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I. Die Antragsgegnerin ist eine Asylbewerberin ungeklärter Identität und Staatsangehörigkeit. Zuletzt gab sie an, sie sei am 12.06.1976 in Freetown/Sierra Leone geboren und sierra-leonische Staatsangehörige. Sie behauptet, Ende Dezember 2003 auf dem Seeweg nach Deutschland eingereist zu sein. Nachdem sie aufgegriffen und in Haft genommen worden war, stellte sie aus der Haft am 20.02.2004 einen Asylantrag, den sie mit Schreiben vom 02.03.2004 begründete. Das Bundesamt lehnte den Asylantrag mit Bescheid vom 12.03.2004 als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG offensichtlich und die des § 53 AuslG nicht vorliegen, bestimmte, dass die Antragsgegnerin aus der Haft eine Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung nach Nigeria oder einen anderen aufnahmebereiten Staat abzuschieben sei (Ziff. 4 Abs. 1), drohte für den Fall der Haftentlassung die Abschiebung nach Nigeria oder einen anderen aufnahmebereiten Staat eine Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung an (Ziff. 4 Abs. 2) und drohte der Antragsgegnerin für den Fall einer erneuten unerlaubten Wiedereinreise die Abschiebung an (Ziff. 4, letzter Absatz). Über ihre hiergegen erhobene Klage - A 10 K 11139/04 - ist noch nicht entschieden. Einen Antrag der Antragsgegnerin nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Verwaltungsgericht Stuttgart durch Beschluss vom 08.04.2004 - A 10 K 11140704 - im Wesentlichen abgelehnt; der Antrag hatte nur hinsichtlich Ziff. 4, letzter Absatz, des Bescheides des Bundesamtes vom 12.03.2004 Erfolg.
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Die Antragsgegnerin machte während ihres Aufenthalts in Deutschland zu ihrer Identität widersprüchliche Angaben, die in ihrem Schreiben vom 02.03.2004 und im Rubrum des Beschlusses des Amtsgerichts Mannheim vom 06.02.2004 in dem Freiheitsentziehungsverfahren nach ihrer Festnahme wie folgt dargestellt werden:
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S. T., geboren am 26.11.1987 in Freetown/Sierra Leone,
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B. R. C., geboren am 12.06.1976 in Nigeria,
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B. R. C., geboren am 12.06.1976 in Cotonou/Benin.
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Das Amtsgericht Mannheim hielt sie im Übrigen für eine Kenianerin. Weiter stehen die Angaben zu ihrer Einreise in Widerspruch zu den Feststellungen der Ausländerbehörde, wonach sie bereits 1998 unter dem Aliasnamen C. in Frankfurt/Main „aufgefallen“ sei. Zu Freetown und Sierra Leone konnte sie bei ihrer Anhörung im Rahmen der Vorprüfung beim Bundesamt auch einfachste Fragen nicht beantworten. Das Bundesamt hält sie für eine Nigerianerin. Vorführungen bei den Botschaften von Benin und Sierra Leone ergaben, dass sie nach der Auffassung dieser Botschaften nicht Staatsangehörige dieser Länder ist.
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Mit Verfügung vom 08.12.2004 - zugestellt am 10.12.2004 -, gegen die, soweit ersichtlich, ein Rechtsmittel nicht eingelegt worden ist, forderte der Antragsteller die Antragsgegnerin auf, ihm ein gültiges Reisedokument (Pass oder Passersatz) bis zum 27.12.2004 vorzulegen und zu überlassen. Soweit sie über kein gültiges Reisedokument verfüge, werde sie aufgefordert, alle Urkunden und sonstigen Unterlagen, die Rückschlüsse auf ihre Identität und Nationalität zulassen, bis 27.12.2004 dem Antragsteller vorzulegen und zu überlassen (Ziff. 1). Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist werde sie aufgefordert, bei der Botschaft von Nigeria vorzusprechen und ein Reisedokument zu beantragen (Ziff. 2 a), die zur Bearbeitung des Antrags auf ein Rückreisedokument erforderlichen Auskünfte zu erteilen (Ziff. 2 b), eine Einverständniserklärung zur unmittelbaren Übersendung des Reisedokuments an den Antragsteller zu unterzeichnen, der Botschaft bei der Vorsprache zu übergeben und nach der Bestätigung durch die Botschaft dem Antragsteller zu übersenden (Ziff. 2 c). Für den Fall, dass sie Ziff. 1 oder Ziff. 2 a) der Verfügung nicht oder nur teilweise Folge geleistet habe, wurde angeordnet, dass sie die Vorführung zu der Botschaft von Nigeria zu dulden habe. Die unter Ziff. 2 b) und c) genannten Erklärungen habe sie bei dem Vorführtermin abzugeben (Ziff. 3). Für den Fall, dass sie die in Ziff. 3 genannten Erklärungen nicht abgebe, wurde ein Zwangsgeld von 200,00 EUR angedroht. Falls sie die unter Ziff. 3 angekündigten Maßnahmen nicht dulde, wurde ihr der unmittelbare Zwang, d.h. die zwangsweise Vorführung bei der Botschaft von Nigeria, angedroht (Ziff. 4). In der Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, die Verpflichtung aus Ziff. 1 der Verfügung ergebe sich aus § 15 Abs. 2 Nr. 4 und 5 AsylVfG. Ziff. 3 der Verfügung werde auf § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylVfG gestützt. Dazu wird ausgeführt, falls die Antragsgegnerin der Verpflichtung aus Ziff. 1 der Verfügung nicht nachkomme, „wird davon ausgegangen, dass Sie nicht im Besitz eines solchen Dokumentes sind (§ 70 AuslG)“.
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Am 12.01.2005 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Stuttgart beantragt,
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die Durchsuchung sämtlicher Wohn- und Nebenräume und eventuell vorhandener Fahrzeuge der Antragsgegnerin zum Zwecke des Auffindens von Passdokumenten oder anderer Identitätsnachweise der Antragsgegnerin, die zur Beantragung von Passersatzpapieren bzw. Klärung der Identität dienen können, anzuordnen, und hierzu die Akten vorgelegt. Auf sie wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.
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II. Der zulässige Antrag ist unbegründet.
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Gemäß § 6 LVwVG ist der Vollstreckungsbeamte befugt, das Besitztum des Pflichtigen zu betreten und zu durchsuchen, soweit der Zweck der Vollstreckung dies erfordert. Er kann dabei verschlossene Räume und Behältnisse öffnen oder öffnen lassen (Abs. 1). Wohnungen, Betriebsräume und sonstiges befriedetes Besitztum kann er gegen den Willen des Pflichtigen nur auf Anordnung des Verwaltungsgerichts durchsuchen (Abs. 2 Satz 1).
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Mit dem Erfordernis einer richterlichen Anordnung wird den Vorgaben von Art. 13 GG Rechnung getragen. Art. 13 Abs. 1 GG garantiert die Unverletzlichkeit der Wohnung. Dem Einzelnen wird damit zur freien Entfaltung der Persönlichkeit ein elementarer Lebensraum gewährleistet; dieser hat in seinen Wohnräumen das Recht, in Ruhe gelassen zu werden. In diese grundrechtlich geschützte Lebenssphäre greift eine Durchsuchung schwerwiegend ein. Dem Gewicht des Eingriffs und seiner verfassungsrechtlichen Bedeutung entspricht es, dass Art. 13 Abs. 2 GG die Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung grundsätzlich dem Richter vorbehält. Der Richtervorbehalt zielt auf eine vorbeugende Kontrolle der Maßnahme durch eine unabhängige und neutrale Instanz (ständige Rechtsprechung des BVerfG, u.a. Beschl. v. 08.03.2004, NJW 2004, 1517 m. w. N). Eine gerichtliche Durchsuchungsanordnung ist zudem mit dem sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebenden Willkürverbot nicht vereinbar, wenn sich für sie sachlich zureichende, plausible Gründe nicht finden lassen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 08.03.2004, NJW 2004, 1517, 1518).
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Insbesondere dann, wenn eine Anhörung des Betroffenen - wie hier - unterbleibt, da andernfalls der Zweck der Vollstreckung gefährdet wäre (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.06.1981, BVerfGE 57, 346), sind gesteigerte Anforderungen an die Schlüssigkeit der Darlegungen durch den Antragsteller zu verlangen.
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Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
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Gemäß § 1 Abs. 1 LVwVG gilt das Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz für die Vollstreckung von Verwaltungsakten insbesondere der Behörden des Landes, die u.a. zu einer Handlung, einer Duldung oder einer Unterlassung verpflichten. Die Verfügung vom 08.12.2004 enthält drei Verwaltungsakte im Sinne von § 1 Abs. 1 LVwVG, nämlich die Anordnung der Vorlage von Reisedokumenten oder sonstigen Unterlagen (Ziff. 1), die Anordnung der Vorsprache bei der nigerianischen Botschaft (Ziff. 2) und die Anordnung, eine Vorführung bei dieser Botschaft zu dulden (Ziff. 3). Grundlage für die begehrte Durchsuchungsanordnung soll Ziff. 1 der Verfügung sein. In der Verfügung sind aber Ziff. 1 einerseits und Ziff. 2 bzw. 3 der Verfügung in so wenig reflektierter Weise miteinander verknüpft, dass Ziff. 1 der Verfügung ohne - bisher fehlende - plausible Darlegungen des Antragstellers als selbständige Vollstreckungsgrundlage nicht in Betracht kommt.
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Offensichtlich widersprüchlich ist, dass einerseits gemäß dem Antrag auf richterliche Durchsuchungsanordnung die Durchsuchung nach Passdokumenten (Pass oder Passersatz) begehrt wird, andererseits in der Begründung zu Ziff. 2 der Verfügung vom 08.12.2004 im Blick auf die Aufforderung aus Ziff. 1 der Verfügung ausgeführt wird: „Falls Sie dieser Aufforderung nicht nachkommen, wird davon ausgegangen, dass Sie nicht im Besitz eines solchen Dokuments sind (§ 70 AuslG).“ Wenn der Antragsteller ausdrücklich erklärt, er gehe davon aus, dass die Antragsgegnerin nicht im Besitz eines Passdokuments ist, wenn sie dieses nicht innerhalb der gemäß Ziff. 1 der Verfügung gesetzten Frist beibringt, bringt er damit zum Ausdruck, dass der Zweck der Durchsuchungsanordnung nach seiner Auffassung nicht erreichbar ist. Damit fehlt es an der in § 11 LVwVG konkretisierten Vollstreckungsvoraussetzung der Verhältnismäßigkeit (vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.12.1999 - 11 S 240/99 -).
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Zudem hat der Antragsteller der Antragsgegnerin unmittelbaren Zwang in der Form der Wegnahme (§ 28 LVwVG) der in Ziff. 1 der Verfügung vom 08.12.2004 angeforderten Dokumente und Unterlagen nicht gemäß § 20 Abs. 1 LVwVG angedroht. Inwieweit die Voraussetzungen eines Unterbleibens dieser Androhung gemäß § 21 LVwVG vorliegen, hat er nicht dargetan. Dabei fällt besonders ins Gewicht, dass in Ziff. 3 der Verfügung vom 08.12.2004 ausdrücklich angeordnet wird, die Antragsgegnerin habe für den Fall, „dass sie Ziff. 1 oder Ziff. 2 a) der Verfügung nicht oder nur teilweise Folge geleistet habe“, „die Vorführung zu der Botschaft von Nigeria zu dulden“. Es mag, wenn auch ungewöhnlich, unschädlich sein, dass eine Duldung der Anwendung unmittelbaren Zwangs ausdrücklich verfügt wird, wenn zugleich der unmittelbare Zwang in Ziff. 4 zur Durchsetzung der Ziff. 3 der Verfügung angedroht wird. Daraus ist aber jedenfalls zu entnehmen, dass der Antragsteller für den Fall der Nichterfüllung der Vorlagepflicht aus Ziff. 1 der Verfügung die Anwendung unmittelbaren Zwangs durch Vorführung bei der Botschaft beabsichtigt. Wenn aber der Antragsteller für den Fall der Nichterfüllung der Verpflichtung aus Ziff. 1 der Verfügung ein bestimmtes Zwangsmittel, nämlich das der zwangsweisen Vorführung bei der Botschaft, vorgesehen und angedroht hat, bedürfte es zumindest einer Erläuterung, in welchem Verhältnis dieses Zwangsmittel zu der nunmehr beantragten Durchsuchung zwecks Wegnahme von Dokumenten und Unterlagen stehen soll. In § 20 Abs. 3 LVwVG ist bestimmt, dass sich die Androhung auf bestimmte Zwangsmittel zu beziehen hat und dann, wenn für dieselbe Verpflichtung mehrere Zwangsmittel angedroht werden, anzugeben ist, in welcher Reihenfolge sie angewandt werden sollen (vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.01.1980 - VIII 1543/79 -). Der Antragsteller kann sich dieser Pflicht nicht dadurch entziehen, dass er nur eines der beiden vorgesehenen Zwangsmittel androht.
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Abgesehen davon hat der Antragsteller der Antragsgegnerin für die in Ziff. 2 der Verfügung ausgesprochene Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Beantragung eines Reisedokuments keine Frist gesetzt. Hat die Behörde aber einen Ausreisepflichtigen ohne Fristsetzung aufgefordert, Rückreisedokumente beizubringen, und damit zu erkennen gegeben, dass sie eine eigenverantwortliche Beschaffung von Rückreisedokumenten durch den Ausreisepflichtigen für möglich hält und damit auch einverstanden ist, erscheint es ohne besondere Erläuterung nicht plausibel, wenn sie gleichzeitig beim Verwaltungsgericht eine Durchsuchungsanordnung beantragt, um Identitätsnachweise in seiner Wohnung aufzufinden (so auch VG Stuttgart, Beschluss vom 21.01.2005 - 4 K 58/05 -).
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Insgesamt erscheint es, wie sich aus dem Ausgeführten ergibt, zumindest zweifelhaft, ob die uneingeschränkt kumulative Anordnung von Ziff. 1 der Verfügung einerseits und Ziff. 2, 3 und 4 andererseits überhaupt zu einer gleichzeitigen - alternativen - Vollstreckung führen kann.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs.1 VwGO.
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