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Der Antrag der Antragsteller auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.
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Die Antragsteller, der Landesverband Baden-Württemberg und der Kreisverband E. der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD), begehren im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Verpflichtung der Antragsgegnerin, die beigeladene ... GmbH anzuweisen, ihnen am 31.10.2008 den Gesamtsaal im „...“ in E. zur Durchführung der Veranstaltung „90 Jahre Novemberrevolution und ihre Lehren für heute“ zu überlassen. Die Antragsgegnerin hat den Betrieb der Halle „...“ durch Betriebsführungsvertrag vom 19.01.2006 der Beigeladenen überlassen. Diese teilte den Antragstellern mit Schreiben vom 15.08.2008 mit, die MLPD werde als linksextrem eingestuft und stehe unter der kritischen Beobachtung des Verfassungsschutzes; die Veranstaltung könne daher aus sicherheitsbezogenen Bedenken nicht angenommen werden.
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1. Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist eröffnet.
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a) Die Antragsteller machen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren einen öffentlich-rechtlichen Verschaffungsanspruch auf Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung geltend. Das Verfahren betrifft damit eine Streitigkeit auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts i.S.d. § 40 Abs. 1 VwGO.
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Nach gefestigter Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, der auch die Kammer folgt, ist bei der Benutzung von Einrichtungen der Gemeinde, die dem wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Wohl ihrer Einwohner dienen (öffentliche Einrichtungen), grundsätzlich zu unterscheiden zwischen dem Anspruch auf Zugang zu der Einrichtung einerseits, der regelmäßig nach öffentlichem Recht zu beurteilen ist und darum nach § 40 Abs. 1 VwGO der Erkenntniszuständigkeit der Verwaltungsgerichte unterliegt, und den Modalitäten der Benutzung andererseits, die auch privatrechtlich ausgestaltet sein können und über die bei solcher Ausgestaltung gemäß § 13 GVG vor den ordentlichen Gerichten gestritten werden muss (sog. Zwei- Stufen-Theorie). Diese Unterscheidung betrifft Einrichtungen der kommunalen Daseinsvorsorge jeder Art einschließlich solcher Einrichtungen, die die Gemeinde nicht selbst betreibt, sondern von einer von ihr begründeten und/oder beherrschten selbständigen juristischen Person des Privatrechts (AG, GmbH) betreiben lässt. Auch wenn die Gemeinde sich bei der Schaffung und Unterhaltung von öffentlichen Einrichtungen privatrechtlicher Gestaltungsformen bedient, sind Meinungsverschiedenheiten über den Zugang zu der Einrichtung regelmäßig als öffentlich- rechtliche Streitigkeiten vor den Verwaltungsgerichten auszutragen. Sofern die Gemeinde in solchen Fallkonstellationen nicht selbst über den Zugang zu der Einrichtung entscheidet, kann sie vom Verwaltungsgericht dazu verpflichtet werden, dem Berechtigten durch Einwirkung auf die privatrechtlich organisierte Betriebsgesellschaft den Zugang zu der Einrichtung zu verschaffen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29.05.1990 - 7 B 30/90 -, NVwZ 1991, 59 ff, und vom 21.07.1989 - 7 B 184/88 -, NVwZ 1990, 157 ff., jeweils m.w.N.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.05.2003 - 1 S 1449/01 -, BWGZ 2003, 804 ff.). Der öffentlich-rechtliche Zulassungsanspruch darf auch nicht über eine zivilrechtliche Regelung unterlaufen werden. Wird ein zivilrechtlicher Mietvertrag wie im vorliegenden Fall mit einer für die öffentlich-rechtliche Zulassungsentscheidung relevanten Begründung verweigert, so ist damit die Frage des „Ob“ der Benutzung unmittelbar berührt, so dass auch insoweit die Verwaltungsgerichte zur Entscheidung berufen sind (vgl. BayVGH, Urteil vom 16.09.1994 - 4 B 94.1496 -, NVwZ 1995, 812 f.).
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b) Bei der Veranstaltungshalle im „...“ handelt es sich entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin trotz Übertragung des Betriebes auf die Beigeladene um eine öffentliche Einrichtung i.S.d. § 10 Abs. 2 GemO BW bzw. um eine Einrichtung eines Trägers öffentlicher Gewalt i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG.
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Wie die Antragsgegnerin selbst vorträgt, wurde das „...“ vor der Übernahme der Verwaltung durch die Beigeladene von der Antragsgegnerin selbst als öffentliche Einrichtung betrieben. Es bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass mit der Übertragung der Betriebsführung auf die Beigeladene zum 01.01.2006 die Widmung als öffentliche Einrichtung konkludent geändert worden wäre. Im Gegenteil ergibt sich aus § 1 des zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen geschlossenen Betriebsführungsvertrages vom 19.01.2006, dass u.a. die Halle „...“ als Versammlungsstätte und Festhalle eine öffentliche Einrichtung darstelle, deren Betrieb der Beigeladenen übertragen werde. Gleiches ergibt sich aus der von der Antragsgegnerin vorgelegten Benutzungs- und Kostenordnung für städtische Hallen und Säle von 1995 (BKO Säle), die nach Übergang der Geschäftsführung auf die Beigeladene durch Einfügung eines § 2 Abs. 1 ergänzt und ansonsten unverändert übernommen wurde. In § 1 BKO Säle heißt es ausdrücklich, dass es sich bei der Halle „...“ um eine öffentliche Einrichtung gemäß § 10 Abs. 2 GemO BW handele. In § 2 Abs. 1 BKO Säle heißt es, dass die Halle derzeit von der Beigeladenen verwaltet werde. Aus alledem ist zu schließen, dass die Halle weiterhin der kommunalen Daseinsvorsorge im kulturellen Bereich dienen und nur die Betriebsführung an die Beigeladene übertragen werden sollte. Der Vortrag der Antragsgegnerin, durch die Gründung der ... GmbH und die Übertragung der Betriebsführung für das „...“ habe die Antragsgegnerin nach außen deutlich und erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass das „...“ zukünftig nicht mehr als öffentliche Einrichtung betrieben werden solle, entbehrt damit jeder Grundlage.
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c) Die Einordnung als gemeindliche Einrichtung wird auch nicht in Frage gestellt durch den Vortrag der Antragsgegnerin, sie verfüge bei der Hallenvergabe nicht über Einwirkungsmöglichkeiten auf die Beigeladene. Die Vermietung der Halle im „...“ sei ein Geschäft der laufenden Betriebsführung, welches nach dem Gesellschaftsvertrag der ... GmbH sowie nach dem von der Antragsgegnerin mit der GmbH geschlossenen Betriebsführungsvertrag der Geschäftsführerin übertragen und den konkret beschriebenen Zustimmungsvorbehalten der Gesellschafterversammlung entzogen sei.
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Es erscheint bereits fraglich, ob der Betrieb einer der kommunalen Daseinsvorsorge gewidmeten Einrichtung zulässigerweise an eine juristische Person des Privatrechts übertragen werden kann, ohne dass die Gemeinde in der Lage ist, die Zweckbindung der Einrichtung gegenüber der privatrechtlichen Gesellschaft durch Ausübung von Mitwirkungs- und Weisungsrechten durchzusetzen (vgl. dazu etwa Nieders. OVG, Beschluss vom 10.03.2007 - 10 ME 87/07 -, NVwZ-RR 2007, 363 ff.; Sächs. OVG, Urteil vom 25.02.2003 - 4 D 699/99-, juris). Im vorliegenden Fall kann diese Frage jedoch offen bleiben, denn es ist davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin sowohl rechtlich wie auch tatsächlich in der Lage ist, durch Weisungen Einfluss auf die konkrete Vergabeentscheidung der Beigeladenen zu nehmen.
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Nach dem Gesellschaftsvertrag der ... GmbH ist die Antragsgegnerin Alleingesellschafterin der GmbH, hat deren gesamtes Stammkapital übernommen und ist damit in der Gesellschafterversammlung allein stimmberechtigt. Nach ganz überwiegender Auffassung hat die Gesellschafterversammlung in einer GmbH als oberstes Organ mit übergeordneter Geschäftsführungskompetenz grundsätzlich ein unbegrenzter Weisungsrecht gegenüber dem Geschäftsführer. Die Geschäftsführungsbefugnis des Geschäftsführers ist gemäß § 37 Abs. 1 GmbHG im Innenverhältnis beschränkt durch den Gesellschaftsvertrag und die Beschlüsse der Gesellschafter. Die Gesellschafterversammlung einer GmbH ist insofern allzuständig, als sie, wenn die Satzung nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt, nahezu alle anfallenden Entscheidungen an sich ziehen und für andere Organe im Innenverhältnis bindend entscheiden kann (vgl. zum Ganzen etwa Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 18. Aufl., § 46 Rn. 5 und 89 ff. m.w.N.). Ist eine Gemeinde als Körperschaft des öffentlichen Rechts Alleingesellschafterin einer GmbH, unterliegt der Geschäftsführer dieser kommunalen Einmann-Gesellschaft damit grundsätzlich den Weisungen der Gemeinde. Der Bürgermeister als organschaftlicher Vertreter der Gemeinde repräsentiert diese auch in ihrer Eigenschaft als Alleingesellschafterin und übt die Gesellschafterrechte der Gemeinde in der GmbH aus (vgl. dazu auch Altmeppen, Die Einflussrechte der Gemeindeorgane in einer kommunalen GmbH, NJW 2003, 2561 ff., m.w.N.).
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Im vorliegenden Fall enthält der Gesellschaftervertrag der ... GmbH in § 4 Nr. 5 Satz 1 zwar die Regelung, dass die Geschäftsführung bei (sonstigen) Geschäften, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft hinausgehen, der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedarf. Daraus folgt jedoch nicht umgekehrt, dass die Gesellschafterversammlung als oberstes Organ der GmbH damit auf das ihr grundsätzlich zustehende Recht, einzelne Angelegenheiten an sich zu ziehen, verzichtet hat. Ein solch weitgehender Verzicht dürfte, zumal der Gegenstand des Unternehmens nach § 2 des Gesellschaftsvertrages im Rahmen der öffentlichen Aufgabenerfüllung angesiedelt ist und die Nutzung öffentlicher Einrichtungen betrifft, einer ausdrücklichen Regelung. Ob ein solcher Verzicht darüber hinaus rechtlich überhaupt zulässig wäre, erscheint aus den dargelegten Gründen ohnehin zweifelhaft. Dass im Anstellungsvertrag der Geschäftsführerin ein Verzicht auf Weisungsrechte vorgesehen ist, hat die Antragsgegnerin selbst nicht behauptet; eine solche Regelung würde angesichts des Gegenstandes des Unternehmens auch rechtlichen Bedenken begegnen. Darüber hinaus dürfte es sich bei der Hallenvergabe für eine Großveranstaltung der MLPD, der von der Beigeladenen u.a. die Beobachtung durch den Verfassungsschutz vorgehalten wird, auch um ein über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft hinausgehendes Geschäft handeln, welches damit ohnehin unter den Zustimmungsvorbehalt in § 4 Nr. 5 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages fallen würde.
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Für das vorliegende Verfahren ist daher davon auszugehen, dass die Geschäftsführerin der ... GmbH bei der Vergabe der Halle im „...“ den Weisungen der Antragsgegnerin, vertreten durch den Oberbürgermeister, unterliegt. Dies hat offensichtlich vor Anhängigkeit des Rechtsstreits auch die Antragsgegnerin nicht anders gesehen. In ihrem Schreiben vom 18.09.2008 an die Antragsteller hat sie sich nicht darauf berufen, dass dem Oberbürgermeister keine Einwirkungsmöglichkeit auf die Geschäftsführung der GmbH zustehe, sondern dass keine Notwendigkeit gesehen werde, in deren Geschäftsführung korrigierend einzugreifen. Nach alledem hat die Kammer keine Zweifel, dass die Antragsgegnerin sowohl rechtlich wie faktisch in der Lage ist, den Antragstellern durch Einwirkung auf die Beigeladene Zugang zu der von ihr beanspruchten Halle zu verschaffen.
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c) Die Antragsteller haben auch ein Rechtsschutzbedürfnis, zur Durchsetzung des von ihnen behaupteten Benutzungsanspruchs auf dem Verwaltungsrechtsweg die Antragsgegnerin in Anspruch zu nehmen; die Antragsteller müssen sich nicht auf ein Verfahren gegen die Beigeladene vor den Zivilgerichten verweisen lassen.
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Zwar ist auch die Beigeladene beim Betrieb einer gemeindlichen Einrichtung öffentlich-rechtlichen Bindungen unterworfen. Auch wenn dieser Betrieb von der Antragsgegnerin privatrechtlich organisiert worden ist, stellt er materiell öffentliche Verwaltung dar. Über die daraus resultierenden Grundrechtsbindungen haben die ordentlichen Gerichte im Rahmen ihrer Rechtswegzuständigkeit nach § 13 GVG mitzuentscheiden (sog. Verwaltungsprivatrecht; vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.05.1990, a.a.O.). Im vorliegenden Fall bestehen aber keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsteller ihren Anspruch in einem zivilrechtlichen Rechtsstreit gegen die Beigeladene effektiver durchsetzen könnten. Wegen der beherrschenden Stellung der Antragsgegnerin in der ... GmbH ist vielmehr davon auszugehen, dass deren Inanspruchnahme für die Erzwingung der Hallenüberlassung zielführender ist (zur Frage des Rechtsschutzbedürfnisses für ein Verfahren gegen den öffentlichen Träger bei einem ungefährdeten und durchsetzbaren Rechtsanspruch gegen den privaten Vermieter vgl. Thür. OVG, Beschluss vom 26.10.2004 - 2 EO 1377/04 -, juris).
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d) Schließlich haben die Antragsteller etwaige Zweifel an der Existenz eines Kreisverbandes der MLPD und damit an der Antragsbefugnis des Antragstellers zu 2 durch ihre Darlegung im Schriftsatz vom 10.10.2008 zerstreut. Die Antragsteller sind auch hinsichtlich der von ihnen geltend gemachten Rechte auf Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung i.S.d. § 10 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 GemO BW bzw. zu einer Einrichtung eines Trägers öffentlicher Gewalt i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG gemäß § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig (zur Beteiligungsfähigkeit von Gebietsverbänden politischer Parteien vgl. etwa Bader u.a., VwGO, 4. Aufl. § 61 Rn. 7; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 61 Rn. 9 ; jeweils m.w.N.). Nach dem - auszugsweise - vorgelegten Statut der MLPD wird die Partei einschließlich ihrer Landesverbände und Bezirke gerichtlich grundsätzlich durch den Vorsitzenden des Zentralkomitees vertreten.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO gegen die Antragsgegnerin ist auch begründet. Die Antragsteller haben sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 ZPO) glaubhaft gemacht.
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1. Die Sache ist eilbedürftig. Die Antragsteller erstreben mit ihrem Antrag die Überlassung des Gesamtsaals im „...“ in E. zur Durchführung der Veranstaltung „90 Jahre Novemberrevolution und ihre Lehren für heute“, die am 31.10.2008 stattfinden soll und zu der die Antragsteller über 800 Besucher erwarten. Im Hinblick auf den mit einer solchen Veranstaltung verbundenen Vorbereitungsaufwand, den die Antragsteller in ihrer Antragsschrift schlüssig dargelegt haben, ist eine kurzfristige gerichtliche Klärung unabdingbar.
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2. Die Antragsteller haben auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, der es gebietet, die in der Hauptsache angestrebte Entscheidung ausnahmsweise vorwegzunehmen, weil ein wirkungsvoller Rechtsschutz auf andere Weise nicht erreicht werden kann.
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a) Offen bleiben kann, ob sich dieser Anspruch für den Antragsteller zu 2 bereits aus § 10 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 GemO BW ergibt, wonach juristische Personen und nicht rechtsfähige Personenvereinigungen im Rahmen des geltenden Rechts berechtigt sind, die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde nach gleichen Grundsätzen zu benützen. Nach dem Sinn und Zweck dieser Bestimmungen und dem systematischen Zusammenhang zwischen Absatz 2 und 4 haben einen solchen Anspruch nur solche juristische Personen und Personenvereinigungen, die ihren Sitz und Tätigkeitsschwerpunkt in der Gemeinde haben (vgl. VGH Bad-Württ., Urteil vom 09.05.1988 - 1 S 355/87 -, GewArch 1988, 395 ff.). Diese Voraussetzungen erfüllt der Antragsteller zu 1 als Landesverband der MLPD mit Sitz in Stuttgart nicht. Der Antragsteller zu 2 als Kreisverband der MLPD hat zwar seine postalische Anschrift in E., seine Tätigkeit dürfte sich aber auf das gesamte Kreisgebiet beziehen.
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b) Dies bedarf jedoch keiner Vertiefung, weil beide Antragsteller als Gebietsverbände einer nicht verbotenen politische Partei einen Rechtsanspruch auf Überlassung der Gesamthalle im „...“ zur Durchführung ihrer geplanten Veranstaltung aus § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG i. V. m. Art. 3 und Art. 21 Abs. 1 GG haben. Danach sollen alle Parteien gleichbehandelt werden, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt den Parteien Einrichtungen zur Verfügung gestellt hat. Dies ist hier der Fall.
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Stellt die Gemeinde - wie im vorliegenden Fall - ihre kommunalen Einrichtungen, insbesondere ihre Hallen und Säle, auch den politischen Parteien zur Verfügung, so ist sie nach Art. 21 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 GG, § 5 Abs. 1 PartG verpflichtet, alle Parteien gleich zu behandeln. Da der Begriff der "Einrichtung" in § 5 Abs. 1 PartG nicht anders als der entsprechende Begriff der "öffentlichen Einrichtung" in den Gemeindeordnungen der Länder offen ist für unterschiedliche Organisationsformen, kommt es auch in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die Gemeinde ihre Einrichtung selbst betreibt oder durch eine privatrechtliche Betriebsgesellschaft betreiben lässt. Die Gemeinde muss vielmehr unabhängig von der gewählten Organisationsform stets für die Gleichbehandlung der Parteien einstehen und kann deshalb auch dazu verpflichtet sein, der antragstellenden Partei durch Einwirkung auf die Betriebsgesellschaft den Zugang zu der Einrichtung zu verschaffen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.07.1989, a.a.O.).
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Die von den Antragstellern beabsichtigte Nutzung hält sich auch im Rahmen der Zweckbestimmung der Halle „...“. An den Widmungsakt sind dabei nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte keine förmlichen Anforderungen zu stellen. Zwar kann die Widmung durch Satzung oder Beschluss des Gemeinderats ausgesprochen werden. Es genügt indes auch eine durch die Vergabepraxis geformte konkludente Widmung (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 11.05.1995 - 1 S 1283/95 -, NVwZ-RR 1996, 681 ff.; Bay. VGH, Beschluss vom 06.08.2008 - 4 CE 08.2070 -, juris; jeweils m.w.N.).
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Nach dem Betriebsführungsvertrag vom 19.01.2006 ist die beanspruchte Halle „als Versammlungsstätte und Festhalle“ gewidmet. Im Internetauftritt der Beigeladenen wirbt diese damit, dass sie als „100-prozentige Tochtergesellschaft“ der Antragsgegnerin u.a. die Halle „...“ für Veranstaltungen jeder Art („von der kleinen Familienfeier bis zum großen Kongress“) zur Verfügung stellt. Die Antragsteller haben auch glaubhaft gemacht, dass die Halle „...“ in der Vergangenheit auch zur Durchführung von parteipolitischen Veranstaltungen mit überörtlichem Charakter zur Verfügung gestellt wurde (CDU-Kreisparteitag, Veranstaltung des Kreisverbandes der FDP zur Nominierung der Wahlkreisbewerber für die Bundestagswahl, Veranstaltung des ödp-Landesverbandes); dies wird von der Antragsgegnerin auch nicht in Frage gestellt.
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c) Die Antragsgegnerin kann dem Anspruch auf Zugang der Antragsteller zu der Gesamthalle im „...“ auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, die MLPD sei als linksextrem einzustufen und stehe unter der kritischen Beobachtung des Verfassungsschutzes.
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Als Gebietsverbände einer nicht verbotene Partei stehen die Antragsteller unter dem Schutz des Art. 21 GG. Sie haben damit das Recht, sich dem Bürger so darzustellen, wie es ihrem Selbstverständnis entspricht (vgl. grundsätzlich BVerfG, Beschluss vom 29.10.1975 - 2 BvR 1/75 -, BVerfE 40, 287 ff.). Sie können sich bei ihren Anträgen auf Überlassung gemeindlicher Säle auf das sogenannte Parteienprivileg des Art. 21 Abs. 2 GG berufen, demzufolge über die Verfassungswidrigkeit einer Partei allein das Bundesverfassungsgericht in dem dafür vorgesehenen Verfahren entscheidet. Die Antragsgegnerin ist daher rechtlich gehindert, die Antragsteller aus eigener Zuständigkeit als verfassungswidrig anzusehen und aus diesem Grund bei der Benutzung ihrer Einrichtungen zu benachteiligen. Auch die „kritische Beobachtung“ einer Partei durch den Verfassungsschutz oder ihre Aufnahme in den Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes ist kein rechtlich zulässiger Ausschlussgrund. Damit würde diesen Berichten eine Aussagekraft und eine Bedeutung zugemessen, die ihnen weder nach dem Willen ihrer Verfasser noch nach ihren rechtlichen Grundlagen zukommt (vgl. BVerfG, Urteil vom 25.03.1981 - 2 BvE 1/79 -, NJW 1981, 1359 ff. ).
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d) Es bestehen im vorliegenden Fall auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die Parteivertreter im Rahmen der geplanten Veranstaltung zur Begehung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten aufrufen oder sich selbst solcher Delikte schuldig machen werden.
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Bei der Ablehnung des Zugangs zu der beanspruchten Halle wurden die „sicherheitsbezogenen Bedenken“ nicht näher konkretisiert. Im anhängigen Eilverfahren beruft sich die Antragsgegnerin nunmehr zum einen auf ein Interview des Vorsitzenden des Zentralkomitees der MLPD vom 16.09.2008 in der MLPD-Zeitschrift „Rote Fahne“, in dem dieser Folgendes ausgeführt hat:
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„Die Novemberrevolution 1918 scheiterte vor allem am Fehlen einer kampferfahrenen, gestählten, massenverbundenen revolutionären Partei, die mit einer wissenschaftlich fundierten Strategie und Taktik gewappnet ist. Das erleichterte es den reaktionären Führern der Sozialdemokratie, die proletarische Revolution zu verraten, auf den Weg der bürgerlichen Nationalversammlung und in die Niederlage zu lenken. Das Scheitern der Novemberrevolution stoppte den Prozess der internationalen Revolution, der mit der Oktoberrevolution in Russland eingeleitet war. Die Arbeiterbewegung muss die Erfahrungen der Novemberrevolution studieren und ihre Konsequenzen ziehen.“
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Zum anderen beruft sich die Antragsgegnerin auf das Parteiprogramm der MLPD, in dem es in Kapitel F (Der Weg der Befreiung der Arbeiterklasse in Deutschland) unter Nr. 7 heißt:
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„Deshalb muss sich die Arbeiterklasse unter Führung ihrer Partei zum bewaffneten Aufstand erheben. Mit dem Sturz des Imperialismus und der Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparats erreicht der Klassenkampf des Proletariats seine höchste Form im Kapitalismus.“
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Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ergeben sich aber weder aus dem herangezogenen Auszug aus dem Parteiprogramm der MLPD noch aus den zitierten Äußerungen ihres Vorsitzenden konkrete Anhaltspunkte für von der geplanten Veranstaltung ausgehende Gefahren. Die Kammer verkennt nicht, dass die Antragsteller das Ziel einer gewaltsamen Erhebung der Arbeiterklasse nach wie vor in ihrem Parteiprogramm führt. Es obliegt aber allein den mit dem Recht zu einem Verbotsantrag ausgestatteten obersten Verfassungsorganen (vgl. § 43 BVerfGG) zu entscheiden, ob gegen eine möglicherweise verfassungswidrige Partei mit juristischen Mitteln vorzugehen ist oder ob die Auseinandersetzung mit politischen Mitteln geführt werden soll. Solange eine Partei nicht verboten ist, sind ihre Anhänger, Mitglieder und Funktionäre nicht gehindert, mit allgemein erlaubten Mitteln für die Ziele der Partei zu werben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.03.1981 - 2 BvE 1/79 -, BVerfGE 57, 1 ff.). Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass Vertreter der Antragsteller im Rahmen der geplanten Veranstaltung zur Umsetzung der o.g. parteipolitischen Ziele der MLPD zur Begehung von Straftaten aufrufen werden und der Antragsgegnerin damit zugemutet würde, ihre Einrichtungen als Forum für rechtswidrige Handlungen zur Verfügung zu stellen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Vielmehr hat der Vorsitzende des Zentralkomitees der MLPD in dem von der Antragsgegnerin herangezogenen Interview als parteipolitische Aufgabe der nächsten Zeit eine „weltanschauliche Offensive für den echten Sozialismus“ angekündigt, wozu er u.a. die Teilnahme an der Bundestagswahl 2009 und die Stärkung der Parteiarbeit in den wichtigsten wirtschaftlichen und politischen Zentren zählt. Soweit ersichtlich ist es schließlich auch auf der letzten Großveranstaltung der MLPD, dem VIII. Parteitag im September 2008 in Hamburg, nicht zu Zwischenfällen gekommen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 , 162 Abs. 3 VwGO. Es besteht keine Veranlassung, die außergerichtliche Kosten der Beigeladenen, die keinen Antrag gestellt und sich am Verfahren nicht beteiligt hat, für erstattungsfähig zu erklären.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. Da die Entscheidung in der Sache vorweggenommen wird, ist es geboten, auch für das einstweilige Rechtsschutzverfahren den Streitwert bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts anzuheben. Trotz subjektiver Antragshäufung kommt eine Verdoppelung dieses Streitwerts gemäß § 39 Abs. 1 GKG nicht in Betracht, da ein identischer Streitgegenstand vorliegt.
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