Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 23. Apr. 2014 - 4 A 218/12
Gericht
Tenor
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger gesamtschuldnerisch zu 84 % und der Beklagte zu 16 %.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
- 1
Die Kläger fechten zwei Straßenbaubeitragsbescheide an.
- 2
Sie sind Miteigentümer zum einen des Hausgrundstücks gemäß Rubrumsadresse [H. Straße a], bestehend aus dem 798 m² großen Flurstück c, zum anderen des Hausgrundstücks in der H. Straße b, bestehend aus dem 544 m² großen Flurstück d, jeweils der Flur e, Gemarkung B.
- 3
Mit Zuwendungsbescheid des Wirtschaftsministeriums Mecklenburg-Vorpommern vom 29. November 2000 – auch als datierend vom 30. November 2000, offenbar dem Tag der persönlichen Überreichung des Bescheids durch den damaligen Wirtschaftsminister des Landes, zu finden - erhielt die Stadt im Rahmen des Vorhabens zur Erschließung des Industriestandorts „ehemalige Elbewerft“ u. a. für den „Straßenbau einschl. Beleuchtg. H. Str.“ Subventionen in Höhe von insgesamt (umgerechnet) fast 5 Mio. €. Mit den Zuwendungen bzw. Investitionen sollte nach Seite 3 des Bescheids u. a. die folgende Maßnahme realisiert werden:
- 4
„Erschließung des Industriestandortes der ehemaligen Elbewerft B. B-Plan Nr. 25.2 ‚südlich B5 alt – nördlich Hafen – westlich Altstadt-Werftgelände’ einschließlich:
- 5
- Ausbau der H. Straße im Rahmen der äußeren Erschließung auf einer Länge von 710 m …“
- 6
In einer Nebenbestimmung heißt es auf Seite 6 des Bescheids:
- 7
„Die bewilligte Zuwendung ist auf der Grundlage des Abs. 4 § 8 Kommunalabgabengesetz vorrangig zur Deckung des auf die begünstigten Beitragspflichtigen entfallenden Anteils am beitragsfähigen Aufwand zu verwenden.“
- 8
Bestandteil des Zuwendungsbescheids sind aufgrund dortiger ausdrücklicher Einbeziehung auch die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung an kommunale Körperschaften (ANBest-K).
- 9
In den folgenden Jahren ergingen Änderungsbescheide zu diesem Zuwendungsbescheid vom 19. Dezember 2001, 12. Juni 2003, 11. August 2003 und 23. Februar 2005, die die Subventionen auf nahezu 6,2 Mio. € erhöhten. Die vorstehend zitierte Nebenbestimmung blieb unangetastet.
- 10
Die H. Straße und die Straße „V.“ wurden in zwei Bauabschnitten in den Jahren 2000 – betreffend den Abschnitt „V.“ und ca. 85 m in die H. Straße hinein - und 2003 – betreffend den weiteren Bereich der H. Straße - in den Teileinrichtungen Fahrbahn, Gehweg, Radweg und Straßenbeleuchtung ausgebaut.
- 11
Die Schlussrechnung der beauftragten Baufirma vom 28. Juni 2002 ging bei der offenbar (u. a.) mit der örtlichen Bauüberwachung beauftragten Ingenieurgesellschaft für das Bauwesen Masuch + Olbrisch mbH am 1. Juli 2002 ein, die Schlussrechnung der Ingenieurgesellschaft vom 23. Juni 2003 beim Beklagten zu einem nicht aus den Verwaltungsvorgängen ersichtlichen Zeitpunkt.
- 12
Aufgrund des im Juli 2005 (mit Eingang letzter Unterlagen vom 18. Mai 2007) eingereichten Verwendungsnachweises der Stadt – so laut nachfolgendem Verwaltungsakt - erging der Bescheid des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Mecklenburg-Vorpommern vom 30. Mai 2007 „im Ergebnis der Verwendungsnachweisprüfung zum Zuwendungsbescheid vom 29.11.2000“ in der Fassung der genannten Änderungsbescheide für das Vorhaben „Erschließung Industriestandort ‚Ehemalige Elbewerft’“, der u. a. auch die Straßenbaumaßnahme „H. Str./V.“ betrifft, wie sich aus den Prüfanlagen 2 und 3 ergibt.
- 13
In der Stadt gibt es die Satzung über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau und Umbau von Straßen, Wegen und Plätzen vom 4. Dezember 2000, öffentlich bekannt gemacht in dem damaligen amtlichen Bekanntmachungsblatt der Stadt „B.er Express“ vom 14. Dezember 2000, und die 1. Änderungssatzung vom 27. September 2011, öffentlich bekannt gemacht im nach der entsprechend geänderten Hauptsatzung aktuellen amtlichen Bekanntmachungsblatt „Elbe Express“ wohl spätestens (Anfang) Oktober 2011.
- 14
Der Beklagte zog die Kläger für das Grundstück, Flurstück c der Flur e, Gemarkung B., mit Bescheid über die Erhebung eines Straßenausbaubeitrags vom 20. Oktober 2011, Az. 6020021300205-25, zu einer entsprechenden Abgabe in Höhe von 2.184,47 € und für das Grundstück, Flurstück d der Flur e, Gemarkung B., mit Bescheid über die Erhebung eines Straßenausbaubeitrags gleichen Datums, Az. 6020021300205-48, zu einer entsprechenden Abgabe in Höhe von 2.233,74 € heran.
- 15
Eine „G. Verwaltungsgesellschaft mbH“ legte im Namen und behaupteter Vollmacht der Kläger mit Schreiben vom 9. November 2011 Widerspruch gegen diese Bescheide ein; statt einer Unterschrift findet sich dort nur maschinenschriftlich der Name „R. R.“. Auf die darin enthaltene Begründung wird Bezug genommen.
- 16
Einen unter dem Aktenzeichen 4 B 900/11 am 19. Dezember 2011 (zunächst namens der Kläger von der „G. Verwaltungsgesellschaft mbH“) gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes haben die Kläger später zurückgenommen; das Eilverfahren wurde daraufhin mit Beschluss vom 6. Februar 2012 eingestellt.
- 17
Der Beklagte wies den Widerspruch gegen die beiden Heranziehungsbescheide mit Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2012, adressiert an die „G. Verwaltungsgesellschaft mbH“, zurück. Zur Begründung heißt es u. a., dass für den 1. Teil die Förderung durch das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz für den Straßenbau erfolgt sei, für den 2. Teil der H. Straße (ab Krankenhaus bis Bauende) sie die Förderung im Zuge der Sanierung des alten Werftgeländes durch das Wirtschaftsministerium (M-V) im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ vorgenommen worden. Die sachliche Beitragspflicht der gesamten Maßnahme sei erst nach Erhalt des Bescheids vom 30. Mai 2007 entstanden. Die beiden Straßenabschnitte erkenne der natürliche Betrachter als Einheit. Beide Straßenabschnitte hätten eine ineinander fließende Straßenfläche von 6,50 m Breite. Die Geh- und Radwege gingen in gleicher Breite über. Die Farbe sei in allen Teilen heidebraun.
- 18
Der Widerspruchsbescheid wurde am 12. Januar 2012 zugestellt.
- 19
Die Kläger haben am 10. Februar 2012 Klage erhoben.
- 20
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Beklagte den Straßenbaubeitragsbescheid vom 20. Oktober 2011 betreffend das Grundstück mit der postalischen Anschrift „H. Straße b“ reduziert auf die Festsetzung eines entsprechenden Beitrags in Höhe von 1.874,14 €, ebenso denjenigen gleichen Datums betreffend das Grundstück mit der postalischen Anschrift „H. Straße a“ auf die Festsetzung eines entsprechenden Beitrags in Höhe von 1.832,80 €. In diesem Umfang haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
- 21
Die Kläger tragen unter Bezug auf die Widerspruchsbegründung vor:
- 22
Die Beitragsansprüche seien verjährt. Diese Ansprüche seien mit Bezahlung der letzten Rechnung Ende des Jahres 2002 entstanden. Die Festsetzungsfrist sei mit Ablauf des Jahres 2006 zu Ende gewesen; zum 1. Januar 2007 sei Festsetzungsverjährung eingetreten.
- 23
Es sei nicht zulässig, durch Zusammenlegung der Straßen „H. Straße“ und „V.“ eine Straßenbaumaßnahme herzustellen. Beide Straßenzüge stellten für sich jeweils ein Abrechnungsgebiet dar. Eine Zusammenlegung dieser beiden Straßenzüge sei nicht zu begründen. Es liege auch kein Beschluss des Gremiums vor, dass beide getrennten Abrechnungsgebiete zu einer Abrechnungseinheit zusammengeführt würden. Eine Abschnittsbildung sei ebenfalls von dem zuständigen Gremium nicht beschlossen worden.
- 24
Die Kläger beantragen (bei der Klägerin zu 2 sinngemäß),
- 25
die Bescheide über die Erhebung eines Straßenausbaubeitrags vom 20. Oktober 2011, Az. 6020021300205-25 und 6020021300205-48, und den Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2012 in der Fassung der erfolgten Reduzierung aufzuheben.
- 26
Der Beklagte beantragt,
- 27
die Klage abzuweisen,
- 28
und verweist insoweit auf seine Begründung im Widerspruchsbescheid; im Übrigen trägt er vor:
- 29
Im Jahre 2004 oder erst 2005 sei der gesamte Bereich der Erschließung der ehemaligen Elbewerft, einschließlich der inneren Erschließung, abgeschlossen worden. Erst danach habe der Verwendungsnachweis erstellt werden können.
- 30
Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 21. Januar 2014 zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen. Wegen des Ergebnisses der Inaugenscheinnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung sowie die gefertigten Fotos Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
- 31
Das Gericht konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Klägerin zu 2 weder erschienen noch sich hat vertreten lassen. Namentlich ist auch eine „automatische“ Vertretung der Ehefrau durch ihren Ehemann, den Kläger zu 1, gesetzlich nicht vorgesehen. Darauf, dass bei Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, war in der ordnungsgemäßen Ladung hingewiesen worden, § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
- 32
Soweit die Beteiligten aufgrund der Beitragsreduzierung in beiden Bescheiden den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Obwohl durch die nicht anwesende Klägerin zu 2 nicht erklärt, geht das Gericht davon aus, dass auch sie diese erforderliche Prozesserklärung konkludent mit derjenigen des Klägers zu 1 abgegeben hat.
- 33
Die verbleibende Klage hat keinen Erfolg.
- 34
Dabei lässt das Gericht unbeantwortet, ob die Sachbescheidung eines unzulässigen Widerspruchs gegen die angefochtenen Beitragsbescheide im Widerspruchsbescheid den Eintritt der Unanfechtbarkeit der Verwaltungsakte hat verhindern können und damit auch der prozessualen Zulässigkeit der Anfechtungsklage nicht entgegen steht.
- 35
Zweifel an der Zulässigkeit des Widerspruchs ergeben sich nicht nur aus der nicht vorgelegten bzw. nachgewiesenen Vollmacht der Kläger für die „G. Verwaltungsgesellschaft mbH“ und/oder Herrn R., sondern vor allem aus der fehlenden handschriftlichen Unterzeichnung des Widerspruchsschreibens (vgl. dazu etwa Geis, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 3. Aufl. 2010, § 70 Rn. 5; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 70 Rn. 2, jeweils m. w. N.).
- 36
Ob die Sachherrschaft der Widerspruchsbehörde, die – wie hier – den Widerspruch gegen Verwaltungsakte ohne Drittwirkung sachlich entscheidet und sich nicht auf die (wohl nicht erkannte) Unzulässigkeit beruft, auch die Klagemöglichkeit eröffnen kann, wenn kein „nur“ fristüberschreitender (dazu etwa BVerwG, Urt. v. 28. Oktober 1982 – 2 C 4/80 –, NVwZ 1983, 608 = juris; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urt. v. 14. Oktober 1991 – 8 S 623/91 –, juris), sondern vielmehr ein aus den vorliegenden (anderen) Gründen „eigentlich“ unzulässiger Widerspruch vorliegt, erscheint dem Gericht zwar zweifelhaft, kann jedoch letztlich unbeantwortet bleiben, da die Klage jedenfalls unbegründet ist.
- 37
Der jeweilige Straßenbaubeitragsbescheid des Beklagten vom 20. Oktober 2011, Az. 6020021300205-25 und 6020021300205-48, und sein Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2012 sind in der Fassung der erfolgten Beitragsreduzierung rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
- 38
I. Rechtsgrundlage für die beiden Beitragsbescheide ist die Satzung der beklagten Stadt über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau und Umbau von Straßen, Wegen und Plätzen vom 4. Dezember 2000 in der Fassung der – wenn nicht schon vor Erlass der Bescheide, so doch jedenfalls im Laufe des Vorverfahrens getroffenen – 1. Änderungssatzung vom 27. September 2011. Mit Letzterer wurde die Satzung gesetzeskonform (vgl. § 7 Abs. 2 des Kommunalabgabengesetzes M-V – KAG M-V - in der Fassung des 1. Änderungsgesetzes vom 14. März 2005) gemacht, in dem der in der Satzung aus dem Jahre 2000 noch genannte dingliche Grundstücksnutzungsberechtigte aus dem Kreis der Beitragspflichtigen herausgenommen und auch im Übrigen der Gebäudeeigentümer nach der einschlägigen bundesgesetzlichen Norm benannt wird. Die Überschreitung der Anpassungsfrist nach § 22 Abs. 2 Satz 2 KAG M-V, wonach dem neuen Kommunalabgabengesetz entgegen stehende Satzungen bis zum 1. Januar 2007 dem geänderten Recht anzupassen waren, ist dabei unschädlich. Selbst wenn dies anders zu beurteilen sein sollte, wäre die Satzung nur teilnichtig und diese Teilnichtigkeit im Falle der Kläger als Grundstückseigentümer nicht einschlägig.
- 39
Die Voraussetzungen zur straßenbaubeitragsrechtlichen Inanspruchnahme der Kläger für ihre beiden Grundstücke, die an der H. Straße liegen, sind erfüllt.
- 40
Nachdem der Beklagte durch die Änderung der Straßenbaubeitragsbescheide in der mündlichen Verhandlung seine Sichtweise korrigiert hat, zur Straßenanlage gehöre auch der nördlich abzweigende Teil der öffentlichen Straße „V.“, hat das Gericht keine Bedenken gegen die Annahme, dass die hier abgerechnete Anlage sowohl aus der H. Straße bis zum westlichen Ausbauende und dem im östlichen Bereich verlaufenden Kreuzungsbereich einschließlich des sich in südöstlicher Richtung anschließenden Teils der dort so bezeichneten Straße „V.“ besteht.
- 41
Für die Bestimmung der Anlage ist grundsätzlich die natürliche Betrachtungsweise eines Unbefangenen maßgebend, wobei auf das Erscheinungsbild der Verkehrsanlage nach dem Ausbau abzustellen ist (vgl. Holz, in: Aussprung/Siemers/Holz, Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern, Stand: September 2012, § 8 Anm. 1.1.3 S. 21 m. w. N., und Aussprung, a. a. O., § 2 Rn. 4.7 m. w. N.; Driehaus, in: ders. [Hrsg.], Kommunalabgabenrecht, Stand: September 2013, § 8 Rn. 91, 97b m. w. N.).
- 42
Einem natürlichen Betrachter vermittelt nach der Ausbaumaßnahme insbesondere die Kreuzung nicht den „trennenden“ Eindruck, dass der nachfolgende südöstliche Teil, der insoweit den Straßennamen „V.“ trägt, eine eigenständige, namentlich von der „H. Straße“ zu unterscheidende öffentliche Straßeneinrichtung darstellt. Straßenbezeichnungen sind bei dieser Einschätzung ohnehin grundsätzlich ebenso unmaßgeblich wie die straßenverkehrsrechtliche Einordnung etwa von Vorfahrtsstraßen (Holz, a. a. O., S. 21 f. m. w. N.). Auch das Ende der ausgebauten Anlage in diesem Bereich der so bezeichneten Straße „V.“ ist bei natürlicher Betrachtung durch die Änderung des Fahrbahnaufbaus von der Asphaltierung hin zur Pflasterung und die mindestens farblich geänderte Gehwegpflasterung deutlich erkennbar.
- 43
Bedenken gegen die Beitragskalkulation gemäß der Alternativberechnung des Beklagten und den Kreis und Umfang der beitragsfähigen Grundstücke (Verteilung des umlagefähigen Aufwands) entlang der Anlage machen die Kläger nicht geltend und sind auch für das Gericht nicht offenkundig. Insofern sieht das Gericht keine Veranlassung, von Amts wegen die Kalkulation des Beitragssatzes bzw. die Verteilung des Aufwands „von vorn bis hinten“ eigenständig auf mögliche Fehler zu untersuchen. Gerade auch im Abgabenrecht ist trotz Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO keine „ungefragte“ Fehlersuche angebracht (vgl. BVerwG, Urt. v. 17. April 2002 – 9 CN 1/01 –, BVerwGE 116, 188-197 = juris, Rn. 43 f.; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschl. v. 31. Januar 2013 – 5 C 1850/10.N –, juris, Rn. 28; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urt. v. 21. November 2012 – OVG 9 B 13.12 –, juris, Rn. 19; Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Urt. v. 4. Juli 2012 – 5 C 34/09 –, juris, Rn. 157; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 18. Mai 2011 – OVG 9 N 62.09, OVG 9 NOVG 9 N 63.09 –, juris, Rn. 6; Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschlüsse v. 2. März 2010 – 4 L 199/09 und 4 L 4 L 200/09 –, jeweils juris, Rn. 6; Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Urt. v. 8. April 2009 – 5 D 32/07 –, juris, Rn. 91), jedenfalls, wenn Bedenken vom Kläger nicht erhoben worden sind (so Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 25. Oktober 2012 – 9 A 2054/07 –, juris, Rn. 72, Beschlüsse v. 4. Mai 2012 – 9 A 2065/10 und 9 A 2079 A 2071/10 –, juris, Rn. 28 bzw. 29 des jeweiligen Beschlusses) bzw. nicht ansatzweise substantiiert werden oder solche Fehler nicht offenkundig sind bzw. auf der Hand liegen.
- 44
Das für die Kläger offenbar tragende Argument ihres Angriffs gegen die Straßenbaubeitragsbescheide ist vor allem dasjenige einer eingetretenen Festsetzungsverjährung. Dieser Einwand trifft jedoch nicht zu.
- 45
Die Frist zur Festsetzung einer kommunalen Abgabe (Festsetzungsverjährung) beträgt vier Jahre, § 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V, und beginnt erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die sachliche Beitragspflicht entstanden ist, zu laufen, § 12 Abs. 1 KAG M-V i. V. m. § 170 Abs. 1 der Abgabenordnung. Das abstrakte Abgabenschuldverhältnis, aufgrund dessen die Abgabe erhoben werden darf, wird auch im Straßenbeitragsrecht erst durch die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht begründet (vgl. etwa Holz, a. a. O., § 8 Anm. 1.7 S. 219).
- 46
Insofern ist § 8 Abs. 5 KAG M-V allerdings missverständlich formuliert, wenn es dort heißt:
- 47
„Die sachliche Beitragspflicht entsteht mit der endgültigen Herstellung der Einrichtung …; in den Fällen der Anschaffung entsteht die sachliche Beitragspflicht, sobald der gesamte Anschaffungsaufwand geleistet wurde.“
- 48
Dies ist nicht etwa wortwörtlich als abschließende Regelung des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht im Straßenbaubeitragsrecht zu verstehen, sondern vielmehr als eine Voraussetzung neben anderen (ungeschriebenen), die in der abgabenrechtlichen Rechtsprechung auch in Mecklenburg-Vorpommern für die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht im Straßenbaubeitragsrecht gelten. Zulässig erschiene insoweit auch eine entsprechende Interpretation des Begriffs der „endgültigen Herstellung der Einrichtung“ jenseits des tatsächlichen Abschlusses (und der Abnahme) der Straßenbaumaßnahme.
- 49
Die Kläger verkennen insoweit, dass nach der Rechtsprechung öffentliche Fördermittel, die (auch) der Entlastung der Beitragspflichtigen dienen, den Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht hinausschieben können, mag die letzte Unternehmerrechnung – übrigens auch eine ungeschriebene Voraussetzung - auch bereits seit längerem bei der Behörde eingegangen und mögen auch die weiteren „regelmäßigen“ Entstehungsvoraussetzungen seit geraumer Zeit erfüllt sein.
- 50
Dazu hat das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern etwa im Beschluss (über die – abgelehnte - Zulassung der Berufung) vom 15. Oktober 2008 (1 L 104/05, S. 4 ff. des amtlichen Umdrucks) Folgendes ausgeführt:
- 51
„… Es ist in der Rechtsprechung insbesondere des Senats geklärt, dass es über die in § 8 Abs. 7 KAG a. F. und vergleichbaren Vorschriften anderer Bundesländer unmittelbar bzw. ausdrücklich im Gesetz genannten Tatbestandsmerkmale hinausgehende – teilweise ungeschriebene – Tatbestandsmerkmale geben kann und gibt, die verwirklicht werden müssen, damit die sachliche Beitragspflicht entsteht. So kann etwa im Ortsrecht ein entsprechendes zusätzliches Merkmal gefordert werden (z. B.: Vorliegen eines Revisionsschachtes, vgl. dazu OVG Greifswald, Beschl. v. 30.08.2005 - 1 L 231/05 -; Genehmigung des Anschlusses oder seiner Änderung durch die Gemeinde …, bei einer Straßenbaubeitragssatzung der Grunderwerb als Herstellungsmerkmal …, ferner – ungeschrieben - das Vorliegen der letzten Unternehmerrechnung, vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 05.01.2006 – 1 O 121/05 -; Urt. v. 09.06.1999 – 1 L 307/98 -, NordÖR 2000, 313 …).
- 52
Erhält eine Gemeinde öffentliche Fördermittel, die - auch - der Entlastung der Beitragspflichtigen dienen sollen, so hat der Senat im Bereich des Erschließungsbeitragsrechts bereits entschieden, dass die sachliche Beitragspflicht erst entsteht, wenn der - maßgebliche - umlagefähige Aufwand bestimmt werden kann, also erst, wenn der Zuschussgeber im Ergebnis der Verwendungsnachweisprüfung die endgültige Zuschusshöhe mitgeteilt hat (Beschluss vom 07. Oktober 2003 – 1 M 34/03 -, juris; zustimmend Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Aufl., § 19 Rn. 8). Dies gilt nach der Senatsrechtsprechung unter der Geltung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. auch im Bereich des Anschlussbeitragsrechts für den Fall, dass Fördermittel, die nach den Bestimmungen des Zuschussgebers der Entlastung eines bestimmten Kreises von Beitragspflichtigen dienen sollen, bei der Beitragsfestsetzung gegenüber den Begünstigten berücksichtigt werden müssen (Urt. v. 02.11.2005 – 1 L 105/05 -, NordÖR 2006, 157).
- 53
Damit sachliche Beitragspflichten sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach voll ausgebildet entstehen können, muss der entstandene umlagefähige Aufwand ermittlungsfähig sein. Dies gilt als grundlegendes Prinzip sowohl für das Erschließungs- als auch das Ausbaubeitragsrecht. Ist nun … der Kreis der förderungsfähigen Grundstücke beschränkt und dürfen nach Maßgabe des Zuwendungsbescheids ‚in Höhe des gewährten Zuschusses die Investitionsausgaben n i c h t auf die begünstigten, beitragspflichtigen Anlieger umgelegt werden …’, so steht der auf das konkret begünstigte Grundstück entfallende Betrag der Höhe nach erst fest, wenn die Höhe der Zuwendung endgültig bestimmt ist. Sollen … Fördermittel eine anderweitige Deckung und damit eine Entlastung der Beitragspflichtigen bewirken, hängt von ihrer endgültigen Höhe die Höhe des umlagefähigen Aufwands und in der Folge die Höhe der auf die einzelnen bevorteilten Grundstücke entfallenden Beitragsbeträge ab. Deshalb ist in diesen Fällen der umlagefähige Aufwand erst mit Eingang der Mitteilung der endgültigen Zuschusshöhe durch den Zuschussgeber ermittlungsfähig und können folglich die sachlichen Beitragspflichten in der Höhe voll ausgebildet erst in diesem Zeitpunkt entstehen (vgl. zum Ganzen OVG Greifswald, Urt. v. 02.11.2005 - 1 L 105/05 -, NordÖR 2006, 157) ....“
- 54
Diesen Ausführungen schließt sich das Gericht an und ergänzt, dass diese Rechtslage auch unter der hier maßgeblichen Geltung des § 8 Abs. 2 Satz 3 KAG M-V, der im Übrigen vom Wortlaut auch mit der Vorgängerregelung des § 8 Abs. 4 KAG übereinstimmt, weiterhin so zu beurteilen ist (vgl. dazu auch etwa Holz, a. a. O., § 8 Anm. 1.7 S. 222 und Anm. 1.5.3.2).
- 55
Zwar hindern die offenbar ebenfalls gewährten Fördermittel nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz – so laut Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2012 – für den 1. Teil des Straßenbaus nicht die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht, weil diese Zuwendungen allein der Deckung des gemeindlichen Anteils sowie etwaiger nicht beitragsfähiger Kosten dienen, nicht aber den Straßenbaubeitragspflichtigen zugute kommen sollen (vgl. Holz, a. a. O., § 8 Anm. 1.5.3.2 S. 142 u. Anm. 1.7 S. 222); insoweit besteht keine Unsicherheit über die Höhe des umlagefähigen Aufwands, deren Beseitigung es abzuwarten gilt (vgl. Driehaus, a. a. O., § 8 Rn. 490d m. w. N.).
- 56
Anders verhält es sich aber bei den weiter bewilligten Zuwendungen des Wirtschaftsministeriums Mecklenburg-Vorpommern mit Bescheid vom 29. (oder 30.) November 2000 und den ergangenen Änderungsbescheiden, in denen kraft ausdrücklicher (Neben-)Bestimmung – damals noch auf der Grundlage des alten § 8 Abs. 4 KAG – verlangt wird, dass die bewilligte Zuwendung vorrangig zur Deckung des auf die begünstigten Beitragspflichtigen entfallenden Anteils am beitragsfähigen Aufwand zu verwenden war (vgl. Driehaus, a. a. O., § 8 Rn. 490d). Aus der Einbeziehung der damals noch geltenden Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung an kommunale Körperschaften wird hinreichend deutlich, dass das Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern als Zuwendungsgeber – im Übrigen entsprechend einer gerichtsbekannten Praxis – die endgültige Höhe der Zuwendungen vom Ergebnis der Prüfung des vom Zuwendungsempfänger nach Abschluss der Fördermaßnahme einzureichenden Verwendungsnachweises abhängig macht und insbesondere etwa danach „zu viel“ erhaltene Subventionen zurückfordert. Insoweit kann die sachliche Beitragspflicht für eine so geförderte Straßenbaumaßnahme erst entstehen, wenn die Bewilligungsbehörde abschließend die Verwendung der Zuwendungen überprüft und ggf. die Zuwendungshöhe korrigiert hat. Erst dann steht fest, in welchem Umfang die (verbleibenden) Zuwendungen zur Verminderung des Straßenbaubeitrags für die Beitragspflichtigen führen, wie hoch also der umlagefähige Aufwand nach Abzug der (nunmehr endgültigen) Zuwendungen ist. Da dies vorliegend erst mit dem Bescheid des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Mecklenburg-Vorpommern vom 30. Mai 2007 geschehen ist, konnte auch erst in diesem Zeitpunkt die sachliche Beitragspflicht für die vorliegende Straßenbaumaßnahme entstehen. Die Festsetzungsfrist begann insoweit mit Ablauf des Kalenderjahres 2007 und ist erst mit Ablauf des Kalenderjahres 2011 zu Ende gegangen. In diesem Zeitfenster liegen die angefochtenen Straßenbaubeitragsbescheide vom 20. Oktober 2011.
- 57
Die aus der Sicht der Kläger späte Beitragserhebung bzw. das Entstehen der persönlichen Beitragspflicht verstößt im Weiteren nicht (vor Ablauf dieser gesetzlichen Frist) gegen den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben entsprechend § 242 BGB; hier liegt weder ein Rechtsmissbrauch (vgl. Driehaus, a. a. O., § 8 Rn. 487a u. 497, jeweils m. w. N.) noch eine Verwirkung vor.
- 58
Der Beklagte hat dargelegt, dass er den Verwendungsnachweis erst nach vollständigem Abschluss der (inneren und äußeren) Erschließung des Industriestandorts „ehemalige Elbewerft“ – nach der Erinnerung der zuständigen Mitarbeiterin im Jahre 2004 oder erst im Jahre 2005 - an das Wirtschaftsministerium senden konnte. Dies ist vor dem Hintergrund der erst dann vollständig prüffähigen Ausgaben nachvollziehbar, denn die Zuwendungen wurden nicht ausschließlich für die hier abgerechnete und insoweit wohl schon lange beendeten Straßenbaumaßnahme bewilligt, sondern für ein viel größeres Vorhaben „rund“ um das und auf dem Gelände der ehemaligen Elbewerft. Ebenso entspricht es dann dem – gerichtsbekannten - nicht unüblichen Verfahren der Verwendungsnachweisprüfung, dass mit oder ohne Aufforderung des Zuwendungsgebers im Laufe dieser Prüfung noch weitere Belege zum Verwendungsnachweis nachgereicht werden (hier laut den Angaben im Bescheid des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Mecklenburg-Vorpommern vom 30. Mai 2007 letztmalig Unterlagen vom 18. Mai 2007).
- 59
Soweit der Beklagte auch danach nicht unverzüglich die Beitragserhebung vorgenommen, sondern vielmehr erst nahezu zum Ende der Festsetzungsverjährungsfrist hin – hier allerdings immerhin noch etwas über zwei Monate davor - tätig geworden ist, ist auch dies nicht zu beanstanden. Fristen können nicht nur von Bürgern, sondern auch von Behörden voll ausgeschöpft werden und verlören andernfalls ihren Sinn, wenn etwa bei einer Behörde eine Abgabenerhebung nur am Anfang, bis zur „Mitte“ oder bis zum Ablauf von 2/3 der Frist usw. möglich sein sollte. Bürger wie Behörden trifft insofern lediglich eine erhöhte Sorgfaltspflicht und ein entsprechendes Risiko, dass bei Handeln erst kurz vor Ablauf der Frist die „fristgebundene“ Erklärung/Bescheidung noch rechtzeitig vorher den Empfänger erreicht. Gegen Treu und Glauben verstößt dies aber nicht.
- 60
Auch behördliche (Verwirkungs-)Handlungen, die von den Grundstücksanliegern so hätten verstanden werden können, dass der Beklagte keine Straßenbaubeiträge ihnen gegenüber geltend machen wird, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
- 61
Schließlich hat das Gericht keine verfassungsrechtlichen, aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 des Grundgesetzes abgeleiteten Bedenken zur Begrenzung des Zeitraums zwischen Eintritt der Vorteilslage und Beitragserhebung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, BGBl. I S. 820, und Beschl. v. 3. Sept. 2013 – 1 BvR 1282/13 -, juris; vgl. dazu etwa Driehaus, a. a. O., § 8 Rn. 487b ff.), die zu einer Vorlageentscheidung führen müssten, zumal hier zwischen tatsächlichem Ende der Straßenbaumaßnahme bzw. tatsächlich ungehinderter Nutzungsmöglichkeit der Straßenanlage als möglichem Anknüpfungspunkt und Heranziehung zu Straßenbaubeiträgen weniger als zehn Jahre liegen.
- 62
Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlagen in den §§ 161 Abs. 2, 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO. Soweit es den für erledigt erklärten Teil der Klage betrifft, trägt der Beklagte diese Kosten des Verfahrens, da er sich im Umfang der teilweisen Aufhebung der beiden Straßenbaubeitragsbescheide in die Rolle des Unterlegenen begeben hat, ohne dass dies aus Gründen geschehen ist, die im Bereich der Kläger liegen und von ihnen zu vertreten wären. Da die Kläger im Übrigen unterliegen, war eine Kostenquote zu bilden.
- 63
Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit fußen in § 167 VwGO i. V. m. §§ 709 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
moreResultsText
Annotations
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.
(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.
(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.
(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.
(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.
(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.
(2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn
- 1.
eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt, - 2.
eine Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu zahlen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem für den Steuerfall Steuerzeichen oder Steuerstempler verwendet worden sind, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuerzeichen oder Steuerstempler hätten verwendet werden müssen.
(3) Wird eine Steuer oder eine Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung dieser Festsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag gestellt wird.
(4) Wird durch Anwendung des Absatzes 2 Nr. 1 auf die Vermögensteuer oder die Grundsteuer der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.
(5) Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2
- 1.
bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat, - 2.
bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat, - 3.
bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.
(6) Für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die
- 1.
aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und - 2.
nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden,
(7) Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die in Zusammenhang stehen mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen oder auf andere Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.
(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.
(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.