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| Die zulässige Verpflichtungsklage ist nur zum Teil begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf die Gewährung von Freizeitausgleich für den streitigen Zeitraum von 2002 bis 2005 in Höhe von 75,625 Stunden. Der einen Anspruch gänzlich versagende Bescheid der Beklagten vom 06.11.2006 und deren Widerspruchsbescheid vom 15.05.2007 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Sie sind daher aufzuheben. Soweit der Kläger darüber hinaus weiteren Freizeitausgleich begehrt, ist die Klage unbegründet. |
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| Nach nationalem Recht kann der Kläger Freizeitausgleich lediglich für das Kalenderjahr 2005 verlangen (dazu 1.). Bei der - abstrakt und pauschalierend vorzunehmenden - Bestimmung des Umfangs dieses Anspruchs sind Abschläge anzusetzen, die sich an der in § 90 Abs. 2 LBG zum Ausdruck kommenden Wertung orientieren und den Umstand berücksichtigen, dass der Kläger seinen Anspruch lediglich rückwirkend und nach Ergehen des Beschlusses des EuGH vom 14.07.2005 - C-52/04 - geltend macht (dazu 2.). |
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| 1. Der Kläger hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Freizeitausgleich für über die zulässige wöchentliche Höchstarbeitszeit hinaus geleisteten Dienst aus dem Grundsatz von Treu und Glauben entsprechend § 242 BGB (hierzu und zum Folgenden sowie zu den Gründen, warum andere Anspruchsgrundlagen nicht gegeben sind, vgl. BVerwG, Urteil vom 28.05.2003 - 2 C 28.02 -, ZBR 2003, 383). Dieser Rechtsgrundsatz gilt auch im öffentlichen Recht, insbesondere im Beamtenrecht. Er vermag in dem engen, auf Dauer angelegten Rechtsverhältnis, in dem Dienstherr und Beamter verbunden sind, die nach der jeweiligen Interessenlage gebotenen Nebenpflichten zu begründen. |
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| Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Beklagte nach nationalem Recht (§ 90 Abs. 3 LBG) aufgrund der - Bereitschaftsdienstzeiten einschließenden - Dienstplangestaltung berechtigt war, den Kläger im streitigen Zeitraum zur Ableistung von Dienst über die nach § 4 AZuVO vorgegebene regelmäßige Arbeitszeit von 40 bzw. 41 Stunden hinaus heranzuziehen (vgl. zum Bereitschaftsdienst nach nationalem Recht nur VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.02.1996 - 4 S 946/95 -). Ebenso ist zwischen den Beteiligten aber auch unstreitig, dass die Heranziehung des Klägers über den gesamten streitigen Zeitraum hinweg gemeinschaftsrechtswidrig war, soweit er aufgrund dessen wöchentlich im Durchschnitt mehr als 48 Stunden Dienst geleistet hat (vgl. dazu ausführlich nur OVG Niedersachsen, Urteil vom 18.06.2007 - 5 LC 225/04 -). Dem standen Art. 6 lit. b) der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. EU L 299/9) bzw. (zuvor) Art. 6 Nr. 2 der Richtlinie 93/104/EG und deren den Kläger begünstigende unmittelbare Wirkung, die hier - anders als im reinen Privatrechtsverhältnis (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 09.03.2004 - C-397/01 -, Pfeiffer, Rnrn. 102 ff.) - gegenüber der Beklagten als Hoheitsträgerin besteht, entgegen. Das folgt - für die Kammer bindend - aus der Rechtsprechung des EuGH (Beschluss vom 14.07.2005 - C-52/04 -), wonach die zitierten Richtlinienbestimmungen auch auf Tätigkeiten von Einsatzkräften einer staatlichen Feuerwehr anwendbar sind. |
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| Zieht der Dienstherr - wie hier geschehen - einen Beamten über die höchstzulässige Dienstzeit hinaus zum Dienst heran, so ist diese Inanspruchnahme rechtswidrig. Der Beamte hat einen Anspruch darauf, dass sie unterbleibt. Das LBG und die AZuVO enthalten keine Regelung der Konsequenzen, die eintreten, wenn der Dienstherr diese Unterlassungsverpflichtung verletzt. Daraus ist jedoch nicht zu schließen, dass die rechtswidrige Festlegung einer Arbeitszeit, die über die normativ zulässige Arbeitszeit hinausgeht, ohne Folgen bleibt. Eine ohne jeden Ausgleich bleibende Mehrbeanspruchung des Beamten über einen langen Zeitraum würde Grundwertungen widersprechen, die in den Vorschriften des beamtenrechtlichen Arbeitszeitrechts zum Ausdruck kommen (BVerwG, Urteil vom 28.05.2003 - 2 C 28.02 -, ZBR 2003, 383). Ein Wertungswiderspruch bestünde insbesondere zu § 90 Abs. 2 Satz 2 LBG, der bei einer über die Wochenarbeitszeit hinausgehenden Beanspruchung in der Form (dienstlich angeordneter oder genehmigter) kurzzeitiger Mehrarbeit von mehr als fünf Stunden pro Monat einen Freizeitausgleich vorsieht. Auch wenn die Vorschrift auf Fälle einer dauerhaften rechtswidrigen Heranziehung zu einer zu hoch festgesetzten Wochenarbeitszeit nicht direkt anwendbar ist, lässt die Vorschrift doch erkennen, dass Überschreitungen der regelmäßigen Arbeitszeit den Beamten nicht prinzipiell ohne jeglichen Ausgleich durch Dienstbefreiung zugemutet werden sollen. Eine kompensationslose Benachteiligung der mehrbeanspruchten Beamten wäre zudem mit dem sozialen Zweck der Arbeitszeitregelung einschließlich des Ausgleichs der Überbeanspruchung durch Dienstbefreiung schwerlich vereinbar (BVerwG, Urteil vom 28.05.2003 - 2 C 28.02 -, ZBR 2003, 383; vgl. zum Rang der hier gleichfalls tangierten besonders bedeutsamen Grundsätze des harmonisierten europäischen Sozialrechts nur EuGH, Urteil vom 06.04.2006 - C-124/05 -, Federatie Nederlandse Vakbeweging , Rnrn. 26, 28; Urteil vom 01.12.2005 - C-14/04 -, Dellas , Rnrn. 41, 49). § 90 Abs. 2 LBG ist deshalb den in der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätzen folgend nach Treu und Glauben in einer Weise zu ergänzen, welche die beiderseitigen Interessen zu einem billigen Ausgleich bringt und dabei dem Sinn und Zweck der Arbeitszeitregelung gerecht wird. Dies bedeutet, dass Beamte der Feuerwehr im Einsatzdienst, die Dienst aufgrund einer rechtswidrig festgesetzten Wochenstundenzahl leisten mussten, dem Grunde nach Anspruch auf eine angemessene Dienstbefreiung haben. |
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| Dem Anspruch steht nach nationalem Recht zunächst nicht entgegen, dass der Kläger ihn erst am 29.12.2005 - und damit praktisch mit Ablauf des hier streitigen Zeitraums vom 01.01.2002 bis 31.12.2005 - geltend gemacht hat (so aber im Ergebnis OVG Niedersachsen, Urteil vom 18.06.2007 - 5 LC 225/04 -; VG Bremen, Urteil vom 24.04.2007 - 6 K 1008/04 -). Ein Antrag ist zwar als solcher unerlässlich, da der aus § 242 BGB abgeleitete Anspruch in das zwischen dem Beamten und dem Dienstherrn bestehende Dienst- und Treueverhältnis eingebettet ist und in diesem Rahmen der Konkretisierung bedarf. Aus den landesrechtlichen normativen Vorgaben zum Arbeitszeitrecht, die sich auf die hier zu beurteilende Konstellation eines Billigkeitsausgleichs übertragen lassen, folgt aber bereits, dass Freizeitausgleich nicht zwingend im Vorhinein geltend gemacht werden muss. § 90 Abs. 2 Satz 2 LBG sieht insoweit vor, dass die zuzusprechende Dienstbefreiung „innerhalb eines Jahres“ gewährt werden soll. § 9 Abs. 3 Satz 1 AZuVO greift diese Regelung konkretisierend auf; nach dieser Vorschrift sollen Mehr- oder Minderarbeitszeiten innerhalb eines Jahres (Abrechnungszeitraum) ausgeglichen werden. Abrechnungszeitraum ist in der Regel das Kalenderjahr (§ 9 Abs. 3 Satz 2 AZuVO). Auch wenn diese normativen Vorgaben nicht unmittelbar auf die hier zu beurteilende Fallkonstellation anwendbar sein mögen, so liegt ihnen doch die verallgemeinerungsfähige Wertung zu Grunde, dass Mehrarbeitszeiten innerhalb bestimmter Fristen nachträglich abzurechnen und auszugleichen sind. Im Rahmen des hier vorzunehmenden Billigkeitsausgleichs ist dieser - für rechtmäßige (angeordnete oder genehmigte) - Mehrarbeit geltende Grundsatz auch (erst recht) auf den Fall einer rechtswidrigen Heranziehung zu Mehrarbeit anzuwenden. |
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| Die Kammer sieht sich in dieser Rechtsauffassung durch die obergerichtliche Rechtsprechung zur zeitnahen Geltendmachung von Alimentationsansprüchen bestätigt (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 22.03.1990 - 2 BvL 1/86 -, BVerfGE 81, 363; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.02.2007 - 4 S 2289/05 -, VBlBW 2007, 466; ausdrücklich zur Übertragung auf Freizeitausgleichsansprüche: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21.06.2007 - 4 N 192.05 -). Danach ist der Dienstherr nicht gehalten, eine verfassungsrechtlich gebotene Korrektur - dort: die Erhöhung der Beamtenbezüge - auf den gesamten, in der Vergangenheit liegenden Zeitraum zu erstrecken, für den die verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer entsprechenden Korrektur festgestellt worden ist. Der Beamte kann dieser Rechtsprechung zufolge nicht erwarten, dass er aus Anlass der neu gewonnenen Rechtserkenntnis „gewissermaßen ohne eigenes Zutun“ nachträglich in den Genuss der Befriedigung eines womöglich jahrelang zurückliegenden Bedarfs kommt, den er selbst gegenüber seinem Dienstherrn zeitnah nicht geltend gemacht hat. Vielmehr kann eine sich auf alle betroffenen Beamten erstreckende Korrektur der für verfassungswidrig erklärten Regelung nur für den Zeitraum gefordert werden, der mit dem Haushaltsjahr beginnt, in dem durch die verfassungsgerichtliche Entscheidung die Verfassungswidrigkeit festgestellt worden ist. Für davor liegende Zeiträume kann sich die Korrektur in aller Regel auf diejenigen Beamten beschränken, welche den ihnen rechtlich zustehenden Anspruch „zeitnah, also während des jeweils laufenden Haushaltsjahres“, gerichtlich geltend gemacht haben, ohne dass über ihren Anspruch schon abschließend entschieden ist. |
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| Daraus folgt - übertragen auf die hier zu beurteilende nachträgliche Geltendmachung von rechtswidriger Mehrarbeit -, dass zur Konkretisierung des Anspruchs auf Freizeitausgleich innerhalb des Dienstverhältnisses ein Antrag innerhalb des laufenden Kalenderjahres für dieses Jahr als Abrechnungszeitraum (§ 9 Abs. 3 AZuVO) genügt. Damit steht die Antragstellung am 29.12.2005 der Gewährung von Freizeitausgleich für das Kalenderjahr 2005 nicht entgegen; vielmehr ist die Antragstellung bezogen auf dieses Jahr als (noch) rechtzeitig anzusehen. |
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| Aus den vorstehenden Erwägungen folgt aber zugleich auch, dass der Kläger Ansprüche für die gleichfalls streitigen Jahre 2002 bis 2004 nicht „zeitnah“ und somit nach nationalem Recht verspätet geltend gemacht hat. Dass der Kläger bezogen auf diese Jahre - gestützt auf den Grundsatz von Treu und Glauben - (nachträglich) keine Ansprüche mehr geltend machen kann, wird zudem durch die § 90 Abs. 2 Satz 2 LBG zugrunde liegenden Wertungen bestätigt. Die dort normierte Zeitspanne, innerhalb derer (angeordnete oder genehmigte) Mehrarbeit auszugleichen ist („innerhalb eines Jahres“), zeigt einerseits, dass der Gesetzgeber die Ansammlung von Freizeitausgleichsstunden in größerer Zahl im Interesse eines kontinuierlichen Dienstbetriebs vermieden wissen will. Andererseits ist der innerhalb einer bestimmten Frist vorzunehmende Ausgleich auch ein Hinweis darauf, dass die vorgesehene Kompensation mit dem Ausnahmecharakter der auszugleichenden Mehrarbeit zusammenhängt; die alsbaldige Realisierung des Ausgleichs soll eine rasche Rückkehr zur Normalität des Dienstablaufs möglich machen (so zu § 72 BBG: BVerwG, Urteil vom 28.05.2003 - 2 C 28.02 -, ZBR 2003, 383). |
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| 2. Das nationale Recht räumt dem Kläger aber der Höhe nach nur einen Anspruch im tenorierten Umfang ein. Mehr als 75,625 Stunden Freizeitausgleich hält die Kammer im Rahmen des nach Treu und Glauben vorzunehmenden Billigkeitsausgleichs und bei wertender Beurteilung der Interessen sowohl des Beamten als auch des Dienstherrn vor dem Hintergrund gesetzgeberischer Grundentscheidungen zur Billigkeit und deren Ausgestaltung durch die Rechtsprechung nicht für angemessen. |
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| Die Kammer legt der Berechnung der Höhe des Anspruchs eine pauschalierende Vorgehensweise zugrunde, sodass es nicht im Einzelnen auf die konkrete Dienstplangestaltung und die vom Kläger im streitigen Zeitraum tatsächlich geleisteten Dienstzeiten ankommt (vgl. dazu etwa auch OVG Saarland, Urteil vom 19.07.2006 - 1 R 20/05 -). Dazu sieht sich die Kammer angesichts der ohnehin vielfältigen Abwägungen und Abschlägen zugänglichen Anspruchsgrundlage des § 242 BGB befugt; zudem legen auch Erwägungen der Verwaltungspraktikabilität - der Freizeitausgleich muss in zahlreichen weiteren anhängigen Verfahren berechnet und gewährt werden - und die wohlverstandenen Interessen der Beteiligten eine abstrakte und pauschalierende Berechnungsweise nahe. |
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| Ausgangspunkt dieser Berechnung ist die abstrakte Annahme, dass der Kläger im Jahr 2005 - das nach den Ausführungen unter 1. nunmehr allein noch in Rede steht - nach Abzug von (gesetzt) sechs Wochen für Urlaubszeiten und Feiertage 52 - 6 = 46 Wochen Dienst verrichtet hat. Im Jahr 2005 waren die Dienstpläne der Beklagten auf der Grundlage einer 53,25-Stunden-Woche erstellt, sodass der Kläger folglich in diesem Zeitraum pro Woche 5,25 Stunden zuviel gearbeitet hat. Für das ganze Jahr 2005 errechnen sich damit abstrakt 46 Wochen x 5,25 h = 241,5 h. |
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| Der Grundsatz von Treu und Glauben fordert jedoch nicht, dass Freizeitausgleich vollumfänglich in dieser Höhe zugesprochen werden muss. |
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| Die Kammer hält in entsprechender Anwendung von § 90 Abs. 2 Satz 2 LBG zunächst einen Abschlag von monatlich 5 Stunden für angezeigt. Diese gesetzliche Regelung gibt - auch wenn sie hier nicht unmittelbar anwendbar ist - einen allgemeinen Interessenausgleich vor, der darauf gründet, dass der Dienst des Beamten nicht dem Einsatz im Rahmen eines ausgehandelten privatrechtlichen Arbeits- und Austauschverhältnisses entspricht. Der Gedanke, dass jeder über die geltende regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Dienst zu vergüten oder in Freizeit auszugleichen ist, ist dem Beamtenrecht fremd. Den beamtenrechtlichen Regelungen liegt das Alimentationsprinzip zugrunde, wonach Besoldung und Dienstleistung gerade nicht in einem unmittelbaren Gegenseitigkeitsverhältnis stehen. Ein materieller Schaden entsteht dem Beamten bei Zuvielarbeit nicht. In Anbetracht dessen wäre ein Freizeitausgleich, dessen Umfang der Dauer der ermittelten Zuvielarbeit entspricht, bei Ableistung einer rechtswidrig zu hoch festgesetzten, vom Beamten aber hingenommenen regelmäßigen Dienstzeit nicht angemessen. Bei der Heranziehung zu einem Zusatzdienst, der rechtswidrig gefordert wird, weil die regelmäßige Wochenarbeitszeit fehlerhaft festgesetzt worden ist, ist vielmehr allenfalls eine Dienstbefreiung angemessen, die der Zeit entspricht, die der Beamte allmonatlich insgesamt über die ohne Ausgleich höchstzulässige Mehrarbeit von fünf Stunden/Monat hinaus gearbeitet hat (so BVerwG, Urteil vom 28.05.2003 - 2 C 28.02 -, ZBR 2003, 383; OVG Saarland, Urteil vom 19.07.2006 - 1 R 20/05 -; VG Magdeburg, Urteil vom 26.09.2006 - 5 A 412/05 -; a.A. aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht: VG Bremen, Urteil vom 24.04.2007 - 6 K 1008/04 -). Demzufolge sind für das Kalenderjahr 2005 nicht 241,5 Stunden, sondern nach Abzug von monatlich 5 Stunden lediglich 241,5 - (5 x 12) = 181,5 Stunden berücksichtigungsfähig. |
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| Einen weiteren Abschlag hält die Kammer für erforderlich, um im Rahmen der vorzunehmenden Interessenbewertung dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Kläger seinen Antrag bei der Beklagten erst geraume Zeit nach Ergehen des Beschlusses des EuGH vom 14.07.2005 - C-52/04 - gestellt hat (Abschläge für die Zeit vor der EuGH-Entscheidung nehmen - mit unterschiedlicher Begründung - ebenfalls vor: OVG Saarland, Urteil vom 19.07.2006 - 1 R 20/05 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.08.2005 - 1 A 2722/04 -, DÖV 2006, 347; Urteil vom 13.10.2005 - 1 A 2724/04 -; VG Bremen, Urteil vom 24.04.2007 - 6 K 1008/04 -; VG Minden, Urteil vom 25.07.2007 - 4 K 864/06 -). |
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| Zwar kommt es insoweit nicht auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage an, ob - und ggf. ab wann (insbesondere auch für die Zeit vor der Entscheidung des EuGH vom 14.07.2005?) - der Beklagten ein „treuwidriges“ Verhalten vorgehalten oder gar vorgeworfen werden kann. Dem nach § 242 BGB vorzunehmenden Interessenausgleich ist ein Verschuldenselement nämlich fremd; entscheidend kann nur sein, ob die Heranziehung des Klägers zur Ableistung von Dienst über 48 Stunden pro Woche hinaus in Widerspruch zu den objektiv-rechtlichen Vorgaben der Arbeitszeitbestimmungen steht (OVG Niedersachsen, Urteil vom 18.06.2007 - 5 LC 225/04 -). Das ist hier der Fall. Darüber hinaus neigt die Kammer zu der Auffassung, dass die Frage der Anwendbarkeit der Richtlinien 89/391/EWG, 93/104/EG und 2003/88/EG auch auf Einsatzkräfte der Feuerwehr bereits vor der Entscheidung des EuGH vom 14.07.2005 aufgrund von dessen Rechtsprechung (Urteil vom 05.10.2004 - C-397/01 u.a. -, Pfeiffer ; Urteil vom 03.10.2000 - C-303/98 -, SIMAP ) abschließend geklärt war; nicht umsonst hat der EuGH in der Rs. C-52/04 von der Möglichkeit einer Entscheidung nach Art. 104 § 3 seiner Verfahrensordnung Gebrauch gemacht und ansonsten lediglich auf seine bisherige Rechtsprechung und (wie bereits das VG Freiburg in seinem Urteil vom 25.09.2003 - 9 K 511/03 -) auf die ausdrückliche Erwähnung von Feuerwehrdiensten in Art. 17 Abs. 2 Nr. 2.1 c der RL 93/104/EG verwiesen. |
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| Jedoch rechtfertigen sich diesbezügliche Abschläge durch die zusätzliche Bewertung des Verhaltens des Klägers in seinem Dienstverhältnis, ohne dass es einer Anknüpfung an den Zeitpunkt der Kenntnis oder des Kennen-Müssens der objektiven Rechtslage seitens der Beklagten bedarf. Der Kläger hat seinerseits trotz Kenntnis der rechtlichen Diskussion um die wöchentlich zulässige Höchstarbeitszeit von Feuerwehrbeamten, die über die gewerkschaftliche Vertretung der R. Feuerwehrbeamten seit 2003 auch konkret mit der Beklagten geführt worden ist, seinen Antrag auf Freizeitausgleich erst nach der Entscheidung über das Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 17.12.2003 - 6 P 7.03 -) durch den EuGH gestellt. Darin kommt zum Ausdruck, dass der Kläger bis dahin offenkundig selbst subjektiv nicht sicher war, ob die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden auf sein Dienstverhältnis Anwendung findet, und dass er das Risiko einer rechtlichen Auseinandersetzung über diese Frage vor deren abschließender Klärung nicht auf sich nehmen wollte. Bestätigt wird dies durch die Formulierung in dem Begleitschreiben zum Antrag vom 28.12.2005, in dem der Kläger auf Freizeitausgleich wegen unzulässiger Wochenarbeitszeit „laut EuGH Urteil“ Bezug nimmt. Sind sich aber beide Seiten im Hinblick auf die Rechtslage subjektiv unsicher und verzichten deshalb - jeweils in Kenntnis all dessen - auf rechtliche Schritte zur Klärung dieser Fragen, so ist es nach Treu und Glauben angemessen, dies retrospektiv wertend zu berücksichtigen. Dass während der Zeiten der beiderseitigen subjektiven Ungewissheit über die Rechtslage eine beträchtliche Zahl von zuviel geleisteten Arbeitsstunden angesammelt wurde, kann nicht dazu führen, dass eine alsbaldige „Rückkehr zur Normalität des Dienstablaufs“ (BVerwG, Urteil vom 28.05.2003 - 2 C 28.02 -) bei der Feuerwehr der Beklagten durch die vollständige Berücksichtigung dieser Stunden - noch dazu bei allen Feuerwehrbeamten - ausscheidet, wenn die Beamten sich bei der Geltendmachung ihrer Rechte derart zögerlich und auf Sicherheit bedacht verhalten haben. Bei alledem erscheint es zu Bewertungs- und Berechnungszwecken sachgerecht, den Umfang des zu gewährenden Freizeitausgleichs für das - allein noch in Rede stehende - Kalenderjahr 2005 in der Weise zu reduzieren, dass nur die Zeit nach abschließender und letztverbindlicher Klärung durch den EuGH im Juli 2005 - also die fünf Monate von August bis Dezember 2005 - voll berücksichtigt wird und die Monate davor als verfallen gelten. |
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| Rechnerisch bedeutet dies, dass der Anspruch für das Kalenderjahr 2005 nur in Höhe von 5/12 der errechneten jährlichen Zuvielarbeit zuzusprechen ist, woraus sich die im Tenor zugesprochenen 181,5 x 5/12 = 75,625 Stunden ergeben. |
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| Weitere Abschläge hält die Kammer nicht für angezeigt. Insbesondere ist es - entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten - nicht zulässig, die in den Dienstzeiten des Klägers enthaltenen Bereitschaftsdienstanteile in irgend einer Weise zu gewichten und auf diese Weise teilweise herauszurechnen (so aber etwa OVG Niedersachsen, Urteil vom 18.06.2007 - 5 LC 225/04 -; im Erg. wie hier VG Bremen, Urteil vom 24.04.2007 - 6 K 1008/04 -). Dem steht die ständige und insoweit unmissverständliche Rechtsprechung des EuGH entgegen, wonach Bereitschaftsdienst, den ein Arbeitnehmer - wie hier - in Form persönlicher Anwesenheit im Betrieb des Arbeitgebers leistet, in vollem Umfang als Arbeitszeit im Sinne der hier einschlägigen Richtlinien anzusehen ist, unabhängig davon, welche Arbeitsleistungen der Betroffene während dieses Bereitschaftsdienstes tatsächlich erbracht hat. Der Umstand, dass der Bereitschaftsdienst „Zeiten der Inaktivität“ umfasst, ist daher in diesem Kontext unerheblich, die Intensität der vom Arbeitnehmer geleisteten Arbeit oder dessen Leistung gehören nicht zu den wesentlichen Merkmalen des Begriffes der Arbeitszeit. Die autonom auszulegenden gemeinschaftsrechtlichen Begriffe der Arbeitszeit und der Ruhezeit - Zwischenkategorien sieht das Gemeinschaftsrecht nicht vor - können durch einseitige Festlegungen der Mitgliedsstaaten auch nicht derogiert oder irgendwelchen Bedingungen oder Beschränkungen unterworfen werden. Jede andere Auslegung würde den Richtlinien zur Arbeitszeitgestaltung und den darin enthaltenen „besonders wichtigen Regeln des Sozialrechts der Gemeinschaft“ ihre praktische Wirksamkeit (Art. 10 EG) nehmen (vgl. zu alledem nur - jeweils m.w.N. - EuGH, Urteil vom 01.12.2005 - C-14/04 -, Dellas , Rnrn. 42 ff., insbes. Rn. 57 zu der von der Beklagten vorgeschlagenen Berechnungsweise; Beschluss vom 11.01.2007 - C-437/05 -, Vorel , Rnrn. 24 ff.; Urteil vom 09.09.2003 - C-151/02 -, Jaeger , Rnrn. 44 ff.). Diese Grundsätze sind auf die Kompensation von rechtswidriger Mehrarbeit durch Freizeitausgleich zu übertragen. |
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| Das aus dem nationalen Recht nach den Darlegungen zu I. folgende Ergebnis - nur auf dieses kommt es an - ist mit Gemeinschaftsrecht vereinbar. Weder die Bestimmungen der Richtlinien 89/391/EWG, 93/104/EG und 2003/88/EG noch sonst die Grundsätze des Gemeinschaftsrechts fordern die nachträgliche Zuerkennung von mehr als 75,625 Stunden Freizeitausgleich. Eine ausdrückliche Regelung zu der hier streitigen Frage, ob und ggf. wie mitgliedsstaatliche Verstöße gegen die Höchstarbeitszeitbestimmungen nachträglich wieder gutzumachen sind, ist den Richtlinienbestimmungen nicht zu entnehmen; vielmehr beschränken sich die Vorschriften, denen unmittelbare Wirkung zukommt oder die bei der richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts zu beachten sind, auf - hier nicht streitige - Primäransprüche, die auf Unterlassung gerichtet sind. Schon aus diesem Grund dürfte das hier einschlägige sekundäre Gemeinschaftsrecht, das sich zur nachträglichen Kompensation von Rechtsverstößen nicht verhält, nicht zu einer Korrektur des nach nationalem Recht gefundenen Ergebnisses zwingen (vgl. die entsprechenden Erwägungen zur bereits fehlenden Anwendbarkeit der Richtlinien auf Vergütungsansprüche in BVerwG, Beschluss vom 03.01.2005 - 2 B 57.04 -, Buchholz 240 § 48 BBesG Nr. 10; Urteil vom 29.04.2004 - 2 C 9.03 -, NVwZ 2004, 1255). |
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| Die Kammer ist darüber hinaus der Auffassung, dass die unter I. dargelegten Erwägungen auch bei isolierter Betrachtung einer gemeinschaftsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand halten. |
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| Soweit dem Kläger Freizeitausgleich für die Jahre 2002 bis 2004 wegen seiner verspäteten - nicht mehr als „zeitnah“ anzusehenden - Antragstellung im Dezember 2005 versagt wird und soweit die Kammer für das Jahr 2005 die dargelegten Abschläge in Ansatz bringt, steht dieses Ergebnis mit Gemeinschaftsrecht in Einklang. Zwar hat der EuGH die Wirkungen seiner Entscheidung vom 14.07.2005 in der Rs. C-52/04 nicht zeitlich beschränkt (zu diesem Rechtsinstitut vgl. nur - jeweils m.w.N. - EuGH, Urteil vom 04.05.1999 - C-262/96 -, Sürül , Rnrn. 107 ff.; Urteil vom 09.09.2004 - C-72/03 -, Carbonati Apuani Srl , Rnrn. 36 ff.; Urteil vom 06.03.2007 - C-292/04 -, Meilicke , Rnrn. 34 ff.; Urteil vom 02.02.1988 - C-309/85 -, Barra , Rnrn. 11 ff.; Urteil vom 08.04.1976 - 43/75 -, Defrenne/Sabena ; BAG, Urteil vom 26.04.2006 - 7 AZR 500/04 -, DB 2006, 1734; Wiedmann, EuZW 2007, 692; Kokott/Henze, NJW 2006, 177), sodass das Gericht grundsätzlich gehalten ist, die Bestimmungen der Arbeitszeitrichtlinien in der (aktuellen) Auslegung des EuGH auch auf Rechtsverhältnisse anzuwenden, die vor Erlass der Entscheidung im Vorabentscheidungsersuchen C-52/04 entstanden sind. In der Rechtsprechung des EuGH ist aber ebenso geklärt, dass in der Vergangenheit liegende Verstöße gegen Gemeinschaftsrecht nicht in jedem Falle der Wiedergutmachung bedürfen. |
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| Zwar sind die Mitgliedsstaaten nach dem in Art. 10 EG vorgesehenen Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verpflichtet, die rechtswidrigen Folgen eines Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht zu beheben (EuGH, Urteil vom 07.01.2004 - C-201/02 -, Wells , Rn. 64; Urteil vom 21.06.2007 - C-231/06 -, Jonkman , Rn. 37). Daher sind die Behörden des Mitgliedsstaats verpflichtet, aufgrund eines auf ein Vorabentscheidungsersuchen ergangenen Urteils, aus dem sich die Unvereinbarkeit nationaler Rechtsvorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht ergibt, die allgemeinen oder besonderen Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, die Beachtung des Gemeinschaftsrechts in ihrem Hoheitsgebiet zu sichern. Den Behörden verbleibt dabei die Wahl der Maßnahmen, doch müssen sie insbesondere dafür sorgen, dass das nationale Recht so schnell wie möglich mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang gebracht und den Rechten, die dem Bürger aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsen, die volle Wirksamkeit verschafft wird. Zudem ist ein Mitgliedsstaat verpflichtet, die Schäden zu ersetzen, die dem Einzelnen durch den Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht entstanden sind (EuGH, Urteil vom 21.06.2007 - C-231/06 -, Jonkman , Rnrn. 38 ff.; Urteil vom 02.02.1988 - C-309/85 -, Barra , Rn. 17). |
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| Jedoch obliegt es mangels gemeinschaftsrechtlicher Regelungen zu dieser Frage der innerstaatlichen Rechtsordnung der Mitgliedsstaaten, für den Einzelnen verfahrensrechtlich den erforderlichen Schutz der ihm aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte zu gewährleisten. Dabei hält der EuGH in ständiger Rechtsprechung die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung im Interesse der Rechtssicherheit für mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar, wenn und soweit die verfahrensrechtliche Ausgestaltung im Einzelnen den Anforderungen des Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes genügt (vgl. nur EuGH, Urteil vom 15.09.1998 - C-231/96 -, Edis , Rnrn. 19 ff.; Urteil vom 17.06.2004 - C-30/02 -, Recheio - Cash & Carry SA , Rnrn. 17 ff.; GA´ in Kokott, Schlussanträge vom 29.03.2007 in der Rs. C-231/06 -, Jonkman , Rnrn. 62 f.). Diese Prinzipien fordern, dass die Voraussetzungen, die ein Mitgliedsstaat in materieller und formeller Hinsicht für die nachträgliche Behebung eines Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht festlegt, nicht ungünstiger sein dürfen als bei ähnlichen Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen (Äquivalenzgrundsatz), und dass sie nicht so ausgestaltet werden dürfen, dass sie die Ausübung der Rechte, die die Gemeinschaftsrechtsordnung einräumt, praktisch unmöglich machen (Effektivitätsgrundsatz; vgl. nur EuGH, Urteil vom 02.02.1988 - C-309/85 -, Barra , Rn. 18). |
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| Der Äquivalenzgrundsatz ist im Hinblick auf alle dem Kläger nachteiligen Auslegungen des nationalen Rechts unter I. eingehalten. Sowohl der Ausschluss von Ansprüchen für die Jahre 2002 bis 2004 als auch die aus Treu und Glauben abgeleiteten Abschläge entsprechend der Wertung in § 90 Abs. 2 LBG und unter Berücksichtigung der im Jahr 2005 aus Sicht der Beteiligten bestehenden Unwägbarkeiten sind aus der nationalen Rechtsprechung entwickelt und auf rein innerstaatlich zu beurteilende Sachverhalte gleichermaßen anzuwenden. |
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| Auch der Effektivitätsgrundsatz ist im Ergebnis nicht verletzt. |
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| Den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen zur Arbeitszeitgestaltung wird ihre praktische Wirksamkeit durch die Versagung von Kompensationsansprüchen für weit in der Vergangenheit zurückliegende Rechtsverstöße - wie hier in den Jahren 2002 bis 2004 - nicht genommen. Die Bestimmungen der Richtlinien 89/391/EWG, 93/104/EG und 2003/88/EG dienen der gemeinschaftsweiten Harmonisierung der Arbeitszeitgestaltung und dem Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer u.a. durch die hier in Rede stehende wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden. Der EuGH betont durchgehend, dass die Bestimmungen der Richtlinien nach Wortlaut, Zielsetzung und Systematik zu den besonders wichtigen Regeln des Sozialrechts der Gemeinschaft zählen, die jedem Arbeitnehmer als ein zum Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit bestimmter Mindestanspruch zugute kommen müssen (EuGH, Urteil vom 01.12.2005 - C-14/04 -, Dellas , Rn. 49 m.w.N.). Abweichungen sind nur unter bestimmten Voraussetzungen und nur für bestimmte Bereiche zulässig (vgl. Artt. 17, 22 Abs. 1 a der Richtlinie 2003/88/EG). |
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| Die mit der Richtlinie verfolgten Zwecke können aber durch die nachträgliche Gewährung von Freizeitausgleich für die Jahre 2002 bis 2004 nach Antragstellung nicht mehr erreicht werden. Insoweit fehlt es bei den hier zu beurteilenden Zeiträumen am kraft Natur der Sache erforderlichen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Überbeanspruchung durch Zuvielarbeit und der - nach Antragstellung - als Kompensation ggf. zu gewährenden Erholung durch Freizeitausgleich. Die positive Wirkung des Freizeitausgleichs für die Sicherheit und die Gesundheit des Arbeitnehmers bzw. Beamten entfaltet sich dann vollständig, wenn sie zeitnah, nämlich im laufenden Kalenderjahr genommen wird. Sie verliert ihre Bedeutung auch nicht ohne Weiteres, wenn sie zu einem späteren Zeitpunkt - etwa im Folgejahr - eintritt (so ausdrücklich EuGH, Urteil vom 06.04.2006 - C-124/05 -, Federatie Nederlandse Vakbeweging , Rn. 30 f. zum Jahresurlaub). Dies bestätigt im Ausgangspunkt die unter I. dargelegte (hiernach richtlinienkonforme) Rechtsauffassung der Kammer, dass der Kläger trotz später Antragstellung Ansprüche für das Kalenderjahr 2005 geltend machen können muss. Für die Jahre davor können die Zwecke der Richtlinien aber nicht mehr erreicht werden. Vielmehr ist ein Arbeitnehmer bzw. Beamter - gerade im Lichte der Zwecke der Arbeitsschutzbestimmungen - anzuhalten, die zu gewährende Kompensation zeitnah zu beanspruchen, um die verfolgten Erholungszwecke zu erreichen. Dies bestätigen die Wertungen, die auch das nationale Recht etwa in § 25 Abs. 1 AZuVO zum Verfall von Jahresurlaub, der nicht im Folgejahr genommen wird, vorsieht (zum erforderlichen zeitlichen Zusammenhang bei der nachträglichen Genehmigung von Mehrarbeit vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.08.2005 - 1 A 2722/04 -, DÖV 2006, 347; VG Göttingen, Urteil vom 01.02.2006 - 3 A 172/04 -). |
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| Soweit die Kammer bei der Bestimmung der Höhe des (noch) zu gewährenden Freizeitausgleichs einen Abschlag von monatlich fünf Stunden entsprechend § 90 Abs. 2 LBG ansetzt, nimmt auch dies den gemeinschaftsrechtlichen Arbeitsschutzbestimmungen nicht ihre praktische Wirksamkeit. Auch wenn die praktische Wirksamkeit der Rechte, die den Arbeitnehmern durch die zitierten Richtlinien verliehen werden, in vollem Umfang gewährleistet sein muss, was für die Mitgliedsstaaten zwangsläufig die Verpflichtung mit sich bringt, die Einhaltung jeder der darin enthaltenen Mindestvorschriften zu gewährleisten (EuGH, Urteil vom 07.09.2006 - C-484/04 -, Kommission ./. Großbritannien , Rn. 40; Urteil vom 09.09.2003 - C-151/02 -, Jaeger , Rn. 59 und insbes. Rn. 100), gilt dies nicht gleichermaßen für die rückwirkende Beseitigung von Rechtsverstößen. Der im nationalen Recht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleitete Anspruch ist mannigfachen Wertungen und Abwägungen, die auch die gemeinschaftsrechtlichen Implikationen berücksichtigen können, zugänglich. Dass die (durchschnittliche) wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden unter keinen Umständen überschritten werden darf, bedeutet nicht zugleich auch, dass dem Arbeitnehmer bzw. Beamten in jedem Fall in gleicher Höhe nachträglich Freizeitausgleich zu gewähren ist. Vielmehr hält die Kammer auch den entsprechend den Darlegungen zu I. mit Abschlägen versehenen Umfang des nachträglichen Freizeitausgleichs für hinreichend wirksam, verhältnismäßig und abschreckend für die Zwecke des Art. 10 EG (vgl. auch OVG Niedersachsen, Urteil vom 18.06.2007 - 5 LC 225/04 - a.E.). |
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| Die gleichen Erwägungen gelten für den Abschlag, den die Kammer nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der beiderseitigen subjektiven Ungewissheit über die Rechtslage vor abschließender Klärung durch den EuGH ansetzt. Damit stellt die Kammer nicht in Frage, dass der Kläger im Grundsatz Anspruch auf Freizeitausgleich für das (gesamte) Jahr 2005 hat - was auch und gerade das Gemeinschaftsrecht nahelegt -, sodass die Richtlinienbestimmungen insoweit ihre praktische Wirksamkeit entfalten können; die Argumentation unter I. zielt schließlich nicht auf den zeitlichen Bezugszeitraum des Anspruchs, sondern auf dessen Umfang ab und fingiert lediglich - anknüpfend an das eigene Verhalten des Klägers - den teilweisen Verfall des Ausgleichsanspruchs. |
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| Die Kammer ist sich bei alledem des Umstands bewusst, dass die aufgezeigten gemeinschaftsrechtlichen Fragestellungen mit guten Gründen auch anders beantwortet werden können und dass in der Rechtsprechung des EuGH - soweit ersichtlich - bislang nicht explizit geklärt ist, ob und ggf. inwieweit die Bestimmungen der Richtlinie 2003/88/EG bei effektiver Anwendung auch eine nachträgliche Kompensation von gemeinschaftsrechtswidriger Zuvielarbeit fordern, insbesondere ob Abschläge zulässig sind, die - ex post - dazu führen, dass die tatsächlich über die zulässige Höchstarbeitszeit hinaus geleistete rechtswidrige Zuvielarbeit nachträglich (teilweise) quasi legalisiert wird. Als nach Art. 234 EG zur Vorlage nicht verpflichtetes erstinstanzliches Gericht (vgl. EuGH, Urteil vom 04.06.2002 - C-99/00 -, Lyckesog , Rnrn. 14-16; Borchardt, in: Lenz/Borchardt, EU- und EG-Vertrag, 4. Aufl., Art. 234, Rn 40 f.) sieht die Kammer aber von einem an den EuGH gerichteten Vorabentscheidungsersuchen ab und entscheidet die Fragen mit gemeinschaftsrechtlichen Bezügen im oben dargelegten Sinne selbst. Ein Vorlage an den EuGH hält die Kammer nicht nur deshalb für untunlich, weil sie die Effektivität des Gemeinschaftsrechts im Ergebnis für gewahrt erachtet, sondern auch, weil sie (jedenfalls derzeit) nicht im wohlverstandenen Interesse der Beteiligten steht. Auch wenn die Vergleichsbemühungen der Kammer in der mündlichen Verhandlung bedauerlicherweise gescheitert sind, erscheint eine außergerichtliche Einigung der Beteiligten vor oder während eines Berufungsverfahrens möglich. Dass eine solche einvernehmliche Lösung einem zeit- und kostenintensiven Vorlageverfahren auch in Anbetracht der bereits entstandenen Prozesskosten und insbesondere zur Wiederherstellung des „Betriebsfriedens“ vorzuziehen sein dürfte, hat die Kammer in der mündlichen Verhandlung bereits mehrfach betont. |
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| Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Kostenquotelung entspricht dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen (75,625 / 928,8 ≈ 1 / 12). Die Kammer sieht gemäß § 167 Abs. 2 VwGO davon ab, das Urteil hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Die Berufung ist zuzulassen, die entschiedenen Rechtsfragen haben grundsätzliche Bedeutung (§§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO). |
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