Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 07. Feb. 2006 - 5 K 5146/04

bei uns veröffentlicht am07.02.2006

Tenor

Der Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart - Bezirksstelle für Asyl - vom 19.11.2004 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Der am 25.10.1980 in Deutschland geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Das Landratsamt ... erteilte ihm am 10.06.1997 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Die Mutter des Klägers reiste am 06.06.1973 nach Deutschland ein; sie ist seit 04.02.1991 im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung. Im Geburtenbuch es Standesamtes ... ist unter dem 30.10.1980 als berufliche Tätigkeit der Mutter des Klägers „Hilfsarbeiterin“ verzeichnet.
Das Landgericht ... verurteilte den Kläger mit Urteil vom 17.09.2004 (Az.: 2 KLs 16 Js 8755/04) wegen Vergewaltigung, vorsätzlicher Körperverletzung und versuchter Nötigung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten; ferner ordnete das Landgericht die Unterbringung des Klägers in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Das Urteil ist seit 25.09.2004 rechtskräftig. Zu den Lebensverhältnissen des Klägers ist im Urteil des Landgerichts ausgeführt, dass die Ehe seiner Eltern 1982 oder 1983 geschieden worden sei, worauf der Vater des Klägers in die Türkei abgeschoben worden sei und dort in der Folgezeit eine neue Familie gegründet habe. Die Mutter des Klägers habe etwa im Jahre 1996 eine zweite Ehe mit einem türkischen Staatsangehörigen geschlossen; diese Ehe sei 1999 geschieden worden. Der Kläger habe bis zu seiner Verhaftung Ende März 2004 im Haushalt seiner Mutter in ... gelebt. Im Hinblick auf dieses Urteil stellte das Amtsgericht ... mit Beschluss vom 12.11.2004 (Az.: 3 Cs 61 Js 7751/04) das von der Staatsanwaltschaft ... (Az.: 61 Js 7751/04) gegen den Kläger geführte Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz nach § 154 Abs. 2 StPO vorläufig ein.
Aufgrund des Urteils des Landgerichts ... vom 17.09.2004 wies das Regierungspräsidium ... den Kläger mit Bescheid vom 19.11.2004 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung aus dem Bundesgebiet aus und drohte ihm ohne Setzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise die Abschiebung in die Türkei an. Das Regierungspräsidium wies den Kläger in dem Bescheid darauf hin, dass seine Abschiebung im Zeitpunkt der Haftentlassung oder der Entlassung aus dem Maßregelvollzug erfolge. Die zuständige Staatsanwaltschaft ... sei von der Ausweisung unterrichtet worden, damit diese eine Entscheidung nach § 456 a StPO treffen könne. Diese Entscheidung werde dem Kläger bekannt gegeben werden, so dass er den frühest möglichen Zeitpunkt einer Abschiebung erfahren werde. In der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides vom 19.11.2004 wurde auf die Möglichkeit einer beim Verwaltungsgericht Stuttgart zu erhebenden Klage hingewiesen. Der Bescheid wurde dem Kläger am 29.11.2004 zugestellt. Seit 25.11.2004 befindet sich der Kläger in stationär-forensischer Behandlung im Zentrum für Psychiatrie ....
Am 23.12.2004 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers gegen den Bescheid des Regierungspräsidiums ... vom 19.11.2004 Klage erhoben. Zur Begründung macht der Kläger geltend, die Frage der Gefahr der Wiederholung von Straftaten sei vom Beklagten nicht umfassend bewertet, das Ausweisungsermessen fehlerhaft ausgeübt, Abschiebungshindernisse nicht beachtet sowie die Abschiebungsandrohung fehlerhaft verfügt worden. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Begründung der Klage in den Schriftsätzen des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 23.12.2004, 16.02.2005 und 26.01.2006 verwiesen.
Am 17.02.2005 hat der Kläger einen Aussetzungsantrag im Hinblick auf die sofortige Vollziehbarkeit des angefochtenen Bescheids vom 19.11.2004 gestellt. Hierauf ist mit Beschluss des Berichterstatters vom 29.11.2005 (5 K 671/05) die aufschiebende Wirkung der vorliegenden Klage des Klägers gegen den Bescheid des Regierungspräsidiums ... vom 19.11.2004 bezüglich der Ausweisung wiederhergestellt und hinsichtlich der Abschiebungsandrohung angeordnet worden. Der Beschluss ist seit 28.12.2005 rechtskräftig. Zur Begründung ist in dem Beschluss ausgeführt, im Klageverfahren bedürfe es der näheren Prüfung, ob der angefochtene Bescheid mangels eines durchgeführten Widerspruchsverfahrens entsprechend den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben (Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG) nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Europäischer Gerichtshof und Bundesverwaltungsgericht) sich als rechtswidrig erweist und daher aufzuheben ist.
Bereits mit Schreiben vom 09.12.2004 hat die Staatsanwaltschaft ... dem Regierungspräsidium ... mitgeteilt, eine Entscheidung nach § 456 a StPO werde bis Juli 2005 zurückgestellt. Mit weiterem Schreiben vom 27.06.2005 hat die Staatsanwaltschaft ... dem Regierungspräsidium ... mitgeteilt, eine Entscheidung nach § 456 a StPO werde voraussichtlich erst im April 2006 getroffen werden. Das Landgericht ... hat mit Beschluss vom 21.11.2005 (Az.: 8 StVK 217/05) die Fortdauer der Unterbringung des Klägers in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Regierungspräsidiums ... vom 19.11.2004 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf die Gründe des angefochtenen Bescheids. Ergänzend hat das Regierungspräsidium ... mit Schreiben vom 17.01.2006 ausgeführt, zwar leide die Ausweisung des Klägers nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 13.09.2005 - 1 C 7.04 -) derzeit an einem formellen Fehler, da keine unabhängige Stelle im Sinne von Art. 9 RL 64/221/EWG eingeschaltet worden sei und ein dringender Fall nach der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Klägers gegen seine Ausweisung in Nr. 1 des angefochtenen Bescheids nicht (mehr) vorliege. Allerdings gelte ab dem 30.04.2006 die Richtlinie 2004/38/EG; die Richtlinie 64/221/EWG trete dann außer Kraft. Nachdem die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder der Entscheidung des Tatsachengerichts maßgeblich sei, wenn eine Ausweisung wie hier an Art. 14 ARB 1/80 zu messen sei, müsse die neue Richtlinie gewürdigt werden und der formelle Fehler könnte dann nicht mehr festgestellt werden. Die Verfahrensgarantie in Art. 31 RL 2004/38/EG sehe nämlich die Beteiligung einer unabhängigen Stelle nicht mehr vor. Insofern mache es wenig Sinn, der Klage allein wegen Verstoßes gegen Art. 9 RL 64/221/EWG stattzugeben. Denn der Beklagte könnte dann Rechtsmittel einlegen und wegen des maßgeblichen Zeitpunkts für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage wäre das Rechtsmittel erfolgversprechend. Die ab 30.04.2006 geltende Richtlinie 2004/38/EG verstoße auch nicht gegen ein Verschlechterungsverbot; die Europäische Union habe das Recht, ihre Richtlinien aufzuheben oder zu ändern.
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Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle der Kammer einverstanden erklärt.
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Die einschlägigen ausländerrechtlichen Akten liegen vor. Die gerichtlichen Akten zum Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (5 K 671/05) sind beigezogen worden.

Entscheidungsgründe

 
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Aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ist der Berichterstatter befugt, anstelle der Kammer zu entscheiden (§ 87 a Abs. 2 und 3 VwGO).
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Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
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Der angefochtene und über den 31.12.2004 hinaus wirksam gebliebene (§ 102 Abs. 1 S. 1 AufenthG) Bescheid verstößt gegen hier anwendbares gemeinschaftsrechtliches Verfahrensrecht. Vorliegend kommt die Richtlinie Nr. 64/221/EWG (im Folgenden: RL 64/221/EWG) vom 25.02.1964 des Rats der EWG zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind (ABl. S. 850) zur Anwendung. Nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 03.08.2004 - 1 C 29.02 -, DVBl. 2005, 119 = NVwZ 2005, 224 = InfAuslR 2005, 26) können in Anlehnung an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 29.04.2004 - Rs. C-482/01 und C 493/01 -, DVBl. 2004, 876 = InfAuslR 2004, 268) zur Ausweisung von Unionsbürgern türkische Staatsangehörige, die ein Aufenthaltsrecht nach dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG-Türkei (im Folgenden: ARB 1/80) besitzen, nur nach gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung ausgewiesen werden. Der Kläger ist nach Art. 7 S. 1 ARB 1/80 assoziationsberechtigt. Hiernach haben die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen, vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs das Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, wenn sie dort seit mindestens drei Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben. Für den Fall eines ordnungsgemäßen Wohnsitzes seit mindestens 5 Jahren haben die genannten Familienangehörigen ferner freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis. Art. 7 S. 1 ARB 1/80 findet auch auf - wie hier - in Deutschland geborene Kinder eines türkischen Arbeitnehmers Anwendung (vgl. EuGH, Urt. v. 11.11.2004 - Rs. C-467/02 -, DVBl. 2005, 103 = InfAuslR 2005, 13). Der Kläger hat seine Rechte aus Art. 7 S. 1 ARB 1/80 auch nicht durch die Verurteilung mit Urteil des Landgerichts... vom 17.09.2004 zu einer viereinhalbjährigen Freiheitsstrafe und die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus verloren (vgl. EuGH, Urt. v. 11.11.2004, a.a.O.). Art. 7 ARB 1/80 ist die speziellere Vorschrift im Verhältnis zu Art. 6 ARB 1/80; dessen Regelungen können weder hinsichtlich des Erwerbs noch hinsichtlich des Verlusts der Rechtsstellung auf Art. 7 ARB 1/80 übertragen werden (vgl. EuGH, Urt. v. 07.07.2005 - Rs. C-373/03 -, DVBl. 2005 1256 = InfAuslR 2005, 352; vgl. auch Dörig, DVBl. 2005, 1221). Hiernach war/ist der Kläger sowohl im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids als auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung assoziationsberechtigt.
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Die europarechtlichen Verfahrensgarantien aus Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG, die unmittelbar für Unionsbürger bei behördlicher Beendigung ihres Aufenthalts gelten, sind auch auf türkische Arbeitnehmer anzuwenden, die ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 haben (vgl. EuGH, Urt. v. 02.06.2005 - Rs. C-136/03 -, DVBl. 2005, 1437 = InfAuslR 2005, 289; BVerwG, Urte. v. 13.09.2005 - 1 C 7.04 - u.v. 06.10.2005 - 1 C 5.04 -). Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG lautet:
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„Sofern keine Rechtsmittel gegeben sind oder die Rechtsmittel nur die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung betreffen oder keine aufschiebende Wirkung haben, trifft die Verwaltungsbehörde die Entscheidung über die Verweigerung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis oder über die Entfernung eines Inhabers einer Aufenthaltserlaubnis aus dem Hoheitsgebiet außer in dringenden Fällen erst nach Erhalt der Stellungnahme einer zuständigen Stelle des Aufnahmelandes, vor der sich der Betroffene entsprechend den innerstaatlichen Rechtsvorschriften verteidigen, unterstützen oder vertreten lassen kann. Diese Stelle muss eine andere sein als diejenige, welche für die Entscheidung über die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis oder über die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet zuständig ist.“
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Dass diese Richtlinie mit Inkrafttreten der Richtlinie 2004/38/EG (ABl. L 158/77) am 30.04.2006 außer Kraft tritt (vgl. Art. 38 Abs. 2 RL 2004/38/EG) und nach Art. 31 RL 2004/38/EG die Beteiligung einer unabhängigen Stelle nicht mehr vorgesehen ist, führt nicht dazu, dass bereits jetzt - im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung - aufgrund einer Vorwirkung der Richtlinie 2004/38/EG von der Nichtanwendbarkeit des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG auszugehen ist. Dem steht der eindeutige Wortlaut des Art. 38 Abs. 2 RL 2004/38/EG entgegen. Unabhängig hiervon ist ohnehin im Ausländer- und Asylrecht vor Ablauf der Umsetzungsfrist (hier: 30.04.2006, vgl. Art. 40 Abs. 1 RL 2004/38/EG) bzw. - wenn zuvor erfolgt - Verkündung des Umsetzungsgesetzes regelmäßig keine vom Instanzrichter beachtliche Vorwirkung von EG-Richtlinien anzunehmen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 12.05.2005 - A 3 S 358/05 -, AuAS 2005, 163 = InfAuslR 2005, 296 = VBlBW 2005, 303; OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 13.07.2005 - 1 LA 68/05 -, AuAS 2005, 262; jew. zur sog. Qualifikationsrichtlinie 2004/83/EG, ABl. L 304/12).
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Findet die nach Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG geforderte Nachprüfung einer Ausweisungsverfügung durch eine zweite unabhängige Stelle („Vier-Augen-Prinzip“) nicht statt, ist die Ausweisung wegen eines Verfahrensfehlers unheilbar rechtswidrig, es sei denn, es liegt ein „dringender Fall“ vor. Ein solcher Fall im Sinne des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG setzt ein besonderes öffentliches Interesse daran voraus, das gerichtliche Hauptverfahren nicht abzuwarten, sondern die Ausweisung sofort zu vollziehen, um damit einer weiteren, unmittelbar drohenden und unzumutbaren Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch den Ausländer zu begegnen (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.09.2005, a.a.O.). Eine Nachprüfung der angefochtenen Ausweisungsverfügung ist hier vor Erhebung der Klage nicht erfolgt. Ein Vorverfahren nach nationalem Verwaltungsprozessrecht (§ 68 VwGO) fand wegen des Ausschlusses im baden-württembergischen Landesrecht (§ 6 a S. 1 AGVwGO: kein Vorverfahren, wenn das Regierungspräsidium den Verwaltungsakt erlassen oder abgelehnt hat; ein Ausnahmefall nach Satz 2 - Notwendigkeit der Durchführung eines Vorverfahrens kraft Bundesrechts oder Bewertung einer Leistung einer berufsbezogenen Prüfung - scheidet vorliegend offensichtlich aus) nicht statt. Eine behördliche Nachprüfung der Ausweisung ist nach den Angaben der Vertreterin des Beklagten in der mündlichen Verhandlung auch nicht während des Klageverfahrens erfolgt. Die Vertreterin hat insoweit in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, bei in gerichtlichen Verfahren anhängigen Ausweisungen von türkischen Staatsangehörigen, die dem ARB 1/80 unterfallen, erfolge keine Nachprüfung auf der Grundlage des seit 22.10.2005 geltenden § 10 Abs. 7 der Aufenthalts- und Asyl-Zuständigkeitsverordnung - AAZuVO - (vgl. Verordnung v. 04.10.2005, GBl. S. 678). Hiernach sind die Regierungspräsidien in den Fällen der Ausweisung von türkischen Staatsangehörigen, die dem ARB 1/80 unterfallen, zuständige Stellen im Sinne des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG. Zuständige Stelle für das vorliegend für die getroffene Ausweisung sachlich und örtlich zuständige Regierungspräsidium ... ist das Regierungspräsidium ... (§ 10 Abs. 7 S. 2 AAZuVO). Mangels einer nachgeholten Nachprüfung kann daher offen bleiben, ob sie überhaupt in wirksamer Weise hätte nachgeholt werden können (vgl. zum indirekten Vollzug des Gemeinschaftsrechts wie hier u. a.: Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 45 RdNrn. 185 ff.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl., Einf. RdNrn. 58 ff. u. § 45 RdNrn. 5 a ff.; Schoch, Die europäische Perspektive des Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrechts, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Strukturen des Europäischen Verwaltungsrechts, 1999, S. 312 f.).
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Von der geforderten Nachprüfung der verfügten Ausweisung konnte mangels eines „dringenden Falles“ nicht abgesehen werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat im genannten Urteil vom 13.09.2005 (a.a.O.) nicht ausdrücklich entschieden, welcher Zeitpunkt für die Beurteilung maßgebend ist, ob ein „dringender Fall“ vorliegt. Auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Beschl. v. 19.01.2006 - 13 S 1207/05 -) lässt sich dies nicht entnehmen. Die Zeitform der Gegenwart im Wortlaut des Art. 9 Abs. 1 S. 1 RL 64/221/EWG („... trifft die Verwaltungsbehörde ...“) spricht dafür, dass der Zeitpunkt der (letzten) behördlichen Entscheidung maßgebend ist. Hiervon dürfte auch das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 13.09.2005 (a.a.O.) ausgegangen sein. Es führt aus, Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG werde verletzt, „... wenn weder ein Widerspruchsverfahren stattfindet noch sonst eine zweite zuständige Stelle im Rahmen der Richtlinie im Verwaltungsverfahren eingeschaltet wird (behördliches Vorverfahren im Sinne des § 68 VwGO)“ (vgl. den ersten Satz in RdNr. 13 des amtlichen Urteilsabdrucks, die Ausführungen in dieser Randnummer enden im letzten Satz mit der Feststellung eines unheilbar rechtswidrigen Verfahrensfehlers; das Wort „unheilbar“ findet dagegen im amtlichen Leitsatz 2 des Urteils keinen Niederschlag: „... wegen eines Verfahrensfehlers rechtswidrig ...“). Die weiteren Ausführungen an anderer Stelle im genannten Urteil (RdNr. 18) lassen aber auch die Deutung zu, für die Frage des Vorliegens eines „dringenden Falles“ dürften auch noch Umstände herangezogen werden, die nach Erlass der (letzten) Behördenentscheidung eingetreten sind. Denn das Bundesverwaltungsgericht führt im ersten Satz der RdNr. 18 aus, ein „dringender Fall“ sei nicht schon dann anzunehmen, wenn die Ausländerbehörde die sofortige Vollziehung der Ausweisung angeordnet hat und diese Anordnung im gerichtlichen Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO bestätigt wird. Für eine Deutung in diesem Sinne sprechen auch die weiteren Ausführungen in RdNr. 19 (letzter Satz) des Urteils. Hiernach scheidet die Annahme eines „dringenden Falles“ dann aus, wenn die Behörde das Verfahren nicht zügig betreibt und selbst die sofortige Vollziehung nicht anordnet oder von der Anordnung nicht unverzüglich - gegebenenfalls nach gerichtlicher Bestätigung - Gebrauch macht. Das Bundesverwaltungsgericht ermöglicht mit dieser Erwägung die Berücksichtigung des behördlichen Verhaltens nach Erlass der verfügten Ausweisung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung (sei sie zugleich mit der Ausweisung erfolgt oder erst später angeordnet worden) unter Einbeziehung gerichtlicher Erkenntnisse („gegebenenfalls nach gerichtlicher Bestätigung“, letzter Satz in RdNr. 19). Eine derartige zeitliche Reichweite zur Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs „dringender Fall“ und damit der Frage, ob ein weiteres „behördliches Augenpaar“ im Sinne des Art. 9 Abs. 1 S. 1 RL 64/221/EWG die getroffene behördliche Ausgangsentscheidung zu kontrollieren hat, erscheint im Hinblick auf eine wünschenswerte klare Abgrenzung des Verwaltungsverfahrens und des gerichtlichen Hauptsacheverfahrens bedenklich. Wird das „Vier-Augen-Prinzip“ im Sprachgebrauch des nationalen Verwaltungsprozessrechts als „behördliches Vorverfahren im Sinne des § 68 VwGO“ (RdNr. 13 des Urt. v. 13.09.2005, a.a.O.) verstanden, müsste an sich eine Klage ohne Durchführung eines solchen Vorverfahrens unzulässig sein, es sei denn, man hielte sie nach den Kriterien des § 75 VwGO als Untätigkeitsklage für zulässig, was dann aber den Ausgangsbescheid nicht wegen eines Verfahrensfehlers unheilbar rechtswidrig machen könnte. So betrachtet müsste die vom Bundesverwaltungsgericht gewonnene Erkenntnis vom unheilbaren Verfahrensfehler (im Urt. v. 06.10.2005, a.a.O., ist in RdNr. 16 von einem unheilbaren Mangel des Verwaltungsverfahrens die Rede) rechtssystematisch der (nationalen) Lehre von der Heilung von Verfahrens- und Formfehlern (§ 45 LVwVfG) zugewiesen werden. Diese lässt bei Fehlen bestimmter Verfahrenshandlungen (§ 45 Abs. 1 LVwVfG) eine Nachholung bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu (§ 45 Abs. 2 LVwVfG).
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Im vorliegenden Fall kann letztlich offen bleiben, auf welchen Zeitpunkt hinsichtlich der Frage, ob ein „dringender Fall“ vorliegt, abzustellen ist. Ein solcher Fall liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn von dem Ausländer wegen seiner Inhaftierung keine (schwere) Gefahr ausgeht. Im Falle der Inhaftierung kommt ein „dringender Fall“ nur dann in Frage, wenn der Ausländer aus der Haft heraus abgeschoben werden soll (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.09.2005, a.a.O.). Dies war hier aber weder im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 19.11.2004 noch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung der Fall. Der Kläger wurde wegen der Taten, die seiner Verurteilung mit Urteil des Landgerichts ... vom 17.09.2004 zugrunde lagen, bereits am 28.03.2004 in Untersuchungshaft genommen. Und nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils vom 17.09.2004 am 25.09.2004 befand sich der Kläger zunächst im Strafvollzug in der Justizvollzugsanstalt ..., dann wurde er am 19.11.2004 in das Justizvollzugskrankenhaus ... verlegt und anschließend ab 25.11.2004 im Zentrum für Psychiatrie ... untergebracht, wo er sich bis heute befindet. Die Staatsanwaltschaft ... hat bisher keine Entscheidung nach § 456 a Abs. 1 StPO getroffen (Absehen von der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung, wozu auch die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gehört, vgl. § 61 StGB), sondern eine solche Entscheidung nach ihrem Schreiben vom 27.06.2005 an das Regierungspräsidium ... bis voraussichtlich April 2006 zurückgestellt. Daher liegt hier wegen eines Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 1 S. 1 RL 64/221/EWG ein beachtlicher Verfahrensfehler vor, der zur objektiven Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids führt und den Kläger in subjektiven Rechten (Art. 2 Abs. 1 GG) verletzt.
23 
§ 46 LVwVfG, wonach unter bestimmten Voraussetzungen die Verletzung von Vorschriften über das Verfahren unbeachtlich ist, findet auf den hier vorliegenden Fehler des formellen Gemeinschaftsrechts keine Anwendung (das BVerwG hat diese Frage in den Urte. v. 13.09.2005 u. 06.10.2005, a.a.O., nicht aufgeworfen, desgleichen nicht der VGH Bad.-Württ. im Beschl. v. 19.01.2006, a.a.O.). Diese Vorschrift erfasst nicht sogenannte absolute Verfahrensvorschriften des nationalen Verwaltungsverfahrensrechts (vgl. Wolff/Decker, VwGO/VwVfG - Studienkommentar -, 2005, § 46 VwVfG RdNr. 9). Ein absolutes Verfahrensrecht liegt vor, wenn die verfahrensrechtliche Bestimmung nicht nur der Ordnung des Verfahrensablaufs, insbesondere einer umfassenden Information der Verwaltungsbehörde dient, sondern dem Betroffenen eine eigene, unabhängig vom materiellen Recht durchsetzbare Rechtsposition gewähren will (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.01.1982 - 4 C 26.78 -, BVerwGE 64, 325, 331 f. = NJW 1982, 1546; Wolff/Decker, a.a.O., § 42 VwGO RdNr. 107). Absolute Verfahrensvorschriften wollen dem Berechtigten die Möglichkeit geben, die Aufhebung der Sachentscheidung allein wegen der Verletzung der Verfahrensvorschrift zu verlangen. Die Verfahrensvorschriften des Gemeinschaftsrechts und solche nationale Vorschriften, die auf vorrangigem Gemeinschaftsrecht beruhen, werden nach ganz herrschender Meinung wie absolute Verfahrensvorschriften behandelt. Das Erfordernis einer effektiven einheitlichen Wirkung des Gemeinschaftsrechts (sog. „effet utile“, vgl. Bergmann, Recht und Politik der Europäischen Union, 2001, RdNrn. 184 u. 440 ff.; Kenntner, Rechtsschutz in Europa, in: Bergmann/Kenntner, Deutsches Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluss, 2002, S. 76; Kenntner, VBlBW 2000, 297, 301; Kopp/Ramsauer, a.a.O., Einf. RdNr. 57) schließt eine Anwendung des § 46 LVwVfG aus (vgl. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluss, 1999, S. 425; Kahl, VerwArch. 2004, 1, 22 ff.; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 46 RdNr. 20; Sachs, a.a.O., § 45 RdNr. 187; Wolff/Decker, a.a.O., § 46 VwVfG RdNr. 10). Die verfahrensrechtlichen Garantien des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG sind untrennbar mit dem (materiellen) Recht der Arbeitnehmer - Unionsbürger und türkische Staatsangehörige, denen Rechte nach dem ARB 1/80 zustehen - auf Freizügigkeit sowie Beschäftigung und ein entsprechendes Aufenthaltsrecht verbunden (vgl. EuGH, Urt. v. 02.06.2005, a.a.O., RdNr. 67 unter Hinweis auf Nr. 59 des Schlussantrags des Generalanwalts Maduro, InfAuslR 2005, 17) und daher wie absolute Verfahrensvorschriften des nationalen Verwaltungsverfahrensrechts zu behandeln.
24 
Nach alledem ist nicht entscheidungserheblich, ob der festgestellte formelle gemeinschaftsrechtliche Verstoß ab 30.04.2006 unbeachtlich wird, wovon der Beklagte im Schriftsatz des Regierungspräsidiums ... vom 17.01.2006 ausgeht. Offen bleiben kann auch, ob mangels des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft ... (§ 64 Abs. 3 S. 1 AuslG/§ 72 Abs. 4 S. 1 AufenthG) im Hinblick auf das mit Beschluss des Amtsgerichts... vom 12.11.2004 lediglich vorläufig eingestellte Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz sich der angefochtene Bescheid gleichfalls als objektiv rechtswidrig und subjektiv rechtsverletzend erweist (bejahend VG Stuttgart, Urt. v. 24.09.1993 - 5 K 2284/91 -).
25 
Ist daher die Ausweisung rechtswidrig, kann auch die Abschiebungsandrohung (§§ 49 und 50 AuslG) keinen Bestand haben.
26 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
27 
Es besteht keine Veranlassung, die Berufung zuzulassen (§§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO).

Gründe

 
14 
Aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ist der Berichterstatter befugt, anstelle der Kammer zu entscheiden (§ 87 a Abs. 2 und 3 VwGO).
15 
Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
16 
Der angefochtene und über den 31.12.2004 hinaus wirksam gebliebene (§ 102 Abs. 1 S. 1 AufenthG) Bescheid verstößt gegen hier anwendbares gemeinschaftsrechtliches Verfahrensrecht. Vorliegend kommt die Richtlinie Nr. 64/221/EWG (im Folgenden: RL 64/221/EWG) vom 25.02.1964 des Rats der EWG zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind (ABl. S. 850) zur Anwendung. Nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 03.08.2004 - 1 C 29.02 -, DVBl. 2005, 119 = NVwZ 2005, 224 = InfAuslR 2005, 26) können in Anlehnung an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 29.04.2004 - Rs. C-482/01 und C 493/01 -, DVBl. 2004, 876 = InfAuslR 2004, 268) zur Ausweisung von Unionsbürgern türkische Staatsangehörige, die ein Aufenthaltsrecht nach dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG-Türkei (im Folgenden: ARB 1/80) besitzen, nur nach gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung ausgewiesen werden. Der Kläger ist nach Art. 7 S. 1 ARB 1/80 assoziationsberechtigt. Hiernach haben die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen, vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs das Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, wenn sie dort seit mindestens drei Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben. Für den Fall eines ordnungsgemäßen Wohnsitzes seit mindestens 5 Jahren haben die genannten Familienangehörigen ferner freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis. Art. 7 S. 1 ARB 1/80 findet auch auf - wie hier - in Deutschland geborene Kinder eines türkischen Arbeitnehmers Anwendung (vgl. EuGH, Urt. v. 11.11.2004 - Rs. C-467/02 -, DVBl. 2005, 103 = InfAuslR 2005, 13). Der Kläger hat seine Rechte aus Art. 7 S. 1 ARB 1/80 auch nicht durch die Verurteilung mit Urteil des Landgerichts... vom 17.09.2004 zu einer viereinhalbjährigen Freiheitsstrafe und die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus verloren (vgl. EuGH, Urt. v. 11.11.2004, a.a.O.). Art. 7 ARB 1/80 ist die speziellere Vorschrift im Verhältnis zu Art. 6 ARB 1/80; dessen Regelungen können weder hinsichtlich des Erwerbs noch hinsichtlich des Verlusts der Rechtsstellung auf Art. 7 ARB 1/80 übertragen werden (vgl. EuGH, Urt. v. 07.07.2005 - Rs. C-373/03 -, DVBl. 2005 1256 = InfAuslR 2005, 352; vgl. auch Dörig, DVBl. 2005, 1221). Hiernach war/ist der Kläger sowohl im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids als auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung assoziationsberechtigt.
17 
Die europarechtlichen Verfahrensgarantien aus Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG, die unmittelbar für Unionsbürger bei behördlicher Beendigung ihres Aufenthalts gelten, sind auch auf türkische Arbeitnehmer anzuwenden, die ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 haben (vgl. EuGH, Urt. v. 02.06.2005 - Rs. C-136/03 -, DVBl. 2005, 1437 = InfAuslR 2005, 289; BVerwG, Urte. v. 13.09.2005 - 1 C 7.04 - u.v. 06.10.2005 - 1 C 5.04 -). Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG lautet:
18 
„Sofern keine Rechtsmittel gegeben sind oder die Rechtsmittel nur die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung betreffen oder keine aufschiebende Wirkung haben, trifft die Verwaltungsbehörde die Entscheidung über die Verweigerung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis oder über die Entfernung eines Inhabers einer Aufenthaltserlaubnis aus dem Hoheitsgebiet außer in dringenden Fällen erst nach Erhalt der Stellungnahme einer zuständigen Stelle des Aufnahmelandes, vor der sich der Betroffene entsprechend den innerstaatlichen Rechtsvorschriften verteidigen, unterstützen oder vertreten lassen kann. Diese Stelle muss eine andere sein als diejenige, welche für die Entscheidung über die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis oder über die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet zuständig ist.“
19 
Dass diese Richtlinie mit Inkrafttreten der Richtlinie 2004/38/EG (ABl. L 158/77) am 30.04.2006 außer Kraft tritt (vgl. Art. 38 Abs. 2 RL 2004/38/EG) und nach Art. 31 RL 2004/38/EG die Beteiligung einer unabhängigen Stelle nicht mehr vorgesehen ist, führt nicht dazu, dass bereits jetzt - im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung - aufgrund einer Vorwirkung der Richtlinie 2004/38/EG von der Nichtanwendbarkeit des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG auszugehen ist. Dem steht der eindeutige Wortlaut des Art. 38 Abs. 2 RL 2004/38/EG entgegen. Unabhängig hiervon ist ohnehin im Ausländer- und Asylrecht vor Ablauf der Umsetzungsfrist (hier: 30.04.2006, vgl. Art. 40 Abs. 1 RL 2004/38/EG) bzw. - wenn zuvor erfolgt - Verkündung des Umsetzungsgesetzes regelmäßig keine vom Instanzrichter beachtliche Vorwirkung von EG-Richtlinien anzunehmen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 12.05.2005 - A 3 S 358/05 -, AuAS 2005, 163 = InfAuslR 2005, 296 = VBlBW 2005, 303; OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 13.07.2005 - 1 LA 68/05 -, AuAS 2005, 262; jew. zur sog. Qualifikationsrichtlinie 2004/83/EG, ABl. L 304/12).
20 
Findet die nach Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG geforderte Nachprüfung einer Ausweisungsverfügung durch eine zweite unabhängige Stelle („Vier-Augen-Prinzip“) nicht statt, ist die Ausweisung wegen eines Verfahrensfehlers unheilbar rechtswidrig, es sei denn, es liegt ein „dringender Fall“ vor. Ein solcher Fall im Sinne des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG setzt ein besonderes öffentliches Interesse daran voraus, das gerichtliche Hauptverfahren nicht abzuwarten, sondern die Ausweisung sofort zu vollziehen, um damit einer weiteren, unmittelbar drohenden und unzumutbaren Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch den Ausländer zu begegnen (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.09.2005, a.a.O.). Eine Nachprüfung der angefochtenen Ausweisungsverfügung ist hier vor Erhebung der Klage nicht erfolgt. Ein Vorverfahren nach nationalem Verwaltungsprozessrecht (§ 68 VwGO) fand wegen des Ausschlusses im baden-württembergischen Landesrecht (§ 6 a S. 1 AGVwGO: kein Vorverfahren, wenn das Regierungspräsidium den Verwaltungsakt erlassen oder abgelehnt hat; ein Ausnahmefall nach Satz 2 - Notwendigkeit der Durchführung eines Vorverfahrens kraft Bundesrechts oder Bewertung einer Leistung einer berufsbezogenen Prüfung - scheidet vorliegend offensichtlich aus) nicht statt. Eine behördliche Nachprüfung der Ausweisung ist nach den Angaben der Vertreterin des Beklagten in der mündlichen Verhandlung auch nicht während des Klageverfahrens erfolgt. Die Vertreterin hat insoweit in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, bei in gerichtlichen Verfahren anhängigen Ausweisungen von türkischen Staatsangehörigen, die dem ARB 1/80 unterfallen, erfolge keine Nachprüfung auf der Grundlage des seit 22.10.2005 geltenden § 10 Abs. 7 der Aufenthalts- und Asyl-Zuständigkeitsverordnung - AAZuVO - (vgl. Verordnung v. 04.10.2005, GBl. S. 678). Hiernach sind die Regierungspräsidien in den Fällen der Ausweisung von türkischen Staatsangehörigen, die dem ARB 1/80 unterfallen, zuständige Stellen im Sinne des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG. Zuständige Stelle für das vorliegend für die getroffene Ausweisung sachlich und örtlich zuständige Regierungspräsidium ... ist das Regierungspräsidium ... (§ 10 Abs. 7 S. 2 AAZuVO). Mangels einer nachgeholten Nachprüfung kann daher offen bleiben, ob sie überhaupt in wirksamer Weise hätte nachgeholt werden können (vgl. zum indirekten Vollzug des Gemeinschaftsrechts wie hier u. a.: Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 45 RdNrn. 185 ff.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl., Einf. RdNrn. 58 ff. u. § 45 RdNrn. 5 a ff.; Schoch, Die europäische Perspektive des Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrechts, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Strukturen des Europäischen Verwaltungsrechts, 1999, S. 312 f.).
21 
Von der geforderten Nachprüfung der verfügten Ausweisung konnte mangels eines „dringenden Falles“ nicht abgesehen werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat im genannten Urteil vom 13.09.2005 (a.a.O.) nicht ausdrücklich entschieden, welcher Zeitpunkt für die Beurteilung maßgebend ist, ob ein „dringender Fall“ vorliegt. Auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Beschl. v. 19.01.2006 - 13 S 1207/05 -) lässt sich dies nicht entnehmen. Die Zeitform der Gegenwart im Wortlaut des Art. 9 Abs. 1 S. 1 RL 64/221/EWG („... trifft die Verwaltungsbehörde ...“) spricht dafür, dass der Zeitpunkt der (letzten) behördlichen Entscheidung maßgebend ist. Hiervon dürfte auch das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 13.09.2005 (a.a.O.) ausgegangen sein. Es führt aus, Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG werde verletzt, „... wenn weder ein Widerspruchsverfahren stattfindet noch sonst eine zweite zuständige Stelle im Rahmen der Richtlinie im Verwaltungsverfahren eingeschaltet wird (behördliches Vorverfahren im Sinne des § 68 VwGO)“ (vgl. den ersten Satz in RdNr. 13 des amtlichen Urteilsabdrucks, die Ausführungen in dieser Randnummer enden im letzten Satz mit der Feststellung eines unheilbar rechtswidrigen Verfahrensfehlers; das Wort „unheilbar“ findet dagegen im amtlichen Leitsatz 2 des Urteils keinen Niederschlag: „... wegen eines Verfahrensfehlers rechtswidrig ...“). Die weiteren Ausführungen an anderer Stelle im genannten Urteil (RdNr. 18) lassen aber auch die Deutung zu, für die Frage des Vorliegens eines „dringenden Falles“ dürften auch noch Umstände herangezogen werden, die nach Erlass der (letzten) Behördenentscheidung eingetreten sind. Denn das Bundesverwaltungsgericht führt im ersten Satz der RdNr. 18 aus, ein „dringender Fall“ sei nicht schon dann anzunehmen, wenn die Ausländerbehörde die sofortige Vollziehung der Ausweisung angeordnet hat und diese Anordnung im gerichtlichen Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO bestätigt wird. Für eine Deutung in diesem Sinne sprechen auch die weiteren Ausführungen in RdNr. 19 (letzter Satz) des Urteils. Hiernach scheidet die Annahme eines „dringenden Falles“ dann aus, wenn die Behörde das Verfahren nicht zügig betreibt und selbst die sofortige Vollziehung nicht anordnet oder von der Anordnung nicht unverzüglich - gegebenenfalls nach gerichtlicher Bestätigung - Gebrauch macht. Das Bundesverwaltungsgericht ermöglicht mit dieser Erwägung die Berücksichtigung des behördlichen Verhaltens nach Erlass der verfügten Ausweisung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung (sei sie zugleich mit der Ausweisung erfolgt oder erst später angeordnet worden) unter Einbeziehung gerichtlicher Erkenntnisse („gegebenenfalls nach gerichtlicher Bestätigung“, letzter Satz in RdNr. 19). Eine derartige zeitliche Reichweite zur Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs „dringender Fall“ und damit der Frage, ob ein weiteres „behördliches Augenpaar“ im Sinne des Art. 9 Abs. 1 S. 1 RL 64/221/EWG die getroffene behördliche Ausgangsentscheidung zu kontrollieren hat, erscheint im Hinblick auf eine wünschenswerte klare Abgrenzung des Verwaltungsverfahrens und des gerichtlichen Hauptsacheverfahrens bedenklich. Wird das „Vier-Augen-Prinzip“ im Sprachgebrauch des nationalen Verwaltungsprozessrechts als „behördliches Vorverfahren im Sinne des § 68 VwGO“ (RdNr. 13 des Urt. v. 13.09.2005, a.a.O.) verstanden, müsste an sich eine Klage ohne Durchführung eines solchen Vorverfahrens unzulässig sein, es sei denn, man hielte sie nach den Kriterien des § 75 VwGO als Untätigkeitsklage für zulässig, was dann aber den Ausgangsbescheid nicht wegen eines Verfahrensfehlers unheilbar rechtswidrig machen könnte. So betrachtet müsste die vom Bundesverwaltungsgericht gewonnene Erkenntnis vom unheilbaren Verfahrensfehler (im Urt. v. 06.10.2005, a.a.O., ist in RdNr. 16 von einem unheilbaren Mangel des Verwaltungsverfahrens die Rede) rechtssystematisch der (nationalen) Lehre von der Heilung von Verfahrens- und Formfehlern (§ 45 LVwVfG) zugewiesen werden. Diese lässt bei Fehlen bestimmter Verfahrenshandlungen (§ 45 Abs. 1 LVwVfG) eine Nachholung bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu (§ 45 Abs. 2 LVwVfG).
22 
Im vorliegenden Fall kann letztlich offen bleiben, auf welchen Zeitpunkt hinsichtlich der Frage, ob ein „dringender Fall“ vorliegt, abzustellen ist. Ein solcher Fall liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn von dem Ausländer wegen seiner Inhaftierung keine (schwere) Gefahr ausgeht. Im Falle der Inhaftierung kommt ein „dringender Fall“ nur dann in Frage, wenn der Ausländer aus der Haft heraus abgeschoben werden soll (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.09.2005, a.a.O.). Dies war hier aber weder im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 19.11.2004 noch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung der Fall. Der Kläger wurde wegen der Taten, die seiner Verurteilung mit Urteil des Landgerichts ... vom 17.09.2004 zugrunde lagen, bereits am 28.03.2004 in Untersuchungshaft genommen. Und nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils vom 17.09.2004 am 25.09.2004 befand sich der Kläger zunächst im Strafvollzug in der Justizvollzugsanstalt ..., dann wurde er am 19.11.2004 in das Justizvollzugskrankenhaus ... verlegt und anschließend ab 25.11.2004 im Zentrum für Psychiatrie ... untergebracht, wo er sich bis heute befindet. Die Staatsanwaltschaft ... hat bisher keine Entscheidung nach § 456 a Abs. 1 StPO getroffen (Absehen von der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung, wozu auch die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gehört, vgl. § 61 StGB), sondern eine solche Entscheidung nach ihrem Schreiben vom 27.06.2005 an das Regierungspräsidium ... bis voraussichtlich April 2006 zurückgestellt. Daher liegt hier wegen eines Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 1 S. 1 RL 64/221/EWG ein beachtlicher Verfahrensfehler vor, der zur objektiven Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids führt und den Kläger in subjektiven Rechten (Art. 2 Abs. 1 GG) verletzt.
23 
§ 46 LVwVfG, wonach unter bestimmten Voraussetzungen die Verletzung von Vorschriften über das Verfahren unbeachtlich ist, findet auf den hier vorliegenden Fehler des formellen Gemeinschaftsrechts keine Anwendung (das BVerwG hat diese Frage in den Urte. v. 13.09.2005 u. 06.10.2005, a.a.O., nicht aufgeworfen, desgleichen nicht der VGH Bad.-Württ. im Beschl. v. 19.01.2006, a.a.O.). Diese Vorschrift erfasst nicht sogenannte absolute Verfahrensvorschriften des nationalen Verwaltungsverfahrensrechts (vgl. Wolff/Decker, VwGO/VwVfG - Studienkommentar -, 2005, § 46 VwVfG RdNr. 9). Ein absolutes Verfahrensrecht liegt vor, wenn die verfahrensrechtliche Bestimmung nicht nur der Ordnung des Verfahrensablaufs, insbesondere einer umfassenden Information der Verwaltungsbehörde dient, sondern dem Betroffenen eine eigene, unabhängig vom materiellen Recht durchsetzbare Rechtsposition gewähren will (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.01.1982 - 4 C 26.78 -, BVerwGE 64, 325, 331 f. = NJW 1982, 1546; Wolff/Decker, a.a.O., § 42 VwGO RdNr. 107). Absolute Verfahrensvorschriften wollen dem Berechtigten die Möglichkeit geben, die Aufhebung der Sachentscheidung allein wegen der Verletzung der Verfahrensvorschrift zu verlangen. Die Verfahrensvorschriften des Gemeinschaftsrechts und solche nationale Vorschriften, die auf vorrangigem Gemeinschaftsrecht beruhen, werden nach ganz herrschender Meinung wie absolute Verfahrensvorschriften behandelt. Das Erfordernis einer effektiven einheitlichen Wirkung des Gemeinschaftsrechts (sog. „effet utile“, vgl. Bergmann, Recht und Politik der Europäischen Union, 2001, RdNrn. 184 u. 440 ff.; Kenntner, Rechtsschutz in Europa, in: Bergmann/Kenntner, Deutsches Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluss, 2002, S. 76; Kenntner, VBlBW 2000, 297, 301; Kopp/Ramsauer, a.a.O., Einf. RdNr. 57) schließt eine Anwendung des § 46 LVwVfG aus (vgl. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluss, 1999, S. 425; Kahl, VerwArch. 2004, 1, 22 ff.; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 46 RdNr. 20; Sachs, a.a.O., § 45 RdNr. 187; Wolff/Decker, a.a.O., § 46 VwVfG RdNr. 10). Die verfahrensrechtlichen Garantien des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG sind untrennbar mit dem (materiellen) Recht der Arbeitnehmer - Unionsbürger und türkische Staatsangehörige, denen Rechte nach dem ARB 1/80 zustehen - auf Freizügigkeit sowie Beschäftigung und ein entsprechendes Aufenthaltsrecht verbunden (vgl. EuGH, Urt. v. 02.06.2005, a.a.O., RdNr. 67 unter Hinweis auf Nr. 59 des Schlussantrags des Generalanwalts Maduro, InfAuslR 2005, 17) und daher wie absolute Verfahrensvorschriften des nationalen Verwaltungsverfahrensrechts zu behandeln.
24 
Nach alledem ist nicht entscheidungserheblich, ob der festgestellte formelle gemeinschaftsrechtliche Verstoß ab 30.04.2006 unbeachtlich wird, wovon der Beklagte im Schriftsatz des Regierungspräsidiums ... vom 17.01.2006 ausgeht. Offen bleiben kann auch, ob mangels des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft ... (§ 64 Abs. 3 S. 1 AuslG/§ 72 Abs. 4 S. 1 AufenthG) im Hinblick auf das mit Beschluss des Amtsgerichts... vom 12.11.2004 lediglich vorläufig eingestellte Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz sich der angefochtene Bescheid gleichfalls als objektiv rechtswidrig und subjektiv rechtsverletzend erweist (bejahend VG Stuttgart, Urt. v. 24.09.1993 - 5 K 2284/91 -).
25 
Ist daher die Ausweisung rechtswidrig, kann auch die Abschiebungsandrohung (§§ 49 und 50 AuslG) keinen Bestand haben.
26 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
27 
Es besteht keine Veranlassung, die Berufung zuzulassen (§§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO).

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 07. Feb. 2006 - 5 K 5146/04

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 07. Feb. 2006 - 5 K 5146/04

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der
Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 07. Feb. 2006 - 5 K 5146/04 zitiert 15 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 42


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 75


Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von d

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 68


(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn 1. der Verwaltungsakt von einer ob

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 46 Folgen von Verfahrens- und Formfehlern


Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn of

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 102 Fortgeltung ausländerrechtlicher Maßnahmen und Anrechnung


(1) Die vor dem 1. Januar 2005 getroffenen sonstigen ausländerrechtlichen Maßnahmen, insbesondere zeitliche und räumliche Beschränkungen, Bedingungen und Auflagen, Verbote und Beschränkungen der politischen Betätigung sowie Ausweisungen, Abschiebungs

Strafgesetzbuch - StGB | § 61 Übersicht


Maßregeln der Besserung und Sicherung sind 1. die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus,2. die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt,3. die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung,4. die Führungsaufsicht,5. die Entziehung der Fahre

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Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 07. Feb. 2006 - 5 K 5146/04 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 07. Feb. 2006 - 5 K 5146/04 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 12. Mai 2005 - A 3 S 358/05

bei uns veröffentlicht am 12.05.2005

Tenor Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 24. Februar 2005 - A 6 K 10687/03 - zuzulassen, wird abgelehnt. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Berufungszulassungsverfahrens
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 07. Feb. 2006 - 5 K 5146/04.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 18. Okt. 2006 - 13 S 192/06

bei uns veröffentlicht am 18.10.2006

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22. März 2005 - 5 K 132/04 - geändert; die Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29. Dezember 2003 wird aufgehoben. Der Beklagte trägt die Kosten

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 29. Juni 2006 - 11 S 2299/05

bei uns veröffentlicht am 29.06.2006

Tenor Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 05. September 2005 - 3 K 3786/04 - wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird zugelassen. Tatbestan

Referenzen

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die vor dem 1. Januar 2005 getroffenen sonstigen ausländerrechtlichen Maßnahmen, insbesondere zeitliche und räumliche Beschränkungen, Bedingungen und Auflagen, Verbote und Beschränkungen der politischen Betätigung sowie Ausweisungen, Abschiebungsandrohungen, Aussetzungen der Abschiebung und Abschiebungen einschließlich ihrer Rechtsfolgen und der Befristung ihrer Wirkungen sowie begünstigende Maßnahmen, die Anerkennung von Pässen und Passersatzpapieren und Befreiungen von der Passpflicht, Entscheidungen über Kosten und Gebühren, bleiben wirksam. Ebenso bleiben Maßnahmen und Vereinbarungen im Zusammenhang mit Sicherheitsleistungen wirksam, auch wenn sie sich ganz oder teilweise auf Zeiträume nach Inkrafttreten dieses Gesetzes beziehen. Entsprechendes gilt für die kraft Gesetzes eingetretenen Wirkungen der Antragstellung nach § 69 des Ausländergesetzes.

(2) Auf die Frist für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 wird die Zeit des Besitzes einer Aufenthaltsbefugnis oder einer Duldung vor dem 1. Januar 2005 angerechnet.

Tenor

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 24. Februar 2005 - A 6 K 10687/03 - zuzulassen, wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Berufungszulassungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten des Beteiligten, die dieser selbst trägt.

Gründe

 
I. Der nach seinen Angaben 1979 in Teheran geborene ledige iranische Kläger reiste 2001 seinem Bruder Ali B.A. nach, der sich seit 1998 als Asylbewerber in Deutschland aufhält (rechtskräftig abgelehnt seit 2001). Am 28.7.2001 wurde er in einer Asylbewerberunterkunft aufgegriffen und beantragte daraufhin Asyl. Zur Begründung berief er sich auf politische Aktivitäten im Iran als Sympathisant der Volksmudjaheddin. Im Laufe des Asylverfahrens trug er weiter vor, in Deutschland exilpolitisch aktiv geworden zu sein. Auch sei er zwischenzeitlich zum christlichen Glauben konvertiert; seit seiner Taufe gehöre er einer baptistischen evangelisch-freikirchlichen Gemeinde an. Zum Leitbild und Selbstverständnis dieser Gemeinde gehörten missionarische Aktivitäten, die im Iran strengstens verboten seien. Im Falle seiner Abschiebung sei deshalb sein religiöses Existenzminimum nicht gewährleistet, was insbesondere die Richtlinie 2004/83/EG untersage.
Der Asylantrag wurde vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 26.2.2003 abgelehnt. Die hiergegen erhobene Asylklage wurde vom Verwaltungsgericht mit Urteil vom 24.2.2005 in vollem Umfang abgewiesen: Die Angaben des Klägers zu politischen Aktivitäten im Iran seien nicht glaubhaft. Die exilpolitischen Aktivitäten seien nicht herausgehoben und damit asylrechtlich irrelevant. Auch vor dem Hintergrund des in Deutschland erfolgten Übertritts zum christlichen Glauben könne die Klage keinen Erfolg haben. Zwar gelte im Iran das Verbot jeglicher Missionierungstätigkeit, und Apostasie, der „Abfall vom Glauben“, sei nicht erlaubt. Das religiöse Existenzminimum, das im Wesentlichen die Religionsausübung im privaten und nachbarschaftlich-kommunikativen Bereich umfasse, sei dort aber auch für Christen bzw. Apostaten gewahrt. Ohnehin bestehe eine asylerhebliche Gefährdung nur dann, wenn den iranischen Stellen eine Konversion zum Christentum bekannt werde und diese ein Interesse an dem Betreffenden hätten. Erst ein in der Öffentlichkeit vorgetragenes religiöses Bekenntnis oder missionarisches Tätigwerden führe so zu einer Gefährdung. Solche Aktivitäten aber, die zumutbar unterbleiben könnten, seien asylrechtlich nicht geschützt. Hieran ändere auch die Richtlinie 2004/83/EG nichts, weil deren inhaltliche Bestimmungen vor ihrer Umsetzung in Deutschland noch keine Geltung hätten.
II. Der auf grundsätzliche Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) gestützte fristgerechte Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Er genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG.
1. Zur Begründung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG muss zunächst in Bezug auf die Rechtslage oder die Tatsachenfeststellungen eine konkrete Frage aufgeworfen und erläutert werden. Dargelegt werden muss weiter, warum diese Frage bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärte Probleme aufwirft, die über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam sind und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlich geklärt werden müssen. In der Begründung des Zulassungsantrags muss mithin deutlich werden, warum prinzipielle Bedenken gegen einen vom Verwaltungsgericht in einer konkreten Rechts- oder Tatsachenfrage eingenommenen Standpunkt bestehen, warum es also erforderlich ist, dass sich das Berufungsgericht klärend mit der aufgeworfenen Frage auseinandersetzt und entscheidet, ob diese Bedenken durchgreifen. Schließlich muss dargelegt werden, warum die aufgeworfene Frage für das Verwaltungsgericht erheblich war und warum sie sich auch im Berufungsverfahren als entscheidungserheblich stellen würde (st.Rspr.; vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 4.7.2000 - A 9 S 1275/00 -, VBlBW 2001 S. 66 f.; für die Revisionszulassung: BVerwGE 13, 90 f.; 111, 61 f., m.w.N.).
2. Bei Berücksichtigung dieser Vorgaben fehlt es vorliegend jedenfalls an der hinreichenden Präzisierung und Erläuterung einer Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage. Die vom Kläger in seinem Zulassungsantrag formulierte Frage,
„ob das religiöse Existenzminimum auch den öffentlichen Bereich als Ort verfolgungsrechtlich geschützter Betätigung gemäß Art. 10 Abs. 1 b der EU-Qualifikationsrichtlinie in Verbindung mit § 60 Abs. 1 AufenthG umfasst“,
würde sich im Berufungsverfahren so nicht stellen. Denn der Begriff des religiösen Existenzminimums ist kein Tatbestandsmerkmal des § 60 Abs. 1 AufenthG, sondern - so wie ihn auch das Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil verwendet hat (UA S. 14) - ein vom Bundesverfassungsgericht insbesondere im Hinblick auf die Art. 1 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 und 2 sowie Art. 16 a Abs. 1 GG geformter Begriff (vgl. BVerfGE 76, 143 <158 f.>). Würde das religiöse Existenzminimum aus verfassungsrechtlicher Sicht auch den öffentlichen Bereich als Ort verfolgungsrechtlich geschützter Betätigung umfassen, folgte daraus jedenfalls nicht zwingend, dass hier zugunsten des Klägers das Verbot der Abschiebung gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG (i.V.m. Art. 10 Abs. 1 b der Richtlinie 2004/83/EG) angenommen werden müsste.
3. Aber auch die sachdienlich umformulierte Frage,
„ob der Begriff der Religion in § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG im Lichte von Art. 10 Abs. 1 b der Richtlinie 2004/83/EG auch religiöse Betätigungen im öffentlichen Bereich erfasst“,
10 
kann - zumindest bis voraussichtlich zum 10.10.2006 - nicht zur Zulassung der Berufung führen. Insoweit fehlt es an einer höchst- oder obergerichtlich noch nicht geklärten Problematik. Denn die Problematik der Vorwirkung von EG-Richtlinien ist in der Rechtsprechung hinreichend geklärt.
11 
Dem Kläger ist zuzubilligen, dass die Formulierung des Verwaltungsgerichts, die inhaltlichen Bestimmungen der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.4.2004 hätten, - weil die Umsetzungsfrist gemäß Art. 38 Abs. 1 der Richtlinie erst am 10.10.2006 auslaufe -, „in Deutschland noch keine Geltung“ (UA S. 24), die diesbezüglichen europarechtlichen Anforderungen nur verkürzt wiedergibt. Denn nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften folgt aus Art. 249 Abs. 3 EG i.V.m. einer Richtlinie die den Mitgliedstaaten selbst auferlegte zwingende Pflicht, alle erforderlichen Maßnahmen zur Erreichung des durch diese Richtlinie vorgeschriebenen Ziels zu treffen. Aus Art. 254 Abs. 2 und 3 EG ergibt sich, dass eine Richtlinie gegenüber dem Mitgliedstaat, an den sie gerichtet ist, schon vom Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung bzw. Bekanntgabe an Rechtswirkungen entfaltet (vgl. EuGH, Urteil vom 24.10.1996, Rs. C-72/95 - Kraaijeveld u.a. -, Slg. 1996, I-5403, RdNr. 55). Diese Pflicht, alle allgemeinen oder besonderen Maßnahmen zu treffen, damit das Richtlinienziel umgesetzt werden kann, obliegt sämtlichen Trägern öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten - und damit auch den Gerichten im Rahmen ihrer Zuständigkeiten (vgl. EuGH, Urteil vom 13.11.1990, Rs. C-106/89 - Marleasing -, Slg. 1990, I-4135, RdNr. 8). Konkrete Maßnahmen im Verhältnis Staat gegen Bürger allerdings können auf der Grundlage einer Richtlinie vor deren Umsetzung grundsätzlich nicht getroffen werden, denn eine Richtlinie kann nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen (vgl. EuGH, Urteil vom 3.5.2005, Rs. C-387/02 u.a. - Berlusconi u.a. -, RdNr. 73). Auch folgt aus der Umsetzungsfrist, dass den Mitgliedstaaten kein Vorwurf gemacht werden darf, wenn sie eine Richtlinie nicht vor Ablauf dieser Frist in ihre Rechtsordnung umsetzen (vgl. EuGH, Urteil vom 13.7.2000, Rs. C-456/98 - Centrosteel -, RdNr. 17). Aus Art. 10 Abs. 2 i.V.m. Art. 249 Abs. 3 EG sowie der Richtlinie selbst ergibt sich jedoch im Übrigen, dass die Mitgliedstaaten während der Umsetzungsfrist alle Maßnahmen, insbesondere den Erlass von Vorschriften, unterlassen müssen, die geeignet sind, das in dieser Richtlinie vorgeschriebene Ziel ernstlich in Frage zu stellen (vgl. EuGH, Urteil vom 18.12.1997, Rs. C-129/96 - Inter-Environnement Wallonie -, Slg. 1997, I-7435).
12 
In Anwendung dieser Maßstäbe hat das Bundesverwaltungsgericht - etwa für den Bereich der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie - judiziert, dass ein Mitgliedstaat, der seiner Umsetzungsverpflichtung noch nicht (vollständig) nachgekommen sei, bereits in dieser Phase gewisse vorgezogene Verhaltenspflichten zu beachten habe. Er dürfe die Ziele der Richtlinie nicht unterlaufen und keine vollendeten Tatsachen schaffen, die ihm die Erfüllung der durch die Richtlinie begründeten Pflichten unmöglich machten. (Im konkreten Fall laufe dies allerdings nicht auf eine Veränderungssperre hinaus, die einer Vorwegnahme des Art. 6 Abs. 2 FFH-Richtlinie gleichkäme. Die gemeinschaftsrechtliche Vorwirkung verhindere lediglich, dass Gebiete, deren Schutzwürdigkeit nach der Richtlinie auf der Hand liege, zerstört oder anderweitig so nachhaltig beeinträchtigt würden, dass sie für eine Meldung nicht mehr in Betracht kämen; vgl. BVerwG, Urteil vom 19.5.1998 - 4 A 9.97 -, UPR 1998 S. 384; Urteil vom 27.10.2000 - 4 A 18.99 -, E 112, 140).
13 
Höchst- bzw. obergerichtlich ist damit hinreichend geklärt, dass auch die mitgliedstaatlichen Gerichte ab Inkrafttreten einer Richtlinie bis zur Verkündung des nationalen Umsetzungsgesetzes bzw. zum Ablauf der Umsetzungsfrist alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen haben, um sicherzustellen, dass die in der Richtlinie vorgeschriebenen Ziele im Umsetzungszeitpunkt erreicht werden. Auch sie dürfen diese Ziele nicht unterlaufen und keine vollendeten Tatsachen schaffen, die die Erfüllung der durch eine Richtlinie begründeten mitgliedstaatlichen Pflichten unmöglich machen. Andererseits fordert die dergestalt definierte Vorwirkung einer EG-Richtlinie nicht schon deren unmittelbare Anwendung. Die unmittelbare Wirkung einer Richtlinienbestimmung kommt vielmehr erst nach Ablauf der Umsetzungsfrist in Betracht und nur unter bestimmten weiteren Voraussetzungen (vgl. hierzu: Lenz/Borchardt, EU- und EG-Vertrag, 2003, Art. 249 RdNr. 12 ff., m.w.N.).
14 
Für den Bereich des Ausländer- und Asylrechts bedeutet dies, dass vor Ablauf der Umsetzungsfrist bzw. - wenn zuvor erfolgt - Verkündung des Umsetzungsgesetzes regelmäßig keine vom Instanzrichter beachtliche Vorwirkung von EG-Richtlinien anzunehmen ist. Denn eine einzelfallbezogene Auslegung von nationalen Vorschriften, auch wenn diese nicht richtlinienkonform oder sogar im Gegensatz zu den Vorgaben einer Richtlinie vorgenommen wird, kann hier grundsätzlich weder in faktischer noch in rechtlicher Hinsicht vollendete Tatsachen schaffen, die die Erfüllung der durch eine Richtlinie begründeten Pflichten der Bundesrepublik bei Fristablauf unmöglich machen. Es ist davon auszugehen, dass immer Ausländer nach Deutschland einreisen und hier leben werden. Unabhängig von der konkreten Rechtsprechung der Instanzgerichte ist es dem Gesetzgeber so jederzeit möglich, die Ziele einer Richtlinie in das nationale Ausländer- und Asylrecht fristgerecht und auch sonst ordnungsgemäß umzusetzen. Denn ab Verkündung des Umsetzungsgesetzes ist der Richter hieran gemäß Art. 20 Abs. 3 GG gebunden. Wohl steht es dem Richter frei, im Hinblick auf Art. 10 EG schon ab Inkrafttreten einer Richtlinie insbesondere unbestimmte Rechtsbegriffe des nationalen Rechts bereits - wenn auch ohne Berufung auf den gemeinschaftsspezifischen Anwendungsvorrang und nicht im Gegensatz zu sonstigen nationalen Vorschriften - richtlinienkonform auszulegen (so auch BGH, Urteil vom 5.2.1998 - I ZR 211/95 -, NJW 1998 S. 2208). Eine Rechtspflicht hierzu ergibt sich im Ausländer- und Asylrecht jedoch regelmäßig erst nach Ablauf der Umsetzungsfrist bzw. - wenn zuvor erfolgt - Verkündung des Umsetzungsgesetzes. Dies bedeutet zugleich, dass sich ein Ausländer zu einem früheren Zeitpunkt noch nicht mit Erfolg auf einzelne Richtlinienvorgaben berufen kann (vgl. D. Koller, Die Bedeutung von EG-Richtlinien im Zeitraum vor Ablauf der Umsetzungsfrist, 2003, S. 142 f., m.w.N.).
15 
Mit dem am 30.7.2004 (BGBl. I S. 1950) verkündeten § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG wurde nicht - frühzeitig und im Vorgriff - der erst am 30.9.2004 (ABlEU Nr. L 304/12) veröffentlichte Art. 10 Abs. 1 b der Richtlinie 2004/83/EG, d.h. ein Teil der so genannten Qualifikationsrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt; insoweit sollte vielmehr im Wesentlichen Vorgaben des Abkommens vom 28.7.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) und Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 25.7.2000 - 9 C 28.99 -, BVerwGE 111, 334, und 20.2.2001 - 9 C 21.00 -, BVerwGE 114, 27) Rechnung getragen werden (so ausdrücklich BT-Drs. 15/420 vom 7.2.2003, S. 91; auch eine Umsetzungsmitteilung im Sinne des Art. 38 der Richtlinie ist nicht ersichtlich). Art. 10 Abs. 1 b der Richtlinie 2004/83/EG ist mithin vom Gesetzgeber noch bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist am 10.10.2006 umzusetzen. Der Begriff der Religion in § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG muss damit derzeit noch nicht zwingend im Lichte der Qualifikationsrichtlinie ausgelegt werden. Im konkreten Fall kann so auch offen bleiben, ob nicht nur etwa die Teilnahme an öffentlichen Gottesdiensten, sondern tatsächlich auch Missionierungsaktivitäten im Sinne von Art. 10 Abs. 1 b der Richtlinie unter „religiöse Riten“ im öffentlichen Bereich zu subsumieren sind, ob als „öffentlicher Bereich“ insoweit möglicherweise nur das religiöse Bekenntnis im nachbarschaftlich-kommunikativen Bereich im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum religiösen Existenzminimum verstanden werden könnte, oder ob Missionierungsaktivitäten nicht allein unter den Begriff der „sonstigen religiösen Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder der Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind“, zu fassen sind, und ob solche Betätigungen nicht auf den privaten Bereich beschränkt werden dürfen, weil diesbezüglich der öffentliche Bereich in der Qualifikationsrichtlinie nicht mehr explizit genannt wird. Auch eine diesbezügliche Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 68 Abs. 1 i.V.m. Art. 234 Abs. 3 EG, wenn man eine solche im Berufungszulassungsverfahren und vor Ablauf der Umsetzungsfrist überhaupt für zulässig hält - wofür Vieles spricht -, ist damit nicht erforderlich.
16 
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 (entsprechend) VwGO und § 83 b AsylVfG.
17 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

Maßregeln der Besserung und Sicherung sind

1.
die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus,
2.
die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt,
3.
die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung,
4.
die Führungsaufsicht,
5.
die Entziehung der Fahrerlaubnis,
6.
das Berufsverbot.

Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die vor dem 1. Januar 2005 getroffenen sonstigen ausländerrechtlichen Maßnahmen, insbesondere zeitliche und räumliche Beschränkungen, Bedingungen und Auflagen, Verbote und Beschränkungen der politischen Betätigung sowie Ausweisungen, Abschiebungsandrohungen, Aussetzungen der Abschiebung und Abschiebungen einschließlich ihrer Rechtsfolgen und der Befristung ihrer Wirkungen sowie begünstigende Maßnahmen, die Anerkennung von Pässen und Passersatzpapieren und Befreiungen von der Passpflicht, Entscheidungen über Kosten und Gebühren, bleiben wirksam. Ebenso bleiben Maßnahmen und Vereinbarungen im Zusammenhang mit Sicherheitsleistungen wirksam, auch wenn sie sich ganz oder teilweise auf Zeiträume nach Inkrafttreten dieses Gesetzes beziehen. Entsprechendes gilt für die kraft Gesetzes eingetretenen Wirkungen der Antragstellung nach § 69 des Ausländergesetzes.

(2) Auf die Frist für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 wird die Zeit des Besitzes einer Aufenthaltsbefugnis oder einer Duldung vor dem 1. Januar 2005 angerechnet.

Tenor

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 24. Februar 2005 - A 6 K 10687/03 - zuzulassen, wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Berufungszulassungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten des Beteiligten, die dieser selbst trägt.

Gründe

 
I. Der nach seinen Angaben 1979 in Teheran geborene ledige iranische Kläger reiste 2001 seinem Bruder Ali B.A. nach, der sich seit 1998 als Asylbewerber in Deutschland aufhält (rechtskräftig abgelehnt seit 2001). Am 28.7.2001 wurde er in einer Asylbewerberunterkunft aufgegriffen und beantragte daraufhin Asyl. Zur Begründung berief er sich auf politische Aktivitäten im Iran als Sympathisant der Volksmudjaheddin. Im Laufe des Asylverfahrens trug er weiter vor, in Deutschland exilpolitisch aktiv geworden zu sein. Auch sei er zwischenzeitlich zum christlichen Glauben konvertiert; seit seiner Taufe gehöre er einer baptistischen evangelisch-freikirchlichen Gemeinde an. Zum Leitbild und Selbstverständnis dieser Gemeinde gehörten missionarische Aktivitäten, die im Iran strengstens verboten seien. Im Falle seiner Abschiebung sei deshalb sein religiöses Existenzminimum nicht gewährleistet, was insbesondere die Richtlinie 2004/83/EG untersage.
Der Asylantrag wurde vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 26.2.2003 abgelehnt. Die hiergegen erhobene Asylklage wurde vom Verwaltungsgericht mit Urteil vom 24.2.2005 in vollem Umfang abgewiesen: Die Angaben des Klägers zu politischen Aktivitäten im Iran seien nicht glaubhaft. Die exilpolitischen Aktivitäten seien nicht herausgehoben und damit asylrechtlich irrelevant. Auch vor dem Hintergrund des in Deutschland erfolgten Übertritts zum christlichen Glauben könne die Klage keinen Erfolg haben. Zwar gelte im Iran das Verbot jeglicher Missionierungstätigkeit, und Apostasie, der „Abfall vom Glauben“, sei nicht erlaubt. Das religiöse Existenzminimum, das im Wesentlichen die Religionsausübung im privaten und nachbarschaftlich-kommunikativen Bereich umfasse, sei dort aber auch für Christen bzw. Apostaten gewahrt. Ohnehin bestehe eine asylerhebliche Gefährdung nur dann, wenn den iranischen Stellen eine Konversion zum Christentum bekannt werde und diese ein Interesse an dem Betreffenden hätten. Erst ein in der Öffentlichkeit vorgetragenes religiöses Bekenntnis oder missionarisches Tätigwerden führe so zu einer Gefährdung. Solche Aktivitäten aber, die zumutbar unterbleiben könnten, seien asylrechtlich nicht geschützt. Hieran ändere auch die Richtlinie 2004/83/EG nichts, weil deren inhaltliche Bestimmungen vor ihrer Umsetzung in Deutschland noch keine Geltung hätten.
II. Der auf grundsätzliche Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) gestützte fristgerechte Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Er genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG.
1. Zur Begründung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG muss zunächst in Bezug auf die Rechtslage oder die Tatsachenfeststellungen eine konkrete Frage aufgeworfen und erläutert werden. Dargelegt werden muss weiter, warum diese Frage bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärte Probleme aufwirft, die über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam sind und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlich geklärt werden müssen. In der Begründung des Zulassungsantrags muss mithin deutlich werden, warum prinzipielle Bedenken gegen einen vom Verwaltungsgericht in einer konkreten Rechts- oder Tatsachenfrage eingenommenen Standpunkt bestehen, warum es also erforderlich ist, dass sich das Berufungsgericht klärend mit der aufgeworfenen Frage auseinandersetzt und entscheidet, ob diese Bedenken durchgreifen. Schließlich muss dargelegt werden, warum die aufgeworfene Frage für das Verwaltungsgericht erheblich war und warum sie sich auch im Berufungsverfahren als entscheidungserheblich stellen würde (st.Rspr.; vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 4.7.2000 - A 9 S 1275/00 -, VBlBW 2001 S. 66 f.; für die Revisionszulassung: BVerwGE 13, 90 f.; 111, 61 f., m.w.N.).
2. Bei Berücksichtigung dieser Vorgaben fehlt es vorliegend jedenfalls an der hinreichenden Präzisierung und Erläuterung einer Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage. Die vom Kläger in seinem Zulassungsantrag formulierte Frage,
„ob das religiöse Existenzminimum auch den öffentlichen Bereich als Ort verfolgungsrechtlich geschützter Betätigung gemäß Art. 10 Abs. 1 b der EU-Qualifikationsrichtlinie in Verbindung mit § 60 Abs. 1 AufenthG umfasst“,
würde sich im Berufungsverfahren so nicht stellen. Denn der Begriff des religiösen Existenzminimums ist kein Tatbestandsmerkmal des § 60 Abs. 1 AufenthG, sondern - so wie ihn auch das Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil verwendet hat (UA S. 14) - ein vom Bundesverfassungsgericht insbesondere im Hinblick auf die Art. 1 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 und 2 sowie Art. 16 a Abs. 1 GG geformter Begriff (vgl. BVerfGE 76, 143 <158 f.>). Würde das religiöse Existenzminimum aus verfassungsrechtlicher Sicht auch den öffentlichen Bereich als Ort verfolgungsrechtlich geschützter Betätigung umfassen, folgte daraus jedenfalls nicht zwingend, dass hier zugunsten des Klägers das Verbot der Abschiebung gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG (i.V.m. Art. 10 Abs. 1 b der Richtlinie 2004/83/EG) angenommen werden müsste.
3. Aber auch die sachdienlich umformulierte Frage,
„ob der Begriff der Religion in § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG im Lichte von Art. 10 Abs. 1 b der Richtlinie 2004/83/EG auch religiöse Betätigungen im öffentlichen Bereich erfasst“,
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kann - zumindest bis voraussichtlich zum 10.10.2006 - nicht zur Zulassung der Berufung führen. Insoweit fehlt es an einer höchst- oder obergerichtlich noch nicht geklärten Problematik. Denn die Problematik der Vorwirkung von EG-Richtlinien ist in der Rechtsprechung hinreichend geklärt.
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Dem Kläger ist zuzubilligen, dass die Formulierung des Verwaltungsgerichts, die inhaltlichen Bestimmungen der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.4.2004 hätten, - weil die Umsetzungsfrist gemäß Art. 38 Abs. 1 der Richtlinie erst am 10.10.2006 auslaufe -, „in Deutschland noch keine Geltung“ (UA S. 24), die diesbezüglichen europarechtlichen Anforderungen nur verkürzt wiedergibt. Denn nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften folgt aus Art. 249 Abs. 3 EG i.V.m. einer Richtlinie die den Mitgliedstaaten selbst auferlegte zwingende Pflicht, alle erforderlichen Maßnahmen zur Erreichung des durch diese Richtlinie vorgeschriebenen Ziels zu treffen. Aus Art. 254 Abs. 2 und 3 EG ergibt sich, dass eine Richtlinie gegenüber dem Mitgliedstaat, an den sie gerichtet ist, schon vom Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung bzw. Bekanntgabe an Rechtswirkungen entfaltet (vgl. EuGH, Urteil vom 24.10.1996, Rs. C-72/95 - Kraaijeveld u.a. -, Slg. 1996, I-5403, RdNr. 55). Diese Pflicht, alle allgemeinen oder besonderen Maßnahmen zu treffen, damit das Richtlinienziel umgesetzt werden kann, obliegt sämtlichen Trägern öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten - und damit auch den Gerichten im Rahmen ihrer Zuständigkeiten (vgl. EuGH, Urteil vom 13.11.1990, Rs. C-106/89 - Marleasing -, Slg. 1990, I-4135, RdNr. 8). Konkrete Maßnahmen im Verhältnis Staat gegen Bürger allerdings können auf der Grundlage einer Richtlinie vor deren Umsetzung grundsätzlich nicht getroffen werden, denn eine Richtlinie kann nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen (vgl. EuGH, Urteil vom 3.5.2005, Rs. C-387/02 u.a. - Berlusconi u.a. -, RdNr. 73). Auch folgt aus der Umsetzungsfrist, dass den Mitgliedstaaten kein Vorwurf gemacht werden darf, wenn sie eine Richtlinie nicht vor Ablauf dieser Frist in ihre Rechtsordnung umsetzen (vgl. EuGH, Urteil vom 13.7.2000, Rs. C-456/98 - Centrosteel -, RdNr. 17). Aus Art. 10 Abs. 2 i.V.m. Art. 249 Abs. 3 EG sowie der Richtlinie selbst ergibt sich jedoch im Übrigen, dass die Mitgliedstaaten während der Umsetzungsfrist alle Maßnahmen, insbesondere den Erlass von Vorschriften, unterlassen müssen, die geeignet sind, das in dieser Richtlinie vorgeschriebene Ziel ernstlich in Frage zu stellen (vgl. EuGH, Urteil vom 18.12.1997, Rs. C-129/96 - Inter-Environnement Wallonie -, Slg. 1997, I-7435).
12 
In Anwendung dieser Maßstäbe hat das Bundesverwaltungsgericht - etwa für den Bereich der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie - judiziert, dass ein Mitgliedstaat, der seiner Umsetzungsverpflichtung noch nicht (vollständig) nachgekommen sei, bereits in dieser Phase gewisse vorgezogene Verhaltenspflichten zu beachten habe. Er dürfe die Ziele der Richtlinie nicht unterlaufen und keine vollendeten Tatsachen schaffen, die ihm die Erfüllung der durch die Richtlinie begründeten Pflichten unmöglich machten. (Im konkreten Fall laufe dies allerdings nicht auf eine Veränderungssperre hinaus, die einer Vorwegnahme des Art. 6 Abs. 2 FFH-Richtlinie gleichkäme. Die gemeinschaftsrechtliche Vorwirkung verhindere lediglich, dass Gebiete, deren Schutzwürdigkeit nach der Richtlinie auf der Hand liege, zerstört oder anderweitig so nachhaltig beeinträchtigt würden, dass sie für eine Meldung nicht mehr in Betracht kämen; vgl. BVerwG, Urteil vom 19.5.1998 - 4 A 9.97 -, UPR 1998 S. 384; Urteil vom 27.10.2000 - 4 A 18.99 -, E 112, 140).
13 
Höchst- bzw. obergerichtlich ist damit hinreichend geklärt, dass auch die mitgliedstaatlichen Gerichte ab Inkrafttreten einer Richtlinie bis zur Verkündung des nationalen Umsetzungsgesetzes bzw. zum Ablauf der Umsetzungsfrist alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen haben, um sicherzustellen, dass die in der Richtlinie vorgeschriebenen Ziele im Umsetzungszeitpunkt erreicht werden. Auch sie dürfen diese Ziele nicht unterlaufen und keine vollendeten Tatsachen schaffen, die die Erfüllung der durch eine Richtlinie begründeten mitgliedstaatlichen Pflichten unmöglich machen. Andererseits fordert die dergestalt definierte Vorwirkung einer EG-Richtlinie nicht schon deren unmittelbare Anwendung. Die unmittelbare Wirkung einer Richtlinienbestimmung kommt vielmehr erst nach Ablauf der Umsetzungsfrist in Betracht und nur unter bestimmten weiteren Voraussetzungen (vgl. hierzu: Lenz/Borchardt, EU- und EG-Vertrag, 2003, Art. 249 RdNr. 12 ff., m.w.N.).
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Für den Bereich des Ausländer- und Asylrechts bedeutet dies, dass vor Ablauf der Umsetzungsfrist bzw. - wenn zuvor erfolgt - Verkündung des Umsetzungsgesetzes regelmäßig keine vom Instanzrichter beachtliche Vorwirkung von EG-Richtlinien anzunehmen ist. Denn eine einzelfallbezogene Auslegung von nationalen Vorschriften, auch wenn diese nicht richtlinienkonform oder sogar im Gegensatz zu den Vorgaben einer Richtlinie vorgenommen wird, kann hier grundsätzlich weder in faktischer noch in rechtlicher Hinsicht vollendete Tatsachen schaffen, die die Erfüllung der durch eine Richtlinie begründeten Pflichten der Bundesrepublik bei Fristablauf unmöglich machen. Es ist davon auszugehen, dass immer Ausländer nach Deutschland einreisen und hier leben werden. Unabhängig von der konkreten Rechtsprechung der Instanzgerichte ist es dem Gesetzgeber so jederzeit möglich, die Ziele einer Richtlinie in das nationale Ausländer- und Asylrecht fristgerecht und auch sonst ordnungsgemäß umzusetzen. Denn ab Verkündung des Umsetzungsgesetzes ist der Richter hieran gemäß Art. 20 Abs. 3 GG gebunden. Wohl steht es dem Richter frei, im Hinblick auf Art. 10 EG schon ab Inkrafttreten einer Richtlinie insbesondere unbestimmte Rechtsbegriffe des nationalen Rechts bereits - wenn auch ohne Berufung auf den gemeinschaftsspezifischen Anwendungsvorrang und nicht im Gegensatz zu sonstigen nationalen Vorschriften - richtlinienkonform auszulegen (so auch BGH, Urteil vom 5.2.1998 - I ZR 211/95 -, NJW 1998 S. 2208). Eine Rechtspflicht hierzu ergibt sich im Ausländer- und Asylrecht jedoch regelmäßig erst nach Ablauf der Umsetzungsfrist bzw. - wenn zuvor erfolgt - Verkündung des Umsetzungsgesetzes. Dies bedeutet zugleich, dass sich ein Ausländer zu einem früheren Zeitpunkt noch nicht mit Erfolg auf einzelne Richtlinienvorgaben berufen kann (vgl. D. Koller, Die Bedeutung von EG-Richtlinien im Zeitraum vor Ablauf der Umsetzungsfrist, 2003, S. 142 f., m.w.N.).
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Mit dem am 30.7.2004 (BGBl. I S. 1950) verkündeten § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG wurde nicht - frühzeitig und im Vorgriff - der erst am 30.9.2004 (ABlEU Nr. L 304/12) veröffentlichte Art. 10 Abs. 1 b der Richtlinie 2004/83/EG, d.h. ein Teil der so genannten Qualifikationsrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt; insoweit sollte vielmehr im Wesentlichen Vorgaben des Abkommens vom 28.7.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) und Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 25.7.2000 - 9 C 28.99 -, BVerwGE 111, 334, und 20.2.2001 - 9 C 21.00 -, BVerwGE 114, 27) Rechnung getragen werden (so ausdrücklich BT-Drs. 15/420 vom 7.2.2003, S. 91; auch eine Umsetzungsmitteilung im Sinne des Art. 38 der Richtlinie ist nicht ersichtlich). Art. 10 Abs. 1 b der Richtlinie 2004/83/EG ist mithin vom Gesetzgeber noch bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist am 10.10.2006 umzusetzen. Der Begriff der Religion in § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG muss damit derzeit noch nicht zwingend im Lichte der Qualifikationsrichtlinie ausgelegt werden. Im konkreten Fall kann so auch offen bleiben, ob nicht nur etwa die Teilnahme an öffentlichen Gottesdiensten, sondern tatsächlich auch Missionierungsaktivitäten im Sinne von Art. 10 Abs. 1 b der Richtlinie unter „religiöse Riten“ im öffentlichen Bereich zu subsumieren sind, ob als „öffentlicher Bereich“ insoweit möglicherweise nur das religiöse Bekenntnis im nachbarschaftlich-kommunikativen Bereich im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum religiösen Existenzminimum verstanden werden könnte, oder ob Missionierungsaktivitäten nicht allein unter den Begriff der „sonstigen religiösen Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder der Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind“, zu fassen sind, und ob solche Betätigungen nicht auf den privaten Bereich beschränkt werden dürfen, weil diesbezüglich der öffentliche Bereich in der Qualifikationsrichtlinie nicht mehr explizit genannt wird. Auch eine diesbezügliche Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 68 Abs. 1 i.V.m. Art. 234 Abs. 3 EG, wenn man eine solche im Berufungszulassungsverfahren und vor Ablauf der Umsetzungsfrist überhaupt für zulässig hält - wofür Vieles spricht -, ist damit nicht erforderlich.
16 
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 (entsprechend) VwGO und § 83 b AsylVfG.
17 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

Maßregeln der Besserung und Sicherung sind

1.
die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus,
2.
die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt,
3.
die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung,
4.
die Führungsaufsicht,
5.
die Entziehung der Fahrerlaubnis,
6.
das Berufsverbot.

Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.