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 03. Sept. 2018 - W 3 E 18.1105 zitiert 7 §§.

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Tenor I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 14. Dezember 2015 wird geändert: Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache vor dem Ver

Referenzen

(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn

1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und
2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Von einer seelischen Behinderung bedroht im Sinne dieser Vorschrift sind Kinder oder Jugendliche, bei denen eine Beeinträchtigung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. § 27 Absatz 4 gilt entsprechend.

(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme

1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie,
2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder
3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
einzuholen. Die Stellungnahme ist auf der Grundlage der Internationalen Klassifikation der Krankheiten in der vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte herausgegebenen deutschen Fassung zu erstellen. Dabei ist auch darzulegen, ob die Abweichung Krankheitswert hat oder auf einer Krankheit beruht. Enthält die Stellungnahme auch Ausführungen zu Absatz 1 Satz 1 Nummer 2, so sollen diese vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen seiner Entscheidung angemessen berücksichtigt werden. Die Hilfe soll nicht von der Person oder dem Dienst oder der Einrichtung, der die Person angehört, die die Stellungnahme abgibt, erbracht werden.

(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall

1.
in ambulanter Form,
2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen,
3.
durch geeignete Pflegepersonen und
4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.

(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.

(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.

(1) Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, werden durch dieses Buch nicht berührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Buch entsprechende Leistungen vorgesehen sind.

(2) Unterhaltspflichtige Personen werden nach Maßgabe der §§ 90 bis 97b an den Kosten für Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch beteiligt. Soweit die Zahlung des Kostenbeitrags die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen mindert oder der Bedarf des jungen Menschen durch Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch gedeckt ist, ist dies bei der Berechnung des Unterhalts zu berücksichtigen.

(3) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Zweiten Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 3 Absatz 2, den §§ 14 bis 16g, 16k, § 19 Absatz 2 in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches sowie Leistungen nach § 6b Absatz 2 des Bundeskindergeldgesetzes in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches den Leistungen nach diesem Buch vor.

(4) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Neunten und Zwölften Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 27a Absatz 1 in Verbindung mit § 34 Absatz 6 des Zwölften Buches und Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Neunten Buch für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, den Leistungen nach diesem Buch vor. Landesrecht kann regeln, dass Leistungen der Frühförderung für Kinder unabhängig von der Art der Behinderung vorrangig von anderen Leistungsträgern gewährt werden.

(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn

1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und
2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Von einer seelischen Behinderung bedroht im Sinne dieser Vorschrift sind Kinder oder Jugendliche, bei denen eine Beeinträchtigung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. § 27 Absatz 4 gilt entsprechend.

(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme

1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie,
2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder
3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
einzuholen. Die Stellungnahme ist auf der Grundlage der Internationalen Klassifikation der Krankheiten in der vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte herausgegebenen deutschen Fassung zu erstellen. Dabei ist auch darzulegen, ob die Abweichung Krankheitswert hat oder auf einer Krankheit beruht. Enthält die Stellungnahme auch Ausführungen zu Absatz 1 Satz 1 Nummer 2, so sollen diese vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen seiner Entscheidung angemessen berücksichtigt werden. Die Hilfe soll nicht von der Person oder dem Dienst oder der Einrichtung, der die Person angehört, die die Stellungnahme abgibt, erbracht werden.

(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall

1.
in ambulanter Form,
2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen,
3.
durch geeignete Pflegepersonen und
4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.

(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.

(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 14. Dezember 2015 wird geändert:

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache vor dem Verwaltungsgericht Eingliederungshilfe nach § 35a Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) in Form der Kostenübernahme für die Schulbegleitung für den Besuch der Montessorischule E. im Umfang von 34,75 Wochenstunden zu monatlichen Kosten in Höhe von 2.249,39 € zu gewähren.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt und die Beschwerde zurückgewiesen.

II.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist (überwiegend) begründet.

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO, durch welche der Antragsgegner unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 14. Dezember 2015 verpflichtet werden soll, dem Antragsteller vorläufig die Kosten für die Schulbegleitung zum Besuch der Montessorischule E. für das Schuljahr 2015/2016 im Umfang von 34,75 Wochenstunden zu monatlichen Kosten in Höhe von 2.249,39 € zu gewähren, hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Eine weitergehende Verpflichtung für das gesamte Schuljahr kommt aufgrund des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache nicht in Betracht. Insoweit ist der Antrag abzulehnen.

a) Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann der Senat auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Ferner sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist in beiden Fällen (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO), dass einerseits ein Anspruch glaubhaft gemacht wird, dessen vorläufiger Sicherung die begehrte Anordnung dienen soll (Anordnungsanspruch), und dass andererseits die Gründe glaubhaft gemacht werden, die eine gerichtliche Eilentscheidung erforderlich machen (Anordnungsgrund).

Grundsätzlich dient die einstweilige Anordnung der vorläufigen Sicherung eines Anspruchs bzw. der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses. Mit der vom Antragsteller begehrten Entscheidung wird die Hauptsache aber - zumindest in zeitlicher Hinsicht - vorweggenommen. In einem solchen Fall sind an die Prüfung von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch qualifiziert hohe Anforderungen zu stellen, d. h. der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt nur in Betracht, wenn ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache jedenfalls dem Grunde nach spricht und der Antragsteller ohne die einstweilige Anordnung unzumutbaren Nachteilen ausgesetzt wäre (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 123 Rn. 66 a bis c).

b) Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall jedenfalls bis zum Zeitpunkt des Ergehens einer Entscheidung in der Hauptsache vor dem Verwaltungsgericht München gegeben.

aa) Der Antragsteller hat einen Anspruch auf Bewilligung einer Schulbegleitung zum Besuch der Montessorischule E. nach den oben genannten Maßgaben im Beschwerdeverfahren hinreichend glaubhaft gemacht. Der Antragsteller gehört zum grundsätzlich anspruchsberechtigten Personenkreis für Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII. Als Leistung der Eingliederungshilfe zählt grundsätzlich auch die Gewährung einer Schulbegleitung im Rahmen der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung gemäß § 35a Abs. 3 SGB VIII i. V. m. § 54 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 SGB XII, § 12 Nr. 2 der Eingliederungshilfe-Verordnung - EinglHVO - (Stähr in: Hauck/Noftz, SGB, Stand Mai 2015, § 35 SGB VIII). Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

bb) Der Einschätzung des Antragsgegners vom 16. April 2015 sowie des Verwaltungsgerichts München im streitbefangenen Beschluss, dass die begehrte Hilfemaßnahme zur Deckung des Hilfebedarfs nicht erforderlich und geeignet sei, kann indes nicht gefolgt werden. Zu Recht rügt der Antragstellerbevollmächtigte, dass der Antragsteller vorliegend nicht die Kostenübernahme des Schulgeldes, sondern die Bewilligung einer Schulbegleitung bzw. die Kostenübernahme für eine solche Schulbegleitung begehrt, die grundsätzlich auch bei Besuch einer Regelschule anfallen können und es sich somit nicht um Kosten handelt, die im Zusammenhang mit der Beschulung in einer Privatschule entstehen. Der Antragsteller muss nicht glaubhaft machen, dass eine Beschulung im öffentlichen Schulsystem für ihn ausscheidet und er nur auf einer Privatschule beschulbar wäre. Anders als bei der Entscheidung über die notwendige und geeignete Hilfeart, hinsichtlich derer dem Jugendamt ein weiter Beurteilungsspielraum zusteht, wovon insoweit zutreffend auch das Verwaltungsgericht München im streitbefangenen Beschluss ausgeht, entscheidet nicht der Träger der Jugendhilfe, ob der Besuch einer allgemeinen Schule dem behinderten Kind eine angemessene Schulbildung vermittelt, sondern richtet sich dies allein nach dem Schulrecht (vgl. BayVGH, B.v. 4.6.2007 - Az. 12 B 06.2784 - unter Hinweis auf VGH Baden-Württemberg vom 14.1.2003, FESV 54, 2018 zur insoweit vergleichbaren Eingliederungshilfe gemäß §§ 39 Abs. 1 Satz 1, 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BSHG).

Der Antragsteller ist nach schulrechtlichen Vorschriften nicht verpflichtet, die Förderschule zu besuchen, sondern berechtigt, seine Schulpflicht durch den Besuch einer allgemeinen Schule zu erfüllen (BayVGH v. 4.6.2007 a. a. O.). Eine Entscheidung der Schulbehörde, dass der Antragsteller am gemeinsamen Unterricht in der allgemeinen Schule nicht aktiv teilnehmen könnte und ein sonderpädagogischer Förderbedarf an dieser Schule auch mit Unterstützung durch mobile sonderpädagogische Dienste nicht hinreichend erfüllt werden könnte (Art. 41 Abs. 1 Satz 1, Abs. 7 Satz 1 BayEUG), liegt nicht vor. Es ist auch nicht Sache der Antragstellerseite, sich um ein solches Gutachten zu bemühen. Dass es sich bei der allgemeinen Schule vorliegend um eine Privatschule handelt, ist unbeachtlich. Denn die hierfür entstehenden Kosten werden nicht beansprucht. Zutreffend weist der Antragstellerbevollmächtigte darauf hin, dass die angeführte Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. September 2015 für den vorliegenden Fall nicht einschlägig ist und als Entscheidungsgrundlage nicht herangezogen werden kann. Denn diese Entscheidung betrifft die Kostenübernahme für das anfallende Schulgeld für den Besuch der privaten Regelschule. Die Kosten, die im Zusammenhang mit der Beschulung in der Privatschule entstehen, können nur gefordert werden, wenn der Hilfebedarf nicht im Rahmen des öffentlichen Schulsystems gedeckt werden kann. Der Antragsgegner geht im Bescheid vom 16. April 2015 selbst davon aus, dass die Beschulung von L. im Rahmen des öffentlichen Schulsystems einen gegebenenfalls vom Antragsgegner zu finanzierenden Schulbegleiter zur Deckung des Hilfebedarfs erforderlich machte.

Ob möglicherweise eine andere Beurteilung für den Fall, dass bei Besuch der Förderschule ein Schulbegleiter definitiv entbehrlich wäre, in Betracht käme, bedarf hier keiner Entscheidung. Jedenfalls hat der Antragsgegner die Behauptung, es sei prima facie davon auszugehen, dass in den von ihm aufgezeigten staatlichen Schulen der Hilfebedarf ohne zusätzliche Unterstützung zu decken sei, durch nichts belegt. Hiergegen sprechen nicht zuletzt alle fachärztlichen bzw. pädagogischen Stellungnahmen. So wird der Bedarf an Schulbegleitung bestätigt durch die ärztliche Stellungnahme von Dr. med. K. Sch. vom 8. September 2013, durch die schulpsychologische Stellungnahme von Frau E. S.-K., staatliche Schulpsychologin am Schulamt im Landkreis R., vom 9. Dezember 2013 sowie durch die pädagogische Stellungnahme der Montessorischule vom 23. September 2015. In der zuletzt genannten Stellungnahme wird insbesondere darauf hingewiesen, dass vor allem die Zusammenarbeit und der Kontakt zu Mitschülern der Unterstützung bedürfe.

Nach der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung spricht nach alledem derzeit alles dafür, dass dem Antragsteller in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang ein Anspruch auf Schulbegleitung zum Besuch der Montessorischule E. zusteht. Soweit der Antragsgegner nunmehr im letzten Schriftsatz vom 5. Februar 2016 den Umfang der begehrten Schulbegleitung erstmals in Frage stellt, fehlt es schon an der erforderlichen Substantiierung. Der Antragsgegner kann insoweit im Übrigen auf das Hauptsacheverfahren vor dem Verwaltungsgericht München verwiesen werden bzw. auf die Möglichkeit, dort einen Abänderungsantrag zu stellen, falls sich für den streitgegenständlichen Zeitraum im Hinblick auf Umfang und Höhe der Kostenübernahme nachweislich Änderungen ergeben sollten.

c) Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsgrund, d. h. eine besondere Eilbedürftigkeit gerichtlichen Rechtsschutzes, glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 Satz 2 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO). Die Eilbedürftigkeit der begehrten einstweiligen Anordnung ist gegeben. Laut der pädagogischen Stellungnahme der Montessori-Fördergemeinschaft E. e.V. vom 31. Juli 2013, bestätigt am 23. September 2015, kann eine Beschulung des Antragstellers ohne die Unterstützung eines Schulbegleiters durch die Montessorischule nicht fortgesetzt werden. Da der Antragsteller bzw. die Antragstellervertreter bereits seit Beginn des Schuljahres 2015/2016 in Höhe von monatlich ca. 2.250,00 € in Vorleistung getreten sind, ist eine weitere Vorleistung für den notwendigen Schulbegleiter nicht weiter zumutbar.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. Die Beschränkung der einstweiligen Anordnung auf den Zeitraum bis zum Ergehen einer Hauptsacheentscheidung vor dem Verwaltungsgericht - statt für das gesamte Schuljahr, wie vom Antragsteller beantragt - fällt kostenrechtlich nicht ins Gewicht (§ 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn

1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und
2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Von einer seelischen Behinderung bedroht im Sinne dieser Vorschrift sind Kinder oder Jugendliche, bei denen eine Beeinträchtigung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. § 27 Absatz 4 gilt entsprechend.

(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme

1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie,
2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder
3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
einzuholen. Die Stellungnahme ist auf der Grundlage der Internationalen Klassifikation der Krankheiten in der vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte herausgegebenen deutschen Fassung zu erstellen. Dabei ist auch darzulegen, ob die Abweichung Krankheitswert hat oder auf einer Krankheit beruht. Enthält die Stellungnahme auch Ausführungen zu Absatz 1 Satz 1 Nummer 2, so sollen diese vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen seiner Entscheidung angemessen berücksichtigt werden. Die Hilfe soll nicht von der Person oder dem Dienst oder der Einrichtung, der die Person angehört, die die Stellungnahme abgibt, erbracht werden.

(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall

1.
in ambulanter Form,
2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen,
3.
durch geeignete Pflegepersonen und
4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.

(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.

(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, werden durch dieses Buch nicht berührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Buch entsprechende Leistungen vorgesehen sind.

(2) Unterhaltspflichtige Personen werden nach Maßgabe der §§ 90 bis 97b an den Kosten für Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch beteiligt. Soweit die Zahlung des Kostenbeitrags die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen mindert oder der Bedarf des jungen Menschen durch Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch gedeckt ist, ist dies bei der Berechnung des Unterhalts zu berücksichtigen.

(3) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Zweiten Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 3 Absatz 2, den §§ 14 bis 16g, 16k, § 19 Absatz 2 in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches sowie Leistungen nach § 6b Absatz 2 des Bundeskindergeldgesetzes in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches den Leistungen nach diesem Buch vor.

(4) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Neunten und Zwölften Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 27a Absatz 1 in Verbindung mit § 34 Absatz 6 des Zwölften Buches und Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Neunten Buch für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, den Leistungen nach diesem Buch vor. Landesrecht kann regeln, dass Leistungen der Frühförderung für Kinder unabhängig von der Art der Behinderung vorrangig von anderen Leistungsträgern gewährt werden.