Verwaltungsgericht Trier Urteil, 22. Dez. 2015 - 3 K 1995/15.TR

ECLI:ECLI:DE:VGTRIER:2015:1222.3K1995.15.TR.0A
bei uns veröffentlicht am22.12.2015

Der Beklagte wird aus dem Dienst entfernt.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich derjenigen des behördlichen Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Vollstreckungsschuldner bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckungsfähigen Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die Vollstreckungsgläubigerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin betreibt die Entfernung des Beklagten aus dem Dienst.

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Der am ... in ... geborene Beklagte steht als Verbandsgemeindeverwaltungsinspektor im Dienst der klagenden Verbandsgemeinde. Nach dem Besuch der Grundschule bis zum Jahr 1984 und der Realschule in ... bis zum Jahr 1990, die er mit Erreichen des qualifizierten Sekundarabschlusses I verließ, wurde der Beklagte am 1. Juli 1990 in den Vorbereitungsdienst der Laufbahn des mittleren nichttechnischen Dienstes in der Kommunalverwaltung der Klägerin eingestellt und unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Assistentenanwärter ernannt. Am 23. Juni 1992 legte der Beklagte die Laufbahnprüfung des mittleren nichttechnischen Dienstes mit der Gesamtnote "befriedigend" ab. Mit Wirkung zum 1. Juli 1992 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Verbandsgemeindeassistenten z.A. ernannt. In der Folge wurde er zum 1. Juli 1994 zum Verbandsgemeindeassistenten, zum 1. Juli 1995 zum Verbandsgemeindesekretär und am 1. Juli 1998 zum Verbandsgemeindeobersekretär befördert. Zum 13. Dezember 2000 erfolgte die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit. In der Folgezeit wurde der Beklagte am 13. März 2002 zum Verbandsgemeindehauptsekretär und am 1. Oktober 2010 zum Amtsinspektor befördert. Zum 1. Juli 2012 erfolgte eine Änderung der Dienstbezeichnung zum Verbandsgemeindeverwaltungsinspektor.

3

Der Beklagte wurde seit seiner Einweisungszeit im Bereich der Finanzverwaltung der Klägerin eingesetzt. Seit dem 1. Januar 2005 war er Kassenleiter.

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Ausweislich seiner letzten dienstlichen Beurteilung vom 25. Juni 1998 wurden seine Leistungen im Gesamturteil mit "befriedigend" bewertet.

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Der Beklagte ist geschieden. Aus der Ehe sind zwei Söhne (..., geb. am ... und ..., geb. am ...) hervorgegangen.

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Der Beklagte ist disziplinarrechtlich nicht vorbelastet. Seit dem 21. August 2014 ist er dienstunfähig erkrankt.

7

Durch interne Einleitungsverfügung vom 20. August 2014 wurde gegen den Beklagten ein Disziplinarverfahren eingeleitet wegen des Verdachts, dass er mehrere Bareinzahlungen im Wert von rund 3000 € nicht bei der Bank der Klägerin eingezahlt, sondern diese für sich verwendet habe. Der Beamte wurde mit Wirkung ab dem 22. August 2014 als Kassenleiter abberufen und zur Finanzabteilung versetzt. Das Disziplinarverfahren wurde dem Beklagten am 11. September 2014 durch den Ermittlungsführer eröffnet. Mit Schreiben vom 1. Oktober 2014 nahm der Beklagte zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung. Er räumte die Verfehlungen ein und erstattete die fehlenden Beträge in Höhe von insgesamt 2903,97 €.

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Mit Schreiben vom 28. Oktober 2014 wurde ihm das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen bekannt gegeben und er erhielt Gelegenheit, sich abschließend zu äußern und weitere Ermittlungen zu beantragen.

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Auf Antrag des Beklagten wurde die Mitbestimmung des Personalrates durchgeführt. Der Personalrat verweigerte mit Schreiben vom 28. Februar 2015 einstimmig die Zustimmung zur Erhebung der Disziplinarklage.

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Mit Verfügung vom 24. März 2015 wurde das Disziplinarverfahren ausgedehnt auf weitere 19 Zugriffshandlungen und dem Beklagten wurde erneut Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme gegeben. Gleichzeitig wurde ihm mitgeteilt, dass der Dienstherr beabsichtige, ihn vorläufig des Dienstes zu entheben und einen Teil seiner Dienstbezüge einzubehalten. Der Beklagte erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme.

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Der Personalrat wurde erneut im Hinblick auf das ausgeweitete Disziplinarverfahren angehört und stimmte mit Schreiben vom 30. März 2015 der vorläufigen Dienstenthebung, der Gehaltskürzung sowie der Erhebung der Disziplinarklage mit dem Ziel der Entfernung aus dem Dienst zu.

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Unter dem 24. März 2015 erstattete die Klägerin gegen den Beamten Strafanzeige bei der Kriminalinspektion .... Am 5. Oktober 2015 beantragte die Staatsanwaltschaft ... beim Amtsgericht ... den Erlass eines Strafbefehls wegen Untreue in 25 Fällen in der Zeit von Februar 2012 bis Juni 2014 mit dem Strafausspruch der Verhängung einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten (Az.: 2080 Js 27984/15).

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Mit Schreiben vom 16. April 2015 wurde der Beklagte vorläufig des Dienstes enthoben und die Einbehaltung der Hälfte der Dienstbezüge verfügt. Der Beamte nahm hierzu mit Schreiben seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 18. Mai 2015 Stellung.

14

Am 6. Juli 2015 hat die Klägerin die vorliegende Disziplinarklage mit dem Ziel der Entfernung des Beklagten aus dem Dienst erhoben. Ihm wird vorgeworfen, ein schweres innerdienstliches Dienstvergehen dadurch begangen zu haben, dass er als Kassenleiter ihm ausgehändigte Bareinzahlungen in einer Gesamthöhe von 5299,67 € nicht auf eines der Konten der Klägerin eingezahlt, sondern für sich verwendet habe. Als Kassenleiter sei es unter anderem die Aufgabe des Beklagten gewesen, Barablieferungen entgegenzunehmen und bei den Banken der Klägerin einzuzahlen. Dies sei zumindest in insgesamt 28 Fällen nicht geschehen. Vielmehr habe der Beklagte ihm anvertraute Gelder für sich verwendet.

15

Es handle sich zunächst um zwei Barablieferungen des Einwohnermeldeamtes sowie vier Barablieferungen der Fahrer des "..." in einer Gesamthöhe von 2903,97 €. In weiteren 22 Fällen habe der Beklagte Einnahmen des "..." nicht abgeführt. Bei einem Abgleich der ausgestellten Quittungen mit den gebuchten Beträgen auf den Konten der Klägerin habe sich ein Fehlbetrag von weiteren 2395,70 € ergeben. Diesbezüglich habe der Beklagte zwar vorgetragen, er könne aus eigenem Wissen nicht mehr bestätigen oder verneinen, ob dieser Fehlbetrag ebenfalls auf seine Handlungen zurückzuführen sei. Jedoch sei er bereit, den Schaden zu erstatten. Auf der Grundlage des Ermittlungsergebnisses, der Tatsache, dass der Beklagte auch zum damaligen Zeitpunkt Kassengewalt gehabt habe, der identischen Art und Weise der Tatausführung wie bei den eingeräumten ersten sechs Taten, der als angespannt empfundenen finanziellen Situation des Beamten, sowie angesichts seines Vorbringens, die Begehung der Taten "nicht mehr aus eigenem Wissen bestätigen oder verneinen" zu können, sei auch hinsichtlich dieser 22 Fälle von einer Tatbestandsverwirklichung auszugehen.

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Durch die Unterschlagung innerdienstlich anvertrauter Gelder habe der Beklagte ein Zugriffsdelikt begangen. Dieses erfordere nach der Rechtsprechung grundsätzlich die Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme. Dabei sei unerheblich, ob der Beklagte die Absicht gehabt habe, die entwendeten Gelder irgendwann wieder zurückzuzahlen. Denn ein Beamter, der unberechtigt amtlich anvertrautes Geld für private Zwecke – sei es auch nur vorübergehend – verwende, begehe ein schweres Dienstvergehen im Kernbereich der ihm obliegenden Dienstpflichten. Positiv sei dem Beklagten anzurechnen, dass er nicht mit großer krimineller Energie gehandelt und auch keine Einzahlungsquittungen manipuliert oder vernichtet habe. Dennoch lägen die Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Verhängung der Höchstmaßnahme nicht vor. Es seien keine Milderungsgründe ersichtlich. Bei mindestens 28 Taten könne nicht von einem einmaligen, persönlichkeitsfremden Versagen ausgegangen werden. Die erfolgte Teilrückzahlung sei erst nach der Tatentdeckung erfolgt. Eine unverschuldete, ausweglose, wirtschaftliche Notlage im Sinne einer existenzbedrohenden tatsächlich vorhandenen Notlage sei vorliegend nicht ersichtlich. Das Bestehen schwieriger wirtschaftlicher Verhältnisse reiche für die Annahme dieses Milderungsgrundes ebenso wenig aus wie eine hohe Schuldenlast. Auch eine Kumulation in Gestalt der Kombination verschiedener Ausnahmetatbestände könne den Beamten nicht entlasten. Der Vertrauensverlust sei irreparabel. Die zunächst erfolgte hausinterne Umsetzung des Beklagten sei lediglich eine vorübergehende Erstmaßnahme gewesen, um ihn der Möglichkeit weiterer Zugriffsdelikte zu entziehen.

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Der Kläger beantragt,

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den Beklagten aus dem Dienst zu entfernen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er trägt vor, das Verfahren weise formelle Mängel auf. Die Klageschrift genüge nicht den Bestimmtheitsanforderungen des § 61 Abs. 2 LDG. Weder hinsichtlich des ersten Tatkomplexes und erst recht nicht hinsichtlich des zweiten Tatkomplexes seien Ort und Zeit der einzelnen Handlungen konkret angegeben noch seien die Geschehensabläufe nachvollziehbar beschrieben.

22

Ein Dienstvergehen hinsichtlich der im Raum stehenden 2903,97 € räume er ein. Darüber hinaus könne er – wie bereits im Disziplinarverfahren klargestellt – einerseits wegen des Zeitablaufs, andererseits krankheitsbedingt nicht mehr aus eigenem Wissen bestätigen oder verneinen, die vorgehaltenen weiteren Handlungen vorgenommen zu haben. Er sei in jeder Hinsicht zur Aufklärung und Mitwirkung bereit. Mit Blick auf sein Fehlverhalten und seinen guten Willen habe er sich bereit erklärt, auch den insoweit entstandenen Schaden zu erstatten.

23

Es liege kein Zugriffsdelikt vor, da sein Fehlverhalten keineswegs in der Absicht erfolgt sei, sich die entnommenen Beträge dauerhaft anzueignen und sich hierdurch selbst zu bereichern. Dies sei dadurch belegt, dass er die entsprechenden Einzahlungsquittungen stets erstellt und archiviert habe. Er habe lediglich die Absicht gehabt, Liquiditätsengpässe kurzfristig zu überbrücken. Er sei auch davon ausgegangen, dass ihm eine Rückzahlung möglich sei. Liege kein Zugriffsdelikt vor, könne nicht davon ausgegangen werden, dass das für die Fortdauer des Beamtenverhältnisses notwendige Vertrauen zerstört sei.

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Selbst wenn dies der Fall wäre, müssten zu seinen Gunsten nach dem Grundsatz in dubio pro reo Milderungsgründe anerkannt werden. Er habe sich im Jahr 2003 für den Bau eines Hauses entschieden. Der Hausbau sei mit Blick auf die Zusicherung finanzieller Unterstützung durch die Schwiegereltern erfolgt. Diese sei jedoch nicht wie geplant umgesetzt worden. In den Jahren 2003 bis 2006 hätten sich aufgrund der allgemeinen Situation und Überforderung seiner Person seine finanziellen Probleme verschärft. Aufgrund massiver Überforderung sei er 2006 aus dem gemeinsamen Wohnhaus ausgezogen. Er habe sich dann jedoch zu einem Neuanfang entschieden, wobei die Schwiegereltern dennoch die finanzielle Unterstützung von 300 € monatlich eingestellt hätten. Sein Sohn ... sei schwer erkrankt und es sei eine Autoimmunerkrankung festgestellt worden. In den Jahren 2009 bis 2014 habe sich die finanzielle Situation derart verschlechtert, dass er zusätzlich zu seiner normalen Belastung Überziehungskredite bei der Hausbank von 16.000 € zurückzuführen gehabt habe. Er habe sich immer mehr zurückgezogen. Eine Umfinanzierung mit der Hausbank habe die Gesamtsituation weiter verschlechtert.

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Im Jahr 2009 sei es zur Selbsttötung seines Vaters auf grausame Weise gekommen. Rückblickend sei er durch dieses Ereignis stark traumatisiert worden. Er habe jedoch weder Zeit noch Geld noch die erforderliche Kraft gehabt, um sich einzugestehen, dass er selbst Hilfe benötige. Er habe sich immer mehr zurückgezogen und versucht, den Schein aufrechtzuerhalten. Anstatt sich mit seinen eigenen Problemen auseinanderzusetzen, habe er seine persönliche Belastung noch verstärkt, indem er weitere Vereinstätigkeiten angenommen und anderen geholfen habe. Sein Tätigkeitsfeld habe die Drucksituation noch weiter verschärft. Er habe Menschen Zwangsmaßnahmen aufbürden müssen, deren Lage er habe nachvollziehen können. Die finanzielle Mehrbelastung habe schließlich derart zugenommen, dass am Quartalsende kaum noch Bargeld vorhanden gewesen sei, um Dingen des alltäglichen Lebens nachzukommen. Er sei wieder in das elterliche Wohnhaus gezogen. Die Ehefrau sei Ende 2013 aus dem gemeinsamen Haus ausgezogen und habe fast das gesamte Inventar mitgenommen. Er habe wieder von vorne anfangen müssen. Die gemeinsam erwirtschafteten Schulden trage er alleine ab und er erhalte keinen Unterhalt für die beiden dauerhaft bei ihm wohnenden gemeinsamen Kinder. In dieser andauernden Gesamtsituation sei es zu dem zu vertretenden Fehlverhalten gekommen. Er habe das Fehlverhalten krankheitsbedingt massiv verdrängt und sei überfordert gewesen. Von daher berufe er sich auf das Vorliegen einer existenziellen wirtschaftlichen Notlage sowie einer psychischen Ausnahmesituation.

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Er sei zudem vermindert schuldfähig gewesen. Für einen gesunden Menschen wären die ihm zur Last gelegten Pflichtverstöße ohne weiteres einsehbar gewesen. Gerade diese Einsehbarkeit sei in seinem Fall jedoch ausgeschlossen gewesen.

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Die prekären finanziellen Verhältnisse sowie die persönliche Situation seien seinem Dienstherrn bekannt gewesen. Für die finanziellen Verhältnisse ergebe sich dies aus einem dinglich gesicherten Arbeitgeberdarlehen, dessen Restforderung sich auf mehr als 18.000 € belaufe. Dem Dienstherrn sei über Jahre bekannt gewesen, dass er sich immer wieder mit an ihn zu leistenden Zahlungen im Verzug befunden habe. Auch die persönliche Situation sei durch die engen räumlichen Gegebenheiten, die eine strikte Trennung von dienstlichen und privaten Angelegenheiten unmöglich gemacht hätten, bekannt gewesen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach– und Streitstandes wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze sowie auf die Verwaltungs- und Personalakten verwiesen. Diese lagen dem Gericht ebenso vor wie die Strafakte der Staatsanwaltschaft ... Az.: 2080 Js 27984/15.

Entscheidungsgründe

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Der Beklagte hat sich eines Dienstvergehens schuldig gemacht, welches unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere des Umfangs, in dem er seine Pflichten verletzt und das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit beeinträchtigt hat, sowie unter angemessener Berücksichtigung seines Persönlichkeitsbildes die Entfernung aus dem Dienst erforderlich macht (§§ 11, 3 Nr. 5, 8 Landesdisziplinargesetz vom 2. März 1998 (GVBl. S. 29), zuletzt geändert durch Gesetz (Art. 7) vom 18. Juni 2013 (GVBl. S. 157) – LDG -).

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Das der Disziplinarklage vorangegangene förmliche Disziplinarverfahren leidet an keinem Verfahrensmangel. Insbesondere waren weder die Klägerin noch das erkennende Gericht gehalten, das Disziplinarverfahren für die Dauer des zeitgleich gegen den Beklagten eingeleiteten Strafverfahrens bei der Staatsanwaltschaft ... (Az.: 2080 Js 27984/15) auszusetzen. Nach § 15 Abs. 4 LDG, der nach seiner systematischen Stellung im Landesdisziplinargesetz auch auf das gerichtliche Disziplinarverfahren Anwendung findet, steht die Aussetzung, solange noch keine öffentliche Klage (§ 15 Abs. 2 LDG) erhoben ist, im Ermessen des Dienstherrn und nach Klageerhebung im Ermessen des Gerichts. Im Rahmen der Ausübung des Ermessens kommt dem Grundsatz der Beschleunigung (§ 4 LDG) eine besondere Bedeutung zu. Der Dienstherr bzw. das Gericht muss in die Entscheidung über die Aussetzung deshalb vor allem einstellen, welcher verfahrensmäßige Gewinn mit einer Aussetzung verbunden sein kann und wie sich dieser im Verhältnis zu dem mit der Aussetzung verbundenen Zeitverlust darstellt. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien sah sich auch das erkennende Gericht nicht veranlasst, das Gerichtsverfahren auszusetzen, da keine begründeten Zweifel am bereits im Disziplinarverfahren ermittelten Sachverhalt vorlagen bzw. derzeit vorliegen und infolgedessen kein Bedürfnis für die Aussetzung bestand bzw. besteht.

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Ebenso erweist sich die Klageschrift als rechtsfehlerfrei. Nach § 61 Abs. 2 LDG muss die Klageschrift die Tatsachen, in denen ein Dienstvergehen gesehen wird, und die anderen Tatsachen und Beweismittel, die für die Entscheidung bedeutsam sind, geordnet darstellen. Die Sachverhalte, aus denen das Dienstvergehen hergeleitet wird, müssen aus sich heraus verständlich geschildert werden. Ort und Zeit der einzelnen Handlungen müssen möglichst genau angegeben sowie die Geschehensabläufe nachvollziehbar beschrieben werden. Dadurch soll einerseits sichergestellt werden, dass sich der Beamte gegen die disziplinarrechtlichen Vorwürfe sachgerecht verteidigen kann. Andererseits soll das Disziplinargericht bei verständiger Lektüre der Klageschrift in die Lage versetzt werden, den in bestimmter Hinsicht erhobenen Vorwürfen nachzugehen, ohne seinerseits genötigt zu sein, aus einem allgemeinen Sachverhalt nach seinem pflichtgemäßen Ermessen das herauszuschälen, was als Verletzung der Beamtenpflichten in Betracht kommt. Auch tragen die gesetzlichen Anforderungen an die Klageschrift dem Umstand Rechnung, dass sie Umfang und Grenzen der gerichtlichen Disziplinarbefugnis festlegt. Denn gemäß § 69 Abs. 2 LDG dürfen nur Handlungen zum Gegenstand der Urteilsfindung gemacht werden, die dem Beamten in der Klage oder der Nachtragsklage als Dienstvergehen zur Last gelegt worden sind (BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2013 – 2 B 27/12, Urteil vom 27. Januar 2007 – 2 A 3.05 -, juris).

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Dies war vorliegend der Fall auch ohne dass in der Klageschrift hinsichtlich der durch eine gleichartige Begehungsweise gekennzeichneten Zugriffsdelikte eine Einzelaufstellung erfolgt ist. Insoweit geht aus der Klageschrift klar hervor, dass dem Beklagten der Zugriff auf zwei Barablieferungen des Einwohnermeldeamtes sowie vier Barablieferungen der Fahrer des "..." – in einer Gesamthöhe von 2903,97 € vorgehalten werden. Das dahingehende Fehlverhalten hat der Beklagte bereits im Disziplinarverfahren eingeräumt und den entsprechenden Fehlbetrag erstattet. Die vorgehaltenen Verfehlungen waren damit klar umrissen. Hinsichtlich der im Übrigen weiteren 19 Fälle, die im Einzelnen tabellarisch im dem Beklagten übermittelten wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen dargestellt wurden, ist mit der Zeitangabe in der Klageschrift, nämlich dass sich diese Fälle auf den Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis 30. Juni 2014 bezogen und sich mit einem Fehlbetrag von weiteren 2045,70 € niederschlugen, ebenso der disziplinarrechtliche Vorwurf ausreichend und substantiiert dargestellt. Ein Mangel der Klageschrift ist mithin entgegen der Auffassung des Beklagten nicht gegeben.

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Demgegenüber sind die drei weiteren dem Kläger vorgehaltenen Fehlbeträge i.H.v. 350 € aus den Jahren 2009 bis 2011 zwar in der Klageschrift bezeichnet, sie wurden jedoch ausweislich der Disziplinarakte zu keinem Zeitpunkt zum Gegenstand des Disziplinarverfahrens gemacht und entziehen sich bereits aus diesem Grunde der Würdigung im Disziplinarverfahren. Sie waren weder Gegenstand der Einleitungsverfügung vom 20. August 2014 noch der Ausdehnungsverfügung vom 24. März 2015 und auch nicht des zeitgleich mitgeteilten wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen. Lediglich die hierzu getroffenen Feststellungen finden sich ausweislich eines Aktenvermerks vom 17. April 2015. Sie sind daher nicht einzubeziehen.

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In der Sache steht fest, dass der Beklagte sich eines schweren Dienstvergehens nach § 47 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern vom 17. Juni 2008 (BGBl. I Seite 1010) – BeamtStG - schuldig gemacht hat. Durch das nicht erfolgte Weiterleiten der ihm als Kassenleiter übergebenen Bareinnahmen des "..." und des Einwohnermeldeamtes auf die Konten seines Dienstherrn und der Verwendung der Gelder zu eigenen Zwecken hat der Beklagte im innerdienstlichen Bereich schuldhaft die ihm nach § 34 BeamtStG obliegenden Dienstpflichten verletzt. Danach ist der Beamte verpflichtet, sich mit vollem persönlichen Einsatz seinem Beruf zu widmen, die ihm übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen und sein Verhalten so auszurichten, dass es der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die sein Beruf erfordert, d.h. dass er insbesondere nicht gegen Strafgesetze verstößt. Gegen diese Dienstpflichten hat der Beklagte in einem solchen Maß verstoßen (I.), dass seine Entfernung aus dem Dienst unausweichlich ist (II.).

I.

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Der Beklagte hat im Zeitraum Februar 2012 bis Juni 2014 in insgesamt 25 Fällen die von ihm entgegengenommenen Bareinzahlungen i.H.v. 4965,17 €, darunter zwei Barablieferungen vom Einwohnermeldeamt der Verbandsgemeinde i.H.v. 1163,06 € und 1028,61 € in der 21. und 22. Kalenderwoche 2014, vier Einzahlungen des "..." aus den Monaten April und Mai 2014 sowie die in der Anlage zum wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen aufgelisteten 19 Fälle, nicht ordnungsgemäß an die Verbandsgemeindekasse weitergeleitet bzw. auf die Konten der Klägerin eingezahlt, sondern diese statt dessen für eigene Zwecke verwendet.

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Dieser Sachverhalt folgt zunächst aus der Einlassung des Beklagten, wobei er ausdrücklich lediglich die erstgenannten sechs Verfehlungen mit einem Gesamtschaden von 2903,97 € eingestanden hat. Hinsichtlich der weitergehenden 19 Fälle steht jedoch aufgrund der Ermittlungen der Klägerin im behördlichen Disziplinarverfahren, insbesondere des Umstandes, dass der Beklagte als allein verantwortlicher Kassenleiter die Beträge entgegengenommen hat, der gleichen Ausführungsweise und des weitergehenden Umstandes, dass der Beklagte sich lediglich dahingehend eingelassen hat, dass er sich an die übrigen Fälle nicht mehr erinnere, insoweit aber bereit sei, eine Schadenswiedergutmachung zu leisten, fest, dass dem Beklagten auch eine dahingehende Täterschaft vorzuwerfen ist. Eine solche wurde vom Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung auch nicht in Abrede gestellt.

37

Hierdurch hat der Beamte gegen die oben genannten Dienstpflichten, die ein uneigennütziges, ein achtungs- und vertrauenswürdiges sowie ein solches Verhalten erwarten, das der Erfüllung der Dienstpflichten entspricht, über einen langen Zeitraum wiederholt verstoßen.

38

Der Verstoß erfolgte vorsätzlich. In Kenntnis dessen, dass er zur unverzüglichen Abführung der eingenommenen Bareinzahlungen verpflichtet war, hat der Beklagte diese nicht auf die Konten der Klägerin eingezahlt, da er diese gezielt zur Minimierung seiner wirtschaftlichen Engpässe einsetzen wollte. Anhaltspunkte für das Vorliegen von Schuldausschlussgründen sind vorliegend nicht ersichtlich. Eine lediglich eingeschränkte Schuldfähigkeit vermag den Schuldvorwurf nicht zu beseitigen, sondern kann allenfalls im Rahmen der Maßnahmebemessung Berücksichtigung finden, wie noch auszuführen sein wird.

II.

39

Welche Disziplinarmaßnahme für das nach dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens einheitlich zu würdigende Dienstvergehen angemessen ist, richtet sich nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung (§ 11 Abs. 1 S. 2 LDG). Eine Entfernung aus dem Dienst setzt voraus, dass der Beamte durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat (§ 11 Abs. 2 S. 1 LDG).

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Maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der disziplinaren Maßnahme ist demnach die Schwere des Dienstvergehens. Sie beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale). Zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Bereich und für Dritte, insbesondere nach der Höhe des entstandenen Schadens.

41

Das Bemessungskriterium "Persönlichkeitsbild" des Beamten umfasst dessen persönlichen Verhältnisse und sein sonstiges dienstliches Verhalten vor und nach der Tat. Es erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des Beamten übereinstimmt oder etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder einer psychischen Ausnahmesituation davon abweicht. Einen Aspekt des Persönlichkeitsbildes stellt auch tätige Reue dar, wie sie durch die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder der Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils noch vor der drohenden Entdeckung zum Ausdruck kommt.

42

Das Bemessungskriterium "Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit" erfordert eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion.

43

Aus den gesetzlichen Vorgaben des § 11 Abs. 1 LDG folgt die Verpflichtung der Verwaltungsgerichte aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu befinden, ob der Beamte auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen wird, oder ob die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Beeinträchtigung des Ansehens des Berufsbeamtentums bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wiedergutzumachen ist. Ergibt die prognostische Gesamtwürdigung, dass ein endgültiger Vertrauensverlust noch nicht eingetreten ist, haben die Verwaltungsgerichte diejenige Disziplinarmaßnahme zu verhängen, die erforderlich ist, um den Beamten zur Beachtung der Dienstpflichten anzuhalten und der Ansehensbeeinträchtigung entgegenzuwirken (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Mai 2007, Az.: 2 C 9/06 – juris -).

44

Unter Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze ist das festgestellte Dienstvergehen bereits nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 3 Abs. 1 LDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen. Insofern können die vom Bundesverwaltungsgericht für bestimmte Fallgruppen herausgearbeiteten Regelmaßnahmen von Bedeutung sein (vgl. BVerwG, Urteile vom 3. Mai 2007, NVwZ-RR 2007, 695 und vom 14. November 2007, DokBer. 2008, 141).

45

Hat sich der Beamte bei der Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit an Vermögenswerten vergriffen, die als dienstlich anvertraut seinem Gewahrsam unterliegen, ist ein solches Dienstvergehen als sogenanntes Zugriffsdelikt regelmäßig geeignet, das Vertrauensverhältnis zu zerstören (BVerwG, Urteil vom 6. Juni 2007 – 1 D 2.06-; BVerfG, Beschluss vom 19. Februar 2003 – 2 BvR 1413.01 –, juris), so dass in diesen Fällen die Entfernung aus dem Dienst grundsätzlich Ausgangspunkt der Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme ist. Die von der Schwere ausgehende Indizwirkung entfällt jedoch dann, wenn zu Gunsten des Beamten gewichtige Entlastungsgründe zu berücksichtigen sind, die den Schluss rechtfertigen, der Beamte habe das Vertrauen noch nicht endgültig verloren. Entlastungsgründe können sich aus allen Umständen ergeben. Sie müssen in ihrer Gesamtheit aber geeignet sein, die Schwere des Pflichtenverstoßes erheblich herabzusetzen. Generell gilt, dass das Gewicht der Entlastungsgründe umso größer sein muss, je schwerer das Zugriffsdelikt aufgrund der Schadenshöhe, der Anzahl und Häufigkeit der Zugriffshandlungen, der Begehung von "Begleitdelikten" und anderen belastenden Gesichtspunkten im Einzelfall wiegt. Sie sind bereits dann miteinzubeziehen, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen sprechen. Erforderlich ist stets eine Prognoseentscheidung zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung auf der Grundlage aller im Einzelfall be– und entlastenden Umstände (BVerwG, Urteil vom 6. Juni 2007, a.a.O., juris). Bei schweren Dienstvergehen stellt sich dann vorrangig die Frage, ob der Beamte nach seiner gesamten Persönlichkeit noch im Beamtenverhältnis tragbar ist.

46

Dies vorausgeschickt, hat der Beklagte sich vorliegend eines Zugriffsdelikts schuldig gemacht. Ein solches liegt dann vor, wenn der Beamte – sei es auch nur vorübergehend - auf Bargeld oder gleichgestellte Werte zugreift, die ihm dienstlich anvertraut oder zugänglich sind. Die Einstufung als Zugriffsdelikt hängt nicht von der strafrechtlichen Beurteilung ab. Es kommt also nicht darauf an, ob ein Beamter dienstliche Gelder oder Güter z.B. durch Betrug, Diebstahl, Untreue oder Unterschlagung erlangt hat (BVerwG, Urteil vom 8. April 2003 – 1 D 27/02 – Urteil vom 23. Februar 2012 – 2 B 143/11 –, juris). Der Beklagte war dienstlich u.a. mit der Entgegennahme von Bargeldern sowohl des "..." als auch des Einwohnermeldeamtes befasst. Statt diese an die Klägerin weiterzuleiten, hat er sie für eigene Zwecke verwendet. Ein Beamter, der sich amtlich anvertrautes oder zugängliches Gut zueignet, zerstört das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn und die für die Ausübung seines Amtes erforderliche Achtung regelmäßig so nachhaltig, dass er grundsätzlich nicht im Dienst verbleiben kann. Im Umgang mit öffentlichem oder amtlich anvertrautem Gut ist die Verwaltung auf die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit ihrer Bediensteten in hohem Maße angewiesen, weil eine lückenlose Kontrolle eines jeden Beamten nicht möglich ist. Wer daher diese unabdingbare Vertrauensgrundlage zerstört, muss nach ständiger Rechtsprechung der Disziplinargerichte grundsätzlich mit der Auflösung seines Beamtenverhältnisses rechnen (BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2000 – 1 D 33/99 –, Urteil vom 20. Oktober 2005 – 2 C 12.04 –, juris). Aufgrund der Schwere des Dienstvergehens ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis Richtschnur für die Maßnahmebestimmung. Dies gilt umso mehr, wenn der Beamte – wie vorliegend - über einen nicht unerheblichen Zeitraum wiederholt und beständig gegen seine Kernpflichten verstoßen und sich durch die Zugriffshandlungen eine zusätzliche Einnahmequelle verschafft hat.

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Unter Berücksichtigung aller wesentlichen Umstände des vorliegenden Einzelfalls lassen sich auch keine gewichtigen durchgreifenden Entlastungsgesichtspunkte feststellen, die ausnahmsweise die Prognose zulassen, dass trotz des Fehlverhaltens noch ein Restvertrauen in die Person des Beamten verblieben ist. Insbesondere liegt keiner der von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Milderungsgründe vor. Mit der Vereinnahmung von insgesamt 4965,17 € in knapp zweieinhalb Jahren hat der Beamte die Grenze der Geringwertigkeit, die nach der Rechtsprechung bei etwa 50 € liegt, deutlich überschritten.

48

Den Beamten kann auch nicht der Milderungsgrund der freiwilligen Offenbarung entlasten. Denn er hat sein Fehlverhalten erst nach der Entdeckung offenbart (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Oktober 1994 – 1 D 31.94 –, juris). Aus diesem Grund steht dem Beamten auch nicht der Milderungsgrund der Wiedergutmachung des Schadens zur Seite (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Februar 2001 – 1 D 69.99 –, juris). Zwar hat der Beklagte unmittelbar nach Tatentdeckung die Begehung der ihm zunächst vorgeworfenen sechs Verfehlungen mit einem Gesamtschaden von 2903,97 € eingestanden und diesen Betrag erstattet. Die Annahme des Milderungsgrundes der Wiedergutmachung des Schadens setzt jedoch ebenso wie die Offenbarung ein freiwilliges Handeln vor Tatentdeckung voraus. Seine Einlassung, er habe das Geld nur vorübergehend an sich genommen in der Absicht, es sämtlich wieder zurückzuzahlen, vermag ihn von daher nicht zu entlasten. Überdies sind durch Tatsachen belegte Gründe, aus denen sich ergibt, dass der Beklagte tatsächlich die einbehaltenen Beträge auch ohne die Entdeckung zurückgezahlt hätte, nicht dargelegt.

49

Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, aus einer unverschuldeten unausweichlichen Notlage heraus gehandelt zu haben. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass der Beamte sich im Zeitpunkt der Zugriffshandlungen in einer schwierigen finanziellen Situation befunden hat, die wesentlich auf den Hausbau und – nach Einlassung des Beklagten – auch auf den unangemessen großzügigen Lebensstil der Familie zurückzuführen war. Hierdurch bedingt kam es zu Kreditaufnahmen u.a. bei der Hausbank der Klägerin, deren Abtragung den finanziellen Spielraum der Familie weiter einengte. Zur Annahme eines Milderungsgrundes vermag jedoch lediglich eine "unverschuldete Notlage" zu führen. Vorliegend lag demgegenüber weder eine Notlage vor noch war die finanzielle Situation der Familie unverschuldet. Eine Notlage liegt nach ständiger Rechtsprechung nur dann vor, wenn im Zeitpunkt des Zugriffs die existenziellen Bedürfnisse des Beamten bzw. seiner Familie infrage gestellt waren. Dies war jedoch in den Jahren des Zugriffs offenkundig nicht der Fall. Selbst unter Berücksichtigung einer Abtragung i.H.v. 1036,25 € monatlich für drei Darlehensverträge – wie vom Beklagten im behördlichen Disziplinarverfahren geltend gemacht – wäre unter Zugrundelegung des Gehalts des Beklagten - ohne Berücksichtigung etwaiger Einkünfte der Ehefrau - zuzüglich Kindergeld nicht von einer derartigen existenziellen Notlage auszugehen. Der notwendige Lebensbedarf war unter diesen Umständen während der Tatzeit in keiner Weise gefährdet. Zumindest war die beengte finanzielle Situation der Familie nicht unverschuldet. Es hätte dem Beklagten, dem in seiner Funktion als Kassenleiter vergleichbare Situationen bekannt waren, oblegen, durch geeignete Maßnahmen die Verbindlichkeiten zu reduzieren. Zudem hätte er sich an seinen Dienstherrn, an Schuldnerberatungsstellen oder gegebenenfalls auch an Verwandte hilfesuchend wenden können, um auch hier durch geeignete Maßnahmen kurzfristige finanzielle Engpässe zu überbrücken. All dies hat der Beklagte jedoch nicht getan. Unabhängig davon ist der von der Rechtsprechung anerkannte Milderungsgrund des Handelns in einer unverschuldeten ausweglosen wirtschaftlichen Notlage nur auf den Fall zugeschnitten, dass es sich um ein vorübergehendes, zeitlich und zahlenmäßig eng begrenztes Fehlverhalten zur Behebung einer vorübergehenden Konfliktsituation handelt. Wiederholte Zugriffshandlungen über einen längeren Zeitraum – wie hier – erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 22 Oktober 2002 - 1 D 6.02 – und Urteil vom 23. Oktober 2002 – 1 D 5.02 -, juris). Der Beklagte hat sich ohne wirkliche Not eine zusätzliche bequeme Einnahmequelle verschafft.

50

Eine mildernde Betrachtung seines Fehlverhaltens ergibt sich auch nicht aus einer irgendwie gearteten psychischen Ausnahmesituation. Eine solche setzt voraus, dass es sich nicht um eine länger andauernde seelische Belastung handelt, mit der der Beamte sich längerfristig – eventuell mit psychotherapeutischer oder sonstiger Hilfe durch Dritte – auseinandersetzen konnte. Erforderlich ist vielmehr eine schockartige, d.h. in der Regel durch ein plötzliches unvorhergesehenes Ereignis ausgelöste seelische Ausnahmesituation. Eine solche wurde vorliegend vom Beklagten nicht geltend gemacht und ist auch nach den gegebenen Umständen nicht ersichtlich. Soweit der Beklagte sich auf die Selbsttötung seines Vaters im Jahr 2009 beruft, fehlt es bereits an einem kausalen Zusammenhang zwischen diesem, durchaus schockbewehrten Ereignis und den Zugriffshandlungen des Beklagten ab dem Jahr 2012. Einer länger andauernden seelischen Belastungssituation hätte er mittels therapeutischer Maßnahmen begegnen können. Auch die Diagnose der Autoimmunerkrankung des Sohnes fällt weder in den angeschuldigten Verfehlungszeitraum noch ist nach allgemeiner Lebenserfahrung nachzuvollziehen, dass eine derartige Diagnose zu einem jahrelangen Zugriff auf Gelder des Dienstherrn führt, zumal eine sich hieraus ergebende finanzielle Belastung nicht dargetan ist. Damit verbleiben lediglich die dem Beklagten über den Kopf gewachsenen finanziellen Probleme und die damit verbundenen psychischen Belastungen. Die hohe Schuldenlast war jedoch zur Tatzeit nicht unversehens auf den Beklagten zugekommen, sondern bestand nach eigenem Vortrag bereits seit den Jahren 2003 bis 2006. Krankheitsbedingte vorübergehende Persönlichkeitsstörungen oder sonstige schockartig auf die Seelenlage des Beklagten einwirkende Ereignisse wurden nicht dargelegt.

51

Über die von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannten Milderungsgründe hinausgehende, vom Gewicht mit den Milderungsgründen vergleichbare, besondere Umstände, die eine mildernde Betrachtung der Verfehlung des Beklagten rechtfertigen könnten (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005, a.a.O.), sind vorliegend ebenso nicht ersichtlich.

52

Eine verminderte Schuldfähigkeit des Beklagten liegt nach den gegebenen Umständen offenkundig nicht vor. Die dem Beklagten durch den Arzt Dr. ... seit August 2014, d.h. unmittelbar nach Einleitung des hier relevanten Disziplinarverfahrens, diagnostizierte mittelschwere bis schwere Depression mit Grübelzwang, Schlafstörungen, innerer Unruhe und Verzweiflungstendenzen ist nicht geeignet, eine verminderte Schuldfähigkeit zu begründen. Zum einen ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass und in welcher Form die Einsichts– und Steuerungsfähigkeit des Beklagten hierdurch konkret beeinträchtigt war bzw. ist. Zum anderen liegt mangels gegenteiliger Anhaltspunkte die Vermutung nahe, dass die diagnostizierte Erkrankung dem Umstand der Einleitung des Disziplinarverfahrens geschuldet war und nicht bereits zum Zeitpunkt der Verfehlungen vorlag. Infolge der daher fernliegenden Annahme einer verminderten Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt, ist das Gericht auch nach Amtsermittlungsgrundsätzen nicht gehalten, entsprechende Aufklärung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens gleichsam "ins Blaue hinein" zu betreiben.

53

Zu seinen Gunsten kann der Beklagte sich lediglich insofern auf ein Mitverschulden bzw. partielle Nichtbeachtung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn berufen, als diesem wohl bekannt war, dass sich der Beklagte als junger Beamter und Familienvater mit dem Hausbau überschuldet hat und dass es teilweise zu Zahlungsschwierigkeiten gekommen ist. In einer derartigen Lage hätte es - wenn auch nicht einer Ablösung vom Aufgabenbereich eines Kassenleiters - so doch zumindest einer regelmäßigen Kontrolle des Beklagten bedurft, da er mit der Entgegennahme von Geldern durchaus in eine besondere Versuchungssituation gebracht worden ist. Dieser entlastende Umstand kann jedoch in der gebotenen Gesamtabwägung die belastenden Gesichtspunkte – insbesondere die Höhe der unterschlagenen Gelder, die wiederholte Begehungsweise über einen langen Zeitraum - nicht ausgleichen.

54

Nach alledem bleibt daher festzustellen, dass der Beklagte durch das von ihm begangene Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn und auch der Allgemeinheit in seine Integrität endgültig verloren hat. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vermittelte er den Eindruck eines zwar mäßig reuigen Beamten, jedoch ließ er eine wirkliche Einsicht in ein verantwortliches Fehlverhalten mit weitreichenden Folgen vermissen. Zwar hat der Beklagte sich nach Einleitung des Disziplinarverfahrens in eine Therapie begeben. Dennoch offenbarte er nicht das Bild eines durch die negativen Erfahrungen gefestigten Beamten, der sich bei erneuten – und konkret nicht fernliegenden - finanziellen Problemen, nicht abermals zu einem Fehlverhalten hinreißen lassen wird.

55

Der Verhängung der Höchstmaßnahme steht auch nicht der Grundsatz der Wahrung der Verhältnismäßigkeit entgegen. Die in der Entfernung liegende Härte ist für den Beamten – auch unter familiären und wirtschaftlichen Gesichtspunkten – nicht unverhältnismäßig, weil sie auf ihm zurechenbarem Verhalten beruht und zudem der Aufrechterhaltung der Integrität und Funktionsfähigkeit sowie auch der Wahrung des Ansehens des Berufsbeamtentums und damit dem Interesse der Allgemeinheit dient.

56

Eine abweichende Entscheidung zum gesetzlich vorgesehenen Unterhaltsbeitrag nach § 8 Abs. 2 LDG ist vorliegend nicht angezeigt.

57

Die Kostenentscheidung beruht auf § 99 Abs. 1 LDG. Verfahren nach dem Landesdisziplinargesetz sind gebührenfrei (§ 109 LDG).

58

Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 21 LDG i.V.m. § 167 Abs. 2 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO - , §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozeßordnung – ZPO -.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Trier Urteil, 22. Dez. 2015 - 3 K 1995/15.TR

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Trier Urteil, 22. Dez. 2015 - 3 K 1995/15.TR

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
Verwaltungsgericht Trier Urteil, 22. Dez. 2015 - 3 K 1995/15.TR zitiert 7 §§.

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Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 34 Wahrnehmung der Aufgaben, Verhalten und Erscheinungsbild


(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und d

Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 47 Nichterfüllung von Pflichten


(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße g

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Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 17. Juli 2013 - 2 B 27/12

bei uns veröffentlicht am 17.07.2013

Gründe 1 Die auf Verfahrensfehler und auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützte Beschwerde des Beklagten hat keinen Erfolg.

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Gründe

1

Die auf Verfahrensfehler und auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützte Beschwerde des Beklagten hat keinen Erfolg.

2

1. Der Beklagte stand bis zu seiner vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand im Jahr 2005 als Polizeikommissar im Dienst des Klägers. Die im Jahr 2007 erhobene Disziplinarklage war nach Auffassung des Verwaltungsgerichts auf eine nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Klageschrift gestützt, sodass der Klägerin durch Beschluss nach § 54 Abs. 3 Satz 2 LDG NRW eine Frist zur Einreichung einer inhaltlich hinreichend bestimmten Klageschrift gesetzt wurde. Die neugefasste Klageschrift verwies hinsichtlich der näheren Umstände der dem Beklagten vorgeworfenen Pflichtenverstöße, insbesondere der Tatzeitpunkte auf eine in der Disziplinarakte enthaltene Aufstellung, die dem Bevollmächtigten des Beklagten vorab übermittelt worden war.

3

Das Verwaltungsgericht erkannte dem Beklagten das Ruhegehalt ab, die hiergegen gerichtete Berufung blieb ohne Erfolg. Die Maßnahme sei geboten, weil der Beklagte in der Zeit vom 1. Januar 2001 bis zum 21. Dezember 2004 einer unerlaubten Nebentätigkeit nachgegangen sei, die nach Art und Umfang als Zweitberuf eingestuft werden müsse. Dieses Dienstvergehen wiege besonders schwer, weil der Beklagte seine gewerblichen Tätigkeiten auch während der Zeiten krankheitsbedingter Dienstunfähigkeit ausgeübt habe.

4

2. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 67 Satz 1 LDG NRW i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

5

Die nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderliche Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Frage des revisiblen Rechts bezeichnet und aufzeigt, dass die Frage sowohl im konkreten Fall entscheidungserheblich als auch allgemein klärungsbedürftig ist. Klärungsbedarf besteht, wenn eine von der Beschwerde aufgeworfene Frage von Bundesverfassungs- oder Bundesverwaltungsgericht weder beantwortet worden ist noch auf der Grundlage ihrer Rechtsprechung eindeutig beantwortet werden kann (stRspr; vgl. Beschluss vom 24. Januar 2011 - BVerwG 2 B 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 4).

6

a) Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht geklärt und bedarf nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, dass auch im Falle einer überlangen Dauer des Disziplinarverfahrens nicht von der Aberkennung des Ruhegehalts abgesehen werden kann, wenn der Ruhestandsbeamte die Dienstpflichtverletzungen im aktiven Dienst begangen hat und deshalb die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten wäre, wenn er sich noch im Dienst befände (§ 13 Abs. 3 Satz 2 BDG). Auch aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK folgt nicht, dass dem Betroffenen wegen einer unangemessen langen Verfahrensdauer eine Rechtsstellung eingeräumt werden muss, die im Widerspruch zu dem entscheidungserheblichen innerstaatlichen materiellen Recht steht. Vielmehr kann die unangemessene Verfahrensdauer für den Ausgang eines zu lange dauernden Rechtsstreits nur dann berücksichtigt werden, wenn das innerstaatliche Recht dies vorsieht oder zulässt. In den Fällen, in denen ein Beamter durch ein Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 3 LDG NRW), sieht das Disziplinarrecht aber zwingend die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. die Aberkennung des Ruhegehalts vor (stRspr, vgl. zuletzt Urteile vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 3.12 - Rn. 44 ff. und BVerwG 2 C 62.11 - Rn. 59 ff. ). Darüber hinausgehenden oder neuen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.

7

b) Der Kläger hat auch im Hinblick auf die Maßnahmebemessung keinen weiteren Klärungsbedarf aufgezeigt. Welche generellen Anforderungen an die Bemessung der Disziplinarmaßnahme durch die Tatsachengerichte im Hinblick auf Beamte zu stellen sind, die während der Zeit einer Dienstunfähigkeit Nebentätigkeiten ohne Genehmigung ausgeübt haben, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinreichend geklärt. Für die Ahndung ungenehmigter Nebentätigkeiten steht wegen der Vielfalt der möglichen Pflichtverstöße grundsätzlich der gesamte disziplinarrechtliche Maßnahmenkatalog zur Verfügung. Es kommt auf Dauer, Häufigkeit und Umfang der Nebentätigkeiten an. Weiterhin muss berücksichtigt werden, ob der Ausübung der Nebentätigkeiten gesetzliche Versagungsgründe entgegenstehen, d.h. die Betätigungen auch materiell rechtswidrig sind und ob sich das Verhalten des Beamten nachteilig auf die Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben ausgewirkt hat. Erschwerend wirkt sich aus, wenn ein Beamter ungenehmigte Nebentätigkeiten in Zeiten der Krankschreibung wahrnimmt (Urteile vom 11. Dezember 1990 - BVerwG 1 D 63.89 - BVerwGE 86, 370 <378>, vom 1. Juni 1999 - BVerwG 1 D 49.97 - BVerwGE 113, 337 <338> und vom 11. Januar 2007 - BVerwG 1 D 16.05 - juris Rn. 59).

8

Darüber hinaus ist geklärt, dass der Beamte, der während der Krankschreibung Nebentätigkeiten ausübt, gegen die Pflicht zum vollen beruflichen Einsatz verstößt, wenn die Nebentätigkeit nach Art und Umfang generell geeignet ist, die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit zumindest zu verzögern. Eines konkreten medizinischen Nachweises bedarf es nicht (stRspr; Urteile vom 12. Februar 1992 - BVerwG 1 D 2.91 -, vom 1. Juni 1999 - BVerwG 1 D 49.97 - BVerwGE 113, 337 <338> und vom 14. November 2001 - BVerwG 1 D 60.00 - jeweils m.w.N.). Ob derartiges angenommen werden kann, ist nach den jeweiligen Einzelfallumständen zu beantworten und einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.

9

Ein Verstoß gegen das Schuldprinzip liegt hierin nicht. Anknüpfungspunkt sind vielmehr schuldhafte Verhaltensweisen des Beklagten, nämlich die Fortführung (und Intensivierung) der ungenehmigten Nebentätigkeiten während des Zeitraums der Krankschreibung. Auf einen individuellen Nachweis wird lediglich hinsichtlich der konkreten Beeinträchtigung des Gesundungsprozesses verzichtet. Dies findet Grund und Rechtfertigung darin, dass der Beamte durch die ungeschmälerte Alimentierung während der Dienstunfähigkeit in die Lage versetzt werden soll, seine Genesung bestmöglich zu fördern. Ist die Arbeitskraft wiederhergestellt, hat er sie seinem Dienstherrn zur Verfügung zu stellen. Die Ausübung einer gewerblichen Nebentätigkeit während des Zeitraums einer Krankschreibung kommt deshalb nur in Betracht, wenn die Nebentätigkeit der Erholung nicht schaden kann. Ist sie dagegen geeignet, den Gesundungsprozess zu behindern oder zu verlangsamen, hat sie - ebenso wie die Dienstausübung - zu unterbleiben. Eine Privilegierung privater Nebentätigkeiten dergestalt, dass sie von einer Krankschreibung nicht umfasst würden, ist nicht veranlasst.

10

Aus dem Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Februar 2003 - 2 BvR 1413/01 - (NVwZ 2003, 1504) folgt entgegen der Auffassung des Beklagten nichts anderes. Dass das dort angegriffene Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen auf die Verfassungsbeschwerde aufgehoben wurde, beruhte vielmehr darauf, dass eine Ausübung der Nebentätigkeit während krankheitsbedingter Dienstunfähigkeit von der Tatsacheninstanz nicht festgestellt worden war. Beanstandet worden ist damit nicht der grundsätzliche Rechtssatz, dass es eines konkreten Nachweises der Beeinträchtigung des Gesundungsprozesses nicht bedürfe. Fehlerhaft war nur die Annahme des Gerichts, dass von einem hierzu erforderlichen Verstoß gegen die Gesunderhaltungspflicht ausgegangen werden könne. Die insoweit vom Oberverwaltungsgericht ergänzend getroffenen Tatsachenfeststellungen konnten wegen der Beschränkung des Rechtsmittelverfahrens auf das Disziplinarmaß nicht berücksichtigt werden.

11

Soweit der Beklagte die fallbezogene disziplinarrechtliche Würdigung auf der Grundlage der dargestellten Rechtsprechung in Zweifel zieht, ist dies nicht geeignet, eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die langjährige pflichtgemäße Dienstausübung selbst bei überdurchschnittlichen Leistungen für sich genommen regelmäßig nicht geeignet, gravierende Pflichtenverstöße in einem milderen Licht erscheinen zu lassen (Urteile vom 23. November 2006 - BVerwG 1 D 1.06 - juris Rn. 40 § 70 bbg nr. 12 nicht abgedruckt>, vom 7. Februar 2008 - BVerwG 1 D 4.07 - juris Rn. 28 , vom 19. Juni 2008 - BVerwG 1 D 2.07 - juris Rn. 76 ; Beschluss vom 23. Januar 2013 - BVerwG 2 B 63.12 - juris Rn. 13 und Urteil vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 3.12 - Rn. 43). Eine "Mobbing-Situation" kann nicht berücksichtigt werden, weil das Oberverwaltungsgericht insoweit keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hat. Daran ist der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden.

12

3. Die Beschwerde hat auch keinen Verfahrensmangel aufgezeigt, auf dem die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts beruhen könnte (§ 67 Satz 1 LDG NRW i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

13

Die ausgesprochene Disziplinarmaßnahme beruht zwar nicht auf einer den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden Klageschrift. Dieser Fehler zieht auch einen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nach sich, weil das Oberverwaltungsgericht die sich aus § 54 Abs. 3 Satz 1, § 65 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW ergebende Verpflichtung verletzt hat, auf die Beseitigung eines solchen Mangels durch den Dienstherrn hinzuwirken (Beschluss vom 26. Februar 2008 - BVerwG 2 B 122.07 - Buchholz 235.1 § 55 BDG Nr. 2 Rn. 3 zur entsprechenden Regelung in § 55 BDG). Die Fehlerhaftigkeit der Klageschrift erweist sich angesichts der vorliegenden Einzelfallumstände aber nicht als wesentlicher Mangel im Sinne des § 54 LDG NRW.

14

a) Nach § 52 Abs. 2 Satz 1 LDG NRW muss die Klageschrift die Tatsachen, in denen ein Dienstvergehen gesehen wird, und die anderen Tatsachen und Beweismittel, die für die Entscheidung bedeutsam sind, geordnet darstellen. Die Sachverhalte, aus denen das Dienstvergehen hergeleitet wird, müssen aus sich heraus verständlich geschildert werden. Ort und Zeit der einzelnen Handlungen müssen möglichst genau angegeben sowie die Geschehensabläufe nachvollziehbar beschrieben werden. Dadurch soll sichergestellt werden, dass sich der Beamte gegen die disziplinarischen Vorwürfe sachgerecht verteidigen kann. Auch tragen die gesetzlichen Anforderungen an die Klageschrift dem Umstand Rechnung, dass sie Umfang und Grenzen der gerichtlichen Disziplinarbefugnis festlegt. Denn gemäß § 59 Abs. 2 Satz 1 LDG NRW dürfen nur Handlungen zum Gegenstand der Urteilsfindung gemacht werden, die dem Beamten in der Klage oder der Nachtragsklage als Dienstvergehen zur Last gelegt worden sind. Aus der Klageschrift muss bei verständiger Lektüre deshalb eindeutig hervorgehen, welche konkreten Handlungen dem Beamten als Dienstvergehen zur Last gelegt werden (Urteil vom 25. Januar 2007 - BVerwG 2 A 3.05 - Buchholz 235.1 § 52 BDG Nr. 4 Rn. 27 f. und Beschluss vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 2 B 59.11 - juris Rn. 5 m.w.N.).

15

Diesen Anforderungen entspricht auch die neugefasste Klageschrift nicht. Dem Beklagten wird darin vorgeworfen, im Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis 21. Dezember 2004 dadurch eine unerlaubte Nebentätigkeit ausgeübt zu haben, dass er Waren bei der Fa. M. bestellt, abgeholt und anschließend wieder veräußert hat. An 284 Tagen sei er dabei krankgeschrieben gewesen, in diesen habe er insgesamt 794 Positionen mit einem Warenwert von über 500.000 € abgewickelt. Damit war zwar der Tatzeitraum eingegrenzt und die Gesamtzahl und das Umsatzvolumen der getätigten Bestellungen angegeben (vgl. Beschluss vom 26. Oktober 2011 - BVerwG 2 B 69.10 - juris Rn. 7). Die Klageschrift enthält aber den Zeitpunkt der dem Beklagten zur Last gelegten einzelnen Handlungen nicht. Ihr kann deshalb auch nicht entnommen werden, welche konkreten Sachverhalte vom Dienstherrn zur Begründung der von ihm angenommenen Dienstvergehen herangezogen worden waren. Diese Bezeichnung der Tatsachen, in denen ein Dienstvergehen gesehen wird, ist aber das "Kernstück" der Disziplinarklagebegründung (Weiß, in: GKÖD, Band II, Stand: Mai 2013, M § 52 Rn. 86).

16

Die Klageschrift durfte hierzu nicht auf die in der Disziplinarakte befindliche Einzelaufstellung verweisen (Urteil vom 25. Januar 2007 a.a.O. Rn. 29). Durch eine derartige Verweisung auf die Behördenakten kann die Klageschrift nicht mehr die ihr durch § 52 LDG NRW zugedachte Eingrenzungs- und Informationsfunktion erfüllen. Die Klageschrift ist nicht mehr aus sich heraus verständlich, sodass der Beklagte sich nicht auf sie beschränken kann, um den genauen Gegenstand der gegen ihn erhobenen Vorwürfe und sein hiergegen mögliches Prozessverhalten bestimmen zu können.

17

Zwar kann in einem Disziplinarverfahren, in dem einem Beamten - wie hier - eine Vielzahl gleichförmiger Taten zur Last gelegt werden, die durch eine gleichartige Begehungsweise gekennzeichnet sind, hinsichtlich der näheren individualisierenden tatsächlichen Umstände der Einzeltaten auf eine tabellarische Aufstellung verwiesen werden (vgl. zur entsprechenden Erleichterung im Strafverfahren BGH, Beschluss vom 15. März 2011 - 1 StR 260/09 - NStZ 2011, 420 Rn. 19). Diese Aufstellung muss indes Teil der Klageschrift sein, weil nur so der Sachverhalt, aus dem das Dienstvergehen hergeleitet wird, in dieser hinreichend bestimmt dargestellt ist (Urteile vom 23. November 2006 - BVerwG 1 D 1.06 - juris Rn. 14 § 70 bbg nr. 12> und vom 25. Januar 2007 - BVerwG 2 A 3.05 - a.a.O. Rn. 27; Beschlüsse vom 13. März 2006 - BVerwG 1 D 3.06 - Buchholz 235 § 67 BDO Nr. 1 Rn. 13, vom 18. November 2008 - BVerwG 2 B 63.08 - juris Rn. 22 § 17 bdg nr. 1>, vom 21. April 2010 - BVerwG 2 B 101.09 - juris Rn. 6, vom 28. März 2011 - BVerwG 2 B 59.10 - juris Rn. 5, vom 26. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 6 sowie vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 2 B 59.11 - juris Rn. 5).

18

b) Der in dem unzulässigen Verweis auf die Disziplinarakte liegende Mangel der Klageschrift ist unter den hier gegeben Umständen jedoch ausnahmsweise als unwesentlich einzustufen und hinderte deshalb den Ausspruch einer Disziplinarmaßnahme nicht.

19

Ein Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens ist wesentlich im Sinne des § 54 LDG NRW, wenn sich nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen lässt, dass er sich auf das Ergebnis des gerichtlichen Disziplinarverfahrens ausgewirkt haben kann. Hingegen kommt es für die Frage der Wesentlichkeit eines Mangels weder darauf an, ob er behebbar ist noch darauf, ob und ggf. wie intensiv schutzwürdige - insbesondere grundrechtsbewehrte - Rechtspositionen Betroffener durch den Mangel berührt worden sind. Maßgeblich ist wegen der Funktion des Disziplinarverfahrensrechts, bei der Prüfung und ggf. Ahndung von Dienstvergehen gesetzmäßige Ergebnisse zu erzielen, vielmehr die Ergebnisrelevanz. Nur solche Mängel sind wesentlich und bedürfen einer Korrektur oder führen zur Einstellung des Verfahrens nach § 54 Abs. 3 Satz 3 LDG NRW, bei denen nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen ist, dass sie sich auf das Ergebnis des Disziplinarverfahrens ausgewirkt haben können. Wann ein Mangel in diesem Sinne wesentlich ist, ist eine Frage des Einzelfalles (Urteil vom 24. Juni 2010 - BVerwG 2 C 15.09 - BVerwGE 137, 192 = Buchholz 235.1 § 55 BDG Nr. 6, jeweils Rn. 19 zur gleichlautenden Vorschrift des § 55 BDG; Beschluss vom 28. März 2013 - BVerwG 2 B 113.12 - juris Rn. 9 zu § 52 HmbDG). Eine inhaltlich nicht ausreichend bestimmte Klageschrift weist grundsätzlich einen wesentlichen Mangel auf, weil sie die sachgerechte Verteidigung des Beamten gegen die disziplinaren Vorwürfe erschwert (Urteil vom 25. Januar 2007 a.a.O. Rn. 26 f.).

20

Vorliegend ist dem Beklagten indes eine Kopie der in der Disziplinarakte enthaltenen Einzelaufstellung vorab übermittelt worden, auf der jeweils bestimmten Tagen zugeordnet die Zahl der bestellten Artikel, der Warenwert, die Abholung sowie das Vorliegen einer Krankschreibung vermerkt war. Aus der Zusammenschau von auf diese Einzelaufstellung Bezug nehmender Klageschrift und der dem Beklagten zur Verfügung gestellten Einzelaufstellung konnte kein Zweifel daran bestehen, welche Sachverhalte vom Dienstherrn zur Begründung des angenommenen Dienstvergehens herangezogen worden sind. Der Beklagte ist nicht durch vage und unbestimmte Vorwürfe belastet worden, sondern wusste genau, welche Handlungen ihm zur Last gelegt wurden. Auch hinsichtlich der näheren Umstände der Einzeltaten und ihres exakten Zeitpunktes ist durch die Bezugnahme auf die dem Beklagten vorab übersandte Einzelaufstellung eine präzise Eingrenzung erfolgt. Der Beklagte war damit auch in die Lage versetzt, sich sachgerecht zu verteidigen. Er war noch vor Zustellung der Klageschrift über die konkretisierten Einzelvorwürfe unterrichtet und hatte Gelegenheit, sein Prozessverhalten hierauf einzustellen. Warum und wie sich der Mangel auf das Ergebnis der Disziplinarklage hätte auswirken können, ist weder vom Beklagten vorgetragen noch sonst ersichtlich. Es kann daher mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass sich der Verstoß gegen § 52 Abs. 2 Satz 1 LDG NRW auf das Disziplinarklageverfahren ausgewirkt hat.

21

Soweit die Beschwerde nunmehr vorträgt, die übermittelte Kopie sei schlecht leserlich gewesen, hätte es dem Beklagten oblegen, hierauf zeitnah hinzuweisen. Im Übrigen sind in der Berufungserwiderung derartige Einwände nicht geltend gemacht und nur inhaltliche Einwendungen gegen die - offenbar auch für den Beklagten lesbaren - Anlagen vorgetragen worden.

22

Hinsichtlich der Rüge, durch die Verwendung von Kreuzen und Sternchen sei die Spalte Krankmeldung nicht verständlich gewesen, ist der Beschwerde zuzugeben, dass die unmittelbare Verständlichkeit der Tabelle durch die Schwarz-Weiß-Kopie Einbußen erfahren hat. Die in roter Farbe vorgenommene Durchstreichung des Kreuzes in der Spalte "krank nein" mag dem Beklagten so im ersten Moment als Sternchen erschienen sein. Schon die zusätzliche Markierung im Feld "krank ja" ließ jedoch keinen anderen Schluss zu, als dass es sich bei dem "Sternchen" um eine Streichung des ursprünglichen Kreuzes gehandelt hat. Dies gilt in Anbetracht des jeweils angebrachten Berichtigungsvermerks sowie der entsprechend geänderten Beträge im Erkrankungszeitraum erst recht. Die Aufstellung über die Krankheitszeiten ließ damit auch in Schwarz-Weiß-Kopie keine Zweifel an ihrem Aussagegehalt. Welche andere Interpretationsmöglichkeit bestanden hätte, legt auch die Beschwerde nicht dar.

(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.

(2) Bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten oder früheren Beamtinnen mit Versorgungsbezügen und früheren Beamten mit Versorgungsbezügen gilt es als Dienstvergehen, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen oder an Bestrebungen teilnehmen, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, oder wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Bei sonstigen früheren Beamtinnen und früheren Beamten gilt es als Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Für Beamtinnen und Beamte nach den Sätzen 1 und 2 können durch Landesrecht weitere Handlungen festgelegt werden, die als Dienstvergehen gelten.

(3) Das Nähere über die Verfolgung von Dienstvergehen regeln die Disziplinargesetze.

(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.