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I. Der Antragsteller ist libanesischer Staatsangehöriger. Klagen gegen Asylfolgeanträge, die er, seine Frau und seine Kinder gestellt hatten, wurden durch Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 15.11.1995 - A 13 K 14407/95 - abgewiesen; Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz hatte das Gericht mit Beschluss vom 13.08.1995 - A 13 K 14408/95 - abgelehnt. Die gegen den Gerichtsbescheid zugelassene Berufung wies der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg durch Urteil vom 22.05.2001 - A 2 S 17/98 - zurück. Bereits seit 1996 bemühte sich der Antragsgegner um die Beschaffung von Rückreisedokumenten für den Antragsteller und seine Familie. Mit Schreiben vom 8.10.1996 lehnte die Botschaft des Libanon in Bonn die Ausstellung von Rückreisepapieren ab und verwies auf ein Rundschreiben, nach dem u.a. Dokumente wie Pass bzw. Passkopie, Einzel- und Familienauszug aus dem Standesregister im Original erforderlich seien. Auf weitere Bemühungen des Antragsgegners erfolgte nach Aktenlage keine Reaktion. Im Jahr 2002 kam es - wohl auf Veranlassung des Antragsgegners - hinsichtlich des Antragstellers und seiner Familie zu „Identitäts- und Personenfeststellungsverfahren“ mit einer Wohnungsdurchsuchung durch den Polizeivollzugsdienst, der beim Verwaltungsgericht Stuttgart Gegenstand des Verfahrens 5 K 5331/02 ist. Anlässlich der Wohnungsdurchsuchung wurde der Antragsteller wegen des Verdachts des illegalen Aufenthalts als Beschuldigter vernommen. Dabei gab er auf Frage, ob er bereit sei, mit zur libanesischen Botschaft zu fahren und neue Dokumente erstellen zu lassen, an, dazu sei er nur bereit, wenn er eine Aufenthaltserlaubnis bekomme. Im Anschluss an diese Vorgänge wandte sich die Polizeidirektion Stuttgart II an die Deutsche Botschaft im Libanon wegen der Beschaffung von Familienregisterauszügen für den Antragsteller und seine Familienmitglieder. Mit Schreiben vom 06.05.2003 teilte die Botschaft mit, der Direktor des zuständigen Standesamtes habe gegenüber dem eingeschalteten Vertrauensanwalt die Ausstellung standesamtlicher Dokumente u.a. hinsichtlich des Antragstellers verweigert. Er sei nur dann dazu bereit, wenn der Antragsteller dem Anwalt eine entsprechende Vollmacht erteile oder selbst einen entsprechenden Antrag stelle; die Vollmacht müsse von einem in Deutschland zugelassenen Notar ausgestellt und legalisiert werden. Die Personenstandsdokumente seien aber schneller zu beschaffen, wenn die Beteiligten sich selbst mit dem libanesischen Standesamt in Verbindung setzen würden - der Direktor scheine den Vater des Antragstellers zu kennen -.
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Mit Verfügung vom 28.01.2004 forderte der Antragsgegner den Antragsteller auf, am 12.02.2004 beim zuständigen Bezirksnotariat vorzusprechen und dort eine Vollmacht für eine Anwältin in Beirut zu unterzeichnen. Für den Fall, dass er dieser Aufforderung nicht Folge leiste, wurde ihm die zwangsweise Vorführung und für den Fall der Verweigerung der Unterschrift ein Zwangsgeld von EUR 200,00 angedroht und darauf hingewiesen, dass im Falle der Uneinbringlichkeit des Zwangsgeldes gemäß § 24 LVwVG Zwangshaft angeordnet werde. Weiter wurde darauf hingewiesen, dass im Falle der Unterschriftsverweigerung die Stadt Stuttgart informiert werde, der es dann obliege zu prüfen, ob deswegen Sozialleistungen gekürzt werden. Der Antragsgegner behielt sich vor, die dem Antragsteller erteilte Duldung so zu beschränken, dass er keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen könne. Hiergegen erhob der Antragsteller am 11.02.2004 Klage - A 10 K 10540/04 - und beantragte gleichzeitig vorläufigen Rechtsschutz - A 10 K 10541/04 -. Bevor über den Eilantrag entschieden war, wurde der Antragsteller am 26.02.2004 entsprechend der Verfügung vorgeführt. Er unterschrieb die ihm vorgelegte Vollmacht, die lautet:
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Ich ... erteile Frau Rechtsanwältin .... alle erforderlichen Vollmachten, bei den libanesischen Standesämtern einen Auszug über die (muss wohl heißen: den) persönlichen Familienstand sowie einen Auszug über den familiären Familienstand sowie die Staatsangehörigkeit entsprechend den Eintragungen in den offiziellen Verzeichnissen einzuholen.
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Daraufhin erklärten die Beteiligten das Verfahren A 10 K 10541/04 in der Hauptsache für erledigt.
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Am 26.02.2004 hat der Antragsteller den vorliegenden Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt. Er beantragt sinngemäß,
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dem Antragsgegner vorläufig bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu untersagen, die vom Antragsteller am 26.02.2004 durch zwangsweise Vorführung unter Haftandrohung erwirkte Vollmacht für eine libanesischen Anwältin zu verwenden.
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Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegengetreten.
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II. Der Antrag hat keinen Erfolg.
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Gem. § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag auch vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Ferner sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sind in beiden Fällen (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO), dass einerseits ein Anspruch glaubhaft gemacht wird, dessen vorläufiger Sicherung die begehrte Anordnung dienen soll (Anordnungsanspruch) und dass andererseits die Gründe glaubhaft gemacht werden, die eine gerichtliche Eilentscheidung erforderlich machen (Anordnungsgrund).
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Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht dargetan. Ein solcher Anspruch würde allenfalls dann vorliegen, wenn der Antragsgegner die Vollmacht rechtswidrig erlangt hätte und dies einem Gebrauchmachen entgegenstünde. Dies ist aber nicht der Fall. Die Verfügung vom 28.01.2004 und deren Durchsetzung dürften einer rechtlichen Überprüfung standhalten.
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Der Antragsgegner dürfte den Antragsteller zu Recht zur Mitwirkung an der Beschaffung eines gültigen Reisedokuments aufgefordert haben. Rechtsgrundlage hierfür ist § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylVfG (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 06.10.1998 - A 9 S 856/99 - VBlBW 1999, 229 ff.). Danach ist der Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, im Falle des Nichtbesitzes eines gültigen Passes oder Passersatzes an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken. Ziel ist, „dass nach negativem Ausgang des Asylverfahrens die Rückführung des Ausländers in seinen Herkunftsstaat nicht dadurch verzögert oder verhindert wird, dass der Ausländer seine notwendige Mitwirkung an der Erlangung von Identitätspapieren unterlässt“ (vgl. die amtliche Begründung des Entwurfs zu § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylVfG: BTDs. 12/4450, S. 18). Beschränkungen der Mitwirkungshandlungen, die danach gefordert werden können, enthält das Gesetz nicht und kann es auch wegen der Vielfalt der in Betracht kommenden Möglichkeiten nicht enthalten. Eine Grenze der zu verlangenden Mitwirkungshandlungen ergibt sich lediglich aus deren Notwendigkeit und Zumutbarkeit. Diese Grenzen dürften hier nicht überschritten sein. Nachdem der Antragsgegner, wie sich aus den zum Verfahren 5 K 5331/02 vorgelegten Akten ergibt, auf die sich der Antragsteller beruft, seit 1996 erfolglos bemüht war, Rückreisedokumente für den Antragsteller zu beschaffen - der libanesischen Botschaft reichten nach den im Verfahren 5 K 5331/02 vorgelegten Akten des Antragsgegners die Dokumente, die der Antragsgegner vom Antragsteller erhalten und vorgelegt hatte, nicht aus -, zeigte die Deutsche Botschaft in Beirut den Weg auf, über einen vom Antragsteller bevollmächtigten Vertrauensanwalt der Botschaft die notwendigen Unterlagen zu beschaffen. Der weitere Weg, den die Botschaft darstellte, dass sich der Antragsteller selbst an das zuständige Standesamt wende, schied als weniger belastende Möglichkeit aus, nachdem der Antragsteller seinerseits nicht bereit war, das Erforderliche zu veranlassen. Dies wurde besonders deutlich, als er anlässlich seiner Vernehmung am 14.11.2002 ausdrücklich erklärte, bei der Erlangung eines Rückreisedokuments nur dann mitwirken zu wollen, wenn er eine Aufenthaltserlaubnis erhalten würde. Deshalb erschien der Weg über einen vom Antragsteller bevollmächtigten Anwalt als der einzig gangbare Weg. Im Übrigen war das Schreiben der Botschaft dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers spätestens mit der im Verfahren 5 K 5331/02 am 22.10.2003 gewährten Akteneinsicht bekannt. Es wäre an dem Antragsteller gewesen, den dort genannten einfacheren - und kostengünstigeren - Weg zur Beschaffung der Unterlagen einzuschlagen. Da es mangels der Mitwirkung des Antragstellers und einer anderweitigen Möglichkeit, die erforderlichen Unterlagen zu beschaffen, nunmehr seit neun Jahren nicht gelungen ist, den Antragsteller in sein Heimatland zurückzuführen, war der von der Deutschen Botschaft aufgezeigte Weg die einzige Möglichkeit, um den langdauernden unrechtmäßigen Aufenthalt des Antragstellers zu beenden. Deshalb ist das Verlangen, einem Vertrauensanwalt der Deutschen Botschaft Beirut eine - begrenzte - Vollmacht zu erteilen, für den Antragsteller auch zumutbar. Dass es dabei um ein privatrechtliches Handeln geht, erscheint unerheblich. Angesichts der begrenzten Reichweite der Vollmacht erscheint dieser Eingriff in die Privatautonomie hinnehmbar. Die Gefahr des Missbrauchs besteht bereits nach dem Inhalt der Vollmacht nicht, auch wenn es sich bei der Bevollmächtigten um eine Vertrauensanwältin der Botschaft handelt. Vielmehr dürfte gerade dies Gewähr dafür bieten, dass die Grenzen des Auftrags eingehalten werden. Dass der Antragsteller die Kosten der Vertrauensanwältin zu tragen hat, ist die Konsequenz der Verletzung seiner Mitwirkungspflicht und dürfte ebenfalls nicht zu beanstanden sein.
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Auch die angedrohten Zwangsmittel und deren Anwendung dürften rechtmäßig sein. Die Androhung des unmittelbaren Zwangs durch Vorführung bei dem Bezirksnotariat findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 20, 26 LVwVG. Die Voraussetzungen für die Androhung von Zwangsmitteln liegen vor; insbesondere ist die zu vollziehende Grundverfügung kraft Gesetzes sofort vollziehbar (§ 75 AsylVfG; § 2 Nr. 2 LVwVG). Auch das angedrohte Zwangsmittel des unmittelbaren Zwangs selbst dürfte nicht zu beanstanden sein. Zwangsgeld und Zwangshaft dürften zur Erreichung des mit der Vorführung angestrebten Zwecks angesichts der sich aus den Akten zu der Sache 5 K 5331/002 ergebenden Einkommensverhältnisse des Antragstellers untunlich sein, und die Ersatzvornahme scheidet bei einer solchen unvertretbaren Handlung aus (vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 06.10.1998, a.a.O.). Dass die Verweigerung der Unterschriftsleistung mit einem Zwangsgeld bewehrt ist, dürfte ebenfalls rechtmäßig sein. Da für diese unvertretbare Handlung kein anderes erfolgversprechendes und verhältnismäßiges Zwangsmittel in Betracht kam, war insoweit die Androhung eines Zwangsgeldes trotz der Einkommensverhältnisse des Antragstellers angezeigt. Auch die Anwendung des unmittelbaren Zwangs dürfte nicht zu beanstanden sein. Wenn der Antragsteller rügt, ihm sei von den Polizeibeamten bedeutet worden, er werde entsprechend der angefochtenen Verfügung im Falle der Unterschriftsverweigerung möglicherweise in Zwangshaft genommen werden, ist dem entgegenzuhalten, dass sich dies wegen des Verweises auf § 24 LVwVG in der Verfügung in dem vorgegebenen Rahmen hielt. Dass gegen den Antragsteller unmittelbarer Zwang angewandt worden ist, bevor das Gericht in der Sache A 10 K 10541/04 entschieden hatte, dürfte keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Anwendung dieses Zwangsmittels haben. Die Verfügung vom 28.01.2004 war sofort vollziehbar. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hinderte den Antragsgegner nicht, die Verfügung zu vollziehen. Dass dem Antragsteller von der Stadt Stuttgart nunmehr Sozialleistungen gekürzt worden sind, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
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Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist auf der Grundlage des Ausgeführten mangels hinreichender Erfolgsaussichten abzulehnen (vgl. § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
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