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| Die Kläger, Pflichtmitglieder bei der Beklagten, nehmen diese auf die Unterlassung von Äußerungen im Zusammenhang mit dem Bahnprojekt „Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm“ in Anspruch. |
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| In einer gemeinsamen Herbstveranstaltung der Beklagten mit der Augsburger IHK äußerte der Präsident der Beklagten - wiedergegeben u.a. in der „Neu-Ulmer Zeitung“ und der „Augsburger Allgemeinen“ - „Ulm ist das Bollwerk für Stuttgart 21“. |
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| In einer Entschließung der Vollversammlung der Beklagten zum Bahnprojekt Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm und in einer Stellungnahme der Beklagten im Rahmen ihrer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit vom 17.09.2010 (Presse- und Öffentlichkeitsarbeit) „IHKs: Wir brauchen die unverzügliche und konsequente Umsetzung des Gesamtprojekts Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm“, die auch in die Homepage der Beklagten eingestellt ist, sowie in einer Stellungnahme „Standortpolitik - Argumente für Stuttgart 21 - Warum unsere Firma für das Bahnprojekt ist“, ebenfalls über die Homepage der Beklagten abrufbar, findet sich jeweils die Wendung „… (Denn) ohne Stuttgart 21 endet die Neubaustrecke von Ulm kommend in Wendlingen sprichwörtlich auf dem Acker…“. |
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| In der erwähnten Stellungnahme der Beklagten vom 17.09.2010 findet sich ferner die Wendung „Die Relation Stuttgart-Ulm ist ein wichtiges Teilstück auf der Magistrale für Europa von Paris nach Budapest. Auf dieser Achse sind alternative Linienführungen, beispielsweise über Frankfurt und Ingolstadt nach München, durchaus denkbar. Aus diesem Grund besteht die berechtigte Sorge, dass bei einem Scheitern von Stuttgart 21 auch die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm gestrichen werden könnte und alternative Routen gesucht werden. Anstatt in das europäische Netz integriert zu werden, würden große Teile Baden-Württembergs somit abgehängt.“ |
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| In der ebenfalls erwähnten Stellungnahme „Standortpolitik - Argumente für Stuttgart 21 - Warum unsere Firma für das Bahnprojekt ist“ ist ferner der Satz zu finden: „Und es wäre ein Schildbürgerstreich, wenn Baden-Württemberg, das viele Milliarden in den Länderfinanzausgleich einzahlt, auf das Geld von Bund und Bahn verzichten würde und damit auf ein für Baden-Württemberg zentrales Zukunftsprojekt.“ |
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| Unter der Rubrik „Standortpolitik“ findet sich eine Äußerung der Beklagten zu „Auswirkungen des Bahnprojekts Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm auf die Erreichbarkeit und die Wirtschaft der einzelnen Kreise in Baden-Württemberg, in der u.a. ausgeführt ist „… ein Scheitern von Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm würde die parlamentarische Demokratie auf den Kopf stellen“. |
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| In einem Beitrag auf der Homepage der Beklagten zu dem Thema „Argumente der Gegner“ „Sind die Gegenargumente korrekt?“ ist einleitend ausgeführt: „Umweltschützer, Bürgerinitiativen und Politiker der Grünen laufen Sturm gegen das Projekt. Zehntausende Bürgerinnen und Bürger sprechen sich mittlerweile lautstark dagegen aus, obwohl viele erkennbar nicht ausreichend informiert sind.“ |
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| Am Verwaltungsgebäude der Beklagten ist ein farbiges, ca. 100 m² großes Plakat angebracht, das u.a. die Worte „Allerhöchste Eisenbahn!“, das Bild des vorderen Teils eines ICE und darunter die Worte „JA!“ „Unsere Zukunft braucht die ICE-Strecke mit Stuttgart 21“, ferner den Hinweis „www.....de“ enthält. |
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| Die Homepage und die Internetseite der Beklagten enthalten ein Banner (beschriftetes Werbebild), das wie das Plakat am Verwaltungsgebäude der Beklagten den vorderen Teil eines ICE enthält, ferner neben dem Logo der Beklagten die Worte „Allerhöchste Eisenbahn! JA zur Bahnstrecke und zu S 21“. |
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| Am 18.11.2010 forderte der Prozessbevollmächtigte der Kläger die Beklagte zur Abgabe von Unterlassungserklärungen im Zusammenhang u.a. mit den genannten Äußerungen der Beklagten auf. |
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| Die Beklagte lehnte die Abgabe von Unterlassungserklärungen mit Schriftsatz vom 29.11.2010 ab. |
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| Am 17.12.2010 haben die Kläger Klage erhoben. Hierzu wird u.a. ausgeführt: Es sei nicht ersichtlich, ob überhaupt und auf welche Weise die Vollversammlung der Beklagten das Gesamtinteresse aller Mitglieder ermittelt und wie sie deren divergierende Interessen sachgerecht gegeneinander abgewogen, ausgeglichen und damit ihre satzungsmäßige Aufgabe wahrgenommen habe. Nach den den Klägern zugänglichen Unterlagen und Einlassungen der Beklagten habe eine solche Abwägung und Ausgleichung nicht stattgefunden. Der Tiefbahnhof in Stuttgart wirke sich nicht auf die gewerbliche Wirtschaft im Bezirk der Beklagten aus. Auch hinsichtlich der Neubaustrecke Stuttgart-Wendlingen-Ulm seien konkrete positive verkehrs- oder arbeitsmarktpolitische Auswirkungen auf Ulm/Biberach/Alb-Donau nicht gegeben oder aber unabhängig von der Trassenführung im Wesentlichen auch bei anderen Varianten wie dem Konzept „K 21“ ebenso gegeben und von der Beklagten in eine Abwägung und Ausgleichung einzustellen. Auch dies unterbleibe. Folglich seien bereits die Entschließungen der Vollversammlung der Beklagten nicht von ihrer Aufgabe umfasst und verletzten den Anspruch der Kläger auf Tätigwerden der Beklagten innerhalb der gesetzlichen Grenzen, weil nur allgemeinpolitische Aussagen getroffen würden. |
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| Die Äußerung, „Ulm ist das Bollwerk für Stuttgart 21“ sei polemisch und allgemeinpolitisch. Sie verletze die Grundsätze höchstmöglicher Objektivität und solle emotionalisieren. Eine Abwägung enthalte sie bewusst nicht, sondern ziele nach der expliziten Einlassung des Präsidenten der Beklagten im Interview vom 03.12.2010 darauf ab, „die Projektgegner im Mark zu treffen“. |
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| Bei der Äußerung, „Ohne Stuttgart 21 endet die Neubaustrecke von Ulm kommend in Wendlingen sprichwörtlich auf dem Acker…“ handele es sich um reine Polemik und eine absolut unsachliche Aussage. Bei der Schaffung der Schnellbahntrasse 1988 entlang der Autobahn habe u.a. Prof. G. H. in keiner Weise an das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 (Durchgangs-Tiefbahnhof) gedacht, sondern die Strecke für den (damals wie heute) bestehenden (Kopf-)Bahnhof projektiert. |
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| Bei der Äußerung in dem Bericht der Beklagten vom 17.09.2010 „Auf der Magistrale für Europa von Paris nach Budapest … sind alternative Linienführungen, beispielsweise über Frankfurt und Ingolstadt nach München, durchaus denkbar … Anstatt in das europäische Netz integriert zu werden, würden große Teile Baden-Württembergs somit abgehängt“ sei keine Abwägung vorgenommen worden und werde einseitig verallgemeinert. Insbesondere müsste die Beklagte hier, um dem Gebot größtmöglicher Zurückhaltung und Objektivität zu entsprechen, mit ausführen, dass „diese alternativen Linienführungen auch die Umfahrung weiterer Zentren wie Straßburg, Stuttgart und Augsburg und damit einen Umweg von über 100 hm darstellen würde“. |
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| Die von der Beklagten verwendete Wendung „Es wäre ein Schildbürgerstreich, wenn Baden-Württemberg … auf das Geld von Bund und Bahn verzichten würde“ sei polemisch, allgemeinpolitisch, ohne Bezug zur Wirtschaft in der Region und solle Emotionen schüren. Was Baden-Württemberg tue und lasse entscheide das Volk, dessen Willen Politiker umsetzten. Die Beklagte sei daran kraft ihrer Aufgabe nicht beteiligt. Belange der gewerblichen Wirtschaft seien nicht betroffen. |
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| Bei der von der Beklagten in „Auswirkungen des Bahnprojekts auf die Erreichbarkeit und die Wirtschaft der einzelnen Kreise in Baden-Württemberg“ enthaltenen Wendung „Ein Scheitern von Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm würde die parlamentarische Demokratie auf den Kopf stellen“ gehe es eindeutig nicht um Auswirkungen auf die Wirtschaft der Region, sondern um eine allgemeinpolitische Thematik, ja Polemik. Eine IHK sei nicht berufen, Argumente zum Schutz der Demokratie zu veröffentlichen. |
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| Ebenso allgemeinpolitisch, polemisch, Bürgerinnen und Bürger diffamierend und falsch, vor allem ohne jeden Bezug zur Wirtschaft sei die in „Argumente der Gegner - sind die Gegenargumente korrekt?“ enthaltene Wendung „Zehntausende Bürgerinnen und Bürger sprechen sich mittlerweile lautstark dagegen aus, obwohl viele erkennbar nicht ausreichend informiert sind“. |
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| Die Befestigung des Plakats „Allerhöchste Eisenbahn! Ja! Unsere Zukunft braucht die ICE-Strecke mit Stuttgart 21“ unter Angabe der Internetseite der Beklagten an der Fassade deren Gebäudes verstoße gegen das Gebot der höchstmöglichen Objektivität und notwendigen Sachlichkeit sowie Zurückhaltung. |
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| Zuletzt stelle das von der Beklagten im Internet verwendete Banner ein Höchstmaß an „Nicht-Zurückhaltung“ und einseitiger Interessenwahrnehmung dar. Es sei keinerlei Abwägung vorgenommen worden und erkennbar, sondern emotionalisierte Konfliktaustragung. Zudem sei es nicht von der Entschließung der Vollversammlung der Beklagten gedeckt. |
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| 1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, insbesondere in Veröffentlichungen, Presseerklärungen und auf der Homepage folgende Äußerungen zu tätigen: |
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| a. Ulm ist das Bollwerk für Stuttgart 21. |
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| b. Ohne Stuttgart 21 endet die Neubaustrecke von Ulm kommend in Wendlingen sprichwörtlich auf dem Acker. |
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| c. auf der Magistrale für Europa von Paris nach Budapest … sind alternative Linienführungen, beispielsweise über Frankfurt und Ingolstadt nach München, durchaus denkbar … Anstatt in das europäische Netz integriert zu werden, würden große Teile Baden-Württembergs somit abgehängt. |
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| d. Es wäre ein Schildbürgerstreich, wenn Baden-Württemberg … auf das Geld von Bund und Bahn verzichten würde. |
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| e. Ein Scheitern von Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm würde die parlamentarische Demokratie auf den Kopf stellen. |
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| f. Zehntausende Bürgerinnen und Bürger sprechen sich mittlerweile lautstark dagegen aus, obwohl viele erkennbar nicht ausreichend informiert sind. |
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| Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Beklagten ein Zwangsgeld in Höhe von bis zu EUR 10.000,00 angedroht. |
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| 2. Die Beklagte wird des weiteren verurteilt, es zu unterlassen, |
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| a. an Fassaden und sonstigen Flächen ihrer Gebäude kundzutun: |
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| | Unsere Zukunft braucht die ICE-Strecke mit Stuttgart 21 |
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| b. auf ihren Internetseiten durch Banner oder sonstige entsprechende Gestaltungselemente zu verlautbaren: |
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| Allerhöchste Eisenbahn! JA zur Bahnstrecke und zu S21 |
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| Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Beklagten ein Zwangsgeld in Höhe von bis zu EUR 10.000,00 angedroht. |
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| Hierzu wird u.a. ausgeführt: In einem Beschluss im schriftlichen Verfahren über die Entschließung zum Bahnprojekt Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm hätten sich von den 55 Mitgliedern der Vollversammlung bis zur Rückmeldefrist am 14.09.2010 46 Mitglieder beteiligt und der Entschließung einstimmig zugestimmt. Die Vollversammlung der Beklagten fordere in der Entschließung u.a. die unverzügliche und konsequente Umsetzung des Gesamtprojekts Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm. Präsident und Hauptgeschäftsführer würden gebeten, diese Forderung mit großem Nachdruck zu vertreten und durch entsprechende Aktivitäten wie Veranstaltungen, Pressearbeit etc. zu verbreiten. In der Entschließung werde dargelegt, welche Bedeutung das Gesamtprojekt für die Gewerbetreibenden des Bezirks der Beklagten habe und es werde u.a. auch auf alternative Konzepte zu Stuttgart 21 wie beispielsweise das von den Gegnern favorisierte Modell Kopfbahnhof 21 eingegangen. Die Entschließung enthalte von den Klägern beanstandete und in verkürzter Form wiedergegebene Äußerungen: |
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| „Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm sind als untrennbares Gesamtprojekt zu betrachten. Denn ohne Stuttgart 21 endet die Neubaustrecke von Ulm kommend in Wendlingen sprichwörtlich auf dem Acker. Erst durch die Tieferlegung und Drehung des Stuttgarter Hauptbahnhofes wird eine neue Trassenführung über die Fildern ermöglicht, welche in Wendlingen an die Neubaustrecke anschließt. Stuttgart 21 stellt somit auch mehr als die bloße Umgestaltung des Stuttgarter Hauptbahnhofes dar. Mit Stuttgart 21 wird der Flughafen Stuttgart in die Verbindungstrasse Ulm-Stuttgart integriert. |
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| Alternative Konzepte zu Stuttgart 21 wurden vielfach geprüft. Das von den Gegnern forcierte Modell Kopfbahnhof 21 … |
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| Die Relation Stuttgart-Ulm ist ein wichtiges Teilstück auf der Magistrale für Europa von Paris nach Budapest. Auf dieser Achse sind alternative Linienführungen, z.B. über Frankfurt und Ingolstadt nach München, durchaus denkbar. Aus diesem Grund besteht die berechtigte Sorge, dass bei einem Scheitern von Stuttgart 21 auch die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm gestrichen werden könnte und alternative Routen gesucht werden. Anstatt in das europäische Netz integriert zu werden, würden große Teile Baden-Württembergs somit abgehängt.“ |
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| Das Bahnprojekt Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm sei ferner Gegenstand der Sitzung der Vollversammlung der Beklagten am 14.10.2010 gewesen. Folgender Beschlussvorschlag sei nach Aussprache bzw. Diskussion einstimmig angenommen worden: |
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| „Die Verwirklichung des Gesamtprojekts Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm liegt nach Abwägung aller Interessen eindeutig im Gesamtinteresse der regionalen Wirtschaft der IHK-Region Ulm. Deshalb sollen weitere Maßnahmen unterstützt werden, die diesem Gesamtinteresse zur Durchsetzung verhelfen. Zur weiteren Begründung wird auf die Entschließung vom 14.09.2010 verwiesen, … |
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| Nach den vorliegenden Erkenntnissen hat ein Teil der Bevölkerung unzureichende Informationen über das Gesamtprojekt. Derzeitig mangelt es an deutlichen Signalen der Befürworter. Vor diesem Hintergrund sollten Aktivitäten wie Anzeigen, großflächige Bannerwerbung oder auch gesponserte Fernsehbeiträge im Regio TV initiiert werden. |
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| Vor allem sollen Anzeigen und Flyer finanziert werden, die ein positives Bekenntnis zu diesem Gesamtprojekt artikulieren.“ |
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| Aufgrund der Beschlüsse der Vollversammlung habe der Präsident der Beklagten in einer gemeinsamen Herbstveranstaltung mit der Augsburger IHK u.a. die Äußerung „Ulm ist das Bollwerk für Stuttgart 21“ getroffen. Auf der Grundlage der Beschlüsse der Vollversammlung habe das Hauptamt diverse Unterlagen zum Bahnprojekt Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm auf der Homepage der Beklagten eingestellt. Dort finde sich zudem eine fünfseitige Begründung der aus Sicht der Wirtschaft des Bezirks der Beklagten für das Bahnprojekt sprechenden Argumente. In der Vollversammlung am 14.10.2010 sei angeregt worden, dass die Beklagte Argumentationshilfen für Mitgliedsunternehmen zur Verfügung stellen könne, um die Belegschaft für das Bahnprojekt zu gewinnen. Schließlich habe die Vollversammlung das Hauptamt der Beklagten mit dem in der Sitzung gefassten Beschluss ausdrücklich aufgefordert, Aktivitäten zur Unterstützung des Bahnprojekts zu initiieren. Auf der Grundlage der Beschlüsse der Vollversammlung seien das Plakat an der Fassade des Gebäudes der Beklagten und das Banner in ihrer Homepage angebracht bzw. eingestellt worden. |
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| Da das Gesamtprojekt Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm einen der Kernbereiche der Tätigkeit der Beklagten betreffe, dürfe sie sich damit auseinandersetzen und sich dazu äußern. Die beiden Teilprojektive Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm seien untrennbar miteinander verknüpft. Das Gesamtprojekt betreffe die Verkehrsinfrastruktur, die unmittelbare nachvollziehbare positive Auswirkungen auf die gewerbliche Wirtschaft des Bezirks der Beklagten habe. Die Fahrzeit im Fernverkehr zwischen Stuttgart und Ulm reduziere sich von 54 auf 28 Minuten. Flughafen und Landesmesse würden an die Strecke nach Ulm angebunden und seien von Ulm in 24 statt bisher 91 Minuten erreichbar. Unmittelbare positive Auswirkungen auf die gewerbliche Wirtschaft des Bezirks der Beklagten ergäben sich ferner daraus, dass die Unternehmen im Bezirk von der mehrjährigen Bauphase mittelbar und unmittelbar profitieren könnten. Das Gesamtprojektiv schaffe ein Investitionsvolumen von ca. 7 Milliarden Euro. Über die Bauphase hinaus sei dauerhaft mit einer Steigerung der Wirtschaftskraft des Bezirks und weit darüber hinaus zu rechnen. Für Baden-Württemberg werde insgesamt von einem Brutto-Wertschöpfungseffekt von rund 440 - 530 Millionen Euro pro Jahr gerechnet. Damit bestehe die Chance, Arbeitsplätze im Bezirk zu schaffen. Das Projekt betreffe daher unmittelbar die Verkehrspolitik und die Arbeitsmarktpolitik, letztlich aber die gesamte regionale Infrastruktur und damit die Sicherung und Verbesserung des Wirtschaftsstandortes insgesamt im Bezirk der Beklagten. Die von den Klägern beanstandeten Äußerungen einschließlich Plakat und Banner bezögen sich sämtlich auf die Unterstützung des Gesamtprojekts. Es handele sich um einzelne Aspekte der aus der Sicht der Beklagten für das Gesamtprojekt sprechenden Gründe. Entgegen der Darstellungen der Kläger dürften die Äußerungen nicht aus dem Gesamtzusammenhang gerissen werden. |
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| Es könne der Beklagten nicht verwehrt sein, die für das Projekt sprechenden Argumente zusammenzustellen. Dies gelte auch für das beanstandete, dass ein Scheitern des Gesamtprojekts die parlamentarische Demokratie auf den Kopf stellen würde. Die Beklagte dürfe sich auch an Adressaten außerhalb ihres Bezirks wenden, um etwa auf wirtschaftspolitische Entscheidungen auf Landes- oder Bundesebene einzuwirken. Für die Wirtschaft sei es von grundlegender Bedeutung, dass in einem demokratischen Prozess beschlossene Vorhaben mit verbindlichen Finanzierungsvereinbarungen auch realisiert würden. Aus dem Gesamtzusammenhang der Äußerungen der Beklagten ergebe sich, dass gerade die Realisierung des Gesamtprojekts von elementarer Bedeutung für die gewerbliche Wirtschaft ihres Bezirks sei. Der Text auf dem Plakat am Gebäude der Beklagten fasse nur die aus ihrer Sicht für das Gesamtprojekt sprechenden Argumente zusammen und verweise zudem auf die Homepage mit einer Vielzahl von Dokumenten mit für und gegen das Gesamtprojekt sprechenden Argumenten. Dies gelte erst recht für das Banner auf der Homepage. |
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| Die Äußerungen der Beklagten wahrten die erforderliche Objektivität. Eine Äußerung genüge nicht erst dann dem höchstmöglichen Maß an Objektivität, wenn sie sämtliche für und gegen ein Vorhaben sprechenden Interessen und Rechtspositionen i.S. einer allgemeinpolitischen, dem Gemeinwohl verpflichteten Diskussion oder gar in Form eines Planfeststellungsbeschlusses nachvollziehe. Die Forderung, ein planfestgestelltes Vorhaben umzusetzen, wahre in jedem Fall die gebotene Objektivität. Eine Verpflichtung der Beklagten, die im Rahmen des sogenannten Schlichtungsverfahrens von den Gegnern des Bahnprojekts genannten Argumente einzubeziehen, bestehe nicht. |
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| Die Beklagte habe sich mit den gegen das Gesamtprojekt vorgebrachten Argumenten, insbesondere mit dem von den Gegnern des Bahnprojekts Stuttgart 21 favorisierten Modell Kopfbahnhof 21 sowohl in der im schriftlichen Verfahren beschlossenen Entschließung der Vollversammlung und dem Beschluss der Vollversammlung vom 14.10.2010 als auch in den in die Homepage der Beklagten eingestellten Dokumenten auseinandergesetzt. Habe die Beklagte festgestellt, dass die Realisierung eines Vorhabens im gesamtwirtschaftlichen Interesse der Gewerbetreibenden ihres Bezirks liege, müsse es ihr möglich sein, dieses Ergebnis auf einem Plakat bzw. einem Internetbanner zu vertreten. |
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| Ob eine Äußerung der Industrie- und Handelskammer das höchstmögliche Maß an Objektivität walten lasse, könne nur aus dem Kontext einer Forderung oder Äußerung beurteilt werden. Daher müsse insoweit auch die Begründung mit herangezogen werden. Letzteres gelte auch bei der Beurteilung des „Wie“ der Äußerung. Ob eine Aussage polemisch überspitzt oder auf emotionalisierte Konfliktaustragung angelegt sei, erschließe sich nicht nur aus der Äußerung selbst, die aus dem Gesamtzusammenhang gerissen sei, vielmehr müsse die Äußerung in ihrem Kontext bewertet werden. Nach diesem Maßstab seien die Äußerungen der Beklagten nicht zu beanstanden. |
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| Bei der von den Klägern beanstandeten Äußerung, Ulm sei das Bollwerk für Stuttgart 21, handele es sich um eine bildhafte Sprache, die nicht die erforderliche Objektivität vermissen lasse. Dasselbe gelte für die Äußerungen auf Plakat und Banner und auch bei den Begriffen „Auf dem Acker enden“, „Schildbürgerstreich“ und „Auf den Kopf stellen“ handele es sich um eine bildhafte, nicht zu beanstandende Sprache. |
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| Die von der Beklagten zum Ausdruck gebrachte Befürchtung, die Magistrale für Europa könne an Ulm vorbeigeführt werden, wahre die erforderliche Objektivität. Gleiches gelte für die Äußerung, ohne das Teilprojekt Stuttgart 21 würde die Neubaustrecke von Ulm kommend in Wendlingen sprichwörtlich auf dem Acker enden. Dies entspreche der Realität, da die Neubaustrecke in Wendlingen ohne das Teilprojekt Stuttgart 21 keinen direkten Anschluss an den Flughafen Stuttgart bzw. die Landesmesse sowie den Hauptbahnhof Stuttgart hätte. Gleiches gelte für die Äußerung, es wäre ein Schildbürgerstreich, wenn Baden-Württemberg auf das Geld von Bund und Bahn verzichten würde, da es in diesem Fall in Bahnprojekte in andere Bundesländer fließen würde. Auch dies entspreche der Realität. Letzteres gelte auch für die Aussage, dass ein Scheitern des Bahnprojekts Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm die parlamentarische Demokratie auf den Kopf stellen würde. |
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| Unerfindlich sei, was an dem Satz „Zehntausende Bürgerinnen und Bürger sprechen sich mittlerweile lautstark dagegen aus, obwohl viele erkennbar nicht ausreichend informiert sind“, unzutreffend, polemisierend oder nicht objektiv sein solle. Die Aussage sei zutreffend. |
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| Nachdem die Vollversammlung der Beklagten im schriftlichen Verfahren im September 2010 und in der Sitzung am 14.10.2010 einstimmig beschlossen habe, das Bahnprojekt Stuttgart 21/Neubaustrecke Wendlingen-Ulm zu unterstützen, seien die Äußerungen der Beklagten unter Einhaltung des dafür vorgesehenen Verfahrens zustande gekommen. Der Auftrag der Vollversammlung sei durch Präsident und Hauptamt der Beklagten u.a. in Reden, Presseerklärungen, Dokumenten und dem Banner auf der Homepage sowie mittels des Plakats am Gebäude der Beklagten umgesetzt worden. |
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| Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze und im Übrigen auf die der Kammer vorliegende Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. |
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