Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 28. März 2014 - 1 S 14.30143
Gericht
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die am ... und ... geborenen Antragsteller sind Staatsangehörige des Kosovo und Volkszugehörige der Roma. Gemeinsam mit ihren beiden Söhnen, die jeweils eigene Asylverfahren betreiben (Az. W 1 K 14.30144, W 1 S 14.30145, W 1 K 14.30146, W 1 S 14.30147) reisten sie nach eigenen, aber voneinander abweichenden Angaben zwischen dem 27. Juni 2013 und dem 19. Juli 2013 mit einem Pkw in das Bundesgebiet ein. Hier beantragten sie am 23. Juli 2013 Asyl. Sie legten ein Attest des Klinikums F. vom 20. Juli 2013 vor, wonach die Antragstellerin zu 2) an einem psychogenen Anfall in einer Stressituation, Epilepsie sowie an einer Cephalgie leide.
Anhand von EURODAC-Abfragen vom 25. und 26. Juli 2013 wurde festgestellt, dass die Antragsteller vor ihrer Einreise in das Bundesgebiet bereits in U. und Schweden Asylanträge gestellt hatten.
Auf das Wiederaufnahmegesuch vom 2. Dezember 2013 erklärten die ungarischen Behörden am 9. Dezember 2013 die Übernahme der Zuständigkeit für die Prüfung der Asylanträge.
Mit Bescheid vom 28. Januar 2014 erklärte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Asylantrag für unzulässig (Ziffer 1 des Bescheides) und ordnete die Abschiebung der Antragsteller nach U. an (Ziffer 2). Auf die Gründe des Bescheides wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylVfG).
Am 10. Februar 2014 ließen die Antragsteller Klage erheben (Az: W 1 K 14.30142), über die noch nicht entschieden ist.
Gleichzeitig beantragten sie gemäß § 80 Abs. 5 VwGO,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung wurde unter Verweis auf verschiedene Gerichtsentscheidungen im Wesentlichen ausgeführt, dass das Aussetzungsinteresse der Antragsteller das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung überwiege, weil die Bundesrepublik Deutschland wegen der langen Verfahrensdauer sowie wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in U. sowie wegen der bei der Antragstellerin zu 2) vorliegenden Erkrankung verpflichtet sei, die Zuständigkeit zur Prüfung der Asylanträge zu übernehmen.
Zur Glaubhaftmachung der vorgetragenen Erkrankungen der Antragstellerin zu 2) wurden zwei ärztliche Stellungnahmen vom 2. Januar und 5. Februar 2014 vorgelegt. Aus dem Entlassungsbericht des Thoraxzentrums des Bezirks Unterfranken vom 2. Januar 2014 geht hervor, dass sich die Antragstellerin zu 2) dort vom 23. Dezember 2013 bis 2. Januar 2014 wegen einer Lungenerkrankung in stationärer Behandlung befand. Empfohlen wird die weitere lungenfachärztliche Behandlung mit Überwachung der systemischen Kortison-Therapie, Überwachung der Lungenfunktion, absolute Nikotin-Karenz sowie eine CT-Thorax-Kontrolle nach acht Wochen. Aus der Bescheinigung des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. med. M. in E. vom 5. Februar 2014 geht hervor, dass die Antragstellerin unter einer desquamativen interstitiellen Pneumonie leide und längerfristig behandlungspflichtig sei (aktuell werde eine Kortisontherapie durchgeführt), da asthmaähnliche Atemstörungen vorherrschten. Hinzu komme eine depressive Reaktionslage bei posttraumatischer Belastung, die sich auch in Angstzuständen und weitgehender Handlungsunfähigkeit manifestiere. Eine psychiatrische Behandlung sei beantragt, ein Termin vereinbart. Bezüglich der Lungenerkrankung seien weitere Kontrollen beim Lungenarzt und Radiologen vorgesehen. Zusätzlich bestehe eine behandlungsbedürftige Epilepsie.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen. Die Akten der Asylverfahren der anderen Familienmitglieder sowie die einschlägigen Gerichtsakten wurden zum Verfahren beigezogen.
II.
Der zulässige, insbesondere innerhalb der Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG gestellte Antrag ist in der Sache nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 28. Januar 2014 ist bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) rechtmäßig und verletzt die Antragsteller nicht in ihren Rechten. Das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt daher das private Interesse der Antragsteller, vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache noch im Bundesgebiet verbleiben zu dürfen.
Außergewöhnliche Umstände, die möglicherweise für ein Selbsteintrittsrecht bzw. eine Selbsteintrittspflicht der Antragsgegnerin nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO (Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO) sprechen könnten, sind vorliegend nicht glaubhaft gemacht.
Insbesondere ist nach derzeitigem Erkenntnisstand und unter Berücksichtigung der hierzu einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - NVwZ 2012, 417 ff.) nicht davon auszugehen, dass das ungarische Asylsystem an systemischen Mängeln leidet, aufgrund derer die dorthin rücküberstellten Asylsuchenden einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Grundrechtecharta (GR-Charta) ausgesetzt wären.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sowie des Bundesverwaltungsgerichts ist eine Überstellung eines Asylbewerbers an einen anderen Mitgliedstaat nur dann zu unterlassen, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylsuchende im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der (rück-)überstellten Asylsuchenden im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge hätten (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - NVwZ 2012, 417/419 f.; BVerwG B. v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - Rn. 6 ff.). Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass jeder Verstoß eines zuständigen Mitgliedstaates gegen einzelne unionsrechtliche Bestimmungen zur Folge hätte, dass der Mitgliedstaat, in dem ein (weiterer) Asylantrag eingereicht wurde, daran gehindert wäre, den Asylsuchenden an den zuständigen Staat zu überstellen (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - NVwZ 2012, 417/419; BVerwG B. v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - Rn. 6). Denn eine solche Sichtweise würde den Kern und die Verwirklichung des Ziels der Dublin II-VO (Dublin III-VO) gefährden, rasch denjenigen Mitgliedstaat zu bestimmen, der für die Entscheidung über einen in der Union gestellten Asylantrag zuständig ist (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - a. a. O., BVerwG a. a. O.).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben hält das Gericht derartige systemische Mängel bezüglich der Asylpraxis in U. (derzeit) nicht für glaubhaft gemacht (so auch EGMR, U. v. 6.6.2013 - 2283/12 - Asylmagazin 10/2013, S. 342 ff.; VGH BW, B. v. 6.8.2013 - 12 S 675/13 - juris; OVG LSA, B. v. 31.5.2013 - 4 L 169/12; VG Würzburg B. v. 21.3.2014 - W 1 S 14.30147; B. v. 12.3.2014 - W 2 S 14.30217; VG Augsburg, B. v. 5.12.2013 - Au 7 S 13.30454 - juris; VG Würzburg, U. v. 3.12.2013 - W 6 K 13.30253; VG Ansbach, B. v. 3.12.2013 - AN 11 S 13.31074 - juris; VG Würzburg, B. v. 11.11.2013 - W 7 S 13.30362; VG Würzburg, B. v. 17.10.2013 - W 7 S 13.30360; VG Ansbach, B. v. 6.9.2013 - AN 10 S 13.30604).
Nach der Berichterstattung des UNHCR zum Asylland U. vom Dezember 2012 hat das ungarische Parlament im November 2012 umfassende Gesetzesänderungen verabschiedet. Danach werden Asylsuchende nicht mehr ohne sachliche Prüfung ihres Asylantrags nach Serbien oder in die Ukraine zurückgeschoben und nicht inhaftiert, wenn sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise einreichen. „Dublin-Rückkehrer“ werden nicht automatisch inhaftiert und erhalten die Möglichkeit, ein noch nicht in der Sache geprüftes Asylverfahren zu Ende zu bringen. Bestätigt werden diese Verbesserungen durch das Hungarian Helsinki Committee (HHC, Brief information note on the main asylum-related legal changes in Hungary as of 1 July 2013, Seite 1; in englischer Sprache im Internet abrufbar). Dass der Antragsteller nach einer Rücküberstellung nach U. unmittelbar nach Griechenland weitergeschoben würde, ist damit aufgrund dieser Erkenntnisquellen nicht anzunehmen. Gegenteiliges lässt sich auch dem Bericht von bordermonitoring.eu vom Oktober 2013, U.: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, nicht entnehmen.
Mögliche systemische Mängel des ungarischen Asylsystems werden in jüngerer Zeit primär auf die im Juli 2013 in U. in Kraft getretene Gesetzesnovelle gestützt, wonach die Inhaftierung von Asylsuchenden für bis zu sechs Monaten möglich ist (vgl. hierzu etwa VG Frankfurt/Oder, B. v. 24.7.2013 - VG 1 L 213/13.A; VG München, B. v. 4.10.2013 - M 23 S 13.30926). Auch dieser Umstand vermag nach Auffassung des Gerichts - jedenfalls derzeit - systemische Mängel nicht zu begründen. So entsprechen die in Art. 31 A Abs. 1 des ungarischen Gesetzes (eine englische Version dieses Gesetzes findet sich in dem in englischer Sprache verfassten Bericht: UNHCR comments and recommendations on the draft modification of certain migration-related legislative acts for the purpose of legal harmonisation; abrufbar im Internet) genannten Haftgründe ganz überwiegend denen des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie (RL) 2013/33/EU, die am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist. Entsprechend den Vorgaben dieser Richtlinie darf nach Art. 31 A Abs. 3 des ungarischen Gesetzes eine solche Inhaftierung nur aufgrund einer individuellen Ermessensentscheidung erfolgen (vgl. insoweit Art. 8 Abs. 2 RL 2013/33/EU). Auch darf eine solche Inhaftierung nach Art. 31 B Abs. 1 des ungarischen Gesetzes nicht alleine deswegen erfolgen, weil der Antragsteller einen Asylantrag gestellt hat (vgl. Art. 8 Abs. 1 RL 2013/33/EU). Dass allein aufgrund dieser Neuregelungen das ungarische Asylsystem an systemischen Mängeln leidet, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der Asylsuchenden zur Folge hätten, ist damit nicht ersichtlich. Kritisiert wurde diesbezüglich nur, dass die ungarischen Regelungen zum Teil zu unbestimmt gefasst seien und damit die Gefahr einer missbräuchlichen Anwendung bestünde (so HHC, Brief Information Note, S. 2 f.; European Council on Refugees and Exiles in seinem Bericht: Hungary passes legislation allowing widespread detention of asylum seekers; zugänglich im Internet in englischer Sprache; UNHCR comments and recommendations, S. 9).
Dass es tatsächlich zu einer systematischen, missbräuchlichen Anwendung der Inhaftierungsvorschriften komme oder bereits gekommen sei, kann diesen Berichten dagegen gerade nicht entnommen werden (vgl. hierzu nur HHC, Brief Information Note, S. 4, wo explizit darauf hingewiesen wird, dass die zukünftige Umsetzung und Anwendung dieser Gesetzesnovelle beobachtet werden muss). Gegenteiliges ist auch dem angeführten Bericht von bordermonitoring.eu, U.: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, vom Oktober 2013 nicht zu entnehmen. Auch dort wird insoweit nur kritisiert, dass die entsprechenden Normen weit gefasst seien (vgl. S. 35 des genannten Berichts). Entsprechende Erkenntnismittel, die insoweit bereits bestehende systemische Mängel festgestellt hätten, sind aber bislang weder vorgetragen noch ersichtlich. Soweit und solange sich aber keine gegenteiligen Anhaltspunkte ergeben, ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - NVwZ 2012, 417 ff.) davon auszugehen, dass auch für U. die Vermutung besteht, dass Asylsuchende jedenfalls seit November 2012 (wieder) in Einklang mit den Vorgaben der Grundrechtecharta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK behandelt werden.
Auch die von den Antragstellern angeführte anderslautende Rechtsprechung führt zu keinem anderen Ergebnis, da sie zum einen auf bereits überholten Erkenntnisquellen beruht bzw. die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - NVwZ 2012, 417 ff.) und des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG B. v. 19.3.2014 - 10 B 6.14) nicht hinreichend berücksichtigt (so VG Frankfurt/Oder, B. v. 24.7.2013 - VG 1 L 213/13.A). Zum anderen vermögen aber auch die derzeit zugänglichen Erkenntnisquellen aus den oben genannten Gründen tatsächlich bestehende systemische Mängel in U. insbesondere im Hinblick auf die im Juli 2013 in Kraft getretene Gesetzesnovelle zur Inhaftierungsmöglichkeit von Asylbewerbern nicht glaubhaft zu machen (a. A. VG München, B. v. 4.10.2013 - M 23 S 13.30926). Denn die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs würde in ihr Gegenteil verkehrt, wenn man den ungarischen Behörden im Hinblick auf die genannte Gesetzesnovelle quasi vorab ein unionsgrundrechtswidriges bzw. konventionswidriges Verhalten unterstellte, ohne diesbezüglich tatsächliche Anhaltspunkte anführen zu können. Auch hinsichtlich des im Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 26. November 2013 (Az. M 21 S 13.31198) Bezug genommenen Berichts „Statement upon the conclusion of it`s visit to Hungary (23.9. - 2.10.2013)“ der Working Group on Arbitrary Detention (abrufbar im Internet unter
Schließlich geht das Gericht davon aus, dass nach derzeitiger Erkenntnislage die Lebensbedingungen insbesondere für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte in U. zwar schwierig sind (vgl. hierzu den Bericht von bordermonitoring.eu, U.: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, vom Oktober 2013, S. 16 ff. und S. 35 f.), sich aber nach Auffassung des Gerichts als nicht so gravierend darstellen, dass diese entsprechend der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge hätten. Denn von einem schwierigen Arbeitsmarkt sind die ungarischen Staatsangehörigen gleichermaßen betroffen. Darüber hinaus ergibt sich aus dem vorgelegten Bericht, dass Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte durchaus Anspruch auf öffentliche Leistungen haben (vgl. den genannten Bericht von bordermonitoring.eu, S. 16). Dass trotz dieser Unterstützungsleistungen anerkannten Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten in ganz U. in systemischer Weise Obdachlosigkeit drohen würde, ist durch diesen Bericht dagegen nicht glaubhaft gemacht. So wird dort insbesondere auf Mietkosten in der Hauptstadt Budapest abgestellt, wo die Mietkosten deutlich höher sein dürften als im restlichen U. (vgl. bordermonitoring.eu, U.: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, vom Oktober 2013, S. 16). Auch dieser Gesichtspunkt steht einer Rücküberstellung von Asylsuchenden nach U. daher nicht entgegen (vgl. VG Würzburg B. v. 21.3.2014 - W 1 S 14.30147; B. v. 12.3.2014 - W 2 S 14.30217; VG Augsburg, B. v. 25.7.2013 - Au 7 S 13.30210 - juris).
Nach den von den Antragstellern vorgebrachten und sonst zum gegenwärtigen Zeitpunkt verfügbaren Erkenntnismitteln sind nach Auffassung des Gerichts daher derzeit keine systemischen Mängel des ungarischen Asylsystems zu befürchten, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung führen würden (so auch EGMR, U. v. 6.6.2013 - 2283/12 - Asylmagazin 10/2013, S. 342 ff.; VGH BW, B. v. 6.8.2013 - 12 S 675/13 - juris; OVG LSA, B. v. 31.5.2013 - 4 L 169/12; VG Würzburg, B. v. 12.3.2014 - W 2 S 14.30217; VG Augsburg, B. v. 5.12.2013 - Au 7 S 13.30454 - juris; VG Würzburg, U. v. 3.12.2013 - W 6 K 13.30253; VG Ansbach, B. v. 3.12.2013 - AN 11 S 13.31074 - juris; VG Würzburg, B. v. 11.11.2013 - W 7 S 13.30362; VG Ansbach, B. v. 6.9.2013 - AN 10 S 13.30604). Insbesondere das Dokument von ACCORD vom 8. August 2013 gibt ausschließlich Quellen aus dem Jahr 2012 wieder, die aufgrund der dargestellten Gesetzesänderungen überholt sind.
Ein Ermessensfehler oder gar eine Selbsteintrittspflicht ergibt sich auch nicht hinsichtlich der - von den Antragstellern behaupteten - überlangen Verfahrensdauer. Denn eine Frist für die Stellung eines Wiederaufnahmeersuchens i. S. des Art. 20 Dublin II-VO enthält die Dublin-II-VO nicht (anders jetzt gemäß dem hier nicht anwendbaren Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO). Gleichwohl wurde in der Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass mit Blick auf den 4. Und 15. Erwägungsgrund zur Dublin II-VO das Ermessen des Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO auf Null reduziert sein könne, wenn das Wiederaufnahmegesuch ohne ersichtlichen Grund erheblich verspätet gestellt worden sei, bzw. dass die Nichtberücksichtigung dessen einen entsprechenden Bescheid ermessensfehlerhaft machen könne (vgl. hierzu etwa VG Würzburg, B. v. 11.12.2013 - W 7 S 13.30494; VG Göttingen, U. v. 25.7.2013 - 2 A 652/12 - juris; VG Gelsenkirchen, B. v. 30.12.2013 - 5 a L 1726/13.A - juris). Dort standen indes anders als hier Zeiträume von deutlich über einem halben Jahr bis zur Stellung eines entsprechenden Wiederaufnahmegesuchs inmitten. Im vorliegenden Fall hatte die Antragsgegnerin erstmals am 25. Bzw. 26. Juli 2013 (EURODAC-Treffer) Kenntnis von der (möglichen) Zuständigkeit eines oder mehrerer anderer Staaten. Das Wiederaufnahmegesuch wurde schließlich am 2. Dezember 2013 an U. gerichtet und damit weniger als ein halbes Jahr nach Kenntnis der relevanten Umstände. Das VG Würzburg hat entschieden, dass von einer überlangen Verfahrensdauer jedenfalls unterhalb der zeitlichen Grenze von 6 Monaten nicht auszugehen ist (VG Würzburg, B. v. 21.3.2014 - W 1 S 14.30147; B. v. 11.2.2014 - W 3 S 14.30085; B. v. 28.1.2014 - W 7 S 14.30034). Die Zweimonatsfrist des Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO ist hier angesichts der ausdrücklichen Übergangsregelung in Art. 49 Dublin III-VO weder analog noch sonst rückwirkend anwendbar. Im vorliegenden Fall ist noch kein halbes Jahr seit dem EURODAC-Treffer bis zum Übernahmeersuchen verstrichen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das Bundesamt eine - für die Ermittlung von individuellen, im Rahmen der Ermessensausübung einzustellenden Gesichtspunkten durchaus relevante - Anhörung der Antragsteller durchgeführt hat, also in der Zeit zwischen der Kenntniserlangung von der Asylantragstellung in U. und Schweden und der Stellung des Wiederaufnahmegesuchs keineswegs untätig geblieben ist, ist eine ohne ersichtlichen Grund unangemessen lange Verfahrensdauer im vorliegenden Fall nicht anzunehmen.
Schließlich können die Antragsteller eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zum Selbsteintritt bzw. zur ermessensfehlerfreien Entscheidung hierüber auch nicht im Hinblick auf die Erkrankungen der Antragstellerin zu 2) beanspruchen. Wie das Bundesamt auf Seite 3/4 des streitgegenständlichen Bescheides ausgeführt hat, ist für den Fall der Überstellung der Antragsteller nach U. die erforderliche medizinische Versorgung der Antragstellerin zu 2) gewährleistet. Als behandlungsbedürftige Asylsuchende wird sie wie ein ungarischer Staatsangehöriger behandelt, der ärztlicher Betreuung bzw. Überwachung bedarf. Den diesbezüglichen Feststellungen des Bundesamtes zur medizinischen Versorgung von Asylsuchenden in U. sind die Antragsteller nicht substantiiert entgegen getreten und es sind auch keine gesicherten gegenteiligen Erkenntnisse ersichtlich. Soweit im Bericht von UNHCR (U. als Asylland, April 2012, S. 28) festgestellt wird, viele Flüchtlinge könnten sich in U. mangels finanzieller Mittel keine medizinische Versorgung leisten, ist dies in Anbetracht des o. g. Umstandes, dass Flüchtlinge wie und subsidiär Schutzberechtigte durchaus Anspruch auf Sozialleistungen haben, nicht nachvollziehbar. Auch nach dem Bericht von bordermonitoring.eu (U.: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, Oktober 2013, S. 20) sind Flüchtlinge in U. nicht von der Gesundheitsversorgung ausgeschlossen, wenngleich sie - wie in vielen ihrer Herkunftsstaaten auch - auf bürokratische Schwierigkeiten bei der Registrierung stoßen können.
Schließlich sind inlandsbezogene Abschiebungshindernisse, die die Antragsgegnerin im Verfahren nach § 34a AsylVfG selbst zu berücksichtigen hat (BayVGH, B. v. 28.10.2013 - 10 CE 13.2257 - juris), weder vorgetragen noch ersichtlich, insbesondere ergibt sich aus den vorgelegten Attesten keine Reiseunfähigkeit der Antragstellerin zu 2). Durch entsprechende Vorbereitung der Abschiebung wird sicherzustellen sein, dass die Antragstellerin zu 2) mit einem Vorrat der notwendigen Medikamente versorgt ist. Die Abschiebung wird im Familienverband und damit in Begleitung durch den Ehemann stattfinden, so dass die Antragstellerin zu 2) auch nicht im Zielstaat der Abschiebung auf sich allein gestellt ist.
Nach alledem ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG abzulehnen.
Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, hat die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weshalb auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe in der Hauptsache sowie im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes abzulehnen war (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO).
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Annotations
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.
(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.
(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.
(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.
(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.
(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.
(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.