Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 07. März 2016 - 4 A 152/15
Tenor
Soweit die Klage zurückgenommen worden ist, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
Tatbestand
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Die Kläger begehren nunmehr letztlich die teilweise Erstattung eines gezahlten Schmutzwasseranschlussbeitrags, der von der Beklagten aufgrund eines damals höheren Beitragssatzes in einem seit langem bestandskräftigen Bescheid verlangt worden war.
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Roswitha B. war am 1. Juli 1992 im Grundbuch von B-Stadt, Blatt k, eingetragene Eigentümerin des damals bereits bebauten Grundstücks, bestehend aus dem 2.498 m² großen Flurstück x der Flur w, Gemarkung B-Stadt. Mit – nicht vorliegendem – Grundstückskaufvertrag vom 6. Februar 1997 verkaufte sie mit Zustimmung ihres Ehemanns Siegfried B. – die Eltern des Klägers zu 2 bzw. Schwiegereltern der Klägerin zu 1 - das daraufhin herausparzellierte Flurstück z mit einer Fläche von 888 m² an die Kläger. Ende November 1998 erfolgte die Auflassung für dieses Grundstück, das nach der notariellen Urkunde auch das herrschende Grundstück gegenüber dem dienenden Grundstück Flurstück y (1.610 m²) im Sinne des Grundstückskaufvertrags sein soll. Die Kläger sind daraufhin je zu ½ als Eigentümer des Grundstücks Flurstück z im Grundbuch von B-Stadt, Blatt l, eingetragen worden (bei Neufassung der Abteilung ohne Eigentumswechsel am 24. Januar 2006 eingetragen).
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Für das Grundstück Flurstück z (Grundbuchblatt k) ist im Zeitpunkt der Neufassung der Abteilung ohne Eigentumswechsel am 24. Januar 2006 als Eigentümer der Kläger zu 2 eingetragen.
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Mit sog. endgültigen Beitragsbescheid vom 4. Januar 2001 (Az. A 52/2001) für den Anschluss an die Schmutzwasserbeseitigung betreffend das Grundstück in B-Stadt, Flurstück y der Flur w, Gemarkung B-Stadt, mit einer Grundstücksfläche von 1.610 m² setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger zu 2 einen Beitrag in Höhe von 13.968 DM (entspricht 7.142,72 €) fest. Zugrunde gelegt wurden dabei unter Hinweis auf den Beschluss der Vorstandssitzung vom 17. März 1999 – VS 01/99 - 1.600 m² und ein Beitragssatz von 8,73 DM/m² (entspricht 4,46 €/m²).
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Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Anschlussbeitrag gezahlt wurde.
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Anfang des Jahres 2013 stellte die Beklagte nach eigenem Bekunden fest, dass auch das Grundstück in B-Stadt Flurstück z der Flur w, Gemarkung B-Stadt, an das öffentliche Schmutzwassernetz angeschlossen ist. Daraufhin setzte sie mit Bescheid über den Anschaffungs- und Herstellungsbeitrag Schmutzwasser vom 5. März 2013, Bescheidnummer S2013000190, gegenüber den Klägern für dieses Grundstück einen entsprechenden Beitrag in Höhe von 2.752,80 € fest; der Beitragssatz betrug 3,10 €/m².
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In dem dagegen binnen Monatsfrist erhobenen Widerspruch trugen die Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 25. März 2013 u. a. vor, dass der Bescheid vom „02.01.2001“, mit dem ein Anschlussbeitrag für das Grundstück Flurstück y gefordert und von den Klägern auch bezahlt worden sei, rechtsunwirksam gewesen sei. Er habe auf einer nichtigen Satzung des Zweckverbands basiert. Auch wegen des geänderten Beitragssatzes von heute 3,10 €/m² zu damals 8,73 DM/m² stelle sich der damalige Bescheid als rechtswidrig dar. Er sei nachträglich aufzuheben. Es werde vorgeschlagen, so zu verfahren und für das Grundstück Flurstück y einen neuen Schmutzwasseranschlussbeitragsbescheid zu erlassen. Dann wären die im Jahre 2001 verzinst gezahlten Beträge auf den neuen Beitrag für das Grundstück Flurstück y zu verrechnen, ebenso der überschießende Betrag auf die Forderung aus dem Beitragsbescheid vom 5. März 2013.
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Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14. August 2013 zurück. Soweit hier von Interesse, teilte sie in der Begründung mit, eine Verrechnung der Beitragsschuld aus dem angegriffenen Bescheid und dem bereits gezahlten Beitrag für das Grundstück Flurstück y werde nicht erfolgen. Der Bescheid A 52/2001 sei bestandskräftig. Die Kläger hätten den Beitrag auf der Grundlage der damals angewandten Satzung nach Abschluss eines Vergleichs über die Zahlungsmodalität gezahlt. Der bestandskräftige Bescheid könne mit rechtlichen Mitteln nur noch im Fall behördlicher Willkür angefochten werden. Dafür bestünden keine Anhaltspunkte. Die Verbandsversammlung habe den Schmutzwasserbeitrag in der den Klägern bekannten Höhe neu festgelegt und dabei zugleich entschieden, dass „Altbescheide“ nicht geändert werden sollten, sondern bestandskräftige Bescheide beibehalten würden. Dies liege in ihrem Ermessen und sei eine Frage der Rechtssicherheit, die der Gesetzgeber grundsätzlich wolle. Die seinerzeit vereinnahmten Mittel seien auch eingeplant und könnten nur durch Aufnahme eines Kredits, dessen Zinsen wiederum den Haushalt belasten und sich auf die Gebührenhöhe auswirken würden, ausgezahlt werden. Die Situation eines Härtefalls durch besondere Zahlungsschwierigkeiten oder ein schlechterdings unerträgliches Missverhältnis zwischen dem bezahlten und aktuellen Schmutzwasserbeitrag sei zudem nicht ersichtlich.
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Binnen Monatsfrist nach Zustellung des Widerspruchsbescheids haben die Kläger gegen den Beitragsbescheid vom 5. März 2013 unter dem Aktenzeichen 4 A 1422/13 Klage eingereicht, dessen Ruhen das Gericht mit Beschluss vom 18. Juni 2015 angeordnet hat.
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Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 28. Oktober 2013, eingegangen am gleichen Tag per Telefax, haben die Kläger auch die Verurteilung der Beklagten zur Rückzahlung von 4.388,92 € beantragt. Diese Klage hat das Gericht mit Beschluss vom 13. Januar 2015 vom Verfahren getrennt, das nunmehr unter dem vorliegenden Aktenzeichen fortgeführt wird.
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Die Kläger tragen vor:
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Zur Aktivlegitimation der Klägerin zu 1 werde darauf hingewiesen, dass der damals für das Grundstück Flurstück y geleistete Beitrag vom gemeinsamen Bankkonto der Eheleute, die im rechtlichen Stand der Zugewinngemeinschaft leben würden, überwiesen worden sei.
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Eigentümer des Grundstücks Flurstück x sei der Vater des Klägers zu 2 gewesen, der im Dezember 1998 verstorben sei. Die Erbengemeinschaft habe das Eigentum an diesem Grundstück, nunmehr bestehend aus dem Flurstück y, auf den Kläger zu 2 übertragen.
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Die Kläger seien seit vor der Jahrtausendwende Eigentümer des „streitgegenständlichen Grundstücks“.
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Die Beklagte habe vor diesem Hintergrund mit dem „Gebührenbescheid“ (gemeint ist offenkundig der Beitragsbescheid vom 5. März 2013) nicht zum ersten Mal „Gebühren“ (gemeint sind offenbar Beiträge) für den Herstellungsbeitrag Schmutzwasser gegenüber ihnen abgerechnet. Es werde auf den Beitragsbescheid vom 4. Januar 2001 hingewiesen, der sich auf die Beitragssatzung Schmutzwasser des Zweckverbands vom 18. Oktober 2000 gestützt habe. Diese Satzung sei vom Verwaltungsgericht für nichtig erklärt worden.
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Die Beklagte könne keine weiteren Herstellungsbeiträge in Höhe von 2.752,80 € ihnen, den Klägern, gegenüber festsetzen. Denn sie habe bereits auf der Grundlage einer Schmutzwassersatzung 7.141,72 € für das „streitgegenständliche Grundstück“ als Herstellungsbeitrag Schmutzwasser festgesetzt und diesen Betrag auch vereinnahmt.
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Infolgedessen hätte die Beklagte hier zwar auf der Grundlage der nunmehr rechtskonformen Schmutzwassersatzung einen „Gebührenbescheid“ ihnen gegenüber erlassen können, jedoch die 2001 geleistete Zahlung verrechnen müssen.
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Die Argumentation der Beklagten hinsichtlich der Bestandskraft des damaligen Beitragsbescheids vom 4. Januar 2001 gehe ins Leere. Eine Bestandskraft könne hier nicht gegeben sein, da der „Gebührenbescheid“ vom 4. Januar 2001 gemäß § 44 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nichtig sei. Die damalige Beitragssatzung Schmutzwasser habe u. a. an dem erheblichen Mangel gelitten, dass die beitragspflichtige Grundstücksfläche einfach nach der Grundstücksgröße festgesetzt worden sei, und dies ganz unabhängig davon, ob das Grundstück im Innenbereich einer Ortschaft oder weit überwiegend im baurechtlichen Außenbereich liege. Vor diesem Hintergrund habe die Beklagte in dem Bescheid vom 4. Januar 2001 auch eine Grundstücksfläche von 1.600 m² als beitragspflichtig angesetzt, nunmehr jedoch mit Bescheid vom 5. März 2013 nur noch 888 m², mithin nahezu die Hälfte der Quadratmeter als beitragspflichtig eingestuft. Es handele sich hierbei um einen offensichtlichen rechtlichen Fehler der Satzung, der im Ergebnis zu deren Nichtigkeit geführt habe.
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Aufgrund der Tatsache, dass der „Gebührenbescheid“ vom 4. Januar 2001 jedoch primär aufgrund der zu hoch angesetzten Grundstücksfläche zu der erheblich höheren Beitragsfestsetzung geführt habe, als dies nach der aktuellen Satzung der Fall sei, leide auch der Beitragsbescheid vom 4. Januar 2001 unter einem offensichtlichen Mangel i.S. des § 44 Abs. 1 VwVfG.
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Er, der Kläger, habe zwar den auf den Bescheid vom 4. Januar 2001 gezahlten Beitrag nicht allein für jenes Grundstück gezahlt, für welches nunmehr die Beklagte erneut Beitragsforderungen erhebe. Er habe den Gesamtbetrag auf einen Bescheid der Beklagten geleistet, der sich aufgrund der nichtigen Beitragssatzung ebenfalls als nichtig darstelle.
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Ist dieses der Falle, so habe er, der Kläger, auch hinsichtlich der Beitragsleistungen für das zweite Grundstück einen Rückerstattungsanspruch, der aus Gründen der Prozessökonomie in dem gleichen Verfahren geltend gemacht werde, in dem die Rechtsfrage zu klären sei, ob der Beklagte in Folge der erfolgten Zahlungen des Klägers auf den Beitragsbescheid vom 4. Januar 2001 noch Beitragsansprüche für das Grundstück Flurstück z zustünden.
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Selbst falls das Gericht hier Bedenken hinsichtlich der Nichtigkeit des damaligen Beitragsbescheids habe, so würde es sich als treuwidrig darstellen, wenn die Beklagte über den bereits vereinnahmten Betrag hinaus einen weiteren Betrag in Höhe von 2.752,80 € festsetzen könne. Es käme dann zu dem Ergebnis, dass sie, die Kläger, einen mehr als dreimal höheren Herstellungsbeitrag Schmutzwasser für ihr Grundstück bezahlen müssten, als dieses nach der aktuellen Satzung erforderlich wäre.
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Im Ergebnis sei der angegriffene „Gebührenbescheid“ vom 5. März 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. August 2013 aufzuheben und auszusprechen, dass aufgrund der bereits geleisteten Zahlungen aus dem Jahr 2001 zum jetzigen Zeitpunkt keine Zahlungsverpflichtungen mehr bestünden. Es sei mithin eine Verrechnung der damals gezahlten Summe in Höhe der nunmehr festgesetzten Herstellungsbeiträge vorzunehmen.
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Mit dem vorliegenden Klageantrag begehrten sie, die Kläger, die Rückzahlung des überzahlten Betrags. Sie hätten an die Beklagte auf einen nichtigen Beitragsbescheid vom 4. Januar 2001 einen Betrag in Höhe von (umgerechnet) 7.141,72 € ohne Rechtsgrund geleistet.
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Es wäre grob treuwidrig, wenn die Beklagte, deren Zweckverband als Körperschaft des öffentlichen Rechts handle und an Recht und Gesetz gebunden sei, hier ohne jede Rechtsgrundlage das eingezahlte Geld einbehalten würde.
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Es sei aus ihrer Sicht nicht angängig, dass sie auf der Grundlage der damals nichtigen Beitragssatzung im Jahr 2001 einen Beitrag hätten zahlen müssen, der höher sei als derjenige, der auf der Grundlage der aktuellen Beitragssatzung Schmutzwasser erstellt worden wäre. Insofern gehe es ihnen nunmehr um die Differenz in Höhe von 2.080,00 Euro.
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Die Kläger beantragen nunmehr,
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die Beklagte unter Aufhebung entsprechender Bescheide zu verpflichten, einen Abrechnungsbescheid über einen Betrag in Höhe von 2.080,00 Euro an sie, die Kläger, zu erteilen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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und trägt dazu vor:
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Der geltend gemachte Zahlungsanspruch sei nicht ersichtlich. Es bestehe insbesondere keine Aufrechnungslage.
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Der Beitragsbescheid aus dem Jahre 2001 für das Grundstück B-Stadt, Flurstück y, sei bestandskräftig und insbesondere nicht nichtig. Es möge zutreffend sein, dass der Bescheid auf rechtswidrigem und damit nichtigem Satzungsrecht beruht habe. Dies rufe jedoch, wenn nicht Nichtigkeitsgründe gegeben seien, lediglich die Rechtswidrigkeit von Bescheiden hervor, die auf der Grundlage der entsprechenden Satzung ergingen. Der Adressat habe dann die Möglichkeit, hiergegen ins Rechtsmittel zu gehen oder den Bescheid hinzunehmen, der dann bei Bestandskraft im Sinne der Rechtssicherheit nach dem Grundgesetz bindend werde. Es sei dann auch ein rechtlicher Grund zum Behalten entsprechender Gelder. Dies sei vorliegend erfolgt.
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Auch eine besondere Härte, die hier zu einer anderen Einschätzung hätte führen können, sei nicht ersichtlich oder dargetan.
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Die aktuelle Flurstückssituation habe bereits im Jahre 2001 bestanden. Leider sei aus den damals erlangbaren Karten nicht ersichtlich gewesen, wo genau und welcher Art die Bebauung sei. Aber bereits damals sei jedem Bescheid eine Karte beigefügt worden, aus der die veranlagte Fläche ersichtlich sei. Es sei damals auch nicht vergessen worden, das Grundstück Flurstück z zu veranlagen, sondern es sei gezielt zurückgestellt worden, weil aus den alten Karten nicht ersichtlich gewesen sei, dass es wohnbebaut sei.
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In den Verbandsversammlungen sei auch über die Frage gesprochen worden, ob man, wenn man aufgrund früherer Satzungen einen im Vergleich zur heutigen Beitragssatzung höheren Beitrag eingenommen habe, handeln müsse oder nicht. Die Verbandsversammlung bzw. der Vorstand habe beschlossen, keine teilweisen Rückzahlungen vorzunehmen. Insoweit werde auf die Bestandskraft hingewiesen.
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Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 13. Januar 2015 zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.
Entscheidungsgründe
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Soweit die Klage konkludent durch die Reduzierung des zur Erstattung begehrten Betrags zurückgenommen worden ist, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
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Die Kläger wollen letztlich die Erstattung eines zuviel gezahlten Schmutzwasseranschlussbeitrags gemäß Bescheid vom 4. Januar 2001 (Az. A 52/2001) durchsetzen. Wie dieses Begehren prozessual umzusetzen ist, war und ist trotz anwaltlicher Vertretung auslegungsbedürftig, aber auch –fähig (dazu im Folgenden).
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A) Die Klage der Klägerin zu 1 ist jedoch unzulässig. Sie ist nicht klagebefugt nach § 42 Abs. 2 VwGO. Es ist schlechthin ausgeschlossen, dass sie einen Anspruch auf Erteilung eines Abrechnungsbescheids zur teilweisen Erstattung bzw. einen Anspruch auf teilweise Aufhebung des Beitragsbescheids aus dem Jahr 2001 geltend machen kann (zu diesen beiden Begehren siehe unter B). Der Schmutzwasseranschlussbeitragsbescheid vom 4. Januar 2001, um den es hier letztlich geht, ist nur an den Kläger zu 2 adressiert. Nur er ist insoweit der Schuldner dieser kommunalen Abgabe, zumal viel dafür spricht, dass die Klägerin zu 1 auch zum Zeitpunkt des Erlasses dieses Bescheids im Jahre 2001 nicht (Mit-)Eigentümerin des der Veranlagung zugrunde liegenden Grundstücks Flurstück y war. Es spielt insoweit auch keine Rolle, dass auch sie Adressatin des im Verfahren 4 A 1422/13 angegriffenen Schmutzwasseranschlussbeitragsbescheids vom 5. März 2013 ist, der für ein anderes Grundstück erhoben wird, das in ihrem Miteigentum steht.
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Die Klägerin zu 1 wäre selbst dann nicht die richtige Erstattungsgläubigerin i. S. des § 37 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) i. V. m. § 12 Abs. 1 des Kommunalabgabengesetzes (KAG M-V), wenn sie – was ohnehin rechtlich unaufgearbeitet und nur am Rande vorgetragen sowie nicht nachgewiesen worden ist – den damaligen Beitrag mindestens in Höhe der zuletzt zur Erstattung begehrten 2.080 € (auch) aus ihrem Vermögen gezahlt hätte. Bestenfalls hätte die Klägerin zu 1 auf eine ausschließlich fremde Schuld, die Beitragsschuld ihres Ehemanns, des Klägers zu 2, gezahlt. Das hätte aber nicht ausreicht, um ihr einen eigenen Erstattungsanspruch zuzusprechen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der sich das Gericht auch für das vorliegende Gebiet der kommunalen Abgaben anschließt, gilt zu dieser Frage Folgendes (etwa Urt. v. 25. Juli 1989 - VII R 118/87 -, juris, Rn. 9 und Urteil v. 4. April 1995 – VII R 82/94 –, BFHE 177, 224 = juris Rn. 14; ebenso Urt. des erkennenden Gerichts vom 29. Dez. 2015 – 4 A 2014/11 -, S. 10 f. des amtlichen Umdrucks; Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, Stand: Februar 2016, § 37 Rn. 58 m. w. N.):
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„…Nach § 37 Abs.2 AO 1977 ist erstattungsberechtigt (Erstattungsgläubiger) … derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist. Das ist nicht derjenige, auf dessen Kosten die Zahlung erfolgt ist. Es kommt also nicht darauf an, von wem und mit wessen Mitteln gezahlt worden ist, sondern nur darauf, wessen Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem FA gegenüber erkennbar hervorgetreten ist, getilgt werden sollte (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 37 AO 1977 Tz. 19; Offerhaus in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 37 AO 1977 Anm. 60, 62; Drenseck, Das Erstattungsrecht der Abgabenordnung 1977, S. 78; Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. September 1963 I 383/60 U, BFHE 77, 619, BStBl III 1963, 545, und vom 7. Oktober 1970 I R 145/68, BFHE 100, 346, BStBl II 1971, 119, 120). Den Finanzbehörden wird damit nicht zugemutet, im Einzelfall die zivilrechtlichen Beziehungen zwischen dem Steuerschuldner und einem zahlenden Dritten daraufhin zu überprüfen, wer von ihnen -- im Innenverhältnis -- auf die zu erstattenden Beträge materiell-rechtlich einen Anspruch hat (vgl. BFH-Urteil vom 9. Dezember 1959 II 189/56 U, BFHE 70, 480, BStBl III 1960, 180, 181; Tipke/Kruse, a.a.O., § 37 AO 1977 Tz.19; Offerhaus, a.a.O., § 37 AO 1977 Anm.62) …“
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B) Die Verpflichtungsklagen des Klägers zu 2 haben keinen Erfolg.
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I. Der Kläger zu 2 hat zu Recht keine Anfechtungsklage erhoben, soweit es um den Schmutzwasseranschlussbeitragsbescheid vom 4. Januar 2001 und die erfolgte Zahlung angeht. Dieser Bescheid ist unanfechtbar geworden. Zwar hatte sich der Kläger zu 2 mit Schreiben vom 8. Januar 2001 im Hinblick auf diesen Bescheid an die Beklagte gewandt. Es erscheint indessen durchgreifend zweifelhaft, ob darin ein Widerspruch gegen die Beitragsfestsetzung und vor allem ihre Höhe zu sehen ist. Es ging dem Kläger zu 2 in diesem Schreiben vielmehr um die Zahlungsbedingungen gemäß der Regelung unter der gleichnamigen Überschrift im Beitragsbescheid, wobei sich der Kläger dann mit den geänderten Zahlungsmodalitäten gemäß Schreiben der Beklagten vom 23. Januar 2001 einverstanden erklärt hat, wie sein Schreiben vom 1. Februar 2001 zeigt.
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II. 1. Seine nunmehr ausdrücklich erhobene Verpflichtungsklage auf Erlass eines Abrechnungsbescheids zur teilweisen Erstattung des auf den Bescheid vom 4. Januar 2001 gezahlten Schmutzwasseranschlussbeitrags im Umfang von 2.080 € dürfte zwar zulässig sein.
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a) Das anwaltliche Schreiben zur Begründung des Widerspruchs gegen den Schmutzwasseranschlussbeitragsbescheid vom 5. März 2013 enthält auslegungsbedürftige und gerade noch auslegungsfähige Ausführungen zu der mitgeteilten „Besonderheit“, dass für das andere Grundstück bereits ein ebensolcher Beitragsbescheid – dort noch mit falschem Tagesdatum „02.01.2001“ benannt – erlassen worden war, und dazu, dass nach dessen Aufhebung und Erlass eines neuen Beitragsbescheids Verrechnungen mit beiden Beitragsbescheiden erfolgen sollten. Ist dort von einem Erstattungsverlangen nicht ausdrücklich die Rede, so dürfte dies aber in der vorgeschlagenen „Verrechnung“ der Zahlungen auf den damaligen Beitragsbescheid vom 4. Januar 2001 ansatzweise zu erkennen sein.
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b) Die Ablehnung dieses Antrags auf „Verrechnung“ – und damit konkludent die Erstattung - beschied die Beklagte dann konkludent im Widerspruchsbescheid vom 14. August 2013, mit dem im Übrigen der Widerspruch gegen den Schmutzwasseranschlussbeitragsbescheid vom 5. März 2013 zurückgewiesen wurde. Unter dem Gliederungspunkt II. 3. lit. c wird dazu u. a. ausgeführt, dass eine „Verrechnung“ der Beitragsschuld aus dem Bescheid vom 5. März 2013 und dem bereits gezahlten Beitrag für das andere „Grundstück y, Bescheid A 52/2001“ nicht erfolgen werde. Ob die Beklagte sich dieser Bescheidung eines eigenständigen Antrags, der nicht unmittelbar etwas mit dem Anfechtungswiderspruch gegen den Beitragsbescheid aus dem Jahre 2013 zu tun hat, bewusst gewesen ist, erscheint zwar eher zweifelhaft, nach dem verobjektivierten Empfängerhorizont traf sie allerdings diese ablehnende Regelung neben der Zurückweisung des genannten Widerspruchs.
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c) Zwar hat (auch) der Kläger zu 2 insoweit vor Erhebung der vorliegenden Klage dagegen keinen Widerspruch gegen die Versagungsentscheidung erhoben und daher kein Vorverfahren nach den §§ 68 ff. VwGO durchführen lassen. Dies ist jedoch im vorliegenden Fall entbehrlich, da die Beklagte – Ausgangs- und Widerspruchsbehörde in einem – durch die Einbettung in einen (eigentlich zu einem anderen Beitragsbescheid ergangenen) Widerspruchsbescheid für einen verständigen Dritten unmissverständlich zu verstehen gegeben hat, dass ihre ablehnende Haltung in dieser Frage feststehe und sich auch in einem Vorverfahren nicht ändern werde (vgl. zu dieser Ausnahme die Nachweise bei W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 68 Rn. 32 Fn. 53).
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Soweit dies anders zu sehen sein sollte, wäre ein konkludenter Widerspruch gegen den eine „Verrechnung“ ablehnenden (Widerspruchs-)Bescheid vom 14. August 2013 aber zumindest in der Klagerweiterung gemäß Schriftsatz der Kläger vom 28. Oktober 2013 zu sehen. Damit wird (über das Gericht) gegenüber der Beklagten offengelegt, dass der Kläger zu 2 mit dem Versagungsbescheid nicht einverstanden ist und er an seinem Willen zur Erstattung festhält. Die Widerspruchsfrist nach § 70 VwGO war zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen. Sie betrug mangels ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung ein Jahr, §§ 70 Abs. 2, 58 Abs. 2 VwGO. In dem Widerspruchsbescheid wurden in Wahrheit zwei Regelungen getroffen (zum einen die Zurückweisung des Anfechtungswiderspruchs gegen den Beitragsbescheid vom 5. März 2013, zum anderen konkludent die Antragsablehnung zur „Verrechnung“ im Hinblick auf den gezahlten Beitrag des Bescheids vom 4. Januar 2001), eine Rechtsbehelfsbelehrung im Hinblick auf den konkludent abgelehnten Antrag auf Erstattung/Verrechnung fehlt aber. Hier wäre der zutreffende Rechtsbehelf ein Widerspruch gewesen. Die fehlende Bescheidung dieses „versteckten“ Widerspruchs auf die in einem Widerspruchsbescheid für einen anderen Beitragsbescheid enthaltene „versteckte“ Ablehnung des Erstattungsantrags und das damit nicht erfolglos abgeschlossene Vorverfahren macht die Klage nicht unzulässig. Jedenfalls hat sich die Beklagte namentlich im Schriftsatz vom 17. Februar 2015 rügelos auf die erweiterte Klage mit dem hier behandelten Streitgegenstand zur Sache eingelassen (vgl. die Nachweise aus der Rechtsprechung bei W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 68 Rn. 28 Fn. 49).
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2. Die auf Erteilung eines Abrechnungsbescheids gerichtete Verpflichtungsklage des Klägers zu 2 ist indessen unbegründet. Es fehlt insoweit an einem Anspruch des Klägers zu 2 auf Erlass eines solchen Verwaltungsakts, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
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a) Die Erstattung im Umfang der begehrten 2.080 € selbst wäre zwar in einem Bescheid der Beklagten abzurechnen, §§ 37 Abs. 2, 218 Abs. 2 Satz 2 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V. Grundlage der Erstattung von kommunalen Abgaben ist nach Auffassung des Gerichts stets ein solcher Abrechnungsbescheid des Abgabengläubigers (vgl. etwa Urteile des erkennenden Gerichts vom 29. Dezember 2015 – 4 A 2014/11 -, S. 6 f. des amtlichen Umdrucks, und vom 28. Dez. 2012 - 4 A 1728/09 -, S. 8 des amtlichen Umdrucks; Aussprung, in: ders./Siemers/Holz/Seppelt, Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern, Stand: November 2015, § 12 Erl. 56 S. 83; für den unmittelbaren Anwendungsbereich des AO etwa Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, Stand: Februar 2016, § 37 Rn. 38, 89). Über Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Ansprüche im Sinne des § 218 Abs. 1 AO betreffen, entscheidet die Abgabenbehörde nach § 218 Abs. 2 Satz 1 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V durch Abrechnungsbescheid. Dies gilt auch, wenn die Streitigkeit einen Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO betrifft, § 218 Abs. 2 Satz 1 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V. Kraft der Verweisungs- bzw. Anwendungsnorm des § 12 Abs. 1 KAG M-V trifft dies auch für den Bereich der kommunalen Abgaben zu.
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b) Allerdings ist der damalige Schmutzwasseranschlussbeitragsbescheid vom 4. Januar 2001 nicht nichtig, sodass hier das Erstattungsbegehren nicht unmittelbar in einen Abrechnungsbescheid münden kann. Die gesetzlich erforderlichen Voraussetzungen nach § 125 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V liegen nicht vor. Die Norm lautet:
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„(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist.
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(2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,
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1. der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Finanzbehörde aber nicht erkennen lässt,
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2. den aus tatsächlichen Gründen niemand befolgen kann,
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3. der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht,
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4. der gegen die guten Sitten verstößt.“
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Keine dieser Alternativen beider Absätze dieser Vorschrift ist tatbestandlich erfüllt. Namentlich liegt keine Nichtigkeit des damals ergangenen Anschlussbeitragsbescheids vom 4. Januar 2001 nach § 125 Abs. 1 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V vor.
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Der Verwaltungsakt muss nach dem Gesetz an einem besonders schweren und offenkundigen Mangel leiden, er muss seine grobe Fehlerhaftigkeit also gewissermaßen auch „auf der Stirn“ tragen bzw. diese muss „mit den Händen zu greifen sein“. Besonders schwerwiegend ist nur ein Fehler, der den Verwaltungsakt als schlechterdings unerträglich erscheinen lässt, d. h. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar ist. Dabei bezieht sich „schwerwiegend“ auf den Bescheid und nicht auf das Verhalten der Behörde, sodass für die Beurteilung, ob ein solcher schwerwiegender Fehler dem Verwaltungsakt innewohnt, das Verhalten der Behörde unbeachtlich ist. Offenkundig ist ein Fehler nur, wenn jeder verständige Dritte, dem die Kenntnis aller in Betracht kommenden Umstände unterstellt werden kann, in der Lage ist, den Fehler in seiner besonderen Schwere zu erkennen (vgl. zum Vorstehenden etwa Beschl. der Kammer v. 26. Februar 2016 – 4 B 178/16 SN – u. v. 6. März 2013 – 4 B 463/12 -, S. 8 f. des amtlichen Umdrucks; vgl. statt vieler auch etwa BFH, Urt. v. 26. März 1996 – VII R 40/95 –, juris Rn. 15; Ratschow, in: Klein, AO, 12. Aufl. 2014, § 125 Rn. 2 m. w. N. aus der Rechtsprechung; Seer, in: Tipke /Kruse, Abgabenordnung Finanzgerichtsordnung, Stand: Februar 2016, § 125 Rn. 4 ff.; OVG Greifswald, Urt. v. 11. Februar 2009 – 9 K 12/06 -, juris, Rn. 36 m. w. N. zur parallelen Vorschrift des § 44 Abs. 1 VwVfG M-V). Nichtigkeit eines Verwaltungsakts ist daher nur dann anzunehmen, wenn die an eine ordnungsmäßige Verwaltung zu stellenden Anforderungen in so erheblichem Maße verletzt werden, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen (OVG Greifswald, Urt. v. 11. Februar 2009, a. a. O.; Seer, a. a. O., § 125 Rn. 5). Demgegenüber ist ein Verwaltungsakt regelmäßig nicht bereits deshalb nichtig, weil er gegen einfachgesetzliche Rechtsnormen – wie z. B. das Kommunalabgabengesetz oder „seine“ wirksame Satzung - verstößt (vgl. Seer, a. a. O., § 125 Rn. 12 m. w. N.). Erforderlich ist in einem solchen Fall vielmehr ein deutliches, mit den Händen zu greifendes „Mehr“, namentlich an Tiefe und Schwere des Rechtsverstoßes (s. o.). Die „bloße“ Rechtswidrigkeit eines Abgabenbescheids führt regelmäßig – so auch hier – nicht auch zu seiner Nichtigkeit. Dies gilt auch dann, wenn dem Abgabenbescheid die formell vorhandene, materiell-rechtlich aber unwirksame Rechtsgrundlage in Form einer Abgabensatzung fehlt. Die Nichtigkeit der Abgabensatzung führt grundsätzlich nicht zur Nichtigkeit eines Abgabenbescheids, der sich auf diese Abgabensatzung als Rechtsgrundlage beruft.
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Die von den Klägern vorgenommene argumentative Verquickung zweier Buchgrundstücke mit deren beitragsrechtlichen Schicksalen ist von vornherein nicht geeignet, einen Nichtigkeitsgrund für den Beitragsbescheid vom 4. Januar 2001, der nur ein Grundstück im bürgerlich-rechtlichen Sinne zugrunde gelegt hat, darzulegen. Das eine hat nichts mit dem anderen zu tun. Es liegt auch keine Doppelveranlagung eines Buchgrundstücks vor, die mindestens zur Rechtswidrigkeit wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Anschlussbeitrags (dann aber wohl auch des zeitlich jüngeren Beitragsbescheids) führte. Offenbar verkennt der Kläger zu 2, dass es sich um zwei Buchgrundstücke handelt, die jeweils sachlich (und zeitlich) getrennt Grundlage zu dem jeweiligen Anschlussbeitrag gebildet haben, der mit dem jeweiligen Beitragsbescheid ihm gegenüber erhoben worden ist.
- 62
Auch der übrige Vortrag des Klägers zu 2 zur Nichtigkeit des genannten Beitragsbescheids ist nicht einmal geeignet, daraus Rückschlüsse auf eine Rechtswidrigkeit des abgabenrechtlichen Bescheids vom 4. Januar 2001 zu ziehen. Anlass zur Annahme der Nichtigkeit des damaligen Beitragsbescheids bietet der Vortrag jedenfalls nicht einmal im Ansatz.
- 63
III. Die Erstattung eines Teils des auf einen bestandskräftigen, nicht nichtigen Beitragsbescheid gezahlten Betrags kann deshalb nur dann erfolgreich sein, wenn zuvor der unanfechtbar gewordene Anschlussbeitragsbescheid vom 4. Januar 2001 im gleichen Umfang beseitigt wird (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschl. v. 22. April 2013 – 2 S 598/13 –, juris Rn. 13 m. w. N.). Dieser nicht nichtige Bescheid stellt den Behaltensgrund für den gezahlten Beitrag dar, sodass die Zahlung bislang vollumfänglich nicht ohne, sondern mit rechtlichem Grund erfolgt ist. Insofern ist das Begehren des Klägers zu 2 gegenüber der Beklagten darüber hinaus dahingehend auszulegen, dass ebenfalls mittels Verpflichtungsurteils durchzusetzen ist, dass die Beklagte den Schmutzwasseranschlussbeitragsbescheid vom 4. Januar 2001 im Umfang von 2.080 € aufhebt.
- 64
Es kann dahingestellt bleiben, ob beide Klagen gemeinsam nebeneinander erhoben werden können oder ob zunächst die Verpflichtungsklage zur teilumfänglichen Aufhebung des Beitragsbescheids zu verfolgen ist und dann ggf. nachfolgend eine weitere Verpflichtungsklage, soweit sich die Behörde dennoch weigert, von sich aus einen Abrechnungsbescheid über den Erstattungsbetrag zu erstellen. Einschlägig sein könnte hier eine wegen der Verpflichtungssituation analoge Anwendung der § 113 Abs. 1 Sätze 2 und 3 VwGO (vgl. dazu Sauthoff, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: September 2015, § 12 Rn. 6). Jedenfalls schon die Verpflichtungsklage zur teilweisen Aufhebung des Beitragsbescheids vom 4. Januar 2001 hat keinen Erfolg; ohne ihn kann aber auch kein Abrechnungsbescheid zur Erstattung verlangt werden.
- 65
1. Die auf teilweise Aufhebung des Schmutzwasseranschlussbeitragsbescheids vom 4. Januar 2001 durch die Beklagte gerichtete Verpflichtungsklage ist allerdings im Hinblick auf den Kläger zu 2 ebenfalls zulässig.
- 66
a) In der Begründung des Widerspruchs gegen den Schmutzwasseranschlussbeitragsbescheid vom 5. März 2013 mit anwaltlichem Schreiben vom 25. März 2013 (siehe die dortige Seite 2) ist der ausdrückliche Wille des Klägers zu 2 enthalten, den Schmutzwasseranschlussbeitragsbescheid vom 4. Januar 2001 durch die Beklagte aufheben zu lassen.
- 67
b) Die Ablehnung dieses Antrags beschied die Beklagte dann unter dem Gliederungspunkt II. 3. lit. c konkludent mit in dem Widerspruchsbescheid vom 14. August 2013.
- 68
c) Wegen der weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen kann auf die obigen Ausführungen Bezug genommen werden, die hier entsprechend Platz greifen.
- 69
2. Auch diese Verpflichtungsklage ist indessen unbegründet. Der Kläger zu 2 hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf teilumfängliche Aufhebung des bestandskräftigen Schmutzwasseranschlussbeitragsbescheids vom 4. Januar 2001, § 113 Abs. 5 VwGO.
- 70
a) Ein Wiederaufgreifen des damaligen Beitragsverfahrens aus dem Jahre 2001 ist mangels landesgesetzlich dafür vorgesehener Normen nicht möglich. Maßgeblich ist hier die über § 12 Abs. 1 KAG M-V anzuwendende Abgabenordnung, dagegen grundsätzlich nicht der Hauptteil des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG M-V macht nur für die §§ 61 Abs. 3 und 80 Abs. 4 Nr. 2 eine Ausnahme). Die insoweit im Range von Landesrecht geltende Abgabenordnung kennt aber keine dem § 51 VwVfG M-V entsprechende Vorschrift zum Wiederaufgreifen des Verfahrens (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeitragsrecht, 9. Auflage 2012, § 25 Rn. 7; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschl. v. 3. September 2014 – 20 ZB 14.1531 –, juris Rn. 4; VGH Mannheim, Urt. v. 27. Juli 2012 – 9 S 569/11 –, juris Rn. 30; VG Magdeburg, Urteil vom 01. Oktober 2015 – 9 A 349/14 –, juris Rn. 18; VG Düsseldorf, Urt. v. 4. November 2013 – 17 K 8594/12 –, juris, Rn. 42).
- 71
b) In Betracht kommen könnten für das Begehren des Klägers zu 2 stattdessen zum einen der § 130 AO – Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts – oder (erst recht im Falle der Rechtswidrigkeit) der § 131 AO – Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsakts – i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V (vgl. Sauthoff, a. a. O.).
- 72
Möglichkeiten zur Aufhebung und Änderung eines bestandskräftigen Abgabenbescheids eröffnen allerdings zum anderen auch die §§ 172 ff. AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V. Diese Normen stellen nach Auffassung des Gerichts in ihrem Anwendungsbereich, der kommunale Abgabenbescheide in Mecklenburg-Vorpommern umfasst, die §§ 130, 131 AO verdrängende Sonderregelungen dar (vgl. § 172 Abs. 1 Nr. 2 lit. d AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V, der ausdrücklich ausspricht, dass „die §§ 130 und 131... nicht (gelten)“, für § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V auch Urteil der Kammer vom 8. Okt. 2015 – 4 A 1861/13 –). Kommunale Abgabenbescheide in Mecklenburg-Vorpommern unterliegen danach (gegenüber sonstigen Verwaltungsakten) einer besonderen – nämlich erhöhten - Bestandskraft (so auch für das dortige Landesrecht der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urt. v. 10. Dezember 2015 – 2 S 1516/14 –, juris Rn. 87 m. w. N., Urteil v. 27. Juli 2012 – 9 S 569/11 –, juris Rn. 30 und Urt. v. 15. September 2011 – 2 S 654/11 –, juris Rn. 24). Die Rücknahmemöglichkeit des § 130 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V etwa erfasst mithin nur die „übrigen Verwaltungsakte“ im kommunalen Abgabenrecht wie etwa abgabenrechtliche Stundungsbescheide usw. (Aussprung, a. a. O., § 12 Erl. 35 unter Hinweis auf die Kommentarliteratur zur Abgabenordnung, ebenso Erl. 50.1), um die es hier indessen nicht geht.
- 73
aa) Einer teilweisen Aufhebung oder Änderung des Anschlussbeitragsbescheids vom 4. Januar 2001 steht allerdings die Vorschrift des § 169 Abs. 1 Satz 1 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V nicht entgegen. Nach Ablauf der Festsetzungsfrist ist nach dieser Vorschrift zwar die Aufhebung oder Änderung einer (hier:) Abgabenfestsetzung ausgeschlossen (vgl. dazu etwa VG Greifswald, Urt. v. 10. August 2011 – 3 A 141/08 –, juris Rn. 22). Darauf, ob die Änderung zu Lasten oder zu Gunsten des Abgabenpflichtigen erfolgen soll, kommt es dabei nicht an (VGH Mannheim, Urt. v. 15. September 2011, a. a. O., juris Rn. 28 m. w. N.). Zu dem Zeitpunkt, in dem der Kläger zu 2 sich im Jahr 2013 mit seinem Begehren an die Beklagte gewandt hat, war die Frist für die Festsetzung des Schmutzwasseranschlussbeitrags für das Buchgrundstück, bestehend aus dem Flurstück y der Flur w, Gemarkung B-Stadt, noch nicht bereits verstrichen. Frühestens mit der entsprechenden Beitragssatzung des Zweckverbands C-Stadt vom 3. März 2010 ist die vierjährige Festsetzungsfrist nach den §§ 169 Abs. 2 Nr. 2, 170 Abs. 1 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V mit Ablauf des Jahres 2010 in Gang gesetzt worden.
- 74
bb) Die Voraussetzungen für die Aufhebungs- und Änderungsmöglichkeit eines Abgabenbescheids nach § 172 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V hat der Kläger zu 2 nicht dargetan; sie sind, soweit sie für kommunale Abgabenbescheide entsprechend anwendbar sind (vom Absatz 1 Satz 1 dieser Vorschrift wohl nur Nr. 2 lit. b bis d AO), auch nicht ersichtlich.
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cc) Die Voraussetzungen zur (zwingenden) Aufhebung und Änderung eines kommunalen Abgabenbescheids durch die Abgabenbehörde nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V liegen ebenfalls nicht vor. Hier wird weder vorgetragen noch ist ersichtlich, dass Tatsachen oder Beweismittel, die für das Buchgrundstück, bestehend aus dem Flurstück y der Flur w, Gemarkung B-Stadt, zu einem niedrigeren Anschlussbeitrag führen, nachträglich bekannt geworden sind und den Kläger zu 2 kein grobes Verschulden daran trifft, dass dies erst nachträglich bekannt geworden ist. Eine solche Tatsache ist nicht eine neue Kalkulation des Schmutzwasseranschlussbeitrags bzw. deren aus politischem Ermessen niedriger (als „höchstzulässig“ kalkuliert) beschlossenen Beitragssatzes aufgrund einer nunmehr rechtswirksamen Beitragssatzung. Mit Tatsachen sind in dieser Vorschrift ausschließlich solche gemeint, die in der tatsächlichen Sphäre des Abgabenpflichtigen begründet sind, nicht aber etwa geänderte Rechtsgrundlagen (vgl. Loose, in: Tipke/Kruse, a. a. O., § 173 Rn. 2 f.; ebenso verneint für eine rückwirkend in Kraft getretene Abgabensatzung VG Freiburg [Breisgau], Urt. v. 11. Nov. 2015 – 1 K 2954/14 –, juris Rn. 15 m. w. N.). Zudem handelt es sich dabei nicht um eine nachträglich bekannt werdende Tatsache, also um eine solche, die bereits vorhanden, aber noch unbekannt war (vgl. Aussprung, a. a. O., § 12 Erl. 51; vgl. ebenso Loose, a. a. O., § 173 Rn. 25 f.). Vielmehr ist der aktuelle Beitragssatz für den Anschluss (oder die Anschlussmöglichkeit) eines Grundstücks an die öffentliche Einrichtung der Schmutzwasserbeseitigung eine nachträglich durch den Erlass der neuen wirksamen Schmutzwasseranschlussbeitragssatzung im Jahre 2010 entstandene Tatsache.
- 76
Eine Tatsache i. S. dieser Norm ist ebenfalls nicht der vom Bundesverfassungsgericht im Jahr 2013 aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG entwickelte (aber auch schon vorher vorhandene, wenngleich bis dahin nicht be- und erkannte) verfassungsrechtliche Grundsatz der Belastungsklarheit und –vorhersehbarkeit (Beschl. v. 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 -, BVerfGE 133, 143-163), der zur derzeitigen Verfassungswidrigkeit des § 9 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 KAG M-V führt, weil im Kommunalabgabengesetz damals wie heute eine gesetzliche Bestimmung des absoluten Endes einer Beitragserhebungsmöglichkeit fehlt (BVerwG, Urteile v. 15. April 2015 – 9 C 19/14 u. a. –, juris; siehe nunmehr den Aussetzungs- und Vorlagebeschluss der Kammer v. 31. März 2016 – 4 A 94/11 –, juris; vgl. aber auch den von der Landesregierung eingebrachten und in Erster Lesung am 20. April 2016 im Landtag debattierten Gesetzesentwurf zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes, LT-Drucks. 6/5257, der bei Erlass und Inkrafttreten eines solchen Gesetzes die aktuell bestehende Verfassungswidrigkeit des § 9 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 KAG M-V „verflüchtigen“ würde). Dieser Umstand betrifft lediglich die Rechtslage, nicht aber die Tatsachensituation.
- 77
dd) Auch § 175 Abs. 1 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V als weitere mögliche Norm zur „zwingenden“ teilweisen Änderung-/Aufhebung eines Anschlussbeitragsbescheids ist vorliegend tatbestandlich nicht erfüllt. Namentlich handelt es sich weder bei dem Erlass der aktuellen Beitragssatzung mit dem nunmehr niedrigeren Schmutzwasseranschlussbeitragssatz noch bei dem nunmehr festgestellten Verfassungsverstoß um ein nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V eingetretenes Ereignis, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis). Dem Begriff des Ereignisses unterfallen nur nachträglich „sachverhaltsändernde“ Geschehnisse, nicht aber Fälle rückwirkender materieller Gesetze bzw. Gesetzesänderungen einschließlich Satzungen und Satzungsänderungen (Aussprung, a. a. O., § 12 Erl. 53 m. w. N.) oder etwa die rückwirkende Nichtigerklärung von Normen durch das Bundesverfassungsgericht (Loose, a. a. O., § 175 Rn. 25 m. w. N.). Im Übrigen legitimiert die Vorschrift nicht zu einer Aufhebung oder Änderung eines kommunalen Abgabenbescheids, der von vornherein rechtswidrig war und es nicht erst durch eine nachträgliche Änderung des Sachverhalts geworden ist (vgl. Loose, a. a. O., § 175 Rn. 26 m. w. N. aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs).
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ee) Aber selbst im Falle der parallelen Anwendbarkeit der §§ 130, 131 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V hätte die Klage des Klägers zu 2 keinen Erfolg. Im Folgenden ist dazu für den vordringlichen Bereich der Rücknahme – für die bei Rechtswidrigkeit erst recht geltende Möglichkeit eines Widerrufs gilt dies gleichermaßen - Folgendes auszuführen:
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Zwar dürfte der Schmutzwasseranschlussbeitragsbescheid vom 4. Januar 2001 wegen Unwirksamkeit der damaligen Satzung des Zweckverbands sowie der vorangegangenen rechtswidrig sein (vgl. statt vieler das Urteil des Gerichts vom 26. März 2015 – 4 A 1300/10 -, S. 23-26 des amtlichen Umdrucks, das insoweit aus dem Kammerurteil vom 11. April 2013 – 4 A 1250/12 - zitiert).
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Für die zu treffende teilumfängliche Aufhebungsentscheidung gilt jedoch, dass sie nach dieser Vorschrift im Ermessen der Abgabenbehörde steht. Für einen ermessensreduzierenden Anspruch auf Rücknahme eines rechtswidrigen (bestandskräftigen) Beitragsbescheides ist maßgebend, ob die Behörde unter Berücksichtigung der Vorgaben des jeweils betroffenen Rechtsbereichs in Abwägung zwischen der materiellen Gerechtigkeit einerseits, die für die Aufhebung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts streitet, und der Rechtssicherheit andererseits, die für die Aufrechterhaltung bestandskräftiger Verwaltungsakte streitet, fehlerfrei von ihrem Aufhebungsermessen Gebrauch gemacht hat oder nicht. Es liegen im vorliegenden Fall aber keine Umstände vor, nach denen sich das der Beklagten eingeräumte Ermessen dahin verdichtet hat, dass nur die Entscheidung zur teilweisen Aufhebung des damaligen Anschlussbeitragsbescheids ermessensfehlerfrei wäre.
- 81
Dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit kommt prinzipiell kein größeres Gewicht zu als dem Gebot der Rechtssicherheit, sofern dem anzuwendenden Recht nicht ausnahmsweise eine andere Wertung zu entnehmen ist. Für Letzteres ist aber im kommunalen Abgabenrecht – wie wohl auch in den meisten anderen öffentlich-rechtlichen Rechtsgebieten - nichts ersichtlich. Weder das Kommunalabgabengesetz noch die darin in Bezug genommenen Vorschriften der Abgabenordnung enthalten Vorschriften, denen zu entnehmen ist, dass die materielle Richtigkeit der Abgabenerhebung grundsätzlich Vorrang gegenüber der Rechtssicherheit zu erhalten hat. Es bleibt vielmehr grundsätzlich bei der allgemeinen Regelung der Verwaltungsgerichtsordnung, die für die Anfechtung von Verwaltungsakten (bzw. Einlegung von Rechtsmitteln gegen Urteile) Fristen vorschreibt und damit der Rechtssicherheit einen hohen Stellenwert zumisst. Entscheidet sich ein Beitragspflichtiger für die Hinnahme des Verwaltungsakts, kann er nicht deshalb, weil andere erfolgreich das Risiko eines Rechtsbehelfs eingegangen sind, eine Gleichbehandlung mit diesen verlangen (OVG Münster, Beschl. vom 9. Sept. 2009 - 15 A 1881/09 -, juris Rn. 11). Dem Interesse der Allgemeinheit an Rechtssicherheit und Rechtsfrieden kommt nach Eintritt der Bestandskraft besonderes Gewicht zu, weil durch § 130 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V die Rechtsmittelfristen nicht unterlaufen werden dürfen (BFH, Urt. v. 9. März 1989 – VI R 101/84 –, BFHE 157, 1 = juris Rn. 32 m. w. N.; Rüsken, in: Klein, AO, 12. Aufl. 2014, § 130 Rn. 29). Wird die teilweise oder vollständige Rücknahme eines rechtswidrigen Beitragsbescheids in Durchbrechung seiner Bestandskraft beantragt, ist die Ablehnungsentscheidung der Behörde in der Regel frei von Ermessensfehlern, wenn nur solche Umstände vorgetragen werden, die im Rechtsbehelfsverfahren gegen den Abgabenbescheid hätten geltend gemacht werden können (VGH München, Urt. v. 15. Juli 2010 - 6 BV 08.1087 -, juris Rn. 24; Rüsken, a. a. O., § 130 Rn. 29a). Unter diesen Umständen ist es in aller Regel gerechtfertigt, wenn die Behörde der Rechtssicherheit den Vorzug vor der materiellen Gerechtigkeit einräumt (vgl. statt vieler etwa VG Düsseldorf, Urt. v. 4. Nov. 2013, a. a. O., juris Rn. 65 f. m. w. N.).
- 82
Das Ermessen reduziert sich indessen auf eine Pflicht zur Rücknahme (bzw. zum Widerruf), wenn die Aufrechterhaltung des Bescheids schlechthin unerträglich wäre (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 17. Jan. 2007 - 6 C 32.06 -, juris Rn. 13 m. w. N.; VGH München, Urt. v. 15. Juli 2010, a. a. O., juris Rn. 25; VG Lüneburg, Urt. v. 18. August 2004 – 1 A 344/00 –, juris, Rn. 25 m. w. N.) oder Umstände gegeben sind, die die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit des Bescheids als einen Verstoß gegen die guten Sitten oder gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (OVG Münster, Beschl. v. 9. September 2009, a. a. O., juris Rn. 4 m. w. N.; Driehaus, a. a. O., § 25 Rn. 8 m. w. N. ; Rüsken, a. a. O., § 130 Rn. 29a m. w. N.). Letzteres könnte zutreffen, wenn die Gemeinde in Kenntnis der Rechtswidrigkeit den bestandskräftigen Bescheid erlassen hätte. Denn angesichts der Bindung der Gemeinde an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) würde es gegen den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen, einen rechtswidrigen Verwaltungsakt zu erlassen in der Hoffnung, er werde mangels Anfechtung bestandskräftig werden und könne dann durchgesetzt werden (OVG Münster, Beschl. v. 9. September 2009, a. a. O., juris Rn. 6; Aussprung, a. a. O., § 12 Erl. 35 S. 40).
- 83
All dies liegt im vorliegenden Fall nicht vor.
- 84
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger zu 2 den hier zur teilweisen Aufhebung begehrten Beitragsbescheid vom 4. Januar 2001 hat unanfechtbar werden lassen. Er hätte sich allerdings wegen der damaligen Rechtswidrigkeit dieses Verwaltungsakts zur Wehr setzen können und müssen, wobei die Angriffe wohl nicht darauf hätten gestützt werden können, dass – wie der aktuelle zeige – der damalige Beitragssatz überhöht gewesen sei. Der aktuelle Beitragssatz ist ein aus dem Satzungsgeber überlassenen Ermessensgründen niedriger gewählter als der kalkulierte. Auch sonst hat der Kläger zu 2 keinen Grund gegen die Rechtmäßigkeit des damaligen Beitragsbescheids angeführt, der nicht hätte damals vorgetragen werden können; so etwas ist auch von Amts wegen nicht ersichtlich.
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Allein die Rechtswidrigkeit des damaligen Verwaltungsakts begründet keinen Anspruch auf (hier: teilumfängliche) Rücknahme des Abgabenbescheids, da der Rechtsverstoß lediglich die Voraussetzung einer Ermessensentscheidung der Abgabenbehörde ist (vgl. VGH München, Urt. v. 15. Juli 2010, a. a. O., juris Rn. 25 unter Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 17. Jan. 2007, a. a. O. juris Rn. 13).
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Es ist weiter auch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die beklagte Behörde damals etwa sehenden Auges einen auch für sie schon eindeutig rechtswidrigen Anschlussbeitrag mit dem Bescheid vom 4. Januar 2001 erhoben hat, sodass ihr Beharren auf die eingetretene Bestandskraft gegen Treu und Glauben verstieße. Insbesondere war für sie damals nicht erkennbar, dass das Kommunalabgabengesetz bzw. § 9 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 KAG M-V durchgreifenden (aber auch „heilbaren“) verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt ist. Vor dem insofern wegweisenden Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 war aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG – soweit ersichtlich - das Gebot der Belastungsklarheit und –vorhersehbarkeit im kommunalen Abgabenrecht mit der Folge einer gesetzgeberisch zu treffenden zeitlichen Grenze einer entsprechenden Abgabenerhebung nicht bereits erkennbar zu entnehmen gewesen. Erst nach dieser verfassungsgerichtlichen Entscheidung haben manch andere Bundesländer – Mecklenburg-Vorpommern allerdings gerade nicht (s. o.) - ihre kommunalen Abgabengesetze um eine absolute zeitliche Grenze der Abgabenerhebung jenseits der „variablen“ Festsetzungsverjährungsfrist ergänzt.
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Auch im Übrigen liegen keine Umstände vor, welche die Aufrechterhaltung des damaligen Bescheids schlechthin unerträglich erscheinen lassen und deshalb das Ermessen der Beklagten zur (teilweisen) Aufhebung des unanfechtbar gewordenen Beitragsbescheids vom 4. Januar 2001 auf Null reduzierten.
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Der vielerorts wohl vor allem von Nichtjuristen im hiesigen Land hierbei zitierte, Verfassungsbeschwerden brandenburgischer Grundstückseigentümer stattgebende Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2015 (Az. 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 –, juris, ebenso in einer Vielzahl ähnlicher Verfassungsbeschwerden aus dem Land Brandenburg, Beschlüsse v. 22. Dez. 2015 - statt vieler 1 BvR 2343/14 u. a. - und Beschl. v. 15. Jan. 2016 - 1 BvR 2911/14 -) bietet schon keinen Anlass zu Ermessenserwägungen zur (teilweisen) Aufhebung früherer Beitragsbescheide im Land Mecklenburg-Vorpommern, erst recht führt er auch nicht zu einer entsprechenden Ermessensreduzierung.
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Die dort angeprangerte echte Rückwirkung einer Änderung des § 8 Abs. 7 Satz 2 des Kommunalabgabengesetzes Brandenburg (KAG Brandenburg) Anfang des Jahres 2004 beruhte darauf, dass seither die sachliche Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten einer „rechtswirksamen“ Satzung eintritt. Zuvor hatte aber das dortige Oberverwaltungsgericht (damals noch „nur“ Brandenburg) seit dem Normenkontrollurteil vom 8. Juni 2000 (- 2 D 29/98.NE -, LKV 2001, 132 = juris, Rn. 43 ff.) eine andere (und im Übrigen recht komplizierte) Rechtslage geprägt, die in juris mit dem folgenden Leitsatz wiedergegeben wird:
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Für das Entstehen der Anschlussbeitragspflicht kommt es nach § 8 Abs. 7 S 2 KAG(Brandenburg a. F.) für bereits an die leitungsgebundene Einrichtung oder Anlage anschließbare Grundstücke nicht auf das In-Kraft-Treten der ersten gültigen Beitragssatzung an, sondern auf den Zeitpunkt, in dem die Gemeinde oder der Zweckverband erstmals eine Beitragssatzung in Kraft setzen wollte, bzw. den in dieser Satzung bestimmten späteren Zeitpunkt des Entstehens der Beitragspflicht. Bei Ungültigkeit dieser Satzung muss sich eine später erlassene gültige Satzung Rückwirkung auf diesen Zeitpunkt beimessen, um eine Beitragspflicht für die bereits vorher anschließbaren Grundstücke begründen zu können. Dieser Zeitpunkt ist auch maßgeblich für den Beginn der Frist für die Festsetzungsverjährung.
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Als Konsequenz dieser Rechtsprechung führte vor der Änderung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Brandenburg a. F. der Erlass einer wirksamen Beitragssatzung dann zu einer Verjährung der Anschlussbeitragsforderungen, wenn der erste „Satzungsversuch“ bereits mehr als vier Jahre (Verjährungsbeginn ist allerdings nicht der Tag des Inkrafttretens der alten Satzung, sondern der Ablauf des entsprechenden Kalenderjahres, § 170 Abs. 1 AO) zurücklag. Die Beitragspflicht wäre zwar mit dem notwendig rückwirkenden Erlass einer wirksamen Beitragssatzung für eine „juristische Sekunde“ entstanden, dann aber gem. § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG Brandenburg i. V. m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 1 AO sofort verjährt.
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Die gesetzliche Änderung des brandenburgischen Kommunalabgabengesetzes führte nun dazu, dass offenbar in einer Vielzahl von Fällen Beitragspflichtige in Brandenburg wieder herangezogen werden konnte, die nach der rechtsprechungsgeprägten alten Rechtslage wegen zwischenzeitlich bereits eingetretener Festsetzungsverjährung nicht mehr hätten veranlagt werden können und dürfen.
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Diesen Zustand einer echten gesetzlichen Rückwirkung in einen abgeschlossenen Sachverhalt, in den der Gesetzgeber nachträglich eingegriffen hat, hat das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 12. November 2015 (und weiteren Beschlüssen) als rechtsstaatlich unzulässig verurteilt und zudem im Sinne einer Hilfserwägung dieses Ergebnis auch nach den Grundsätzen einer unechten gesetzlichen Rückwirkung entwickelt, da selbst dann ein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes vorliegt.
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Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden nach § 31 Abs. 1 BVerfGG zwar die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden. Eine Bindung setzt allerdings voraus, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch einschlägig ist, also auf eine vergleichbare Sach- und Rechtslage zutrifft. Daran fehlt es hier.
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Das hiesige Landesrecht beinhaltet jedenfalls im hier relevanten Bereich durch das Erste Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 14. März 2005 (GVOBl. S. 91) weder eine sog. echte noch eine sog. unechte gesetzliche Rückwirkung. Darin wird überhaupt keine Rückwirkung vorgenommen. Grundsätzlich liegt keine Rückwirkung vor, wenn eine Neuregelung nur deklaratorischer Art ist, also lediglich bestätigt, was von vornherein aus der ursprünglichen Norm folgte (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschl. v. 21. Sept. 2012 – 46/11 –, LKV 2012, 506 = juris, Rn. 72 m. w. N. aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts; BVerfG, Beschl. v. 17. Januar 1979 – 1 BvR 446/77, 1 BvR 1174/77 –, BVerfGE 50, 177-195 = juris Rn. 49).
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Das Erste Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 14. März 2005 nahm von der Vorstellung einer „einheitlichen“ Beitragserhebungsvorschrift (§ 8 KAG vom 1. Juni 1993 bzw. zuvor auch § 8 KAG vom 11. April 1991) Abschied und scheidet seither die Straßenbaubeiträge (§ 8 KAG M-V) von den Anschlussbeiträgen nach § 9 KAG M-V. Eingefügt wurde durch das Änderungsgesetz in die anschlussbeitragsrechtliche Vorschrift des § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V (gegenüber der Vorgängerfassung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG), dass die sachliche (Anschluss-)Beitragspflicht entsteht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem In-Kraft-Treten der „ersten wirksamen“ (Anschlussbeitrags-)Satzung.
- 97
Dadurch ist das Anschlussbeitragsrecht in Mecklenburg-Vorpommern aber nicht rückwirkend geändert worden. Anders als im durch die Rechtsprechung des dortigen Oberverwaltungsgerichts geprägten Kommunalabgabenrecht des Landes Brandenburg entsprach es auch schon vor dem genannten Ersten Änderungsgesetz vom 14. März 2005 ständiger Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern (und der erstinstanzlichen Gerichte), die sachliche Anschlussbeitragspflicht unter der Geltung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG vom 1. Juni 1993 frühestens dann entstehen zu lassen, wenn eine wirksame Anschlussbeitragssatzung vorliegt (obergerichtlich, soweit ersichtlich, erstmals im Beschl. v. 8. April 1999 – 1 M 41/99 – entwickelt, siehe seither auch etwa OVG Greifswald, Urteil v. 13. Nov. 2001 – 4 K 16/00 –, juris Rn. 65, Urt. v. 2. Juni 2004 – 4 K 38/02 –, juris Rn. 76 m. w. N.; vgl. die weiteren obergerichtlichen Rechtsprechungsnachweise bei Aussprung, a. a. O., § 9 Erl. 7.2). Diese mithin schon zuvor durch die (ober)verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung geprägte Rechtslage hat der Landesgesetzgeber lediglich zur („wahren“) Klarstellung ausdrücklich in den seit Ende März 2005 geltenden § 9 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 KAG M-V hineingeschrieben.
- 98
Die hiesige zuvor geltende gesetzliche Vorschrift des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1993 wurde im Übrigen aus diesem Grund auch nicht mit dem Ersten Änderungsgesetz vom 14. März 2005 im nunmehr geltenden § 9 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 KAG M-V in dem Sinne geändert, dass dadurch („wieder“) Anschlussbeiträge erhoben werden konnten, die nach der Auslegung der Vorgängervorschrift – namentlich wegen zwischenzeitlich bereits eingetretener Festsetzungsverjährung – nicht mehr hätten erhoben werden dürfen. Nach der Rechtslage konnte diese Situation zuvor in Mecklenburg-Vorpommern nicht auftreten, da der Lauf der Festsetzungsverjährung von vornherein an das Vorhandensein einer wirksamen Beitragssatzung als Voraussetzung für das Entstehen der sachlichen Anschlussbeitragspflicht gekoppelt war.
- 99
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO.
- 100
Von Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kosten dieses Verfahrens sieht das Gericht ab (vgl. § 167 Abs. 2 VwGO).
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 07. März 2016 - 4 A 152/15
Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 07. März 2016 - 4 A 152/15
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Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 07. März 2016 - 4 A 152/15 zitiert oder wird zitiert von 14 Urteil(en).
(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.
(2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,
- 1.
der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt; - 2.
der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt; - 3.
den eine Behörde außerhalb ihrer durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 begründeten Zuständigkeit erlassen hat, ohne dazu ermächtigt zu sein; - 4.
den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann; - 5.
der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht; - 6.
der gegen die guten Sitten verstößt.
(3) Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil
- 1.
Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind, außer wenn ein Fall des Absatzes 2 Nr. 3 vorliegt; - 2.
eine nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 ausgeschlossene Person mitgewirkt hat; - 3.
ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsaktes vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war; - 4.
die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist.
(4) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsaktes, so ist er im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.
(5) Die Behörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat.
(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.
(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.
(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind der Steueranspruch, der Steuervergütungsanspruch, der Haftungsanspruch, der Anspruch auf eine steuerliche Nebenleistung, der Erstattungsanspruch nach Absatz 2 sowie die in Einzelsteuergesetzen geregelten Steuererstattungsansprüche.
(2) Ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags. Dies gilt auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung oder Rückzahlung später wegfällt. Im Fall der Abtretung, Verpfändung oder Pfändung richtet sich der Anspruch auch gegen den Abtretenden, Verpfänder oder Pfändungsschuldner.
(1) Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 3a Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes oder zur Niederschrift bei der Behörde zu erheben, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Frist wird auch durch Einlegung bei der Behörde, die den Widerspruchsbescheid zu erlassen hat, gewahrt.
(2) §§ 58 und 60 Abs. 1 bis 4 gelten entsprechend.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind der Steueranspruch, der Steuervergütungsanspruch, der Haftungsanspruch, der Anspruch auf eine steuerliche Nebenleistung, der Erstattungsanspruch nach Absatz 2 sowie die in Einzelsteuergesetzen geregelten Steuererstattungsansprüche.
(2) Ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags. Dies gilt auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung oder Rückzahlung später wegfällt. Im Fall der Abtretung, Verpfändung oder Pfändung richtet sich der Anspruch auch gegen den Abtretenden, Verpfänder oder Pfändungsschuldner.
(1) Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) sind die Steuerbescheide, die Steuervergütungsbescheide, die Haftungsbescheide und die Verwaltungsakte, durch die steuerliche Nebenleistungen festgesetzt werden; bei den Säumniszuschlägen genügt die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands (§ 240). Die Steueranmeldungen (§ 168) stehen den Steuerbescheiden gleich.
(2) Über Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Ansprüche im Sinne des Absatzes 1 betreffen, entscheidet die Finanzbehörde durch Abrechnungsbescheid. Dies gilt auch, wenn die Streitigkeit einen Erstattungsanspruch (§ 37 Abs. 2) betrifft.
(3) Wird eine Anrechnungsverfügung oder ein Abrechnungsbescheid auf Grund eines Rechtsbehelfs oder auf Antrag des Steuerpflichtigen oder eines Dritten zurückgenommen und in dessen Folge ein für ihn günstigerer Verwaltungsakt erlassen, können nachträglich gegenüber dem Steuerpflichtigen oder einer anderen Person die entsprechenden steuerlichen Folgerungen gezogen werden. § 174 Absatz 4 und 5 gilt entsprechend.
(1) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind der Steueranspruch, der Steuervergütungsanspruch, der Haftungsanspruch, der Anspruch auf eine steuerliche Nebenleistung, der Erstattungsanspruch nach Absatz 2 sowie die in Einzelsteuergesetzen geregelten Steuererstattungsansprüche.
(2) Ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags. Dies gilt auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung oder Rückzahlung später wegfällt. Im Fall der Abtretung, Verpfändung oder Pfändung richtet sich der Anspruch auch gegen den Abtretenden, Verpfänder oder Pfändungsschuldner.
(1) Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) sind die Steuerbescheide, die Steuervergütungsbescheide, die Haftungsbescheide und die Verwaltungsakte, durch die steuerliche Nebenleistungen festgesetzt werden; bei den Säumniszuschlägen genügt die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands (§ 240). Die Steueranmeldungen (§ 168) stehen den Steuerbescheiden gleich.
(2) Über Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Ansprüche im Sinne des Absatzes 1 betreffen, entscheidet die Finanzbehörde durch Abrechnungsbescheid. Dies gilt auch, wenn die Streitigkeit einen Erstattungsanspruch (§ 37 Abs. 2) betrifft.
(3) Wird eine Anrechnungsverfügung oder ein Abrechnungsbescheid auf Grund eines Rechtsbehelfs oder auf Antrag des Steuerpflichtigen oder eines Dritten zurückgenommen und in dessen Folge ein für ihn günstigerer Verwaltungsakt erlassen, können nachträglich gegenüber dem Steuerpflichtigen oder einer anderen Person die entsprechenden steuerlichen Folgerungen gezogen werden. § 174 Absatz 4 und 5 gilt entsprechend.
(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist.
(2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,
- 1.
der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Finanzbehörde aber nicht erkennen lässt, - 2.
den aus tatsächlichen Gründen niemand befolgen kann, - 3.
der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht, - 4.
der gegen die guten Sitten verstößt.
(3) Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil
- 1.
Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind, - 2.
eine nach § 82 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 und Satz 2 ausgeschlossene Person mitgewirkt hat, - 3.
ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsakts vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war, - 4.
die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist.
(4) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsakts, so ist er im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Finanzbehörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.
(5) Die Finanzbehörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Ein Pauschsatz wird nicht erhoben. Das Verfahren ist nicht gebührenpflichtig.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Der Kläger wendet sich gegen die Ergebnisse des Flurneuordnungsverfahrens X..
- 2
Der Kläger macht geltend, er sei Alleinerbe und Gesamtrechtsnachfolger nach der am 27.07.2004 verstorbenen Frau M.. Diese war Eigentümerin der Flurstücke 102/2 zur Größe von 1.859 m² und 104 zur Größe von 1.594 m² der Flur 2 Gemarkung X.. Inmitten des Flurstückes 102/2 lag das Flurstück 102/1, das im Eigentum der Beigeladenen steht und mit einem Einfamilienhaus bebaut ist. Das Flurstück 102/1 hatte somit keinen Zugang zu der davorliegenden D.straße. Zwischen dem Flurstück 102/2 und der D.straße befand sich das keilförmige Flurstück 103; vor dem an das Flurstück 102/2 angrenzende Flurstück 104 das keilförmige Flurstück 53.
- 3
Durch Beschluss vom 25.04.1996 wurde die Durchführung eines Bodenordnungsverfahrens nach § 64 Landwirtschaftsanpassungsgesetz angeordnet. Der Einleitungsbeschluss betraf die Flurstücke 102/1 und 102/2. Die Anordnungsverfügung wurde öffentlich bekannt gemacht. Dieser Beschluss wurde am 08.08.1996 bestandskräftig.
- 4
Der Bodenordnungsplan vom 06.05.1996, der das Ergebnis der Wertermittlung und den Bodenordnungsplan im engeren Sinne enthält, wurde im Termin am 28.08.1997 bekannt gegeben. Die Neuordnung der Eigentumsverhältnisse wurde wie folgt angeordnet: Vom Flurstück 102/2 werden durch Zerlegung zwei Teilflächen in der Gesamtgröße von 392 m² abgetrennt und mit den Flurstücksnummern 102/3 und 102/4 bezeichnet. Die Restfläche des Flurstücks 102/2 zur Größe von 1.466 m² erhält die neue Flurstücksnummer 102/5. Die neuen Flurstücke 102/3, das zwischen dem bisherigen Hausgrundstück 102/1 und der D.straße liegt, sowie das rückwärtige Flurstück 102/4 werden auf die Beigeladenen übertragen. Sie zahlen an Frau M. für die Mehrabfindung von 393 m² eine Abfindung in Geld. Für die Flurstücke 102/3 und 102/4 wird Frau M. wegen fehlender Ersatzflächen statt in Land vollständig in Geld abgefunden. Das neue Flurstück 102/5 verbleibt in ihrem Eigentum. Das selbständige Gebäude- und Anlageneigentum und das bisherige bestehende Nutzungsrecht der Beigeladenen werden aufgehoben. Gegen die Anberaumung des Termins am 28.08.1997 hatte Frau M. "Widerspruch" eingelegt. Zu dem Termin selbst erschien sie nicht.
- 5
Mit Bescheid vom 27.11.1997 wurde die Ausführungsanordnung erlassen und der Zeitpunkt des Eintritts des neuen Rechtszustandes auf den 09.01.1998 festgesetzt. Die Ausführungsanordnung wurde Frau M. durch Einschreiben/Rückschein am 29.11.1997 zugestellt.
- 6
Mit Schreiben vom 26.01.1998 wurde Frau M. mitgeteilt, die Ausführungsanordnung sei seit dem 21.01.1998 bestandskräftig. Da sie nach dem Plantext für eine Teilfläche des Flurstückes 102/2 mit einer Abfindung in Höhe von 56.985,00 DM zu entschädigen sei und das Geld auf dem Verwahrkonto des Amts für Landwirtschaft zur Auszahlung bereit liege, werde sie nochmals aufgefordert, ihre Kontoverbindung anzugeben.
- 7
Die Änderung der Eigentumsverhältnisse wurde im Grundbuch auf Grund Ersuchens des Beklagten vom 04.02.1998 am 01.02.2000 eingetragen.
- 8
Mit Urkunde vom 27.04.2001 wurde der Diplomsozialpädagoge (FH) K., befristet bis zum 25.10.2001, zum vorläufigen Betreuer von Frau M. bestellt. Sein Aufgabenkreis umfasste unter anderem die Vermögensfürsorge und die Vertretung gegenüber Behörden.
- 9
Mit Schreiben vom 23.05.2001 unterrichtete der Betreuer den Beklagten, dass er durch das Vormundschaftsgericht München für Frau M. unter anderem in Vermögensangelegenheiten zum vorläufigen Betreuer bestellt sei und sie daher in Vermögensangelegenheiten gesetzlich vertrete. Er bitte nunmehr um dringende Auszahlung der genannten Abfindung auf das näher benannte Konto von Frau M..
- 10
Bereits am 06.05.2001 hatte Frau M. dem Kläger eine Generalvollmacht ausgestellt, die sie mit Schreiben vom 05.02.2002 widerrief.
- 11
Am 30.03.2004 erließ der Beklagte die Schlussfeststellung im Bodenordnungsverfahren X.. Dieser Beschluss wurde im Bereich der Gemeinde durch drei Aushänge in der Zeit vom 12.05. bis 18.06.2004 öffentlich bekannt gemacht. Gemäß einem Vermerk vom 14.07.2004 ist die Schlussfeststellung am 13.06.2004 bestandskräftig geworden.
- 12
Der Kläger hat am 03.05.2006 zu Niederschrift der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle Klage erhoben. Zu ihrer Begründung führt er im Wesentlichen aus:
- 13
Die beteiligte, nicht vertretene Frau M. sei im Zeitraum von 1993 bis 1998 auf Grund Intelligenzdefekts nicht mehr beteiligungsfähig gewesen. Beweiszeichen würden nachgeliefert werden. Das Landwirtschaftsanpassungsgesetz sei nicht anwendbar gewesen. Der allein das Flurstück 102 betreffende Bodenordnungsplan schneide dem anstoßenden Flurstück 104 von Frau M. die Zuwegung an den öffentlichen Verkehrsweg ab und nehme dem Flurstück 104 dadurch die Qualität als Bauland und entwerte es gänzlich. Die anderen Beteiligten, die Beigeladenen dieses Verfahrens, hätten als Eigentümer des Flurstückes 102/1 keinen Anspruch auf Eigentumsübertragung, sondern lediglich einen Anspruch auf Bestellung einer Dienstbarkeit. Das Flurstück 104 sei zuvor über das Flurstück 102/2 gegen Nordosten hinter dem Flurstück 103/1 über eine Zufahrt zur Länge von 13,1 m mit der befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche verbunden gewesen. Das Flurstück 104 sei nunmehr nach Durchführung des Bodenordnungsplans ohne Zuwegung. Es sei mit einem Wohnhaus Baujahr 1912 bebaut, dessen Restnutzungsdauer gering und Beschaffenheit schlecht sei. Daher könne allein für den Grundstückswert die Qualität als Baugrundstück maßgebend sein. Die Flurstücke 102/2 und 104 seien nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise als ein Grundstück anzusehen. Es könne nicht darauf ankommen, ob Frau M. es unterlassen habe, diese Grundstücke rechtlich zu vereinigen. Dem könne nicht entgegengehalten werden, dass diese Grundstücksverbindung über das Flurstück 102/2 niemals benutzt worden sei, der Verkehr vielmehr den Weg vom und zum Flurstück 104 zu allen Zeiten über das offene Flurstück 53 genommen habe. Dies ergebe sich aus BGHZ 53, 166.
- 14
Schon die Einleitung des Bodenordnungsverfahrens sei rechtswidrig gewesen. Die Beigeladenen hätten auf dem Flurstück 102/1 keine Gebäude oder Anlagen, die in ihrem Eigentum gestanden hätten. Hinsichtlich der Versorgungsleitung habe kein Anspruch auf Bestellung von Dienstbarkeiten bestanden. Hinsichtlich des Flurstücks 102/1 sei eine Zusammenführung ausgeschlossen (Verweis auf OVG Greifswald VIZ 1999, 579). Auch die Abgrenzung des Verfahrensgebiets sei grob rechtswidrig. Das Problem der Zuwegung für das Flurstück 102/1 habe aus den genannten Gründen nur durch ein Servitut gelöst werden können, nicht durch eine Bodenneuordnung.
- 15
Die inhaltliche Sinnwidrigkeit des Bodenordnungsbeschlusses im engeren Sinne ergebe sich auch daraus, dass das Flurstück 102/1 eine Zuwegung erhalten und damit eine Wertsteigerung zu 100% zum Nachteil des Flurstücks 104 erhalten habe. Zu seinem Vorteil sei lediglich die Abfindungssumme anzusetzen. Insgesamt sei aber ein Wertverlust von 305.820,00 DM eingetreten. Er habe nicht die Feststellung der Nichtigkeit des Verwaltungsaktes bei dem Beklagten beantragt, weil ihm dafür das Vertrauen in das Amt fehle.
- 16
Der Kläger beantragt sinngemäß,
- 17
festzustellen, dass die Anordnung zur Durchführung des Bodenordnungsverfahrens vom 25.04.1996, der Bodenordnungsplan (Feststellung des Ergebnisses der Wertermittlung und Bodenordnungsplan im engeren Sinne) vom 06.05.1996, sowie die Ausführungsanordnung vom 28.11.1997 nichtig sind.
- 18
Der Beklagte beantragt,
- 19
die Klage abzuweisen.
- 20
Er führt aus: Das Bodenordnungsverfahren sei durch Schlussfeststellung bestandskräftig abgeschlossen. Anhaltspunkte für eine vom Kläger behauptete Geschäftsunfähigkeit der Frau M. lägen nicht vor. Die von ihr zur Zusammenführung damals verfassten Schreiben ließen einen solchen Schluss auch nicht zu. In der Sache selbst seien nach wie vor die Voraussetzungen für eine Zusammenführung von Boden- und Gebäudeeigentum im Sinne von § 64 LwAnpG gegeben. Die Wertermittlung orientiere sich am Maßstab des § 19 Sachenrechtsbereinigungsgesetz i.V.m. §§ 35 und 194 Baugesetzbuch.
- 21
Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.
- 22
In ihrer Stellungnahme schildern sie zunächst im einzelnen den Werdegang der Flurstücke 102/1, 102/3 und 104. Im Übrigen machen sie geltend, es habe zu keiner Zeit eine Zuwegung vom Flurstück 102 bzw. 102/3 auf das Flurstück 104 gegeben. Das Grundstück habe immer seinen eigenen Zugang bzw. eine eigene Zufahrt von der Landesstraße L 21 her gehabt. Das Flurstück 104 sei mit einem schilfgedeckten Zweifamilienhaus und einigen Stallungen bebaut. Soweit äußerlich erkennbar, sei es in einem sehr guten Zustand und werde in einem solchen von den Mietern erhalten.
- 23
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
- 24
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
- 25
1. Die Schlussfeststellung ist weder nichtig noch unwirksam.
- 26
Die Schlussfeststellung vom 30.03.2004 ist ausweislich der Verwaltungsvorgänge an drei Stellen im Gebiet der Gemeinde in der Zeit vom 12.05. bis 18.06.2004 öffentlich bekannt gemacht worden, indem der Bescheid des Beklagten ausgehängt worden war. Diese öffentliche Bekanntmachung ist auch gegenüber Frau M. wirksam geworden unabhängig davon, ob zu diesem Zeitpunkt sie geschäftsfähig war, ob noch eine Bestellung eines Betreuers bestand oder zwischenzeitlich eine Rechtsnachfolge in dem Eigentum an den betroffenen Grundstücken eingetreten ist. Die öffentliche Bekanntmachung nämlich wird jedenfalls bei Entscheidungen im Flurbereinigungsverfahren auch gegenüber solchen Personen wirksam, die von der öffentlichen Verlautbarung des Verwaltungsaktes keine Kenntnis nehmen konnten, etwa weil sie zum Zeitpunkt der Bekanntgabe nach § 12 VwVfG handlungsunfähig waren. Das Flurbereinigungsgesetz lässt die öffentliche Bekanntmachung der Beschlüsse, die in einem Flurbereinigungs- oder Zusammenlegungsverfahren ergehen, deswegen zu, weil es ohne langwierige Ermittlungen in der Regel nicht möglich ist, alle Beteiligten festzustellen. Dass dabei die Rechte geschäftsunfähiger Personen nicht in unzulässiger Weise beeinträchtigt werden, dafür hat der Gesetzgeber in § 134 Abs. 2 FlurbG Sorge getragen. Demnach muss die Flurbereinigungsbehörde bei unverschuldeter Versäumung einer Frist nachträglich Erklärungen zulassen, wenn diese unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB) nach Beseitigung des Hindernisses nachgeholt werden (BVerwG, U. v. 07.05.1965 - IV C 24.65 = BVerwGE 21, 91 = NJW 1965, 1546 = RdL 1965, 245; vgl. grundsätzlich U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar 7. Aufl. 2008 § 41 Rn. 137).
- 27
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
- 28
Die Geltendmachung der Unwirksamkeit der Schlussfeststellung ist nicht unverzüglich erfolgt. Am 30.03.2004 erließ der Beklagte die Schlussfeststellung. Sie wurde in der Zeit vom 12.05. bis 18.06.2004 öffentlich bekannt gemacht. Der Kläger war nach eigenem Vortrag seit dem 27.07.2004 Alleinerbe und Rechtsnachfolger. Er hat aber erst am 03.05.2006 zu Niederschrift der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle Klage erhoben. Er hatte sich auch nicht zuvor an die Behörden gewandt. Bei Prüfung der Frage, welche Anforderungen in dieser Hinsicht zu stellen waren, muss zwar die Zeit berücksichtigt werden, die notwendig ist, damit der Kläger sich über die Verhältnisse unterrichten konnte (vgl. BVerwG, U. v. 12.07.1960 - I C 249.58 - RzF Nr. 2 zu § 110 FlurbG). Für die Beurteilung der "Sittenwidrigkeit" bzw. der behaupteten Nichtigkeit des Bodenordnungsplans und der Ausführungsanordnung sind aber nicht nahezu zwei Jahre notwendig. Dies wird auch daraus deutlich, dass der Kläger im Jahre 2001 auf Grund der seinerzeit bestehenden Generalvollmacht der Frau M. den Beigeladenen einen Teil des seinerzeitigen Flurstücks 102/5, das aus dem Bodenordnungsverfahren hervorgegangen war, veräußerte und somit mit den Verhältnissen bekannt war.
- 29
Damit ist die Schlussfeststellung gegenüber Frau M. bzw. ihrem Rechtsnachfolger gegenüber bestandskräftig geworden.
- 30
2. Mit der Schlussfeststellung ist die Geltendmachung der Nichtigkeit des Bodenordnungsplans ausgeschlossen.
- 31
Die gemäß § 149 Abs. 1 Satz 1 FlurbG von der Flurbereinigungsbehörde zu treffende Schlussfeststellung ist der letzte der inhaltlich aufeinander bezogenen Verfahrensabschnitte, in die das Flurbereinigungsverfahren gegliedert ist. Diese Verfahrensstufung hat zur Folge, dass die in den einzelnen Verfahrensabschnitten ergangenen Regelungen einer selbständigen Anfechtbarkeit unterliegen und Einwendungen, die in einem früheren Verfahrensabschnitt gegen eine konkrete Regelung hätten vorgebracht werden müssen, in einem späteren Stadium regelmäßig unbeachtlich sind, sofern nicht eine Nachsichtgewährung nach § 134 Abs. 2 und 3 FlurbG in Betracht kommt (vgl. BVerwG, U. v. 16.09.1975 - 5 C 44.75 - BVerwGE 49, 176 <178>). Die Schlussfeststellung hat, wie sich aus dem Gesetzeswortlaut ergibt, (u.a.) zur Voraussetzung, dass den Beteiligten keine Ansprüche mehr zustehen, die "im Flurbereinigungsverfahren hätten berücksichtigt werden müssen". Vorher geltend zu machen und nach Bestandskraft der Schlussfeststellung regelmäßig ausgeschlossen sind somit solche Ansprüche, die unmittelbar im Flurbereinigungsverfahren selbst geltend zu machen sind (BVerwG, B. v. 12.06.2007 - 9 B 28/07, 9 B 28/07 (10 B 28/07) - RdL 2007, 245). Die unanfechtbare Schlussfeststellung steht somit der Zulässigkeit von Klagen gegen den Bodenordnungsplan entgegen. Die Unanfechtbarkeit einer Schlussfeststellung schließt jede Möglichkeit des Eingriffs in den Bodenordnungsplan aus. Diese Ausschlusswirkung verhindert, dass die Regelungen des Bodenordnungsplans noch verändert werden könnten (VGH München, U. v. 23.06.2005 - 13 A 03.948 - zit. nach juris).
- 32
Diese Ausschlusswirkung der unanfechtbaren Schlussfeststellung läßt auch einen Eingriff des Flurbereinigungsgerichts in die Regelungen des Bodenordnungsplanes im Wege einer Feststellungsklage nach § 43 VwGO nicht zu. Dies folgt aus der Regelung in § 149 Abs. 2 FlurbG. Der Gesetzgeber hat mit dieser Regelung dem Interesse an Rechtssicherheit und Rechtsfrieden den Vorrang eingeräumt gegenüber dem Interesse, durch Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens eine fehlerhafte Gerichtsentscheidung aus der Welt schaffen zu können. Ist die Schlussfeststellung unanfechtbar geworden und ist innerhalb der zweiwöchigen Widerspruchsfrist (§ 141 Abs. 1 FlurbG) kein Wiederaufnahmeantrag gestellt worden, sollen alle Beteiligten darauf vertrauen können, dass das Flurbereinigungsverfahren beendet ist und Änderungen der Ergebnisse dieses Verfahrens ausgeschlossen sind. Dieser Vertrauensschutz der Beteiligten gebietet die entsprechende Anwendung des § 149 Abs. 2 FlurbG auf Feststellungsklagen gemäß § 43 VwGO. Auch eine Feststellungsklage nach § 43 VwGO kann deshalb nicht zum Erfolg führen, wenn sie nach Ablauf der Widerspruchsfrist gegen die Schlussfeststellung erhoben wurde (vgl. VGH München, U. v. 26.05.1994 - 13 A 92.746 = RdL 1994, 240 = AgrarR 1995, 224). Dies gilt auch dann, wenn - was aus den nachfolgenden Gründen allerdings zu verneinen ist - zeitliche Rücksichten bei Rechtsbehelfen gegen den Bodenordnungsplan oder die Ausführungsanordnung hätten genommen werden müssen: Auch sie können in diesem Zusammenhang nur insofern eine Rolle spielen, als der Anspruch auf Nachsichtgewährung nur bis zur Schlussfeststellung geltend gemacht werden kann (BVerwG, U. v. 21.03.1978 - 5 C 57.76 = RdL 1979, 38).
- 33
3. Nach alledem kommt es auf die Rechtmäßigkeit der Verwaltungsakte, die im Laufe des Bodenordnungsverfahrens erlassen worden sind, nicht an. Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen:
- 34
Gründe für die Unwirksamkeit oder Nichtigkeit des Bodenordnungsplans und der Ausführungsanordnung im Sinne des § 44 VwVfG sind nicht ersichtlich.
- 35
a) Der Bodenordnungsplan, der das Ergebnis der Wertermittlung und den Bodenordnungsplan im engeren Sinne enthält, wurde im Termin am 28.08.1997 bekannt gegeben. Mit Bescheid vom 27.11.1997 wurde die Ausführungsanordnung erlassen und Frau M. durch Einschreiben/Rückschein am 29.11.1997 zugestellt. Mit Schreiben vom 26.01.1998 wurde Frau M. mitgeteilt, die Ausführungsanordnung sei seit dem 21.01.1998 bestandskräftig. Jedenfalls in dem Zeitraum vom 16.05.2001 bis 05.02.2002, in dem der Kläger Generalvollmacht von Frau M. hatte, bestand für ihn Gelegenheit, die Bedenken gegen die genannten Verwaltungsakte unverzüglich geltend zu machen. Das etwaige Hindernis einer Geschäftsunfähigkeit oder Unfähigkeit zur Betreuung eigener Vermögensangelegenheiten seitens Frau M. war im übrigen schon durch die Bestellung des Betreuers Dipl. Sozialpädagoge (FH) K. seit dem 27.04.2001 beseitigt. Er war zur Vermögensbetreuung und zur Vertretung vor Behörden bestellt. Indem er mit Schreiben vom 23.05.2001 die Auszahlung der Abfindung in Geld bei dem Beklagten begehrte, hat er zu erkennen gegeben, dass er um das Bodenordnungsverfahren wusste und davon ausging, dass diese Handlungsweise dem Wohl von Frau M. entsprach (vgl. § 1901 Abs. 2 BGB). Hat er dies - wie er nunmehr erklärt - ohne Kenntnis der Einzelheiten des Verfahrens getan, lässt dies jedenfalls nicht das Verschulden entfallen, das eine "unverzügliche" Geltendmachung der Einwendungen entgegensteht.
- 36
b) Nach § 44 Abs. 1 VwVfG M-V ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellt sich die Rechtsfolge der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts als eine besondere Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass ein Akt staatlicher Gewalt die Vermutung seiner Gültigkeit in sich trägt. Der dem Verwaltungsakt anhaftende Fehler muss diesen schlechterdings unerträglich, d.h. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar erscheinen lassen. Der schwerwiegende Fehler muss darüber hinaus für einen verständigen Bürger offensichtlich sein. Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes ist daher nur dann anzunehmen, wenn die an eine ordnungsmäßige Verwaltung zu stellenden Anforderungen in so erheblichem Maße verletzt werden, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen (vgl. BVerwG, U. v. 17.10.1997 - 8 C 1.96 - NVwZ 1998, 1061; B. v. 11.05.2000 - 11 B 26/00 - NVwZ 2000, 1039).
- 37
Allerdings erscheint es zweifelhaft, ob die Voraussetzungen nach § 64 LwAnpG hinsichtlich der in das Verfahren einbezogenen Flurstücke vorlagen. Der Kläger dürfte zutreffend der Auffassung sein, dass auf dem Flurstück 102/1 kein getrenntes Gebäudeeigentum der Beigeladenen mehr bestand, weil die Beigeladenen das Grundstück erworben hatten. Selbständiges Eigentum am Gebäude ist aber Voraussetzung für die Anordnung eines Verfahrens nach § 64 LwAnpG (vgl. OVG Magdeburg, U. v. 08.04.1997 - C 8 S 1/96 - RzF Nr. 4 zu § 64 LwAnpG). Ob auf dem Flurstück 102/2 ein Zusammenführungsfall vorlag, erscheint fraglich. Ziel der Verfahrens war in erster Linie offenbar die Lösung des durch die Insellage des Flurstücks 102/2 entstandenen Erschließungsproblematik.
- 38
Die Beigeladenen hatten in ihrem Zusammenführungsantrag vom 20.01.1993 aber auch darauf verwiesen, dass ihnen ein Nutzungsrecht an den Flächen zwischen der D.straße und dem Flurstück 102/1 und einem Streifen hinter diesem Flurstück zugewiesen worden sei und sie auf diesen Flächen durch Herstellung einer Zufahrt und Anpflanzungen Investitionen getätigt hätten. Der Beklagte ist ausweislich eines Schreibens an Frau M. vom 11.02.2003 davon ausgegangen, dass gem. Art. 231 § 5 EGBGB an diesen Anlagen getrenntes Eigentum entstanden war, das die Durchführung des Bodenordnungsverfahrens rechtfertigte. Ob diese Auffassung zutrifft, kann dahinstehen. Jedenfalls wäre die Rechtswidrigkeit nicht offensichtlich, was auch daraus deutlich wird, dass der Kläger erst 2006 diesen Punkt rügt, zuvor aber in Kenntnis der Ergebnisse des Bodenordnungsverfahrens Teile des entstandenen Flurstücks 102/5 an die Beigeladenen veräußert hat.
- 39
Die Bestimmung des Umfang des Bodenordnungsgebiets liegt im Ermessen der Bodenordnungsbehörde. Sie ist grundsätzlich durch das Gericht nur daraufhin zu überprüfen, ob sie ermessensfehlerhaft ist. Allerdings spricht einiges dafür, dass eine sachgerechte Lösung, die der Beklagte anstrebte, jedenfalls diejenigen Flurstücke hätte einbeziehen sollen, die zwischen der Straße und den angrenzenden Grundstücken liegen, möglicherweise auch das Flurstück 104. Ein in dieser Richtung etwaig vorliegender Ermessensfehler würde jedoch keine offensichtliche und schwerwiegende Rechtswidrigkeit des Anordnungsbeschlusses bedeuten.
- 40
Zweifelhaft ist weiterhin, ob Frau M. offenbar ohne ausdrückliche Erklärung ihres Einverständnisses entgegen § 58 Abs. 2 LwAnpG statt in Land Geld abgefunden werden durfte (dagegen BVerwG, U. v. 17.12.1998 - 11 C 5/97 - BVerwGE 108, 202 = RdL 1999, 93 = AgrarR 1999, 253). Diese Frage war aber zum Zeitpunkt des Erlasses des Bodenordnungsbeschlusses noch nicht höchstrichterlich geklärt; der Senat hatte zunächst eine abweichende Position eingenommen (vgl. OVG Greifswald, U. v. 04.07.1996 - 9 K 5/94 - AgrarR 1997, 59 = RdL 1997, 298). Von daher kann von einem offensichtlichen und schwerwiegenden Fehler nicht gesprochen werden (vgl. BVerwG B. v. 11.05.2000 - a.a.O.), zumal dieser Gesichtspunkt weder von Frau M. noch von ihrem Betreuer und nunmehr dem Kläger geltend gemacht worden ist.
- 41
Soweit der Kläger weiter geltend macht, das Ergebnis des Bodenordnungsverfahrens habe dazu geführt, dass das Flurstück 104 über das Flurstück 102/2 nicht mehr erschlossen werde und daher eine wesentliche Wertminderung erfahren habe, so kann offen bleiben, ob hierin die Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung gesehen werden muss. Die Beigeladenen haben in diesem Zusammenhang in ihrer Stellungnahme zu der Klage wie auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat darauf hingewiesen, dass das Flurstück 104 seit jeher über das Flurstück 53 erschlossen wird. Dies räumte der Kläger in seinem Schriftsatz vom 10.02.2009 auch ein, wenn er auch in Hinblick auf die von ihm angestrebte Erschließung über das Flurstück 102 diesen Gesichtspunkt für rechtlich unerheblich hält. Dies wird auch aus dem Foto Bl. 12 der Gerichtsakte deutlich.
- 42
Aus diesem Grunde sind die Überlegungen des Klägers zu dem behaupteten Wertverlust des Flurstückes 104 nicht nachvollziehbar. Auf die von dem Kläger behauptete Wertsteigerung des Grundstücks des Klägers (Flurstücks 102/1) kommt es bei der Frage einer wertgleichen Abfindung nicht an.
- 43
Der nachgereichte Schriftsatz des Klägers vom 16.02.2009, bei Gericht eingegangen am 18.02.2009 kann nicht mehr berücksichtigt werden, da das Urteil durch Verkündung am 11.02.2009 wirksam geworden ist (vgl. BVerwG, B. v. 03.01.1989 - 9 B 103/88 - NVwZ 1989, 750).
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Die Klage ist daher abzuweisen.
- 45
Der Ausspruch über die Kosten richtet sich nach § 147 Abs. 1 FlurbG und § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gebührenpflicht wurde nicht angeordnet. Von der Festsetzung eines Pauschsatzes wurde abgesehen. Der Kläger hat damit keine Gerichtskosten zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da sie keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben (§ 162 Abs. 3 i.V.m. § 154 Abs. 3 VwGO).
- 46
Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür nicht vorliegen.
(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.
(2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,
- 1.
der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt; - 2.
der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt; - 3.
den eine Behörde außerhalb ihrer durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 begründeten Zuständigkeit erlassen hat, ohne dazu ermächtigt zu sein; - 4.
den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann; - 5.
der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht; - 6.
der gegen die guten Sitten verstößt.
(3) Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil
- 1.
Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind, außer wenn ein Fall des Absatzes 2 Nr. 3 vorliegt; - 2.
eine nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 ausgeschlossene Person mitgewirkt hat; - 3.
ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsaktes vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war; - 4.
die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist.
(4) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsaktes, so ist er im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.
(5) Die Behörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 1. März 2013 - 1 K 821/12 - geändert. Der Antrag der Antragstellerin wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 287,67 EUR festgesetzt.
Gründe
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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Dieses Gesetz gilt nicht für die Tätigkeit der Kirchen, der Religionsgesellschaften und Weltanschauungsgemeinschaften sowie ihrer Verbände und Einrichtungen.
(2) Dieses Gesetz gilt ferner nicht für
- 1.
Verfahren der Bundes- oder Landesfinanzbehörden nach der Abgabenordnung, - 2.
die Strafverfolgung, die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten, die Rechtshilfe für das Ausland in Straf- und Zivilsachen und, unbeschadet des § 80 Abs. 4, für Maßnahmen des Richterdienstrechts, - 3.
Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt und den bei diesem errichteten Schiedsstellen, - 4.
Verfahren nach dem Sozialgesetzbuch, - 5.
das Recht des Lastenausgleichs, - 6.
das Recht der Wiedergutmachung.
(3) Für die Tätigkeit
- 1.
der Gerichtsverwaltungen und der Behörden der Justizverwaltung einschließlich der ihrer Aufsicht unterliegenden Körperschaften des öffentlichen Rechts gilt dieses Gesetz nur, soweit die Tätigkeit der Nachprüfung durch die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit oder durch die in verwaltungsrechtlichen Anwalts-, Patentanwalts- und Notarsachen zuständigen Gerichte unterliegt; - 2.
der Behörden bei Leistungs-, Eignungs- und ähnlichen Prüfungen von Personen gelten nur die §§ 3a bis 13, 20 bis 27, 29 bis 38, 40 bis 52, 79, 80 und 96; - 3.
der Vertretungen des Bundes im Ausland gilt dieses Gesetz nicht.
(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn
- 1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat; - 2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden; - 3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.
(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.
(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.
(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 2.394,85 Euro festgesetzt.
Gründe
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 25. Oktober 2010 - 1 K 885/09 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Tatbestand
- 1
Der Kläger begehrt das Wiederaufgreifen eines Verwaltungsverfahrens mit dem Ziel, der Aufhebung zweier die Veranlagungsjahre 2011 und 2012 betreffenden Gebührenbescheide (Niederschlagswassergebühren).
- 2
Der Kläger ist seit dem Jahr 2006 Eigentümer der in der Gemarkung H…, Flur, Flurstücke und, hinsichtlich welcher die Beklagte mit Bescheid vom 25.09.2013 für das Veranlagungsjahr 2011 und mit Bescheid vom 29.11.2013 für das Veranlagungsjahr 2012 jeweils Niederschlagswassergebühren in Höhe von 2.054,94 EUR festgesetzt hat. Hierbei ging sie jeweils von einer anrechenbaren Abflussfläche von 2.389,47 qm bei einem Gebührensatz von 0,86 EUR/qm aus. Gegen die Bescheide hat der Kläger keinen Widerspruch eingelegt, so dass sie in Bestandskraft erwachsen sind.
- 3
Mit Schreiben vom 26.03.2014 legte der anwaltlich vertretene Kläger Widerspruch ein und beantragte gleichzeitig die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand hinsichtlich der jeweils versäumten Widerspruchsfrist. Zur Begründung trägt er vor, dass die Beklagte die bestehende direkte Zuleitung seines Niederschlagswassers in den Goldbach auf ihre Niederschlagswasserbeseitigungsanlage rechtswidrig – d.h. ohne Zustimmung des Eigentümers – umgebunden hätte. Diese Umbindung bringe keinerlei Vorteil für den Kläger und verursache zudem unnötigerweise Gebühren.
- 4
Die Beklagte lehnte den Wiedereinsetzungsantrag mit Bescheid vom 21.05.2014 ab und führte zur Begründung aus, dass die Bescheide vom 25.09.2013 und 29.11.2013 bestandskräftig seien. Eine hinreichende Begründung aus der sich ergebe, weshalb der Kläger gehindert gewesen sein soll, rechtzeitig Widerspruch einzulegen, liege nicht vor.
- 5
Mit Widerspruch vom 03.06.2014 beantragte der Kläger gleichzeitig, die Gebührenbescheide vom 25.09.2013 und 29.11.2013 aufzuheben. Zur Begründung trägt der Kläger erstmals vor, dass sich die Sachlage geändert hätte, wie die verwaltungsgerichtlichen Verfahren vor dem VG Magdeburg zeigen würden (9 A 200/13 MD, 9 A 297/13 MD, 9 A 132/13 MD, 9 A 41/14 MD). Der Kläger habe auf die Richtigkeit der Gebührenerhebung vertrauen dürfen. Durch die bekanntgewordenen Aufhebungsbescheide der Beklagten in den genannten verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergäbe sich für den Kläger ein Anspruch aus § 51 VwVfG auf Wiederaufgreifen des Verfahrens, da sich die Sachlage nachträglich geändert habe. Dem Kläger habe nicht bekannt sein können, dass die Kalkulation des Gebührensatzes fehlerhaft sei, dies habe sich erst im Laufe der verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergeben. Das Ermessen der Beklagten sei auf Null reduziert, wenn die Aufrechterhaltung des Bescheides schlechterdings unerträglich sei oder Umstände erkennbar seien, die die Berufung auf die Bestandskraft als einen Verstoß gegen die guten Sitten oder Treu und Glauben erscheinen lasse. Beides liege hier vor.
- 6
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 12.08.2014 den Widerspruch zurück und führte aus, die Prüfung der Unterlagen habe ergeben, dass das Grundstück auch vor dem Jahr 2006 an die Anlage der Beklagten angeschlossen gewesen sei, da auch der Ablauf in den Goldbach zum öffentlichen Einrichtung der Beklagten gehört habe. Die Gründe für ein Wiederaufgreifen lägen nicht vor; der Antrag sei bereits unzulässig, da für den Kläger die Möglichkeit bestanden habe, Widerspruch gegen die Gebührenbescheide einzulegen.
- 7
Hiergegen hat der Kläger am 09.09.2014 Klage beim erkennenden Gericht erhoben. Er trägt ergänzend vor, dass er nicht habe erkennen können, dass der Gebührensatz rechtsfehlerhaft sei. Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zwinge zur Wiederaufnahme Der Beklagten sei bekannt, dass sie die Niederschlagswassergebühr nicht in der ausgewiesenen Höhe hätte erheben dürfen. Der Kläger habe nicht die Möglichkeit gehabt, auf die vorhandenen Beweismittel zuzugreifen. Es könne nicht erwartet werden, dass der Kläger die Kalkulation prüfe und die Fehlerhaftigkeit erkenne. Die Gebührensatzung sei nichtig, so dass die Gebühr noch nicht entstanden sei, mithin neue Bescheide erlassen werden könnten. Werden jedoch – wie hier – keine neuen Bescheide erlassen, so müsse es dem Kläger möglich sein, die Wiederaufnahme des Verfahrens zu verlangen.
- 8
Der Kläger beantragt sinngemäß,
- 9
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.05.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2014 zu verpflichten, das Verwaltungsverfahren zu den Heranziehungsbescheiden vom 25.09.2013 und 29.11.2013 gegenüber dem Kläger wiederaufzunehmen und
- 10
die Beklagte zu verpflichten, die Heranziehungsbescheide vom 25.09.2013 und 29.11.2013 aufzuheben sowie
- 11
die Zuziehung des Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
- 12
Die Beklagte beantragt,
- 13
die Klage abzuweisen.
- 14
Sie verteidigt ihre Bescheide und ergänzt, ein Anspruch ergäbe sich weder aus § 173 AO bzw. § 13 KAG LSA i.V.m. § 130 AO noch aus § 51 VwVfG. Es liege keine geänderte Sach- oder Rechtslage vor. Der Kläger habe die öffentliche Einrichtung der Beklagten in den Jahren 2011 und 2012 in Anspruch genommen und sei nach dem vorliegenden Satzungsrecht veranlagt worden. Die Satzung sei nach wie vor existent und es sei nicht belegt, dass der Gebührensatz nicht trage; von einer Nichtigkeit des Satzungsrechts sei nicht auszugehen. Dass in anderen Verfahren, die Gebührenbescheide im verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreit aufgehoben worden seien, sei ohne Bedeutung für die begehrte Wiederaufnahme und das Aufhebungsverlangen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte im anhängigen Verfahren und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
- 16
I. Die zulässige Klage – über die das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, weil die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO) – ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen der Verfahren bzw. Aufhebung der Gebührenbescheide der Beklagten vom 25.09.2013 und 29.11.2013. Der Bescheid der Beklagten vom 21.05.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
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Voranzustellen ist, dass die streitbefangenen Gebührenbescheide vom 25.09.2013 und 29.11.2013 unstreitig in Bestandskraft erwachsen sind, weil der Kläger im Vertrauen auf deren Rechtmäßigkeit keinen Widerspruch eingelegt hat, und keine Gründe vorgetragen hat, die eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand rechtfertigen. Streitentscheidend kommt es somit allein darauf an, ob der Kläger ein Wiederaufgreifen der Verfahren nach § 51 VwVfG verlangen kann (1.) oder der Kläger einen Anspruch darauf hat, dass die Gebührenbescheide ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden, weil sie nichtig oder rechtswidrig sind (2.). Dies ist nicht der Fall.
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1. Der Anwendungsbereich des § 51 VwVfG ist bereits nicht eröffnet, so dass sich ein Anspruch auf Abänderung der bestandskräftigen Gebührenbescheide nicht aus der Bestimmung über das Wiederaufgreifen abgeschlossener Verwaltungsverfahren ergeben kann. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG LSA gilt das Verwaltungsverfahrensgesetz nicht für Verwaltungsverfahren, soweit in ihnen Rechtsvorschriften der Abgabenordnung anzuwenden sind. Dies ist vorliegend der Fall. Gemäß § 13 Abs. 1 KAG LSA, sind auf kommunale Abgaben die in der Norm bezeichneten Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden, soweit nicht dieses Gesetz oder andere Bundes- oder Landesgesetze besondere Vorschriften enthalten (vgl. VG Köln, U. v. 19.06.2012 – 14 K 726/11 –; U. v. 22.11.2011 – 14 K 3620/10 – alle juris).
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2. Ein Aufhebungsanspruch besteht nicht.
- 20
a. Es besteht kein Anhalt dafür, dass die Gebührenbescheide nichtig i.S.v. § 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. b KAG LSA i.V.m. § 125 Abs. 1 AO sind. Die Bescheide leiden nicht an einem besonders schwerwiegenden offenkundigen Fehler. Denn Fehler i.S.v. § 125 Abs. 1 AO sind (nur) solche, die in einem so schwerwiegenden Widerspruch zur geltenden Rechtsordnung und den ihr zugrunde liegenden Wertvorstellungen der Gemeinschaft stehen, dass es schlechterdings unerträglich wäre, wenn der Verwaltungsakt die mit ihm intendierten Rechtswirkungen hätte. Der Verstoß muss nach Art und Ausmaß ein Gewicht haben, so dass eine Einschränkung des Gebots der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zugunsten der Stabilität des Verwaltungsakts und damit der Rechtssicherheit nicht mehr gerechtfertigt ist. Anhaltspunkte für die Beurteilung geben die in § 125 Abs. 2 und 3 geregelten Fälle. Deshalb muss es sich grundsätzlich um Fehler handeln, die denen in Abs. 2 an Tragweite und Schwere vergleichbar sind, die aber schwerer wiegen als die in Abs. 3 genannten Mängel. Selbst wenn man mit dem Kläger unterstellt, dass die Gebührenbescheide rechtlichen Bedenken begegnen, weil der mit der Gebührensatzung zugrunde gelegte Gebührensatz nicht durch eine Kalkulation unterlegt werden kann, folgt hieraus nicht die Nichtigkeit der Verwaltungsakte. Denn Verwaltungsakte, die aufgrund von Rechtsnormen ergingen, die (ggf.) später durch das Oberverwaltungsgericht im Rahmen der Normenkontrolle für nichtig erklärt wurden oder deren Nichtigkeit in einer gerichtlichen Entscheidung inzident festgestellt wurde, sind nicht nichtig (vgl. Fundstelle zur Regelung des § 44 VwVfG, die im Wesentlichen mit der Regelung des hier maßgebenden § 125 AO identisch ist: Kopp/Ramsauer, VwVfG Kommentar, 14. Aufl., § 44 Rn. 30, m.w.N.).
- 21
b. Der Anspruch des Klägers auf Aufhebung der Gebührenbescheide folgt auch nicht aus § 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. b KAG LSA i.V.m. § 130 Abs. 1 AO. Danach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden.
- 22
Selbst wenn man – was hier schlussendlich offen bleiben kann – zugunsten des Klägers unterstellt, dass die Gebührenbescheide rechtswidrig sind, weil der Gebührensatz überhöht ist, vermag dies keinen Aufhebungsanspruch hinsichtlich der bestandskräftigen Gebührenbescheide begründen; insbesondere ist für eine Ermessensreduzierung auf Null nichts ersichtlich. Die Behörde entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen; sie hat zwischen der Gerechtigkeit im Einzelfall und dem Interesse der Allgemeinheit an Rechtssicherheit an Rechtssicherheit und –frieden abzuwägen, wobei Letzterer nach Bestandskraft besonderes Gewicht erhalten muss. Die Abwägung muss also bei bestandskräftigen Verwaltungsakten in der Regel zugunsten des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit ausgehen (vgl. Klein, AO Kommentar, 9. Aufl., § 130 Rn. 27, m.w.N.). Die Behörde ist entgegen der Rechtsauffassung des Klägers nach der Unanfechtbarkeit nicht aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zur Rücknahme verpflichtet, denn durch § 130 AO dürfen die Rechtsmittelfristen nicht unterlaufen werden. Die Ablehnung eines Rücknahmebegehrens ist damit in der Regel ermessensfehlerfrei, wenn nur solche Umstände vorgetragen werden, die im Rechtsmittelverfahren hätten geltend gemacht werden können (vgl. Klein, a.a.O., § 130 Rn. 29). Dies ist hier der Fall, so dass die Beklagte zu Recht dem Aufhebungsverlangen des Klägers nicht nachgekommen ist. Der Kläger beruft sich im hiesigen Verfahren zuvorderst darauf, dass der Gebührensatz anhand keiner Kalkulation nachvollzogen werden könne, mithin überhöht sei. Den überhöhten Abgabensatz hätte er jedoch ohne weiteres bereits rechtzeitig mittels Widerspruchs rügen können. Dass er auf die Richtigkeit des Satzes als Laie vertraut und deshalb sein Aufhebungsverlangen erst angestrengt habe, nachdem er von seinem Prozessbevollmächtigten darüber in Kenntnis gesetzt worden sei, dass in ähnlich gelagerten – von seinem Bevollmächtigten betreuten – verwaltungsgerichtlichen Gebührenstreitigkeiten, die Beklagte Gebührenbescheide der Veranlagungsjahre 2011 und 2012 aufgehoben habe, führt zu keiner anderen Betrachtung. Denn dem Kläger blieb es unbenommen, den Gebührensatz im Rahmen der Rechtsbehelfsfrist (s)einer Rechtskontrolle zu unterwerfen und die Einlegung eines Rechtsbehelfs sodann zu erwägen. Dies hat er unterlassen. Die Mitwirkung eines Klägers an der Aufklärung von Sachverhalten im Zusammenhang mit Feststellung eines Verstoßes gegen das Kostenüberschreitungsverbot ist ihm – entgegen seiner Rechtsauffassung – auch zumutbar. Dass vielfach das Nachvollziehen von Berechnungen oder technischen Zusammenhängen einen mit der Materie nicht vertrautem Laien überfordert, entbindet den jeweiligen Kläger/Widerspruchsführer nicht davon, sich selbst sachkundig zu machen, sei es durch Unterstützung eines insoweit versierten Prozessbevollmächtigten oder eines Sachverständigen (im Einzelnen zu den Mitwirkungspflichten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren: VG Magdeburg, U. v. 26.03.2015 – 9 A 253/14 MD – juris, m.w.N.).
- 23
Soweit der Kläger schließlich einwendet, er habe erst nach Bestandskraft der Gebührenbescheide erfahren, dass sein im Jahr 2006 erworbenes Grundstück umgeschlossen worden sei und er gehe davon aus, dass diese Umbindung auf den Niederschlagswasserkanal rechtswidrig erfolgt sei, weil dies ohne die Zustimmung des Eigentümers erfolgt sei, vermag das Gericht nach dem unwidersprochenen gebliebenen Vorbringen der Beklagten zum einen bereits nicht zu erkennen, dass der Umschluss rechtswidrig war, berücksichtigt man, dass auch die vorherige Leitungsführung zur öffentlichen Einrichtung der Beklagten gehörte und die Leitungsführung dem weiten Planungsermessen des Aufgabenträgers unterliegt. Zum anderen führt auch eine etwaige Rechtswidrigkeit der Umbindung nicht zur Rechtswidrigkeit der Gebührenbescheide. Denn der Kläger hat – was er selbst nicht in Abrede stellt – die öffentliche Einrichtung der Beklagten zur Niederschlagswasserbeseitigung benutzt, mithin den Gebührentatbestand, nämlich die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung erfüllt.
- 24
Nach alledem sind Anhaltspunkte dafür, die die Aufrechterhaltung der Gebührenbescheide schlechterdings unerträglich ist oder Umstände erkennbar sind, die die Berufung auf die Bestandskraft als einen Verstoß gegen die guten Sitten oder Treu und Glauben erscheinen lassen, nicht ersichtlich.
- 25
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
- 26
III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 GKG i.V.m. Ziffer 3.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, wonach der Wert der streitigen Abgabe zugrunde zu legen ist.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Die Kläger sind je zur Hälfte Miteigentümer des Wohngrundstücks F. Straße 10, Gemarkung N. -M. , Flur 17, Flurstück 872. Das Flurstück 872 grenzt mit seiner westlichen Seite unmittelbar in einer Länge von 6 m an die F. Straße. In einer Länge von 32 m verläuft die südliche Seite des Flurstücks 872 annähernd parallel zur M1.-----straße . Von der M1.-----straße aus gelangt man über einen Privatweg (Flurstück 862), an dem die Kläger zu einem 1/39 Anteil Miteigentum haben, auf das Flurstück 872. Sie sind auch je zur Hälfte Eigentümer des mit 3 m unmittelbar an die M1.-----straße angrenzenden Flurstücks 880, das als Stellplatz genutzt wird.
3Mit Klage vom 2. Dezember 2011 (Az.: 17 K 7326/11) wandten sich die Kläger zunächst gegen die Erhebung von Straßenreinigungs- und Winterdienstgebühren für Februar bis Dezember 2011 (Veranlagungszeitraum 2011) anhand des Bescheides der Beklagten vom 2. November 2011 (38 Frontmeter für die der M1.-----straße zugewandte Grundstücksseite). Im Wesentlichen wurde vorgebracht, das Wohngrundstück werde nicht im straßenreinigungsrechtlichen Sinne durch die M1.-----straße erschlossen; der Privatweg verschaffe aufgrund seiner geringen Breite insbesondere keine tatsächliche Zugangsmöglichkeit. Im Rahmen der Prüfung eines Aussetzungsantrages nach § 80 Abs. 6 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- wies die Beklagte die Kläger mit Schreiben vom 14. Dezember 2011 darauf hin, die -unstreitig fehlerhaft zugrundegelegten- 38 der M1.-----straße zugewandten Frontmeter würden auch zunächst für das Jahr 2012 veranlagt. Aus technischen Gründen könne die gebotene Korrektur auf 35 Meter erst nach Erlass des Bescheides für 2012 erfolgen; sie werde insoweit für die Jahre 2011 und 2012 Ende Januar 2012 von Amts wegen vorgenommen. Mit Bescheid vom 16. Januar 2012 zog die Beklagte die Kläger zu Straßenreinigungs- und Winterdienstgebühren für das Veranlagungsjahr 2012 ebenfalls über 38 Frontmeter für die der M1.-----straße zugewandte Seite des Wohngrundstücks heran.
4Mit Bescheid vom 23. Januar 2012 setzte die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 2. November 2011 (Veranlagungszeitraum 2011) und vom 16. Januar 2012 (Veranlagungsjahr 2012) Straßenreinigungs- und Winterdienstgebühren auf Basis von jeweils 35 Frontmetern für die der M1.-----straße zugewandte Grundstücksseite fest. Nachdem die erkennende Kammer in der mündlichen Verhandlung vom 17. August 2012 in einem Verfahren anderer Kläger betreffend die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren erstmals Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Satzung der Beklagten über die Straßenreinigung und die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren vom 20. Dezember 1978 (StrS) in der Fassung des 33. Nachtrages vom 22. Dezember 2011 geäußert hatte, hob die Beklagte mit Bescheid vom 11. September 2012 insoweit die Straßenreinigungsgebühren für den Veranlagungszeitraum 2011 auf; die Klage bezüglich der verbleibend festgesetzten Winterdienstgebühren wurde mit Urteil vom 19. September 2012 rechtskräftig abgewiesen (Az.: 17 K 7326/11). Der Bescheid vom 23. Januar 2012 wurde für das Veranlagungsjahr 2012 bestandskräftig.
5Bereits am 20. April 2012 hatten die Kläger einen Antrag auf Aufhebung des bestandskräftigen Bescheides vom 16. Januar 2012 in der Fassung vom 23. Januar 2012 für das Veranlagungsjahr 2012 mit der Begründung gestellt, sie seien mit der grundsätzlichen Heranziehung zu Straßenreinigungsgebühren aus den im Verfahren 17 K 7326/11 benannten Gründen nicht einverstanden. Mit Bescheid vom 10. Mai 2012 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, der Gebührenbescheid vom 16. Januar 2012 in der Fassung vom 23. Januar 2012 sei rechtmäßig. Selbst aber die Rechtswidrigkeit des Bescheides unterstellt, überwiege die Rechtssicherheit vor dem Prinzip der materiellen Gerechtigkeit, weshalb sie ihr Ermessen dahin ausübe, den Bescheid nicht aufzuheben. Gründe, die das pflichtgemäße Ermessen einschränkten, seien nicht ersichtlich. Gegen diesen Bescheid erhoben die Kläger am 14. Juni 2012 Klage, die durch die erkennende Kammer mit rechtskräftigem Urteil vom 11. September 2012 abgewiesen wurde (Az.: 17 K 4516/12). Ein Anspruch der Kläger auf Aufhebung des bestandskräftigen Bescheides bestünde nicht. Es könne dahinstehen, ob der Gebührenbescheid der Beklagten vom 16. Januar 2012 in der Fassung vom 23. Januar 2012 für das Gebührenjahr 2012 rechtswidrig sei oder nicht, da selbst dann deren Entscheidung, den bestandskräftig gewordenen Heranziehungsbescheid nicht aufzuheben, nicht zu beanstanden wäre. Allein die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts begründe keinen Anspruch auf Rücknahme, sie sei lediglich Voraussetzung einer Ermessensentscheidung der Behörde. Das Rücknahmeermessen sei auch nicht „auf Null“ reduziert. Insbesondere sei es unschädlich, dass die Beklagte einen Bescheid über Straßenreinigungs- und Winterdienstgebühren für das Jahr 2012 erlassen habe, obwohl ein Rechtsstreit zwischen den Beteiligten betreffend den Veranlagungszeitraum 2011 noch anhängig gewesen sei. Lediglich die positive Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des zu erlassenden Gebührenbescheides bei dessen Erlass ließe das Festhalten an dem Bescheid angesichts der Bindung der Beklagten an Gesetz und Recht als schlechthin unerträglich erscheinen. Diese habe aber nicht vorgelegen.
6Mit Schreiben vom 15. Oktober 2012 stellten die Kläger erneut einen „Überprüfungsantrag gem. § 48 VwVfG“ bei der Beklagten mit dem Ziel, unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Mai 2012 den Grundbesitzabgabenbescheid vom 16. Januar 2012 in der Fassung vom 23. Januar 2012 hinsichtlich der Straßenreinigungsgebühren für das Veranlagungsjahr 2012 aufzuheben. Die Rechtslage habe sich verändert, da aufgrund von Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Satzung die Straßenreinigungsgebühr für den Veranlagungszeitraum 2011 im Verfahren 17 K 7326/11 am 11. September 2012 aufgehoben worden sei. Gleiches müsse auch für die Heranziehung 2012 gelten.
7Mit Schreiben vom 8. November 2012 lehnte die Beklagte abermals unter Bezugnahme auf die Urteilsgründe im Verfahren 17 K 4516/12 und den Bescheid vom 10. Mai 2012 diesen Antrag ab; es könne offen bleiben, ob der Gebührenbescheid vom 16. Januar 2012 in der Fassung vom 23. Januar 2012 (teilweise) rechtmäßig oder rechtwidrig gewesen sei. Sie vertiefte dabei die Erwägungen aus dem vormaligen Bescheid um Einnahme- und Haushaltssicherungsaspekte. Auch lägen Besonderheiten des Einzelfalles, wie etwa eine Existenzgefährdung der Kläger, die nunmehr eine abweichende Entscheidung rechtfertigten, nicht vor.
8Mit dem 34. Nachtrag zur StrS vom 20. Dezember 2012 (AmtsBl. Stadt MG, Nr. 37, S. 235) erhöhte die Beklagte rückwirkend ab dem 1. Januar 2012 ihren Öffentlichkeitsanteil (§ 5 Satz 2 StrS) und reduzierte infolgedessen den Gebührensatz in § 6 Abs. 5 Satz 1 StrS von ursprünglich 7,06 Euro auf 6,97 Euro für die Straßenreinigungsgebühren im Veranlagungsjahr 2012.
9Gegen das Schreiben vom 8. November 2012 haben die Kläger am 7. Dezember 2012 Klage erhoben. Sie tragen im Wesentlichen vor, der Ansatz der Straßenreinigungsgebühren sei offenkundig rechtswidrig; die Beklagte habe in einem Verfahren anderer Kläger entsprechende Gebührenbescheide insoweit aufgehoben, da die erkennende Kammer in diesen Verfahren Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Gebührensatzung geäußert habe. Der Vollzug einer rechtwidrigen Satzung könne -trotz bestandskräftigen Gebührenbescheides für 2012- in keinem Falle dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit dienen. Das Recht werde hier regelrecht mit Füßen getreten. Das Ermessen der Beklagten, den bestandskräftigen Gebührenbescheid aufzuheben, sei „auf Null“ reduziert. Das öffentliche Interesse an der Einbehaltung rechtswidrig erhobener Gebühren könne nicht das Interesse überwiegen, sich an Recht und Gesetz zu halten. Demgegenüber müsse die Einnahme- und Planungssicherheit des kommunalen Haushaltes zurücktreten.
10Die Kläger beantragen schriftsätzlich,
11die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08. November 2012 zu verpflichten, den Grundbesitzabgabenbescheid der Beklagten vom 16. Januar 2012 in der Fassung vom 23. Januar 2012 hinsichtlich der Straßenreinigungsgebühren aufzuheben.
12Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
13die Klage abzuweisen.
14Sie trägt im Wesentlichen vor, die Klage sei bereits unzulässig, es fehle an einem Rechtsschutzbedürfnis. Denn das Gericht habe mit Urteil vom 11. September 2012 (Az. 17 K 4516/12) bereits das entsprechende Begehren der Kläger abgewiesen. Der Streitstand sei nach wie vor unverändert. Ungeachtet der Frage, ob der Grundbesitzabgabenbescheid vom 16. Januar 2012 in der Fassung vom 23. Januar 2012 hinsichtlich der Straßenreinigungsgebühren für das Veranlagungsjahr 2012 rechtmäßig oder (zumindest teilweise) rechtswidrig gewesen sei, sei die Entscheidung, den bestandskräftigen Bescheid nicht aufzuheben im Übrigen auch zutreffend. Zur näheren Begründung werde auf die Entscheidungsgründe im angefochtenen Bescheid und in dem zuvor zitierten gerichtlichen Verfahren Bezug genommen.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, den des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten sowie auf den der Gerichtakten in den Verfahren 17 K 7326/11 und 17 K 4516/12 verwiesen.
16Entscheidungsgründe:
17Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten mit einer entsprechenden Entscheidung einverstanden erklärt haben (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO).
18Die Klage hat keinen Erfolg.
19Sie ist bereits unzulässig (A.); im Übrigen wäre sie auch unbegründet (B.).
20A. Der Zulässigkeit der Klage steht die Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 11. September 2012 (Az.: 17 K 4516/12) entgegen (I.). Eine Durchbrechung der Bindungswirkung dieser Entscheidung ist nicht erfolgt (II.).
21I. Nach § 121 Nr. 1 VwGO binden rechtkräftige Urteile, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist, die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger. Mit der Bestimmung soll verhindert werden, dass die aus einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die durch Sachurteil entschieden worden ist, bei unveränderter Sach- und Rechtslage erneut - mit der Gefahr unterschiedlicher Ergebnisse - zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Beteiligten gemacht und einer erneuten Sachprüfung zugeführt werden kann,
22vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2011 - 5 C 9/11 -, juris, m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 11. September 1998 - 8 B 218/98 -, juris; Kilian, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 121, Rn. 80 m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl., § 121, Rn. 9.
23Dies entspricht der Funktion der Rechtskraft verwaltungsgerichtlicher Urteile, Rechtsfrieden mittels der Maßgeblichkeit und Rechtsbeständigkeit der Entscheidung über den Streitgegenstand zu gewährleisten, wobei die Bindungswirkung des § 121 VwGO unabhängig davon eintritt, ob das rechtkräftige Urteil die Sach- und Rechtslage zutreffend beurteilt hat oder nicht,
24vgl. BayVGH, Urteil vom 4. Januar 2001 - 13 A 98.1556, juris, m.w.N.
25Dementsprechend haben die im Vorprozess unterlegenen Kläger, solange und soweit die Bindungswirkung des klageabweisenden rechtskräftigen Urteils reicht, keinen Rechtsanspruch auf eine erneute Entscheidung in der Sache. Ein eine Verpflichtungsklage abweisendes Sachurteil enthält dabei die Feststellung, dass zum für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der behauptete Anspruch nicht besteht; an der materiellen Rechtskraft nehmen die tragenden Gründe für die Verneinung des Anspruchs teil. Daran gemessen steht die Rechtskraftbindung des Urteils vom 11. September 2012 (Az.: 17 K 4516/12) einem Anspruch der Kläger auf Sachentscheidung über den erneuten Antrag auf Aufhebung des bestandskräftigen Gebührenbescheides für das Veranlagungsjahr 2012 entgegen. Das Antragsbegehren entspricht hier auch dem unveränderten Streitgegenstand, über den rechtskräftig entschieden worden ist. Streitgegenstand einer Verpflichtungsklage ist die Rechtsbehauptung der Kläger, sie hätten einen Anspruch auf Erlass des beantragten Verwaltungsakts,
26vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2011 - 5 C 9/11 -, juris, m.w.N.,
27hier folglich auf eine Verpflichtung der Beklagten, ihren Grundbesitzabgabenbescheid vom 16. Januar 2012 in der Fassung vom 23. Januar 2012 (hinsichtlich der Straßenreinigungsgebühren für 2012) aufzuheben. Dieses Begehren war aber bereits Gegenstand des Urteils vom 11. September 2012.
28Ungeachtet der Frage, ob eine andere Beurteilung im Hinblick auf den Streitgegenstand bereits dann gerechtfertigt wäre, wenn es sich bei dem Schreiben der Beklagten vom 8. November 2012 um einen negativen Zweitbescheid / Wiederaufgreifensbescheid handeln würde, mit dem die Beklagte eine neue Sachprüfung ermöglicht hätte und sich die Rechtskraft der Entscheidung über den Bescheid vom 10. Mai 2012 dann möglicherweise nicht mehr auf die Zulässigkeit der nunmehr erhobenen Klage auswirken würde,
29vgl. dazu BayVGH, Beschluss vom 6. Dezember 2010 - 11 ZB 08.822 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 4. März 2013 - 15 A 2421/12 -, juris; Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 24 Lfg., § 121 Rn. 22; Lindner, in: BeckOK, 26. Ed., § 121 Rn. 40.
30liegt hier schon kein solcher Bescheid vor. Ein Zweitbescheid ist nur dann anzunehmen, wenn er den Willen der Behörde, eine neue, an die Stelle des ursprünglichen unanfechtbaren Verwaltungsakts tretende Sachentscheidung zu treffen, unzweideutig zum Ausdruck bringt,
31vgl. Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 42 Rn. 25; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl., Anh § 42 Rn. 29, jew. m.w.N.
32Die Äußerung der Beklagten vom 8. November 2012 ist jedoch in der Sache lediglich eine wiederholende Verfügung des Bescheides vom 10. Mai 2012. Unter einer wiederholenden Verfügung ist die Wiederholung eines unanfechtbaren Verwaltungsakts oder der Hinweis auf einen solchen Verwaltungsakt zu verstehen, ohne dass eine erneute Sachentscheidung ergeht. Die Bewertung, ob eine wiederholende Verfügung in diesem Sinne oder eine erneute Sachentscheidung (Zweitbescheid) vorliegt, hängt maßgeblich davon ab, ob sich die tragenden Erwägungen der behördlichen Aussage gegenüber dem Erstbescheid nach der insoweit maßgeblichen Erklärung der Behörde in ihrer nachfolgenden Äußerung geändert haben, insbesondere weil eine entscheidende Akzentverschiebung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht in der neuen Begründung enthalten ist. Beigefügte Rechtsausführungen nehmen der behördlichen Äußerung mithin dann nicht die Eigenschaft einer wiederholenden Verfügung, wenn es sich um Erwägungen handelt, die der Sache nach schon in der ursprünglichen Begründung enthalten waren,
33vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. März 2013 - 15 A 2421/12 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 13. August 2009 - 1 B 264/09 -, juris.
34Zwar scheint hier die äußerlich gewählte Form für einen Zweitbescheid zu sprechen. Denn die Beklagte hat dem Schreiben vom 8. November 2012 eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt und in dieser das Schreiben als Bescheid bezeichnet sowie den erneuten Antrag der Kläger „abgelehnt“.
35Darauf kommt es aber im Ergebnis nicht entscheidend an. Denn im gegebenen Fall konnte und musste ein objektiver Empfänger des Schreibens vom 8. November 2012 bei verständiger und lebensnaher Würdigung davon ausgehen, dass die Beklagte mit der in Rede stehenden Verfügung in Wahrheit keine inhaltlich neue Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruchs auf Aufhebung des bestandskräftigen Bescheides vom 16. Januar 2012 in der Fassung vom 23. Januar 2012 im Sinne eines sog. Zweitbescheids treffen wollte. Die Kläger sollten nicht neu und erstmalig über die Aufhebung der Bescheide über die Pflicht zur Zahlung einer Straßenreinigungsgebühr nach § 12 Abs. 1 Nr. 3b) Kommunalabgabengesetz für das M. Nordrhein-Westfalen ‑ KAG NRW ‑ i.V.m. § 130 Abgabenordnung -AO- beschieden werden. Die Beklagte zielte mit ihrem Schreiben nur darauf ab, die bereits mit dem bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakt vom 10. Mai 2012 getroffene Regelung hinweisend zu wiederholen. Denn wie ein Vergleich des Bescheids aus Mai 2012 mit dem Schreiben vom 8. November 2012 zeigt, decken sich die in beiden Schriftstücken enthaltenen Begründungen, die im maßgeblichen Kern beide darauf abstellen, dass sich ein Aufhebungsanspruch mangels Ermessenreduzierung „auf Null“ nicht ergibt und sich im Übrigen auch die Beklagte aufgrund ihres sachgerecht ausgeübten Ermessens nicht gehalten sieht, den bestandskräftigen Gebührenbescheid aufzuheben. Desweiteren hat die Beklagte durch ihre „zur Vermeidung von Wiederholungen“ erfolgte Bezugnahme auf die Urteilsbegründung in dem Verfahren 17 K 4516/12 (streitgegenständlich war der Bescheid vom 10. Mai 2012) hinreichend deutlich zu erkennen gegeben, dass sie keine erneute originäre Entscheidung mit ggf. abweichendem Tenor in der Sache treffen oder eine maßgeblich veränderte Sach- oder Rechtslage sehen will, sondern sich auf die Rechtskraft des Urteils im Ergebnis berufen will und damit auch keine konkludente Wiederaufgreifensentscheidung treffen wollte. Zudem nimmt sie Bezug auf ihren rechtskräftig bestätigten Bescheid vom 10. Mai 2012. Dass die Beklagte Begründungselemente dieses Bescheides präzisiert (z.B.: Einnahme- und Planungssicherheit der kommunalen Haushalte; mögliche Existenzgefährdung der Kläger) ist schließlich für die Annahme einer bloß wiederholenden Verfügung unschädlich. Denn es handelt sich nicht um eine in wesentlichen Punkten geänderte, akzentverschiebende, sondern nur eine weiter erläuternde Begründung der vormaligen Entscheidung (ohne dass zudem ein neuer Sachvortrag der Kläger vorlag),
36vgl. VGH BW, Beschluss vom 10. Dezember 2008 - 9 S 1099/08, juris, m.w.N.
37Daher zieht die Beklagte in ihrem Schreiben vom 8. November 2012 eine Aufhebung des Bescheids vom 10. Mai 2012 auch nicht in Betracht. Sie belässt es vielmehr bei diesem und sieht von einer neuen Sachentscheidung ab.
38II. Die Kläger können auch keine Durchbrechung der Bindungswirkung der Entscheidung des Gerichts vom 11. September 2012 (Az.: 17 K 4516/12) beanspruchen. Die Wirkung des § 121 VwGO kann -jedenfalls in dem hiesigen Fall der vorherigen gerichtlichen Bestätigung eines Verwaltungsaktes- nur auf gesetzlicher Grundlage überwunden werden,
39vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2011 - 5 C 9/11 -, juris; BVerwG, Urteil vom 22.Oktober 2009 ‑ 1 C 26/08 ‑, juris.
40Dies ist nicht der Fall.
41Ein Anspruch auf eine Durchbrechung der Rechtskraft kann weder aus §§ 172, 173 AO (1.) noch aus § 51 Abs. 1 bis 3 Verwaltungsverfahrensgesetz für das M. Nordrhein-Westfalen -VwVfG NRW- oder aus dessen Rechtsgedanken (2.) hergeleitet werden.
421. § 12 KAG NRW, der auf die Vorschriften der Abgabenordnung verweist, nimmt die Regelungen des §§ 172, 173 AO nicht in Bezug, so dass mangels einer Regelungslücke eine analoge Anwendung dieser Vorschriften ausscheidet,
43vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. März 2009 - 9 A 397/08 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 26. Oktober 1987 - 2 A 2738/84 -, GemH 1989, 37; OVG NRW, Urteil vom 22. Mai 1980 ‑ 3 A 2378/79 ‑, KStZ 1980, 239.
442. § 51 VwVfG NRW kommt in Verfahren, in denen - wie hier - Rechtsvorschriften der Abgabenordnung anzuwenden sind, ebenfalls nicht unmittelbar zur Anwendung (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW). Es bedarf keiner darüber hinausgehenden Entscheidung, ob aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen -die ihre Entsprechung im § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG NRW gefunden haben- ein gesetzlich zwingender Anspruch auf Wiederaufgreifen eines abgeschlossenen abgaberechtlichen Verwaltungsverfahrens im engeren Sinne hergeleitet werden kann,
45vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. März 2013 - 15 A 2421/12 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 24. März 2009 - 9 A 397/08 -, juris (offengel.); OVG NRW, Urteil vom 22. Mai 1980 - 3 A 2378/79 -, KStZ 1980, 239 (dort bejaht für Erschließungsbeiträge); OVG NRW, Urteil vom 26. Oktober 1987 ‑ 2 A 2738/84 ‑, GemH 1989, 37 (dort bejaht für Kanalbenutzungsgebühren); vgl. auch Dietzel/Kallerhoff, Das Straßenbaubeitragsrecht nach § 8 des Kommunalabgabengesetzes NRW, 6. Aufl., Rn. 463.
46Denn die Voraussetzungen eines Rechtsanspruchs auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach dem Rechtsgedanken des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG NRW liegen schon nicht vor (a, b).
47a) Aus dem „Überprüfungsantrag gemäß § 48 VwVfG“ des Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 15. Oktober 2012 ist kein Wiederaufgreifensgrund im Sinne des Rechtsgedankens des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG NRW -nur ein solcher kommt überhaupt in Betracht- erkennbar. Entsprechend dieser Norm müsste sich nach der rechtskräftigen Entscheidung vom 11. September 2012 die Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten der Kläger geändert haben. Diese beziehen sich in ihrem Antrag allein auf Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Satzung bzgl. der Straßenreinigungsgebühr und eine entsprechende Aufhebung dieser Gebühr für den Veranlagungszeitraum 2011 im Verfahren 17 K 7326/11 durch die Beklagte. Die Aufhebung der entsprechenden Straßenreinigungsgebühr für den Zeitraum 2011 ist auf erstmaligen rechtlichen Hinweis der Kammer am 17. August 2012 in einem Verfahren anderer Kläger erfolgt und lag im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den ersten Aufhebungsantrag am 11. September 2012 schon vor. Eine Sach- oder Rechtslageänderung nach dieser Entscheidung ist im Antrag vom 15. Oktober 2012 damit nicht dargetan und zu diesem Zeitpunkt auch sonst nicht erkennbar. Lediglich ergänzend wird mit Blick auf die Frage der Rechtslagenänderung darauf hingewiesen, dass diese nicht durch eine bloße Änderung der Rechtsprechung -etwa im Vergleich zu der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der maßgeblichen Satzung in früheren Fällen- begründet wird,
48vgl. nur OVG NRW, Urteil vom 24. März 2009 - 9 A 397/08 -, juris, std. Rspr. m.w.N.
49b) Darüber hinaus ist -unmittelbar oder entsprechend- kein weiterer Wiederaufgreifensgrund von den Klägern geltend gemacht worden. Es kann insoweit offen bleiben, ob eine maßgebliche Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG NRW durch die rückwirkende Satzungsänderung am 31. Dezember 2012 für das Gebührenjahr 2012 begründet wurde (aa), denn ein Wiederaufgreifen hieraus wäre mangels entsprechenden Antrages bereits unzulässig (bb).
50aa) Es ist zweifelhaft, ob sich nach dem Rechtsgedanken des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG NRW die dem Urteil zugrundeliegende Rechtslage nachträglich zugunsten der Betroffenen durch rückwirkende Satzungsänderung mit dem 34. Nachtrag zur StrS vom 20. Dezember 2012 (AmtsBl. Stadt MG vom 31. Dezember 2012, Nr. 37, S. 235) geändert hat und damit ein Wiederaufgreifensgrund vorläge. Mit dieser Satzungsänderung erhöhte die Beklagte aufgrund einer Neukalkulation des Gebührensatzes ab dem 1. Januar 2012 ihren Öffentlichkeitsanteil (§ 5 Satz 2 StrS) und reduzierte infolgedessen den Gebührensatz für Veranlagungen in § 6 Abs. 5 Satz 1 StrS von ursprünglich 7,06 Euro auf 6,97 Euro für die Straßenreinigungsgebühren (Veranlagungsjahr 2012). Zwar mag die rückwirkende Änderung einer -nicht bloß klarstellenden Rechtsnorm,
51vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 4. März 2013 - 15 A 2421/12 -, juris-
52grundsätzlich ein Fall der Änderung der Rechtslage sein, die sich hier auch zugunsten der Kläger in Höhe der überzahlten Gebühren -wohl nur insoweit ließe sich an eine Rechtskraftdurchbrechung denken- auswirkte (Überzahlung von 3,15 Euro [Bescheid vom 23. Januar 2012: 7,06 Euro Straßenreinigung; rückwirkend korrigierter Satz: 6,97 Euro; unverändert 0,64 für Winterdienst, jew. x 35 Frontmeter, ergibt die Differenz von 3,15 Euro]). Im Rahmen des abgabenrechtlichen Regelungsregimes spricht jedoch einiges dafür, die Rückwirkung von konstitutiven Regelungen einer Gebührensatzung -hier des Gebührensatzes- nicht auf bereits unanfechtbar gewordene Veranlagungen zu erstrecken. Der Ortsrechtsgeber will nach seinem verobjektivierten Willen regelmäßig nur die noch „offenen“, d.h. noch nicht abgeschlossenen Fälle von der Rückwirkung erfasst sehen. Die übrigen Verwaltungsentscheidungen sollen jedenfalls konkludent unberührt von Rückwirkungen bleiben, allein schon, weil der Ortsrechtsgeber gerade im -vom massenhaften Bescheiderlass und entsprechend hohem Klageaufkommen geprägten- Abgabenrecht auch seine Haushaltssicherheit nicht gefährden will, zumal ansonsten etwa (ggf. in nicht unbeträchtlichem Maße) kalkulatorische Rückstellungen für Verfahren die dem Rechtsgedanken des § 51 VwVfG NRW unterfielen gebildet werden müssten, was regelmäßig nicht bei einer rückwirkenden Satzungsänderung beabsichtigt ist,
53vgl. Dietzel/Kallerhoff, Das Straßenbaubeitragsrecht nach § 8 des Kommunalabgabengesetzes NRW, 6. Aufl., Rn. 466 (Kap.: G. III. 2.); im Ansatz OVG NRW, Urteil vom 30. Juni 1976 - III A 216/75; zu diesem Ansatz auch Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 51 Rn. 99 unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 12. November 1993 - 7 C 7/93 -, juris.
54Letztlich Bedarf es zu dieser Frage keiner Entscheidung, da ein diesbezüglicher Wiederaufgreifensantrag bereits unzulässig wäre.
55bb) Die Kläger haben es versäumt den -hier unterstellten- Wiederaufgreifensgrund einer Rechtslagenänderung durch den 34. Nachtrag zur StrS vom 20. Dezember 2012 innerhalb der Dreimonatsfrist im Sinne des § 51 Abs. 3 Satz 1 VwVfG NRW geltend zu machen. Die Entscheidung des Ortsrechtsgebers vom 20. Dezember 2012, eine rückwirkende Änderung der Satzung vorzunehmen, bildet einen eigenen, selbstständigen Wiederaufnahmegrund. Denn die Entscheidung der Verwaltung, einen einzelnen Gebührenbescheid aufgrund von Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Erhebung von Straßenreinigungsgebühren (teilweise) aufzuheben -worauf die Kläger im Schreiben vom 15. Oktober 2012 abstellen- ist von der mittels Ratsbeschluss getroffenen generellen Entscheidung des Ortsrechtsgebers, die Satzung rückwirkend zu ändern, zu trennen. Beide Entscheidungen haben nicht zuletzt sowohl inhaltlich (Aufhebung einer Belastung / Begründung einer möglichen Belastung) als auch vom Adressatenkreis (einzelner Pflichtiger / sämtliche Gebührenpflichtigen) einen anderen Gehalt. Liegt damit ein eigener Wiederaufnahmegrund vor, der nach dem 15. Oktober 2012 datiert, muss gemäß dem übertragbaren Rechtsgedanken des § 51 Abs. 3 VwVfG NRW der Wiederaufnahmegrund binnen drei Monaten nach dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das mögliche Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat, geltend gemacht werden. Bei mehreren Wiederaufnahmegründen läuft die Frist für jeden Grund gesondert; das gilt auch dann, wenn bereits ein Verfahren nach § 51 VwVfG NRW anhängig ist,
56vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Februar 1998 - 9 C 28/97 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 22. April 1985 ‑ 4 A 2750/83 ‑, juris; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. § 51 Rn. 139 m.w.N.
57Selbst wenn die Bekanntmachung im öffentlich zugänglichen Amtsblatt der Beklagten am 31. Dezember 2012 (AmtsBl. Stadt MG Nr. 37, S. 235) nicht für eine positive „Kenntnis“ im Sinne des § 51 Abs. 3 Satz 2 VwVfG NRW als hinreichend erachtet würde,
58so Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. § 51 Rn. 133,
59erlangte jedenfalls der Prozessbevollmächtigte (und damit auch die Kläger) Kenntnis im Sinne dieser Norm durch die Klageerwiderung vom 28. Januar 2013. Denn dort wies die Beklagte auf die rückwirkende Änderung der Satzung hin (vgl. S. 3 der Klageerwiderung). Damit lief die Frist jedenfalls im Laufe April 2013 ab. Bis dahin haben die Kläger diesen Grund nicht geltend gemacht. Ungeachtet des genauen Ablaufs der Dreimonatsfrist liegt zudem bis heute überhaupt kein ausdrücklicher oder entsprechender Antrag der Kläger diesbezüglich vor. Eine Durchbrechung der Rechtskraft gestützt auf den Rechtsgedanken des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG NRW kommt daher nicht in Betracht.
60Eine nochmalige Sachprüfung ist dem Gericht aufgrund der Rechtskraft der Entscheidung im Vorprozess 17 K 4516/12 verwehrt, mit der Folge der Unzulässigkeit der erhobenen Klage.
61B. Selbst wenn die Klage mit der Konsequenz der Eröffnung einer erneuten gerichtlichen Überprüfung für zulässig gehalten würde -etwa weil in dem Schreiben vom 8. November 2012 ein Zweitbescheid mit einer konkludenten Negativentscheidung über ein Wiederaufgreifen gesehen würde-,
62vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2009 - 1 C 26/08 -, juris, Rn. 19: mit der Befugnis der Behörde, ein rechtskräftig abgeschlossenes Verwaltungsverfahren im Ermessenswege wiederaufzugreifen, korrespondiert ein gerichtlich einklagbarer (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) Anspruch des Betroffenen auf fehlerfreie Ermessensausübung; Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 24. Lfg., § 121 Rn 22,
63bliebe sie dennoch in der Sache ohne Erfolg. Denn die Kläger haben keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte über ihren Antrag auf Aufhebung des bestandskräftigen Bescheides vom 16. Januar 2012 in der Fassung vom 23. Januar 2012 erneut entscheidet, § 113 Abs. 5 VwGO.
64Die Rechtskraftbindung wird nicht im Wege des Wiederaufgreifens des abgeschlossenen Verfahrens auf der Grundlage des § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG NRW überwunden (sog. Wiederaufgreifen im weiteren Sinne). Wie bereits ausgeführt ist das VwVfG NRW nicht unmittelbar auf die abgabenrechtliche Streitigkeit anwendbar (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW; s. A. II. 2.). Offen bleiben kann auch, ob aus dem § 51 Abs. 5 VwVfG NRW ein entsprechender Rechtsgedanke herzuleiten ist, der dann aufgrund der unanwendbaren §§ 48, 49 VwVfG NRW für das Regelungsregime des Abgabebrechts über § 12 Abs. 1 Nr. 3b) KAG NRW die §§ 130, 131 AO zur Geltung brächte. Denn die Behörde musste ‑ unterstellt es läge im Schreiben vom 8. November 2012 ein Bescheid im zuvor verstandenen Sinne vor ‑ das Verfahren nicht wieder aufgreifen (I.) und hat ein solches im Übrigen auch ermessensfehlerfrei abgelehnt (II.).
65I. Umstände, die ausnahmsweise eine erneute Sachentscheidung geböten, das Ermessen der Behörde also zu Gunsten der Kläger verdichteten, müssten in ihrer Bedeutung und ihrem Gewicht den in § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG NRW getroffenen zwingenden Regelungen vergleichbar sein (zur fehlenden Einschlägigkeit von § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG NRW vgl. insoweit entsprechend die Erwägungen unter A. II. 2. a., b.). Mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit reduziert sich das Ermessen der Behörde zugunsten des Betroffenen, wenn das Festhalten an dem rechtskräftig bestätigten Verwaltungsakt schlechthin unerträglich wäre. Ob sich die Aufrechterhaltung eines Verwaltungsaktes als solchermaßen darstellt, hängt von den Umständen des Einzelfalles und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte ab,
66vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2011 - 5 C 9/11 -, juris; BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2009 ‑ 1 C 26/08 und 1 C 15.08 ‑, juris, jew. m.w.N.
67Selbst wenn der rechtskräftig bestätigte Verwaltungsakt vom 10. Mai 2012 -hier die Sicht der Kläger einmal unterstellt- so nicht rechtmäßig hätte verfügt werden dürfen, genügt dies hierfür nicht. Dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit kommt nämlich prinzipiell kein größeres Gewicht zu als dem Gebot der Rechtssicherheit, sofern dem anzuwendenden Recht nicht ausnahmsweise eine andere Wertung zu entnehmen ist. Dafür ist nichts ersichtlich. Das Kommunalabgabengesetz NRW oder die in Bezug genommenen Vorschriften der Abgabenordnung enthalten keine Regelung, nach der die materielle Richtigkeit Vorrang gegenüber der Rechtssicherheit zu erhalten hätte. Es bleibt vielmehr bei der allgemeinen Regelung der Verwaltungsgerichtsordnung, die für die Anfechtung von Verwaltungsakten (bzw. Einlegung von Rechtsmitteln gegen Urteile) Fristen vorschreibt und damit der Rechtssicherheit einen hohen Stellenwert zumisst. Unter diesen Umständen ist es in aller Regel gerechtfertigt, wenn die Behörde - wie hier - der Rechtssicherheit den Vorzug vor der materiellen Gerechtigkeit einräumt,
68vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeitragsrecht, 8. Auflage, 2007, § 25 Rn. 7; Dietzel/Kallerhoff, Das Straßenbaubeitragsrecht nach § 8 des Kommunalabgabengesetzes NRW, 6. Aufl., Rn. 465 m.w.N.
69Auch gibt es sonst -im Sinne einer Ermessensverdichtung- keine Erwägungen, die ein Festhalten an der Bestandskraft letztlich des Veranlagungsbescheides und der Rechtskraft der Entscheidung vom 11. September 2012 nicht geböten. Die Kläger hätten aus dem Bescheid vom 16. Januar 2012 in der Fassung vom 23. Januar 2012 betreffend das Veranlagungsjahr 2012, dessen Aufhebung Gegenstand des rechtskräftigen Bescheides vom 10. Mai 2012 war, erkennen können, dass die Frage der rechtlichen und tatsächlichen Zugangsmöglichkeit und damit der Erschließung ihres Wohngrundstückes auch über die M1.-----straße von der Beklagten nicht anders als im Vorjahr 2011 beurteilt worden war (Festsetzung über 35 Frontmeter). Sie haben sich aber -trotz dieses für sie bezüglich des Veranlagungszeitraums 2011 Anlass zur Klage (17 K 7326/11) gebenden Umstandes und der seinerzeit fortdauernden Anhängigkeit eben jenes Rechtsstreites nicht nur zur Hinnahme des Bescheides für das Jahr 2012 entschlossen, sondern sind auch gegen die gerichtliche Entscheidung vom 11. September 2012 nicht weiter vorgegangen. Sie hätten ohne Weiteres die Möglichkeit gehabt, die Bescheidgrundlagen für 2012 rechtzeitig zu prüfen und von der Möglichkeit eines Rechtsbehelfs Gebrauch zu machen, um die materielle Gerechtigkeit in dem dafür vorgesehenen Rechtsbehelfsverfahren zu verwirklichen. Da es insbesondere bei Abgabenbescheiden immer eine Frage individueller Abwägung zwischen den finanziellen Vorteilen und Risiken ist, wenn über die Einlegung eines Rechtsbehelfs/Rechtsmittels entschieden werden soll, und die Kläger sich seinerzeit für die Akzeptanz des Verwaltungsakts/Urteils entschieden haben, können sie nicht deshalb weil andere Kläger erfolgreich das Risiko eines Rechtsbehelfs/Rechtsmittels eingegangen sind, eine Gleichbehandlung nach Art. 3 Grundgesetz mit diesen verlangen,
70vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. Januar 2009 - 15 A 3178/08 -, juris; vgl. zu dem Ansatz, dass das vorwerfbare Versäumnis, einen rechtswidrigen Abgabebescheid nicht im Wege des primären Rechtsschutzes bekämpft zu haben, einen späteren Amtshaftungsanspruch ausschließt, BGH, Urteil vom 15. November 1990 - III ZR 302/89 -, juris.
71Für eine gebildete Verwaltungspraxis und damit eine Selbstbindung der Beklagten dahin, in Fällen bestimmter Art bestandskräftige Verwaltungsakte zurückzunehmen oder die Rechtskraft einer Entscheidung stets mittels einer positiven Wiederaufgreifensentscheidung zu durchbrechen oder, dass eine Abweichung von einer solchen Praxis im konkreten Falle nicht auf sachgerechten Erwägungen beruhte, ist nichts ersichtlich oder vorgetragen,
72vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. April 2004 - 15 A 1113/04, juris.
73Schließlich sind Gesichtspunkte einer offensichtlichen Fehlerhaftigkeit des rechtskräftigen Urteils, mit dem der frühere Verwaltungsakt bestätigt wurde, nicht ersichtlich,
74vgl. zu diesem Gesichtspunkt BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2011 - 5 C 9/11 -, juris; BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2004 - BVerwG 6 C 24.03 -, juris, jew. m.w.N.
75II. Im Übrigen hat die Beklagte -immer unterstellt, sie habe am 8. November 2012 konkludent auch über ein Wiederaufgreifen mittels Bescheides entschieden- nicht ermessensfehlerhaft gehandelt, wenn sie ein Wiederaufgreifen im Hinblick auf die rechtskräftige Bestätigung ihrer Entscheidung ablehnt. Das hat sie hier durch die Bezugnahme auf das Urteil vom 11. September 2012 getan. In diesen Fällen bedarf es regelmäßig keiner weiteren ins Einzelne gehenden Ermessenserwägungen der Behörde,
76vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2011 - 5 C 9/11 -, juris; BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2009 ‑ 1 C 26/08 und 1 C 15.08 ‑, juris.
77Auch die übrigen Erwägungen der Beklagten lassen keine Ermessensfehler erkennen. Der Ausgleich des Gebührenhaushalts ist erforderlich, um den Einsatz von Haushaltsmitteln sachgerecht und vorausschauend planen zu können, was die Beklagte zutreffend mit dem Verweis auf die Einnahme- und Planungssicherheit der kommunalen Haushalte ins Feld führt. Das Ergebnis des Vorrangs der Rechtssicherheit findet insoweit seine Rechtfertigung darin, dass Straßenreinigungsgebühren dem Zweck dienen, die Kosten der Gemeinden aus der Straßenreinigung zu decken (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Gesetz über die Reinigung öffentlicher Straßen). Bei der Rückzahlung von Gebühren entsteht grundsätzlich eine Deckungslücke im Gebührenhaushalt, die aus Haushaltsmitteln geschlossen werden müsste. Dementsprechend ist das Bedürfnis der Stadt anzuerkennen, sich nach Eintritt der Bestandskraft der Gebührenbescheide darauf verlassen zu können, dass es zu keinen Rückzahlungen mehr kommt und die Haushaltslage ausgeglichen ist. Die Entscheidung der Beklagten, der Sache nach ein Wideraufgreifen abzulehnen und den Gebührenbescheid nicht aufzuheben ist daher nicht zu beanstanden, so dass der Klage auch der Erfolg in der Begründetheit verwehrt geblieben wäre.
78C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung.
79Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO nicht vorliegen (vgl. § 124a Abs. 1 VwGO).
80Beschluss:
81Der Streitwert wird auf 269,50 Euro festgesetzt.
82Gründe:
83Die Festsetzung des Streitwertes ist nach §§ 52 Abs. 1, 71 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz erfolgt.
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(2) Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur dann zurückgenommen werden, wenn
- 1.
er von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden ist, - 2.
er durch unlautere Mittel, wie arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist, - 3.
ihn der Begünstigte durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren, - 4.
seine Rechtswidrigkeit dem Begünstigten bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war.
(3) Erhält die Finanzbehörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Fall des Absatzes 2 Nr. 2.
(4) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts die nach den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zuständige Finanzbehörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Finanzbehörde erlassen worden ist; § 26 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.
(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,
- 1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist, - 2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat, - 3.
wenn die Finanzbehörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde.
(3) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Finanzbehörde keinen späteren Zeitpunkt bestimmt.
(4) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts die nach den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zuständige Finanzbehörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Finanzbehörde erlassen worden ist.
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(2) Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur dann zurückgenommen werden, wenn
- 1.
er von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden ist, - 2.
er durch unlautere Mittel, wie arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist, - 3.
ihn der Begünstigte durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren, - 4.
seine Rechtswidrigkeit dem Begünstigten bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war.
(3) Erhält die Finanzbehörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Fall des Absatzes 2 Nr. 2.
(4) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts die nach den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zuständige Finanzbehörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Finanzbehörde erlassen worden ist; § 26 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.
(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,
- 1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist, - 2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat, - 3.
wenn die Finanzbehörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde.
(3) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Finanzbehörde keinen späteren Zeitpunkt bestimmt.
(4) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts die nach den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zuständige Finanzbehörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Finanzbehörde erlassen worden ist.
(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,
- 1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen, - 2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.
(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 13. Februar 2014 - 2 K 2957/12 - wird, soweit hierin der Bescheid der Beklagten vom 05.07.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.10.2012 teilweise aufgehoben wurde, geändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 25. Oktober 2010 - 1 K 885/09 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(2) Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur dann zurückgenommen werden, wenn
- 1.
er von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden ist, - 2.
er durch unlautere Mittel, wie arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist, - 3.
ihn der Begünstigte durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren, - 4.
seine Rechtswidrigkeit dem Begünstigten bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war.
(3) Erhält die Finanzbehörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Fall des Absatzes 2 Nr. 2.
(4) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts die nach den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zuständige Finanzbehörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Finanzbehörde erlassen worden ist; § 26 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist
- 1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder - 2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.
(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungsschuld abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
- 1
Die Beteiligten streiten über die Aufhebung eines Straßenausbaubeitragsbescheides.
- 2
Herr W. war Eigentümer des Grundstücks Flurstück G1 (nunmehr G2) in einer Größe von 77 m². Herr W. fiel am 18.03.1943. Mit Beschluss vom 30.11.1999 - 3 VI 33/98 - hob das Amtsgericht Waren die Nachlasspflegschaft für die unbekannten Erben des Herrn W. auf und stellte das fiskalische Erbrecht des Klägers fest.
- 3
Das Grundstück Flurstück G1 grenzt an die H.-Straße, einer Gemeindestraße in Penzlin. Sie liegt im Geltungsbereich im vereinfachten Verfahren beschlossenen Satzung der Stadt Penzlin über die förmliche Festlegung des Sanierungsgebietes „Stadtkern Penzlin“ vom 21.01.1992. Mit der 1. Änderungssatzung vom 04.10.2005 wurde vom vereinfachten Verfahren auf das „umfassende“ Sanierungsverfahren umgestellt.
- 4
Mitte der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts hatte der Beklagte die H.-Straße ausbauen lassen. Die letzte Unternehmerrechnung datiert vom 10.12.1998. Fördermittel sind für die Maßnahme nicht ausgereicht worden.
- 5
Mit Bescheid vom 26.09.2001 zog der Beklagte den Kläger für das Grundstück Flurstück G1 zu einem Straßenausbaubeitragsbescheid für den Ausbau der H.-Straße i.H.v. 999,81 DM (entspricht 511,20 EUR) heran. Der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehene Bescheid ist dem Beklagten am 01.10.2001 bekannt gegeben worden. Seinen Widerspruch nahm der Kläger mit Schreiben vom 01.11.2001 zurück. In der Folgezeit bezahlte er die Beitragsforderung.
- 6
Mit Beschluss vom 26.07.2004 hob das Amtsgericht Waren den Beschluss vom 30.11.1999 in Bezug auf das fiskalische Erbrecht des Klägers auf. Zur Begründung führte es aus, es sei zwischenzeitlich bekannt geworden, dass der Erblasser sechs Geschwister hatte. Erbausschlagungen dieser Geschwister lägen nicht vor.
- 7
Unter dem 18.10.2006 beantragte der Kläger beim Beklagten unter Hinweis auf den Beschluss vom 26.07.2004 die Erstattung des Straßenausbaubeitrages, was der Beklagte mit Schreiben vom 16.11.2006 ablehnte. Mit Schreiben vom 13.12.2006 und 06.03.2007 lehnte der Beklagte Anträge des Klägers auf Aufhebung des Beitragsbescheides ab. Die Schreiben enthalten keine Rechtsbehelfsbelehrung. Mit Schreiben vom 06.03.2007 legte der Kläger Widerspruch gegen die Ablehnung der Rücknahme ein, der vom Beklagten nicht beschieden worden ist.
- 8
Am 06.02.2008 hat die Klägerin Verpflichtungsklage erhoben. Sie ist der Auffassung, ihr stehe eine Anspruch auf Aufhebung des Beitragsbescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO), zumindest aber ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Aufhebungsbegehren zu. Der Beitragsbescheid sei rechtswidrig, da der Kläger nicht Eigentümer des Grundstücks sei. Der Beschluss des Amtsgerichts Waren vom 30.11.1999 habe lediglich die widerlegliche Vermutung begründet, dass der Kläger Fiskalerbe sei. Die Vermutung sei jedoch ausweislich des Beschlusses des Amtsgerichts Waren vom 26.07.2004 widerlegt worden. Bei der Existenz erbberechtigter Geschwister des Erblassers handele es sich um das nachträgliche Bekanntwerden einer Tatsachen i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. Den Kläger treffe kein grobes Verschulden daran, dass die Tatsache erst nachträglich bekannt worden sei. Der Ablauf der Festsetzungsfrist stehe der Rücknahme nicht entgegen, da in Ansehung des betroffenen Nachlasses gemäß § 171 Abs. 12 AO eine Ablaufhemmung eingetreten sei. Ungeachtet dessen bestehe ein Aufhebungsanspruch nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO. Dem Beschluss des Amtsgerichts Waren vom 26.07.2004 komme - obwohl nur feststellender Natur - eine Rückwirkung zu. Schließlich werde bezweifelt, dass die förmliche Festlegung des Sanierungsgebietes im vereinfachten Verfahren in rechtlich zutreffender Weise erfolgt sei.
- 9
Der Kläger beantragt - sinngemäß -,
- 10
den Beklagten unter Aufhebung seiner Bescheide vom 13.12.2006 und 06.03.2007 zu verpflichten, den Straßenausbaubeitragsbescheid vom 26.09.2001 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger den Betrag von 511,20 EUR zu zahlen,
- 11
hilfsweise,
- 12
den Beklagten unter Aufhebung seiner Bescheide vom 13.12.2006 und 06.03.2007 zu verpflichten, über die Aufhebung des Beitragsbescheides vom 26.09.2001 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
- 13
Der Beklagte beantragt,
- 14
die Klage abzuweisen.
- 15
Er ist der Auffassung, dem Kläger stehe kein Aufhebungsanspruch zu. Es liege kein Fall des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO vor, denn die Frage der Eigentümerstellung des Klägers zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides sei eine Rechtsfrage, aber keine Tatsachen- oder Beweismittelfrage. Der Umstand, dass zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers erbberechtigte Geschwister vorhanden gewesen seien, könne nicht als nachträglich bekannt gewordene Tatsache berücksichtigt werden, da dieser Umstand nicht zu einem anderen Veranlagungsergebnis geführt hätte, denn diese Geschwister oder deren Erben seien weder dem Kläger noch dem Beklagten bekannt. Zudem treffe den Kläger ein grobes Verschulden im Sinne dieser Vorschrift, denn dadurch, dass er den Beitragsbescheid habe bestandskräftig werden lassen, habe er sich ohne Not die Möglichkeit einer erneuten Überprüfung der Sach- und Rechtslage im Widerspruchsverfahren oder einem sich anschließenden Klageverfahren genommen. Weiter sei die Aufhebung des Beitragsbescheides wegen zwischenzeitlich eingetretener Festsetzungsverjährung ausgeschlossen. Zudem verstoße das Aufhebungsbegehren gegen Treu- und Glauben. Ein Aufhebungsanspruch nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO bestehe ebenfalls nicht. Eine rückwirkende Änderung der Rechtsprechung werde von der Vorschrift nicht erfasst. Zudem komme dem Beschluss vom 26.07.2004 keine Rückwirkung zu. Auch § 171 Abs. 12 AO sei vorliegend nicht einschlägig.
- 16
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
- 17
Der Rechtsstreit kann ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten hierzu mit Schriftsätzen vom 08.07.2011 bzw. 12.07.2011 ihr Einverständnis erklärt haben (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).
II.
- 18
Die als sog. Untätigkeitsklage auch ohne abgeschlossenes Vorverfahren zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Aufhebung des Beitragsbescheides vom 26.09.2001 zu (§ 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO). Demgemäß kann er vom Beklagten nicht die Auskehrung des gezahlten Beitrages verlangen (vgl. § 113 Abs. 4 VwGO). Auch ein Anspruch auf ermessenfehlerfreie Entscheidung über den Aufhebungsantrag besteht nicht.
- 19
1. Der Aufhebungsanspruch folgt zunächst nicht aus § 173 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO). Danach sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden.
- 20
a. Zwar findet die Vorschrift kraft der Verweisung in § 12 Abs. 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) vorliegend Anwendung. Auch dürften ihre Voraussetzungen vorliegen. Der Beitragsbescheid vom 26.09.2001 ist durch die Zurücknahme des Widerspruchs des Klägers bestandskräftig geworden (zu diesem Erfordernis siehe die Gliederungsüberschrift „III. Bestandkraft“ über § 172 ff. AO). Der Umstand, dass der Erblasser zum Zeitpunkt seines Ablebens sechs Geschwister hatte, ist unstreitig erst nach dem Erlass des Beitragsbescheides vom 26.09.2001 bekannt geworden. Wäre dieser Umstand vor dem Erlass des Bescheides bekannt gewesen, so wäre selbst dann, wenn zu diesem Zeitpunkt alle Geschwister des Erblasser verstorben gewesen wären und in Bezug auf alle Geschwister die Voraussetzungen des § 1936 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vorgelegen hätten, jedenfalls das gesetzliche Erbrecht des Klägers ausgeschlossen gewesen, da diese Geschwister - soweit bekannt - ihren letzten Wohnsitz außerhalb des Landes Mecklenburg-Vorpommern hatten. Damit hätte der Kläger nicht als Eigentümer des Grundstücks Flurstück G1 angesehen werden dürfen. Der Beitragsbescheid hätte nicht ihm gegenüber erlassen werden dürfen (vgl. § 8 Abs. 10 Satz 1 KAG 1993). Anhaltspunkte dafür, dass den Kläger ein grobes Verschulden daran trifft, dass die genannte Tatsache erst nachträglich bekannt wurde, sind nicht ersichtlich. Die gegenteilige Auffassung des Beklagten übersieht, dass maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO der Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides und nicht der Zeitpunkt des Eintritts seiner Bestandskraft ist. Daher kann dem Kläger nicht vorgehalten werden, den Zeitpunkt des Eintritts der Bestandskraft nicht durch Einlegung von Rechtsbehelfen hinausgezögert zu haben. Abgesehen davon ist darauf hinzuweisen, dass dem Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses des Beitragsbescheides keine Hinweise auf die Geschwister der Erblassers vorlagen und er deshalb keinen Anlass hatte, an seiner Erben- und damit Eigentümerstellung zu zweifeln.
- 21
Dem Aufhebungsanspruch nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO steht auch nicht entgegen, dass zum Erlasszeitpunkt das fiskalische Erbrecht des Klägers durch den Beschluss des Amtsgerichts Waren vom 30.11.1999 festgestellt war, denn der Beschluss begründet gemäß § 1964 Abs. 2 BGB lediglich die (widerlegliche) Vermutung, der Kläger sei gesetzlicher Erbe.
- 22
b. Der Aufhebungsanspruch ist jedoch nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung ist eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Auch diese Bestimmung ist vorliegend anwendbar (§ 12 Abs. 1 KAG M-V). Ihre Voraussetzungen liegen vor.
- 23
Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 KAG 1993 beträgt die Festsetzungsfrist für alle kommunalen Abgaben und damit auch für Straßenausbaubeiträge vier Jahre. Die Festsetzungsfrist begann gemäß § 12 Abs. 1 KAG 1993 i.V.m. § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. In Ansehung der H.-Straße ist die Beitragspflicht mit dem Eingang der letzten Unternehmerrechnung vom 10.12.1998 entstanden. Demgemäß ist die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 2002 eingetreten. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
- 24
aa. Die Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes 1993 über die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen sind in Ansehung des Grundstücks Flurstück G1 anwendbar, obwohl es im Geltungsbereich der Sanierungssatzung „Stadtkern Penzlin“ liegt. Zwar bestimmt § 154 Abs. 1 Satz 3 Baugesetzbuch (BauGB), dass, wenn im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Abs. 2 hergestellt, erweitert oder verbessert werden, Vorschriften über die Erhebung von Beiträgen für diese Maßnahmen auf Grundstücke im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet nicht anzuwenden sind. Die Vorschrift findet vorliegend jedoch keine Anwendung, da die Sanierung zum Zeitpunkt der Fertigstellung der abgerechneten Baumaßnahme im vereinfachten Sanierungsverfahren durchgeführt wurde, § 152 BauGB. Dabei kann dahin stehen, ob die ursprüngliche Entscheidung, die Sanierung im vereinfachten Verfahren durchzuführen, fehlerfrei war. Maßgeblich ist nicht, welches Verfahren der Beklagte hätte wählen müssen, sondern welches Verfahren er gewählt hat. Die Ausschlusswirkung des § 154 Abs. 1 Satz 3 BauGB tritt nur ein, wenn die Sanierung im förmlichen Verfahren durchgeführt wird. Hieran fehlte es zu dem vorliegend maßgebenden Zeitpunkt.
- 25
bb. Voraussetzung für die Erhebung eines Straßenausbaubeitrages ist die Existenz einer wirksamen Beitragssatzung, die zum Zeitpunkt der Schaffung der Vorteilslage gilt (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 09.06.1999 - 1 L 307/98). Dies trifft auf die Satzung der Stadt Penzlin über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen (Straßenausbaubeitragssatzung - SABS) vom 17.11.2000 zu, die rückwirkend zum 28.10.1993 in Kraft getreten ist (§ 13 Satz 1 SBS). Zweifel an der Wirksamkeit der Satzung bestehen nicht und werden auch vom Kläger nicht geltend gemacht. Von einer weiteren Darlegung wird daher abgesehen.
- 26
cc. Nach § 8 Abs. 7 Satz 1 erste Var. KAG 1993 entsteht die Beitragspflicht mit der endgültigen Herstellung der Einrichtung oder Anlage. Das Merkmal „endgültige Herstellung“ wird in § 11 SABS definiert. Danach entsteht die Beitragspflicht mit dem Abschluss der Baumaßnahme, sobald die Kosten feststehen und der erforderliche Grunderwerb durchgeführt ist (§ 11 Satz 1 SABS). Dies ist nach § 11 Satz 2 SABS frühestens der Zeitpunkt des Eingangs der letzten Unternehmerrechnung. Diese datiert vorliegend vom 10.12.1998 und ist am 11.12.1998 beim Beklagten eingegangen. Fördermittel sind für die abgerechnete Maßnahme nicht ausgereicht worden, so dass eine Verwendungsnachweisprüfung nicht erfolgt ist. Damit ist die sachliche Beitragspflicht für die Baumaßnahme H.-Straße am 11.12.1998 entstanden. Die Festsetzungsfrist ist mit Ablauf des Jahres 1998 an- und mit Ablauf des Jahres 2002 abgelaufen.
- 27
dd. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht durch eine Ablaufhemmung hinausgezögert worden. Dies folgt insbesondere nicht aus § 171 Abs. 12 erste Var. AO. Richtet sich die Steuer gegen einen Nachlass, so endet die Festsetzungsfrist nach dieser Vorschrift nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Erbschaft vom Erben angenommen wird. Die Vorschrift ist vorliegend bereits deshalb nicht einschlägig, weil unter Steuern, die sich gegen den Nachlass richten, nur solche zu verstehen sind, die bereits in der Person des Erblassers entstanden sind und gegen den Erben oder von diesem geltend gemacht werden (Baum in: Koch/Scholz, Abgabenordnung, 5. Auflage 1996, § 171 Rn. 50). Der vorliegend in Rede stehende Beitragsanspruch ist nicht bereits in der Person des Erblassers entstanden.
- 28
2. Ein Anspruch auf Aufhebung des Beitragsbescheides folgt auch nicht aus § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Nach dieser Bestimmung ist ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).
- 29
a. Zwar steht der Ablauf der Festsetzungsfrist dem Anspruch aus § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nicht entgegen, da diese in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 erst mit dem Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem das Ereignis eintritt (§ 175 Abs. 1 Satz 2 AO). Mit Blick auf die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO ist die Frist auch gegenwärtig noch nicht abgelaufen.
- 30
b. Die Vorschrift des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist vorliegend jedoch nicht einschlägig. Es fehlt am Vorliegen eines rückwirkenden Ereignisses. Ein solches Ereignis muss sich steuerlich für die Vergangenheit auswirken, was z.B. vor allem dann der Fall ist, wenn die Abgabenerhebung nicht an Lebensvorgänge, sondern unmittelbar oder mittelbar an Rechtsgeschäfte, Rechtsverhältnisse oder Verwaltungsakte anknüpft und diese Umstände nachträglich mit Wirkung für die Vergangenheit gestaltet werden. Daher erfasst § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nur den Fall, dass derrichtig ermittelte und beurteilte Sachverhalt durch eine später eingetretene Entwicklung verändert worden ist, welcher nach den einschlägigen Rechtsvorschriften Rechtserheblichkeit für den bereits erlassenen Steuerbescheid zuzumessen ist (vgl. Rüsken in: Klein, AO, 10. Auflage 2009, § 175 Rn. 50 m.w.N.). Bei der Änderungsmöglichkeit nach § 173 Abs. 1 AO erfährt der abgabenrechtlich relevante Sachverhalt dagegen nicht wie bei § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nachträglich und rückwirkend eine andere Gestaltung, sondern es wird nur die Kenntnis der Behörde bezüglich des vorhandenen Sachverhalts nachträglich erweitert (vgl. BFH, Urt. v. 21.04.1988 - IV R 215/85). Die Vorschrift des § 173 Abs. 1 AO erfasst daher denfehlerhaften Abgabenbescheid. Folglich schließen die Möglichkeit einer Änderung nach § 173 Abs. 1 und die Möglichkeit einer Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO einander aus (vgl. Szymezak in: Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 5. Auflage 1996, § 175 Rn. 11 m.w.N. aus der Rspr. des BFH).
- 31
Gemessen an diesen Kriterien liegt in dem Umstand, dass der Erblasser zum Zeitpunkt des Erbfalls sechs Geschwister hatte, kein nachträgliches Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Vielmehr hätte das nachträgliche Bekanntwerden dieses vorhandenen Sachverhalts zu einer Aufhebung des Beitragsbescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO führen müssen, wenn nicht die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen gewesen wäre. Denn zum Zeitpunkt des Ergehens des Beitragsbescheides hatte der Beklagte die Erbenstellung des Klägers und demgemäß seine persönliche Beitragspflicht fehlerhaft beurteilt. Dem steht nicht entgegen, dass zu diesem Zeitpunkt die Vermutung nach § 1964 Abs. 2 BGB galt, denn die Vermutung ist widerlegt worden. Eine Fiktionswirkung kommt § 1964 Abs. 2 BGB nicht zu.
- 32
Auch in dem Beschluss des Amtsgerichts Waren vom 26.07.2004 liegt kein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass er an das nachträgliche Bekanntwerden eines anfänglich vorhandenen Sachverhalts anknüpft und damit keine andere rechtliche Bedeutung haben kann als dieser Sachverhalt. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass dem Beschluss nur eine deklaratorische Wirkung zukommt, was der Einstufung als rückwirkendes Ereignis ebenfalls entgegen steht. Entgegen der Auffassung des Klägers scheidet die Annahme einer gestaltenden oder feststellenden Wirkung aus, denn die Vermutung nach § 1964 Abs. 2 BGB war bereits durch das im Laufe des Erbscheinsverfahrens erfolgte Bekanntwerden des Umstandes, dass der Erblasser zum Zeitpunkt des Erbfalls sechs Geschwister hatte, widerlegt worden. Einer förmlichen Aufhebung des Beschlusses vom 30.11.1999 bedurfte es hierzu nicht.
- 33
3. Dem Kläger steht schließlich weder ein Anspruch auf Rücknahme des Beitragsbescheides noch ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seine Aufhebungsanträge nach § 130 Abs. 1 AO zu, wonach ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden kann.
- 34
a. Die Anwendbarkeit der Vorschrift ist vorliegend jedoch gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2 lit. d zweite Var. AO ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung darf ein (bestandskräftiger) Steuerbescheid, soweit er nicht vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist, nur aufgehoben oder geändert werden, soweit dies sonst gesetzlich zugelassen ist; die §§ 130 und 131 gelten nicht. Auch diese Vorschrift findet kraft der Verweisung in § 12 Abs. 1 KAG M-V auf kommunale Abgabenbescheide entsprechende Anwendung (so auch Aussprung in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand 06/11, § 12 Rn. 35).
- 35
Die Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern, wonach die Bestimmungen der §§ 172 ff. AO der Nacherhebung von Anschlussbeiträgen nicht entgegen stehen (Urt. v. 15.12.2009 - 1 L 323/06, juris Rn. 59 f.), zwingt zu keiner anderen Betrachtung. Denn der Entscheidung ist zu entnehmen, dass die Unanwendbarkeit der §§ 172 ff. AO allein für den Bereich der Nacherhebung angenommen wird. Das OVG Mecklenburg-Vorpommern hat seine Auffassung damit begründet, dass nach dem Kommunalabgabengesetz im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen das „besondere" Gebot der Ausschöpfung des Beitragsanspruchs gelte, das keinen einschränkenden Voraussetzungen unterliege. Da die Verweisung in § 12 Abs. 1 KAG M-V unter dem Vorbehalt der „besonderen Vorschriften nach diesem Gesetz" stehe, sei die Anwendbarkeit der §§ 172 ff. AO ausgeschlossen, da sie in zahlreichen Fällen dazu führen würde, dass die Ausschöpfung des Anschlussbeitragsanspruchs nicht möglich wäre. Darüber hinaus liege in der Nacherhebung keine Änderung oder Aufhebung des ursprünglichen Beitragsbescheides, sondern lediglich seine Ergänzung.
- 36
b. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass ein Anspruch auf Rücknahme des Beitragsbescheides auch deshalb ausgeschlossen ist, weil die Festsetzungsfrist - wie dargelegt - abgelaufen ist. § 169 Abs. 1 AO bildet eine absolute Rücknahmesperre, die auch die Anwendung des § 130 AO von vornherein ausschließt (VG Saarlouis, Urt. v. 10.03.2010 - 11 K 848/09, juris Rn. 43).
- 37
4. Ein Anspruch auf Rücknahme bzw. ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Rücknahmebegehren folgt schließlich auch nicht aus § 48 Landesverwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG M-V), da diese Vorschrift vorliegend ebenfalls keine Anwendung findet (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG M-V).
- 38
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124a VwGO) sind nicht ersichtlich.
(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist
- 1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder - 2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.
(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.(1) Ein Steuerbescheid darf, soweit er nicht vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist, nur aufgehoben oder geändert werden,
- 1.
wenn er Verbrauchsteuern betrifft, - 2.
wenn er andere Steuern als Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union oder Verbrauchsteuern betrifft, - a)
soweit der Steuerpflichtige zustimmt oder seinem Antrag der Sache nach entsprochen wird; dies gilt jedoch zugunsten des Steuerpflichtigen nur, soweit er vor Ablauf der Einspruchsfrist zugestimmt oder den Antrag gestellt hat oder soweit die Finanzbehörde einem Einspruch oder einer Klage abhilft, - b)
soweit er von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden ist, - c)
soweit er durch unlautere Mittel, wie arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist, - d)
soweit dies sonst gesetzlich zugelassen ist; die §§ 130 und 131 gelten nicht.
(2) Absatz 1 gilt auch für einen Verwaltungsakt, durch den ein Antrag auf Erlass, Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids ganz oder teilweise abgelehnt wird.
(3) Anhängige, außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens gestellte Anträge auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung, die eine vom Gerichtshof der Europäischen Union, vom Bundesverfassungsgericht oder vom Bundesfinanzhof entschiedene Rechtsfrage betreffen und denen nach dem Ausgang des Verfahrens vor diesen Gerichten nicht entsprochen werden kann, können durch Allgemeinverfügung insoweit zurückgewiesen werden. § 367 Abs. 2b Satz 2 bis 6 gilt entsprechend.
(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,
- 1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen, - 2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.
(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Gründe
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(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
Tenor
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1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) ist mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar. Ersetzt der Gesetzgeber Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht bis zum 1. April 2014 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung, tritt Nichtigkeit der Vorschrift ein.
-
2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 - M 10 K 06.2850 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.
-
3. ...
Gründe
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A.
- 1
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) mit den in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar ist.
-
I.
- 2
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1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungsgebundene Einrichtungen neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (sogenannte Vorteilslage) zwingend das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, BayVBl 2012, S. 45 <46>; Urteil vom 29. April 2010 - 20 BV 09.2010 -, BayVBl 2011, S. 240; Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, juris). Eine wirksame Satzung ist somit Beitragsentstehungsvoraussetzung. Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 BayKAG nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein. Es genügt vielmehr, wenn sie nach deren Entstehung in Kraft tritt.
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2. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BayKAG in Verbindung mit § 47 der Abgabenordnung (AO) zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis. Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf der Erlass eines Beitragsbescheids unzulässig ist, beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre.
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3. Durch das am 31. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) wurde der Beginn der Festsetzungsfrist mit Wirkung zum 1. Januar 1993 neu geregelt. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc BayKAG erhielt folgende Fassung:
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Art. 13
Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977)
(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:
(…)
4. aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung -
(…)
b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:
(…)
cc) § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,
- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und
- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (…).
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Die in Bezug genommene Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO lautet:
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Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.
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Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 1 BayKAG entspricht der bis dahin geltenden Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG vom 26. März 1974 (GVBl S. 109, ber. 252) in der Fassung vom 4. Februar 1977 (GVBl S. 82). Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 wurde Spiegelstrich 2 neu in die gesetzliche Regelung eingefügt.
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4. Der Gesetzgeber beabsichtigte hiermit ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine gesetzliche Klarstellung (LTDrucks 12/8082, S. 13). Bisher sei es in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umstritten gewesen, ob in den Fällen, in denen eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt werde, die Festsetzungsfrist mit dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der Satzung (so BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60) oder erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginne, in dem die rückwirkende Satzung bekanntgemacht worden sei (so BayVGH 23. Senat, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Mit der Einfügung einer weiteren Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG werde die den Bedürfnissen der Praxis entgegen kommende Auffassung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gesetzlich klargestellt. Nach der gegenteiligen Ansicht könne nämlich eine rückwirkend entstandene Forderung gleichzeitig festsetzungsverjährt sein, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstrecke.
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II.
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1. Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist (im Folgenden: Beklagte), fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.
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Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Beschwerdeführer erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.
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Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.
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2. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Beschwerdeführer sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.
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Der Beschwerdeführer könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und müsse daher, insbesondere im Fall eines zwischenzeitlichen Eigentümerwechsels, abweichend von ihrem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ersichtliches Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Gemeinden im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren. Im Übrigen sei keiner der jetzigen oder ehemaligen Grundstückseigentümer in seiner Erwartung geschützt, von der Nichtigkeit früheren Satzungsrechts profitieren zu können; denn ein abgeschlossener Beitragstatbestand liege nicht vor. Welchen der Eigentümer die Beitragspflicht treffe, hänge von der Bestimmung des Zeitpunkts der Rückwirkung ab. Sei dieser - wie im vorliegenden Fall - ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gewählt, bestehe kein Grund für eine rechtliche Beanstandung.
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3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht verjährt gewesen sei. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe hiermit eine Regelung getroffen, die der bis dahin ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe (Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Die Norm enthalte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eine klare Aussage über den Lauf der Festsetzungsfrist, gegen die durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil kein abgeschlossener Beitragstatbestand gegeben sei. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung einer Beitragspflicht nach ständiger Rechtsprechung das Vorhandensein einer gültigen Abgabensatzung voraus. Eine wirksame Abgabensatzung habe erstmals im Jahr 2005 vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die rückwirkende Inkraftsetzung einer Abgabensatzung müsse wenigstens zeitlich auf die einschlägigen Verjährungsvorschriften beschränkt werden, lasse er außer Acht, dass nur eine bereits entstandene Beitragsforderung verjähren könne. Bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht müsse ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt herangezogen zu werden. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.
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III.
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Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.
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1. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene uneingeschränkte Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG auf rückwirkend in Kraft gesetzte Satzungen verstoße wegen der damit verbundenen echten Rückwirkung gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es sei geboten, die Rückwirkung einer Satzung durch Festsetzungsfristen zu begrenzen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung dürfe nicht beliebig hinausgeschoben werden. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei im Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens einer Satzung entweder nicht anzuwenden oder verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verjährung rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung beginne.
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2. Die Ausgangsgerichte hätten Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil sie ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hätten. Er habe mit der verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht, dass der Beitragsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginne die Festsetzungsfrist nur zu laufen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliege. Die Beklagte und die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen hätten sich darauf berufen, dass sämtliche Satzungen, die der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 vorausgingen, nichtig gewesen seien, was durch diverse Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bereits geklärt worden sei. Er habe deshalb die Vorlage dieser Entscheidungen außergerichtlich und schließlich auch vor dem Verwaltungsgericht begehrt. Die maßgeblichen Entscheidungen seien ihm jedoch nicht vollständig zugänglich gemacht worden. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen, zur Frage der Nichtigkeit sämtlicher Satzungen ausreichend Stellung zu nehmen.
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IV.
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Die Beklagte, die Bayerische Staatsregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.
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1. Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus sei der Rechtsweg nicht erschöpft, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge erhoben habe.
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Die Verfassungsbeschwerde sei im Übrigen nicht begründet. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein Vertrauen darauf, dass eine als nichtig erkannte Regelung aufrechterhalten bleibe und nicht durch eine neue, rückwirkende Satzung ersetzt werde, sei nicht schützenswert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Grundstück veräußert habe, bedeute nicht, dass dadurch ein für seine Beitragspflicht maßgeblicher Tatbestand abgeschlossen sei und er in der Folge nicht mehr zur Beitragszahlung herangezogen werden dürfe. Er habe vielmehr den für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen Vorteil der Möglichkeit der Anschlussnahme entgegengenommen und mit dem Grundstücksverkauf nicht verloren. Dieser Vorteil habe den Wert seines Grundstücks erhöht mit der Folge, dass er für das Grundstück einen höheren Kaufpreis habe erzielen können.
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2. Die Bayerische Staatsregierung hält Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG für verfassungsgemäß. Die Ersetzung einer als nichtig erkannten durch eine wirksame Beitragssatzung stelle keinen Fall einer echten, sondern allenfalls einer unechten Rückwirkung dar. Es sei kein abgeschlossener Lebenssachverhalt gegeben, in den nachträglich eingegriffen worden sei. Denn die Beitragsentstehung setze das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus. Ohne diese sei eine Berechnung des Beitrags in Ermangelung eines Beitragsmaßstabs nicht möglich.
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Das Vertrauen des Beschwerdeführers wäre selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung nicht schutzwürdig, weil er damit habe rechnen müssen, dass eine vorhandene, aber als nichtig erkannte Satzung durch eine gültige Satzung ersetzt werde, mit der die von Anfang an von der Gemeinde angestrebte Beitragspflicht herbeigeführt werde. Es seien keine Umstände erkennbar, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, dass die Gemeinde es bei einer nichtigen Beitragssatzung belassen und auf eine Beitragserhebung verzichten würde.
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Eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung auf die Festsetzungsfristen sei aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Der bayerische Gesetzgeber habe mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Lösung gewählt, die sowohl die Gemeinden vor Beitragsausfällen aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung bewahre als auch dem Vorteilsgedanken Rechnung trage. Die Gemeinden würden nach Erlass der gültigen Satzung erstmals in die Lage versetzt, Beiträge nach den Maßstäben dieser gültigen Satzung korrekt festzusetzen und die öffentliche Einrichtung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regelungen zu refinanzieren. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen der betroffenen Beitragspflichtigen überwiege das öffentliche Interesse. Ein Grundstückseigentümer müsse damit rechnen, zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Sein Vertrauen darauf, dass eine nichtige Satzung nicht durch eine gültige Satzung ersetzt werde, sei nicht schutzwürdig. Verjährungsvorschriften dienten der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Im vorliegenden Fall liege kein Vorgang vor, auf dessen Abschluss der Bürger sich einstellen und auf dessen Ende er vertrauen könne. Da dem Beitragspflichtigen kein schützenswertes Vertrauen zur Seite stehe, komme dem öffentlichen Interesse an der Beitragserhebung das entscheidende Gewicht zu.
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3. Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, es sei mit der Frage nach dem Lauf der Festsetzungsfrist bei der rückwirkenden "Reparatur" nichtiger Abgabennormen bisher nur am Rande befasst gewesen. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei es allerdings mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen (Hinweis auf BVerwGE 50, 2 <7 f.>; 67, 129 <130 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>). Werde eine ungültige durch eine gültige Satzung ersetzt, liege darin keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen könne und diese Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - BVerwG 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, S. 483 <484>).
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Die Festsetzungsverjährung sei im Abgabenrecht der Länder geregelt (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 - BVerwG IV C 84-92.74 -, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 20, S. 20<25> sowie NJW 1977, S. 1740 <1741>). Die Anknüpfung der Verjährung an die rückwirkende Entstehung der Beitragspflicht stehe mit Bundesrecht in Einklang. Die Frage der bundesrechtlichen Unbedenklichkeit einer Anknüpfung an die Verkündung der neuen Satzung sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter problematisiert worden.
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Gegen die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG getroffene Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Satzung habe zwar zur Folge, dass bereits zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (frühestens zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens) die Beitragsvoraussetzungen erfüllt sein könnten. Es sei aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz ersichtlich, der dazu zwinge, die Festsetzungsverjährung in Rückwirkungsfällen an das Entstehen der Beitragsforderung anzuknüpfen. Da die Behörde erst mit der Verkündung der neuen Satzung in den Stand versetzt werde, einen rechtlich tragfähigen Beitragsbescheid zu erlassen, beziehungsweise erst mit der Verkündung ein auf die frühere nichtige Satzung gestützter Beitragsbescheid geheilt werde, sprächen Sachgründe für den im Bayerischen Kommunalabgabengesetz gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt der Festsetzungsverjährung. Die Regelung verstoße daher nicht gegen das Willkürverbot.
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Mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dürfte die Regelung gleichfalls in Einklang stehen. Das Institut der Festsetzungsverjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (Hinweis auf BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 - I R 68/86 -, BFH/NV 1990, S. 128). Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Verkündung der neuen Satzung führe zwar dazu, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen dem die Beitragsforderung begründenden Sachverhalt und dem Ablauf der Verjährungsfrist liegen könne. Es sei aber zu bedenken, dass die mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Ziele in einem Spannungsverhältnis zu dem Belang materieller Gerechtigkeit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Abgabenanspruchs stünden. Für die Aufgabe, zwischen den Polen in diesem Spannungsverhältnis einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen, sei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Gehe man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der Beitragspflichtige sich gegenüber dem rückwirkenden Inkraftsetzen einer neuen Beitragssatzung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, und berücksichtige man zusätzlich die besondere Fehleranfälligkeit kommunaler Beitragssatzungen und das daraus resultierende gesteigerte Interesse an einer effektiven Nutzbarkeit der Heilungsmöglichkeiten, dürfte sich die Verjährungsregelung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes innerhalb dieses Gestaltungsspielraums halten.
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4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass der rückwirkende Erlass einer Satzung, welche die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung bezwecke, eine Ausnahme darstelle und im vorliegenden Fall verwaltungspraktische Gründe gehabt habe. Die auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 erlassenen Bescheide wären sonst im Fall eines Eigentümerwechsels bei einem Teil der früheren Eigentümer bestandskräftig geworden und hätten bei nicht bestandskräftigen Bescheiden aufgehoben und gegenüber dem neuen Eigentümer neu erlassen werden müssen. Dadurch wäre es zu Ungleichbehandlungen gekommen. Der rückwirkende Erlass einer Satzung sei in der Praxis auch dann erforderlich, wenn andernfalls die Einbringung von Forderungen, zum Beispiel wegen Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren, gefährdet wäre. Eine Rückwirkung erstrecke sich üblicherweise nicht auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieser lange Zeitraum ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 den in der Vorgängersatzung normierten Rückwirkungszeitpunkt beibehalten habe, was einen atypischen, sozusagen "verdoppelten" Rückwirkungszeitraum zur Folge gehabt habe.
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B.
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Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen sind nur teilweise zulässig.
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I.
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Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 313 <318>; 86, 133 <147>).
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II.
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Soweit die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes betrifft, ist sie zulässig.
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Der Beschwerdeführer war - trotz Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht gehalten, zur Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zu erheben. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).
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C.
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Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Die mittelbar angegriffene Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) sowie die hierauf beruhenden, unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.
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I.
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1. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verletzt im vorliegenden Fall nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.
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Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz begrenzt die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263>; 126, 369 <393>).
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Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG selbst entfaltet dem Beschwerdeführer gegenüber keine Rückwirkung. Die Vorschrift regelt den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung von Beiträgen, die auf Abgabensatzungen gestützt sind, welche eine frühere unwirksame Satzung wirksam heilen. Bei ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1993 lag eine solche wirksam heilende Satzung im Fall des Beschwerdeführers noch nicht vor und wurde auch später nicht rückwirkend zum oder vor dem 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt, so dass die Verjährungsfrist unabhängig von der Neuregelung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Solange der Lauf der Verjährungsfrist mangels gültiger Satzung nicht begonnen hat, betrifft die gesetzliche Neuregelung des Beginns der Verjährung mit der Wirkung einer Verjährungsverlängerung jedoch noch nicht einmal einen in der Vergangenheit begonnenen und nicht abgeschlossenen Sachverhalt.
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Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestehende Vorteilslage begründet für den Beschwerdeführer ebenfalls keinen bereits begonnenen Sachverhalt, in den die Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG im Wege einer Rückwirkung eingegriffen hätte. Denn die Neuregelung beschränkt sich auf das Hinausschieben des Beginns der Verjährung. Eine solche konnte ohne wirksame Satzung aber nicht zu laufen beginnen.
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2. Sollte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die unwirksame Satzung auf den Schein eines Verjährungslaufs vertraut haben, so kann dahinstehen, ob und in welchem Zusammenhang das Vertrauen in den scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verfassungsrechtlichen Schutz verdient. Nach den Feststellungen der Ausgangsgerichte hätte die Festsetzungsfrist selbst bei Wirksamkeit der unwirksamen Satzung frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen. Das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wurde aber bereits am 31. Dezember 1992 und damit sogar noch vor dem scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verkündet.
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II.
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Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verstößt jedoch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>; 60, 253 <267>). Er erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden.
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1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, DStR 2012, S. 2322 <2325>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.
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2. Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.
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a) Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber.
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Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.
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b) Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.
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c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.
- 47
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3. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Dadurch, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den Verjährungsbeginn bei der Heilung ungültiger Abgabensatzungen ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festlegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, löst der Gesetzgeber den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers. Zwar schließt er damit die Verjährung von Beitragsansprüchen nicht völlig aus. Indem er den Verjährungsbeginn jedoch ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, lässt er die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt. Die Verjährung kann so unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.
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Der Beitragspflicht können die Bürgerinnen und Bürger im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 - BVerwG 3 B 36.11 -, BeckRS 2011, 53777; Beschluss vom 12. Januar 2004 - BVerwG 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 314) und des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BFHE 147, 409 <412>) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung dürfte selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt sein.
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D.
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I.
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Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).
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Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128
).
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II.
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Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Die Unvereinbarkeitserklärung führt dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>). Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.
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Die Aussetzung gibt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung. Verzichtet er auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. etwa für den Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens heilender Satzungen BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60).
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III.
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Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Tatbestand
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Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu einem Schmutzwasseranschlussbeitrag.
- 2
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Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Gemarkung B., Flur ..., Flurstück ..., das bereits vor der Wiedervereinigung an die zentrale Schmutzwasserentsorgung angeschlossen war. Der Beklagte übernahm mit seiner Gründung 1991 die Abwasserentsorgungseinrichtung. Nachdem frühere Beitragssatzungen an durchgreifenden Rechtsfehlern gelitten hatten, zog er auf der Grundlage seiner - ersten wirksamen - Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung vom 3. Dezember 2004 die Klägerin mit Bescheid vom 19. April 2006 zu einem Beitrag für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung in Höhe von 9 091,82 € heran. Die nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens erhobene Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung seines Urteils im Wesentlichen ausgeführt, die im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - (BVerfGE 133, 143) aufgestellten Grundsätze über die zeitliche Befristung der Festsetzung von Abgaben zum Vorteilsausgleich seien auf die Erhebung von Abwasseranschlussbeiträgen nicht übertragbar. Auch Eigentümern bereits angeschlossener Grundstücke sei erstmalig nach der Wiedervereinigung der rechtlich gesicherte Vorteil geboten worden, ihr Schmutzwasser mittels einer öffentlichen Einrichtung entsorgen zu können. In die Beitragskalkulation zur Abgeltung dieses Vorteils flössen zudem nur sog. "Nachwendeinvestitionen" ein. Darauf, ob diese die vom klägerischen Grundstück in Anspruch genommenen Anlagenteile erfassten, komme es nicht an; ausreichend sei vielmehr, dass die betreffenden Maßnahmen der erstmaligen Herstellung der Gesamtanlage dienten.
- 3
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Mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, die Rechtsprechung der Vorinstanzen sowie die zugrundeliegenden landesrechtlichen Vorschriften ermöglichten eine zeitlich unbegrenzte Heranziehung zu Beiträgen; dies sei mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit unvereinbar. Da ihr Grundstück bereits zu DDR-Zeiten an die Abwasserbeseitigung angeschlossen gewesen sei, könne sie nicht zu einem Herstellungsbeitrag herangezogen werden. Die Gründung des Beklagten sei kein wirtschaftlicher Vorteil; eine beitragsfähige Verbesserung oder Erweiterung der Einrichtung, die unmittelbar ihrem Grundstück zugutegekommen sei, habe der Beklagte nicht dargelegt. Das vom Berufungsgericht bemühte Gesamtanlagenkonzept trage nicht, wenn - wie vorliegend - kein zusammenhängendes Kanalisationsnetz und keine gemeinsam genutzte Kläranlage existierten; insoweit sei das Urteil auch überraschend. Fehle es damit an einem Vorteil, so handele es sich bei dem vermeintlichen Beitrag um eine verkappte Steuer, für deren Erlass dem Beklagten die Zuständigkeit fehle.
- 4
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 1. April 2014 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 13. Juni 2013 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 19. April 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 2006 aufzuheben.
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Der Beklagte verteidigt die angefochtenen Urteile und beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
- 6
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Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren. Er verneint einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit.
Entscheidungsgründe
- 7
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Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Zwar verstößt das angefochtene Urteil insoweit gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit, als es entgegen dem gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG bindenden Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - (BVerfGE 133, 143) ausführt, der vorgenannte Grundsatz setze der Heranziehung zu Anschlussbeiträgen für die Schmutzwasserbeseitigung keine von den Umständen des Einzelfalls unabhängige zeitliche Grenze. Es stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).
- 8
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1. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Rechtssicherheit schützt davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Er verpflichtet deshalb den Gesetzgeber sicherzustellen, dass Beiträge, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, unabhängig von einem Vertrauen des Vorteilsempfängers und ungeachtet der Fortwirkung des Vorteils zeitlich nicht unbegrenzt festgesetzt werden können. Im Rahmen des danach zu schaffenden Ausgleichs zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann, kommt dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet aber, die Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung einer Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143 Rn. 42 ff.).
- 9
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Die vorgenannten Grundsätze gelten für das gesamte Beitragsrecht (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 - 4 C 11.13 - BVerwGE 149, 211 Rn. 16 f.; OVG Münster, Urteil vom 30. April 2013 - 14 A 213/11 - juris Rn. 36; VGH München, Urteil vom 14. November 2013 - 6 B 12.704 - BayVBl. 2014, 241 <242>; Driehaus, KStZ 2014, 181 <182>; Schmitt, KommJur 2013, 367 <369, 371>). Sie sind damit entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auf die Erhebung von Anschlussbeiträgen nach dem Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern - KAG M-V - anwendbar. Die hiergegen von den Vorinstanzen vorgebrachten Einwände beziehen sich ausnahmslos auf Umstände, denen das Bundesverfassungsgericht bei seiner gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG bindenden Auslegung von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG entweder von vornherein keine oder eine gegenüber dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit nachrangige Bedeutung beigemessen hat. Namentlich die Besonderheit des der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrundeliegenden bayerischen Landesrechts, demzufolge Grundstückseigentümer auch nach Übertragung des Eigentums zu Beiträgen herangezogen werden können, hat in den Entscheidungsgründen keine Berücksichtigung gefunden. Dementsprechend hat das Gericht einen Verzicht auf diese Regelung nicht als Möglichkeit zur Beseitigung des verfassungswidrigen Zustands in Erwägung gezogen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143 Rn. 50). Darüber hinaus hat es ausdrücklich festgestellt, dass der verfassungsrechtlich gebotenen zeitlichen Begrenzung der Heranziehung zu Beiträgen weder ein fehlendes Vertrauen des Bürgers auf seine Nichtberücksichtigung noch das Fortwirken des Vorteils entgegensteht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 a.a.O. Rn. 44 f.).
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2. Dies zugrunde gelegt, genügt § 9 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KAG M-V dem Grundsatz der Rechtssicherheit nicht. Danach entsteht die sachliche Beitragspflicht frühestens mit dem In-Kraft-Treten der ersten wirksamen Satzung. Gemäß § 12 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 KAG M-V i.V.m. § 169 Abs. 2, § 170 AO beträgt die Festsetzungsfrist vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beitragsschuld entstanden ist. Kann somit ohne eine wirksame Satzung eine Beitragsschuld nicht entstehen und diese deshalb auch nicht verjähren, so setzt das Landesrecht der Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, keine bestimmte zeitliche Höchstgrenze, falls die maßgeblichen Satzungen - wie hier - zunächst nichtig waren und erst später durch rechtswirksame Satzungen ersetzt worden sind. Es lässt damit in diesen Fällen entgegen dem verfassungsrechtlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit das berechtigte Interesse des Bürgers, in zumutbarer Zeit Klarheit darüber zu gewinnen, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss, völlig unberücksichtigt.
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3. Allerdings mussten Grundstückseigentümer aufgrund von § 12 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 KAG M-V bis zum Ablauf des 31. Dezember 2008 mit ihrer Heranziehung zu Anschlussbeiträgen zur leitungsgebundenen Abwasserentsorgung rechnen. Der Landesgesetzgeber hat damit dem Grundsatz der Rechtssicherheit zwar nur unvollständig, aber dennoch so weit Rechnung getragen, dass die Träger kommunaler Entsorgungseinrichtungen bis zu diesem Zeitpunkt Herstellungsbeiträge erheben konnten.
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Da das Berufungsgericht die Anwendbarkeit der vorgenannten Vorschrift offen gelassen hat, kann sie der erkennende Senat gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 563 Abs. 4 ZPO selbständig auslegen, obwohl sie nicht zum revisiblen Bundesrecht i.S.d. § 137 Abs. 1 VwGO gehört (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Juni 2002 - 4 CN 4.01 - BVerwGE 116, 296 <300> m.w.N.). Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 KAG M-V endete die Festsetzungsfrist bei der Erhebung eines Anschlussbeitrags nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2008. Hiermit wollte der Gesetzgeber den beitragserhebenden Körperschaften mehr Zeit einräumen, um der sog. Altanschließerproblematik Rechnung tragen zu können (vgl. LT-Drs. 4/1576 S. 77; Abg. Müller, PlProt vom 9. März 2005 S. 2984 f. und Abg. Schulz, ebd. S. 2987). Obschon die Vorschrift unmittelbar nur Anwendung findet, wenn eine wirksame Beitragssatzung bestand und deshalb ein Ablauf der Festsetzungsfrist vor dem Stichtag in Betracht kam, lässt sich ihr erst recht auch für Fälle, in denen - wie vorliegend - noch keine wirksame Beitragssatzung bestand, der Wille des Gesetzgebers entnehmen, eine Beitragserhebung jedenfalls bis zum 31. Dezember 2008 zu ermöglichen (ebenso zum brandenburgischen Landesrecht OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 27. Mai 2013 - 9 S 75.12 - juris Rn. 29 und vom 16. Juli 2014 - 9 N 69.14 - juris Rn. 22 f., Urteil vom 14. November 2013 - 9 B 34.12 - juris Rn. 60 f.; hierzu BVerwG, Beschluss vom 11. September 2014 - 9 B 22.14 - juris Rn. 35).
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Verschaffte § 12 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 KAG M-V dem Beitragsschuldner mithin bis zu diesem Stichtag die - vom Gebot der Belastungsklarheit und –vorhersehbarkeit geforderte - Gewissheit darüber, dass er noch zu einem Beitrag herangezogen werden konnte, so verstößt das Landesrecht allerdings weiterhin insoweit gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, als es damit nur eine Mindest-, nicht aber eine zeitliche Höchstgrenze für eine Beitragserhebung festlegt. Jedenfalls für Beiträge, die nach dem Kommunalabgabengesetz erhoben werden, dürfte zur Bestimmung der erforderlichen Höchstgrenze auch ein Rückgriff auf die 30-jährige Verjährungsfrist des § 53 Abs. 2 VwVfG M-V - sowohl im Wege der Analogie (so für Erschließungsbeiträge VGH München, Urteil vom 14. November 2013 - 6 B 12.704 - BayVBl. 2014, 241 <242>) als auch vermittelt über den Grundsatz von Treu und Glauben (so für sanierungsrechtliche Ausgleichsbeiträge BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 - 4 C 11.13 - BVerwGE 149, 211 Rn. 28, 31 ff.) - ausscheiden. Denn es ist Aufgabe des Gesetzgebers, in Wahrnehmung seines weiten Gestaltungsspielraums einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen einerseits der Allgemeinheit an der Beitragserhebung und andererseits der Beitragspflichtigen an einer zeitlich nicht unbegrenzten Inanspruchnahme zu schaffen (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143 Rn. 42). Mit diesem Gestaltungsauftrag ist - nicht zuletzt angesichts der Vielzahl der vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigten, jedoch gerade nicht den Verweis auf die Höchstverjährungsfrist einschließenden Lösungsmöglichkeiten wie auch der Unterschiedlichkeit der in einzelnen Ländern erlassenen und zudem deutlich kürzeren Ausschlussfristen - der schematische Rückgriff auf § 53 Abs. 2 VwVfG M-V wohl unvereinbar, zumal die Vorschrift gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG M-V nicht für Verfahren gilt, die - wie vorliegend - nach den Vorschriften der Abgabenordnung durchzuführen sind. Einer verfassungskonformen Auslegung des § 9 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KAG M-V dahingehend, dass eine zur Heilung eines Rechtsmangels erlassene Beitragssatzung rückwirkend zu dem Zeitpunkt in Kraft gesetzt werden muss, zu dem die ursprünglich nichtige Beitragssatzung in Kraft treten sollte (so zu § 22 Abs. 1 SächsKAG: OVG Bautzen, Beschluss vom 25. April 2013 - 5 A 478/10 - juris Rn. 8 ff., sowie zu § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG NW: OVG Münster, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 - NVwZ-RR 2000, 535 <536 f.>), steht schließlich der Wortlaut der Vorschrift wie auch § 12 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 KAG M-V entgegen.
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Bezieht sich die verbleibende Ungewissheit mithin nur auf die Frage, ab welchem Zeitpunkt der Bürger nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen muss, so lässt der hierin liegende Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG die in § 12 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 KAG M-V getroffene Übergangsregelung unberührt. Auch wenn diese in erster Linie dem Interesse der beitragserhebenden Körperschaften diente, trug sie doch dazu bei, dass die hiervon betroffenen Beitragsschuldner über die Möglichkeit der Beitragserhebung nicht "dauerhaft im Unklaren" (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143 Rn. 45) waren, sondern vielmehr die Gewissheit hatten, dass sie jedenfalls bis zum Ablauf der darin genannten Frist mit der Heranziehung zu Anschlussbeiträgen rechnen mussten. Zudem unterliegt es - entsprechend dem Rechtsgedanken des § 139 BGB (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. Mai 1993 - 2 BvF 2/90 u.a. - BVerfGE 88, 203 <333>) - angesichts der gesetzgeberischen Intention, einen zeitlichen Spielraum für die Lösung insbesondere der sog. Altanschließerproblematik zu schaffen, keinem Zweifel, dass der Gesetzgeber, wäre er sich der Notwendigkeit einer weitergehenden Regelung bewusst gewesen, eine gesetzliche Ausschlussfrist nicht vor dem 31. Dezember 2008 hätte enden lassen. Damit wirkt sich der Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit erst auf den Zeitraum nach Ablauf der vorgenannten Übergangsfrist und folglich nicht auf Bescheide aus, die zuvor erlassen wurden.
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4. Die Zeitdauer zwischen dem Eintritt der Vorteilslage und der Heranziehung zu Beiträgen bis zum 31. Dezember 2008 war für die Vorteilsempfänger zumutbar.
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Bei dem Begriff des Vorteils handelt es sich um einen landesrechtlichen und damit - vorbehaltlich verfassungsrechtlicher Bindungen - nicht revisiblen Begriff (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. April 2012 - 9 BN 1.12 - juris Rn. 16). Hierzu hat das Berufungsgericht festgestellt, der beitragsrechtliche Vorteil sei auch Eigentümern von tatsächlich schon zu DDR-Zeiten angeschlossenen Grundstücken erst in dem Zeitpunkt zugeflossen, in dem ihnen mit den jeweiligen öffentlichen Entsorgungseinrichtungen erstmals und frühestens unter dem grundlegend neuen Rechtsregime nach der Wiedervereinigung der rechtlich gesicherte Vorteil geboten worden sei, ihr Schmutzwasser mittels einer öffentlichen Einrichtung entsorgen zu können. Dies begegnet angesichts der weiteren Feststellung des Berufungsgerichts, dass Herstellungsbeiträge nur für nach der Wiedervereinigung entstandene Aufwendungen - und somit nicht doppelt - erhoben werden dürfen, keinen bundesrechtlichen Bedenken. Insbesondere steht Bundesverfassungsrecht dieser Auslegung - auch unter Berücksichtigung der Bindungswirkung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - (BVerfGE 133, 143) - nicht entgegen. Zwar schützt danach das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 a.a.O. Rn. 41). Indes bedeutet dies nicht, dass maßgeblicher Zeitpunkt ausnahmslos bereits derjenige des tatsächlichen Anschlusses an das Abwassersystem ist. Die Bestimmung der ab dem Eintritt der Vorteilslage zu bemessenden Ausschlussfrist muss nicht nur die Erwartung des Begünstigten auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung, sondern auch das öffentliche Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Anlage berücksichtigen (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 a.a.O. Rn. 40). Hieraus folgt, dass es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts um eine beitragsrelevante Vorteilslage handeln muss. Die Annahme des Berufungsgerichts, mit der Umgestaltung der Rechtsordnung und der Neugründung einer kommunalen - und damit erstmals kommunalabgabenrechtlich relevanten - Abwasserentsorgung im Jahr 1990 sei mit Blick auf den zukünftigen Ausbau der Einrichtung erstmalig eine Vorteilslage entstanden, stimmt damit überein.
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Die demnach rund 18-jährige Zeitspanne, innerhalb derer gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 KAG M-V die Erhebung von Anschlussbeiträgen für die Schmutzwasserbeseitigung jedenfalls möglich war, überschreitet die Grenze des verfassungsrechtlich Zumutbaren nicht. Insbesondere hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - (BVerfGE 133, 143) nicht entschieden, schon eine 12-jährige Dauer verletze den Grundsatz der Rechtssicherheit (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. September 2014 - 9 B 22.14 - juris Rn. 37). Der Verfassungsbeschwerde wurde nicht wegen der im konkreten Fall zwischen der Vorteilserlangung und der beitragsrechtlichen Heranziehung verstrichenen Zeit, sondern deshalb stattgegeben, weil das bayerische Landesrecht überhaupt keine zeitliche Grenze für die Abgabenerhebung bestimmte. Für deren Festlegung steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143 Rn. 46). Angesichts der besonderen Herausforderungen der Wiedervereinigung, welche nicht nur durch einen vollständigen Wechsel des Rechtsregimes, sondern auf kommunaler Ebene zusätzlich durch eine Vielzahl von gleichzeitig und mit beschränkten kommunalen Ressourcen zu bewältigenden Aufgaben wie einem grundlegenden Verwaltungsumbau, der Herstellung kommunaler Strukturen einschließlich der notwendigen Rechtsgrundlagen sowie der Instandhaltung, Sanierung und Fortentwicklung der Infrastruktur geprägt waren, wahrt § 12 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 KAG M-V die Grenzen des gesetzgeberischen Ermessens.
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5. Widerspricht mithin die Heranziehung zu Abwasserbeiträgen bis zum 31. Dezember 2008 nicht dem Gebot der Rechtssicherheit, so ist der angefochtene Bescheid auch nicht aus anderen Gründen rechtswidrig.
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a) Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob das Berufungsgericht seiner Prüfung die Beitrags- und Gebührensatzung des Beklagten vom 3. Dezember 2004, statt in ihrer ursprünglichen, in der erst während des laufenden gerichtlichen Verfahrens in Kraft getretenen Fassung vom 9. Dezember 2013 zugrunde legen durfte. Zwar berücksichtigt die letztgenannte Fassung die Vereinigung der vormals fünf getrennten öffentlichen Einrichtungen zu einer Einrichtung, die mit der am 1. Januar 2008 - und somit nach Entstehung der Beitragsschuld - in Kraft getretenen Dritten Änderungssatzung zur Abwasserentsorgungssatzung des Beklagten vom 21. Mai 2001 - AES - erfolgte. Hierdurch erhöhte sich aber der Beitragssatz nur für die in der vormaligen Zone III gelegenen Grundstücke, nicht jedoch für die Grundstücke, die - wie dasjenige der Klägerin - der Zone IV angehörten.
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b) Deren Einwand, an den Anlagenteilen, die von ihrem Grundstück aus genutzt würden, seien keine Maßnahmen durchgeführt oder geplant worden, welche die Heranziehung zu einem Herstellungsbeitrag rechtfertigten, wohingegen Verbesserungen anderer Anlagenteile, die mit dem für die Abwasserentsorgung ihres Grundstücks erforderlichen Anlagenteil nicht leitungsmäßig verbunden seien, keinen wirtschaftlichen Vorteil für sie bedeuteten, begründet keinen Verstoß gegen Bundesrecht.
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Insoweit hat das Berufungsgericht das nicht revisible Landesrecht dahingehend ausgelegt, dass es dem Beklagten unabhängig von einer leitungsmäßigen Verbindung oder der gemeinsamen Nutzung einzelner Anlagenteile ein Organisationsermessen einräumt, ob er die Abwasseranlagen als eine oder als mehrere Einrichtungen betreibt. Dem landesrechtlichen Vorteilsbegriff werden bundesrechtlich durch den Gleichheitssatz und das Äquivalenzprinzip nur sehr weite Grenzen gezogen (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. September 1995 - 8 C 16.94 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 35 S. 2, Beschlüsse vom 30. April 1996 - 8 B 31.96 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 37 S. 5 f. und vom 24. April 2012 - 9 BN 1.12 - juris Rn. 16). Insbesondere setzt die Annahme eines (Sonder-)Vorteils nicht die Existenz eines "funktionalen Zusammenhangs" zwischen der abgerechneten Anlage und dem beitragsbelasteten Grundstück voraus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014 - 1 BvR 668/10 u.a. - NVwZ 2014, 1448 Rn. 54). Danach sind die Grenzen dieses Ermessens erst überschritten, wenn die zu einer Anlage zusammengefassten, technisch voneinander unabhängigen Teile in ihrer Arbeitsweise und in ihren Arbeitsergebnissen so unterschiedlich sind, dass ihre Vergleichbarkeit schlechterdings ausgeschlossen und ihre Zusammenfassung daher willkürlich ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Juli 1978 - 7 B 118.78 u.a. - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 40 S. 46; OVG Münster, Urteil vom 17. November 1975 - 2 A 203/74 - juris Rn. 3, 15 f.; OVG Lüneburg, Urteil vom 24. Mai 1989 - 9 L 3/89 - NVwZ-RR 1990, 507 f.; OVG Schleswig, Urteil vom 24. September 2008 - 2 LB 2/08 - juris Rn. 33 f.). Anhaltspunkte für eine derartige Verschiedenheit der Anlagenteile hat die Klägerin weder vorgetragen noch sind sie sonst ersichtlich; insbesondere gehören Grundstückskläranlagen und abflusslose Gruben - die mit einer zentralen Schmutzwasserbeseitigung nicht vergleichbar sind und daher nicht mit dieser zusammengefasst werden können (OVG Schleswig, Urteil 24. Oktober 2001 - 2 L 29/00 - juris Rn. 45 f.) - gemäß § 2 Abs. 4 AES nicht zu den öffentlichen Abwasseranlagen, für welche die Klägerin zu Beiträgen herangezogen wird.
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c) Des Weiteren verstößt die dem Bescheid zugrundeliegende Globalkalkulation nicht gegen revisibles Recht. Zum Kommunalabgabenrecht des Landes hat das Berufungsgericht ausgeführt, die Globalkalkulation beinhalte Prognosen, weshalb Pauschalierungen und Schätzungen zulässig seien; eine "millimetergenaue" Ermittlung von Aufwand und Flächen sei daher von vornherein ausgeschlossen. Zu dem von der Klägerin erhobenen Einwand, die Berechnung sei fehlerhaft, weil sie zu Unrecht Aufwendungen in der Gemeinde Z. berücksichtige, hat das Berufungsgericht auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts verwiesen, denen zufolge nicht ersichtlich ist, dass die betreffende Prognose bereits bei der Kalkulationserstellung unzutreffend gewesen ist, und denen zufolge sich das Vorhaben aufgrund des Anteils von nur 1,12 v.H. der Gesamtherstellungskosten und wegen des gedeckelten Beitragssatzes nicht auf dessen Höhe ausgewirkt hat. Dies lässt keinen Verstoß gegen Bundesrecht erkennen.
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d) Eine Verletzung des vom Eigentumsgrundrecht umfassten (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 2011 - 9 A 15.10 - ZfB 2011, 188 Rn. 18) Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch die Erhebung von Schmutzwasseranschlussbeiträgen scheidet - ungeachtet der Frage, ob sich die Klägerin als im (Mit-)Eigentum kommunaler Gebietskörperschaften stehende juristische Person des Privatrechts auf Art. 14 GG berufen kann (hierzu BVerfG, Beschlüsse vom 7. Juni 1977 - 1 BvR 108/73 u.a. - BVerfGE 45, 63 <79 f.> und vom 8. Juli 1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerfGE 61, 82 <105>; BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2013 - 7 A 4.12 - BVerwGE 147, 184 Rn. 22) - bereits deshalb aus, weil die Abgabenpflicht grundstücksbezogen ist, sich mithin nicht gegen den Betrieb als solchen richtet, und es daher an der Betriebsbezogenheit des Eingriffs (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2012 - I ZR 187/10 - BGHZ 192, 204 Rn. 31) fehlt.
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6. Schließlich erweist sich das angefochtene Urteil nicht als verfahrensfehlerhaft.
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Der Einwand, das Berufungsgericht habe gegen seine Aufklärungspflicht verstoßen, indem es die Globalkalkulation der Beklagten keiner vollständigen Überprüfung unterzogen habe, verkennt, dass Kalkulationen von Abgabensätzen gerichtlich in aller Regel nur insoweit zu überprüfen sind, als substantiierte Einwände dagegen erhoben wurden (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 17. April 2002 - 9 CN 1.01 - BVerwGE 116, 188 <197>). Derartige Einwände hat die Klägerin nur hinsichtlich der kalkulatorischen Berücksichtigung der Kläranlage in Z. geltend gemacht; diese hat das Verwaltungsgericht geprüft, ist ihnen jedoch in der Sache nicht gefolgt. Damit hat sich die Klägerin im Berufungsverfahren ebenso wenig substantiiert auseinandergesetzt wie mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur rechnerischen Behandlung unbebauter und nicht an die Kanalisation angeschlossener Grundstücke, sondern hat es bei einer Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags belassen. Dieses wie auch das weitere Vorbringen gegen die Beitragsberechnung erschöpfte sich jedoch in pauschalen Einwänden und in Mutmaßungen. Dass sich dem Berufungsgericht eine weitergehende Ermittlung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen, ist daher weder ersichtlich noch von der Revision dargelegt. Einen Beweisantrag hat die Klägerin nicht gestellt. Deren Einwand, für ein substantiierteres Vorbringen hätten ihr die erforderlichen Informationen gefehlt, berücksichtigt nicht die in § 12 Abs. 4 KAG M-V getroffene Regelung. Danach ist den Beitragspflichtigen auf Verlangen Einsicht in die der Abgabenfestsetzung zugrundeliegenden Kalkulationen zu gewähren, soweit diese Gegenstand der Beschlussfassung u.a. nach § 22 Abs. 3 Nr. 11 KV M-V waren. Da den Verbandsvertretern des Beklagten die gesamten Kalkulationsunterlagen zur Verfügung standen (vgl. OVG Greifswald, Urteil vom 12. Oktober 2011 - 4 K 31/06 - juris Rn. 45), hätte sich auch die Klägerin die maßgeblichen Informationen verschaffen können.
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Soweit sie darüber hinaus einen Verstoß gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs und gegen die Aufklärungspflicht für den Fall rügt, dass das Berufungsgericht das Gesamtanlagenprinzip dahin verstanden hat, dass ein zusammenhängendes Abwasserkanalisationsnetz zwischen allen im Zweckverband zusammengeschlossenen Gemeinden oder ein gemeinsam genutztes Klärwerk existiert, liegt gleichfalls kein Verfahrensfehler vor. Hierauf kam es nach dem materiellen Rechtsstandpunkt des Berufungsgerichts ebenso wenig an wie auf die Frage, ob gerade zu den Liegenschaften der Klägerin neue Anschlussleitungen verlegt oder ob die von dort in Anspruch genommenen Leitungen in einem einer Herstellung gleichkommenden Maße erneuert wurden. Auch insofern bedurfte es daher keiner weiteren Ermittlungen durch das Berufungsgericht.
- 27
-
7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
(1) Ein Steuerbescheid ist zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern,
- 1.
soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird, - 2.
soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).
(2) Als rückwirkendes Ereignis gilt auch der Wegfall einer Voraussetzung für eine Steuervergünstigung, wenn gesetzlich bestimmt ist, dass diese Voraussetzung für eine bestimmte Zeit gegeben sein muss, oder wenn durch Verwaltungsakt festgestellt worden ist, dass sie die Grundlage für die Gewährung der Steuervergünstigung bildet. Die nachträgliche Erteilung oder Vorlage einer Bescheinigung oder Bestätigung gilt nicht als rückwirkendes Ereignis.
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(2) Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur dann zurückgenommen werden, wenn
- 1.
er von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden ist, - 2.
er durch unlautere Mittel, wie arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist, - 3.
ihn der Begünstigte durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren, - 4.
seine Rechtswidrigkeit dem Begünstigten bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war.
(3) Erhält die Finanzbehörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Fall des Absatzes 2 Nr. 2.
(4) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts die nach den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zuständige Finanzbehörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Finanzbehörde erlassen worden ist; § 26 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.
(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,
- 1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist, - 2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat, - 3.
wenn die Finanzbehörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde.
(3) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Finanzbehörde keinen späteren Zeitpunkt bestimmt.
(4) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts die nach den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zuständige Finanzbehörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Finanzbehörde erlassen worden ist.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Berufung wird zugelassen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger sind befugt, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.
Tatbestand
- 1
Die Kläger wenden sich gegen einen Beitragsbescheid für den Anschluss an die zentrale Schmutzwasserentsorgung.
- 2
Die Kläger sind Eigentümer eines Grundstücks auf der A-Stadt mit einer Größe von 300 m² (Flurstücksbezeichnung Gemarkung O., Flur 2, Flurstück 177).
- 3
Mit Beitragsbescheid vom 06. Oktober 2010 erhob der Beklagte für das genannte Grundstück einen Herstellungsbeitrag für die zentrale Schmutzwasserentsorgungsanlage in Höhe 933,10 €. Hiergegen legten die Kläger mit Schreiben vom 12. Oktober 2010 Widerspruch ein, den sie umfangreich begründeten.
- 4
Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2012 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, dass er nunmehr mit seiner Beitragssatzung vom 03. März 2010 über gültiges Satzungsrecht für die Erhebung von Anschlussbeiträgen verfüge. Dies sei die erste wirksame Satzung des Zweckverbandes. Seit einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Greifswald vom April 1999 sei es ständige Rechtsprechung aller Verwaltungsgerichte in Mecklenburg-Vorpommern, dass Beiträge von allen angeschlossenen Grundstücken erhoben werden, selbst wenn diese bereits „altangeschlossen“ seien. Der Verband habe in seine Anlage erhebliche Investitionen getätigt. So seien ab Januar 1997 fast alle Kläranlagen auf dem Stand der Technik umgebaut worden. Dies habe an den meisten Standorten faktisch einen Neubau bedeutet. Der Widerspruchsbescheid wurde am 17. Juli 2012 zugestellt.
- 5
Am 03. August 2012 haben die Kläger hiergegen Klage erhoben. Sie meinen, dem Bescheid fehle eine wirksame Rechtsgrundlage. Die maßgebliche Satzung habe keine gültige Rechtsgrundlage. Die für die Satzung herangezogene Rechtsgrundlage des § 9 Abs. 3 KAG M-V sei nichtig. Soweit das Gesetz bestimme, dass die Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung entstehe, verstoße eine derartige Regelung gegen Artikel 20 Abs. 3 GG. Auch seien das Bestimmtheitsgebot und das Transparenzgebot in nicht hinnehmbarer Weise verletzt. Die Regelung modifiziere die verfassungsrechtlichen Vorgaben über das Inkrafttreten von Gesetzen und Rechtsverordnungen. Für den Bürger sei nicht erkennbar, wann das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht sein könne.
- 6
Darüber hinaus gelte folgendes,
- 7
- durch den Beklagten sei keine öffentliche Einrichtung hergestellt worden,
- der Beklagte biete den Klägern keinen Vorteil durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Einrichtung,
- eine Inanspruchnahme durch Beitragsbescheid sei verjährt/verwirkt,
- eine Inanspruchnahme der Kläger verstoße gegen das Vertrauensschutzgebot und das Gleichbehandlungsverbot.
- 8
Zu Zeiten der DDR habe es auf der A-Stadt eine zentrale Abwasserbeseitigungsanlage gegeben. Diese Abwasserbeseitigungsanlage sei von dem VEB Wasserversorgung und Abwasserbehandlung E-Stadt betrieben worden. Dieser Betrieb sei den jetzigen Eigenbetrieben der Kommunen vergleichbar. Deshalb habe auch zu DDR-Zeiten eine öffentliche Einrichtung der Wasserver- und Abwasserentsorgung existiert. Die von dem VEB Wasserversorgung und Abwasserbehandlung E-Stadt betriebene Anlage sei letztlich auf den Beklagten übergegangen. Die Kläger seien seit den Zeiten des VEB Wasserversorgung bis zum Entstehen des Beklagten unverändert mit ihrem Grundstück an die Abwasserbehandlungsanlage angeschlossen gewesen. Die Erhebung eines Herstellungsbeitrages sei daher rechtswidrig. Unter Herstellung sei begrifflich etwas Neues zu verstehen. Eine Abwasseranlage werde hergestellt, wenn zuvor keine Abwasserbehandlungsanlage gegeben habe.
- 9
Die Anlage böte den Klägern auch keinen Vorteil. Die Kläger hätten auch zuvor ihr Abwasser entsorgen können. Allein der Wechsel der Rechtsträgerschaft könne nicht als Vorteil im Sinne des Beitragsgesetzes angesehen werden.
- 10
Der Beitrag sei auch verjährt. Die Festsetzungsfrist für alle kommunalen Abgaben und Steuern betrage vier Jahre. Sie beriefen sich darauf, dass bereits das Kommunalabgabengesetz von 1993 eine Bestimmung über das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht enthalte. Die Regelung im KAG 1993 habe auch vorgesehen, dass eine Abgabensatzung rückwirkend erlassen werde, damit ein Beitragspflichtiger noch in Anspruch genommen werden könne. Die Inanspruchnahme eines nicht angeschlossenen Grundstücks zu einem Anschlussbeitrag könne in der Tat frühestens mit dem Inkrafttreten von entsprechenden Satzungsregelungen gerechtfertigt werden. Für bereits angeschlossene Grundstücke gelten derartige Erwägungen aber nicht. Hier sei als Entstehungszeitpunkt ausschließlich auf den Zeitpunkt der endgültigen Herstellung der Einrichtung der Anlage abzustellen. Für die endgültige Herstellung der leitungsgebundenen Anlage zur Schmutzwasserversorgung sei das Jahr 1993 zugrunde zu legen. Die Festsetzungsfrist sei daher bereits länger verstrichen. Selbst wenn man hineinlesen wolle, dass das Tatbestandmerkmal einer wirksamen Satzung habe vorliegen müssen, so hätte der Beklagte seit dem Jahr 1993 über eine entsprechende wirksame Beitragssatzung verfügt. Die am 22. Dezember 1993 erlassene Beitragssatzung sei zu keinem Zeitpunkt in einem förmlichen Verfahren für unwirksam erklärt worden. Auch die Nachfolgesatzungen seien nicht offiziell für unwirksam erklärt worden. Vor diesem Hintergrund werde es als unzulässig angesehen, wenn das Verwaltungsgericht im Einzelfall feststelle, dass Satzungen rechtsunwirksam gewesen seien. Diese Feststellung sei vom Verwaltungsgericht quasi ungefragt erfolgt. Eine Normverwerfungskompetenz sei dem Verwaltungsgericht nicht zugewiesen.
- 11
Weiter verstoße die Heranziehung gegen das Gleichbehandlungsverbot. Entgegen der gefestigten Auffassung des Oberverwaltungsgerichtes Greifswald sei eine derartige Heranziehung unbillig. Denn es sei gerade keine wesentlich gleiche Ausgangssituation gegeben. Soweit das OVG Greifswald in seiner Entscheidung vom 21. April 1999 feststelle, dass erstmalig den Grundstückseigentümern ein rechtlich gesicherter Vorteil geboten worden sei, so sei diese Feststellung unhaltbar, denn auch zu DDR-Zeiten hätten die Eigentümer einen rechtlich gesicherten Vorteil gehabt.
- 12
Die Heranziehung mehr als zwanzig Jahre nach dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern verstoße gegen das Rechtsstaatsgebot des Artikel 19 Abs. 4, Artikel 20 GG. Danach sei die Exekutive verpflichtet, Rechtssicherheit und Vertrauensschutz zu gewährleisten. Dies gelte auch im Hinblick auf Verjährungsvorschriften. Verjährungsvorschriften stellten Rechtssicherheit her. Der hierin zum Ausdruck kommende Grundsatz der Rechtssicherheit könne nicht aushebelt werden.
- 13
Die Kläger beantragen,
- 14
den Bescheid des Beklagten vom 06.10.2010 in der Fassung des Widerspruchs-bescheides des Beklagten vom 12.07.2012 aufzuheben.
- 15
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
- 17
Er meint, die von den Klägern angesprochenen Fragen zum Satzungsrecht sowie zur sogenannten „Altanschließer-Rechtsprechung“ seien seit geraumer Zeit hinreichend in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes Greifswald geklärt. Der Bescheid verfüge auch nach der Rechtsprechung der Kammer über wirksames Satzungsrecht. Es möge sein, dass das Grundstück der Kläger unverändert an eine zentrale Anlage angeschlossen sei. In die Beitragskalkulation seien aber nur die Investitionen eingeflossen, die seit dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern in die Anlage investiert worden seien. Dies seien die Herstellungsmaßnahmen im Sinne des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern und damit ein Herstellungsbeitrag im rechtlichen Sinne und nicht im technischen Sinne. Darüber hinaus hätten die Kläger auch nicht „denselben“ Vorteil wie zu DDR-Zeiten sondern eine nach heutigen Maßstäben technisch einwandfreie Anlage. Eine Heranziehung sei auch nie so fair wie heute gewesen, da nunmehr über den langen Zeitraum ein mit „harten“ Zahlen unterlegbares Kalkulationswerk vorliege und man nicht nur auf Prognosen angewiesen sei. Ein Vertrauensschutz oder eine Verwirkung, komme daher nicht in Betracht, da allen Beteiligten jederzeit bekannt gewesen sei, dass der Beklagte sich um eine rechtlich einwandfreie Beitragserhebung bemühe und dies nur durch eine „höchst dynamische Rechtsprechung“ im Lande verzögert worden sei. Die Investitionen seien im Sinne aller Anschlussberechtigten auch getätigt worden. Wo in abgabenrechtlich fairerweise das Geld sonst herkommen solle, lasse die Klägerseite leider unerwähnt.
- 18
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die vorgelegten Verwaltungsvorgänge, den Inhalt der Gerichtsakte und die in dem Verfahren 8 A 3/12 vorgelegten Vorgänge zur Kalkulation des Beitragssatzes.
Entscheidungsgründe
- 19
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
- 20
Der Zweckverband Wismar, die Körperschaft des Beklagten, ist rechtlich existent. Sie verfügt über eine wirksame Satzung zur Erhebung von Beiträgen. Diese Satzung entspricht den Vorgaben des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern (KAG M-V), das Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern selbst verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
- 21
Zur Gründung und Existenz des Beklagten hat das Gericht schon in seiner Entscheidung vom 15. März 2011 (siehe unten, 8 A 547/11, dokumentiert bei juris) Stellung genommen, daran hält das Gericht weiter fest. Ebenso hält das Gericht an seinen Ausführungen zur Wirksamkeit der beschlossenen Beitragssatzung fest. Es handelt sich in der Tat um die erste wirksame Beitragssatzung des Zweckverbandes.
- 22
Die der Satzung zugrundeliegenden Normen des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht, so insbesondere nicht die Regelung des § 9 Abs. 3 KAG M-V; auch nicht vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 (1 BvR 2457/08; zitiert nach juris).
- 23
Nach § 9 Abs. 3 KAG M-V entsteht die sachliche Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber in der Gesetzesnovelle von 2005 klargestellt, was zuvor seit 1999 ständige Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes Greifswald war, dass Beiträge nur erhoben werden können, wenn sie auf eine rechtswirksame Satzung verweisen können (OVG Greifswald, Besch. v. 08.04.1999 – 1 M 41/99). Dies hat die Kammer seit jeher ebenso gesehen. Auch vor dem Hintergrund der oben genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hält die Kammer an ihrer Rechtsprechung fest.
- 24
Zunächst handelt es sich bei der vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten Regelung des Art 13 Abs. 1 Nr. Buchst b) cc) Bayerisches Kommunalabgabengesetz (Bay-KAG vom 04. April 1993) um eine Verjährungsregelung, die in gleicher oder ähnlicher Weise im Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern nicht existent ist. Die Besonderheit der beanstandeten Regelung ist darin zu sehen, dass nach bayerischem Landesrecht augenscheinlich eine Anschlussbeitragssatzung rückwirkend in Kraft gesetzt werden muss, damit sie – bislang „in satzungsloser Zeit“ ergangene – Abgabenbescheide heilen kann. Vom Bundesverfassungsgericht ist nunmehr beanstandet worden, dass der Satzungsgeber zwar praktisch in beliebig lange Zeiträume rückwirkend eine Satzung erstmalig in Kraft setzen kann, ohne dabei gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot zu verstoßen, die Regelung des Art 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) cc) Bay-KAG, der zu Folge die Verjährungsfrist immer erst in der Zukunft nach dem Erlass der ersten wirksamen Satzung zu laufen beginnt, hingegen dazu führen kann, dass zwischen Entstehung der sachlichen Beitragspflicht und dem Eintritt der Festsetzungsverjährung ein nicht mehr mit dem Verfassungsgrundsatz der Rechtssicherheit zu vereinbarender Zeitraum liegen kann. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass nach dem bayerischen Landesrecht beitragspflichtig derjenige ist, der im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht Eigentümer oder sonstiger Beitragspflichtiger ist oder war. Es kommt hingegen nach der dortigen Regelung nicht darauf an, ob er im Zeitpunkt des Erlasses des Anschlussbeitragsbescheides noch Eigentümer oder sonstiger Beitragspflichtiger ist.
- 25
Eine vergleichbare Verjährungsregelung gibt es im Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern nicht. § 12 Abs. 2 KAG M-V i.V.m. § 169 AO setzt die Verjährungsfrist für alle Fälle auf vier Jahre ab dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht fest. Ein beliebiges Auseinanderklaffen von Entstehung der Beitragspflicht und Eintritt der Verjährung ist damit ausgeschlossen. Wird eine Beitragssatzung rückwirkend in Kraft gesetzt, wie im Straßenbaubeitragsrecht in Mecklenburg-Vorpommern, beginnt auch die Verjährungsfrist ab dem rückwirkenden Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht zu laufen (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 9.6.1999 – 1 L 307/98 -, juris). Es gelten die gewöhnlichen Regelungen über die Unterbrechung bzw. Hemmung der Verjährungsfrist.
- 26
Auch die Regelung des § 9 Abs. 3 KAG M-V unterliegt nach Auffassung der Kammer in Ansehung der vorgenannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
- 27
§ 9 Abs. 3 KAG M-V regelt das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht für Anschlussbeiträge in der Weise, dass die Beitragspflicht entsteht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem In-Kraft-Treten der ersten wirksamen Satzung. Dabei stellt die Formulierung „erste(n) wirksame(n)“ eine Präzisierung gegenüber der zuvor geltenden Regelung des § 9 Abs. 7 Satz 2 KAG M-V 1993 dar, die in der Rechtsprechung des OVG Greifswald stets in gleicher Weise ausgelegt worden war.
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Entgegen der Rechtsauffassung der Kläger widerspricht die Regelung nicht dem verfassungsrechtlichen Gebot der Rechtssicherheit. Das Bundesverfassungsgericht hat in der genannten Entscheidung dazu ausgeführt: Rechtsicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug. Die Bürgerin und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können. Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtsicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischen Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und – Vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Element des Rechtsstaatsprinzip sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten (BVerfG, a. a. O., Rn. 41).
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Das Gericht hat weiter ausgeführt, dass auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, der Gesetzgeber verpflichtet ist, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt – unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist. Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss (BVerfG, a. a. O., Rn. 45).
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Die Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern und die Regelungen im Bayerischen Kommunalabgabengesetz unterscheiden sich insofern, da das Entstehen der sachlichen und persönlichen Beitragspflicht nach Artikel 5 Abs. 6 Bay-KAG zusammenfällt. Nach dem Landesrecht von Mecklenburg-Vorpommern ist nach § 7 Abs. 2 KAG M-V hingegen beitragspflichtig immer derjenige, der im Zeitpunkt des Erlasses des Beitragsbescheides die persönlichen Kriterien der Beitragspflicht als Grundstückseigentümer oder sonstiger Pflichtiger erfüllt. Eine „Verflüchtigung“ des Vorteils wie im bayerischen Landesrecht, das unter Umständen – wie im Fall des Bundesverfassungsgerichts - an eine längst vergangene Eigentümerstellung anknüpft, ist deshalb nicht möglich.
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Eine dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf Rechtssicherheit zuwiderlaufende Regelung ist in § 9 Abs. 3 KAG M-V ist auch insoweit nicht zu erkennen, als dort nicht das Erfordernis der rückwirkenden Inkraftsetzung der Beitragssatzung oder aber eine starre äußerste zeitliche Grenze für das zulässige Entstehen der sachlichen Beitragspflicht durch Erlass einer wirksamen Beitragssatzung geregelt ist. Eine derartige Regelung gebietet das Verfassungsrecht nicht und lässt sich aus der Entscheidung auch nicht herauslesen. Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das bundesrechtlich geprägte (Straßen-) Erschließungsbeitragsrecht ebenfalls das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht ggf. vom nachträglichen Erlass einer Erschließungsbeitragssatzung abhängig macht, ohne dass dort eine zeitliche Höchstgrenze festgelegt wäre. Diese durch das Richterrecht des Bundesverwaltungsgerichts geprägte Rechtslage ist bislang verfassungsrechtlich nicht beanstandet worden. Auch in der vorgenannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts finden sich keine Hinweise darauf, dass diese Rechtslage verfassungsrechtlich zu beanstanden wäre, obwohl es nahe gelegen hätte, dieses Rechtsgebiet bei der Betrachtung mit in den Blick zu nehmen.
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Schließlich ist im Hinblick auf die „Verflüchtigung“ des Vorteils für das Anschlussbeitragsrecht nach Maßgabe des Landesrechts in Mecklenburg-Vorpommern zu berücksichtigen, dass der Anschlussvorteil ein weitaus länger währender ist als beispielsweise der Anliegervorteil aus einer Straßenbaumaßnahme. Die Konzeption und Realisierung einer Trinkwasserversorgungs- bzw. Abwasserbeseitigungsanlage ist – der Materie geschuldet – weitaus aufwändiger als z. B. die Erneuerung einer Straße. So ist im konkreten Fall noch nicht einmal der bis in das Jahr 2014 reichende Investitionszeitraum für die zentrale Abwasserbeseitigungseinrichtung abgelaufen. Unter diesen Rahmenbedingungen kann eine zeitliche Höchstgrenze in Ansehung der konkreten Planungs- und Realisierungserfordernisse nicht gezogen werden, ohne auf der anderen Seite den ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Bereich der gemeindlichen Selbstverwaltung zu verletzen. Eine Rechtssicherheit im o.g. Sinne beginnt daher, wenn die Vorteile, die die Anlage bietet, den Eigentümern vollständig zugeflossen sind. Bezug zu nehmen ist dabei auf die konkrete Anlage, für die die Vorteile abgeschöpft werden. Unerheblich ist es hingegen, ob es unter früheren Rechtsregimen ähnliche Entsorgungsmöglichkeiten gab.
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Eine andere verfassungsrechtliche Betrachtung mag sich im Einzelfall dann ergeben, wenn lange Zeit – d.h. mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte - nach Abschluss des von der gemeindlichen Selbstverwaltung geplanten Ausbauzustandes bzw. der Investitionsmaßnahme immer noch keine wirksame Satzung als rechtliche Voraussetzung der Beitragserhebung gegeben ist. Eine starre Bestimmung dieser zeitlichen Höchstgrenze ist für das Anschlussbeitragsrecht aber verfassungsrechtlich nicht geboten.
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Soweit die Kläger rügen, das Transparenzgebot sei verletzt worden, vermag das Gericht den Ausführungen nicht beizutreten. Bei einer Beitragssatzung handelt es sich nicht um ein formelles Gesetz, so dass die Vorschriften über Verkündung und Inkrafttreten von Gesetzen (Artikel 82 Abs. 2 GG bzw. 58 Abs. 3 Landesverfassung M-V) nicht anwendbar sind. Die für die Beitragserhebung zugrunde liegende Beitragssatzung geltenden Vorschriften sind eingehalten worden, so insbesondere die Vorschriften der Kommunalverfassung zum Erlass und Veröffentlichung von Satzungen.
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Hinsichtlich der weiterhin gerügten Mängel verweist das Gericht auf das Urteil der Kammer vom 15. März 2012 (8 A 547/11, juris) Das Gericht hat dort ausgeführt:
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„1. Der Zweckverband Wismar und damit seine Behörde, der Beklagte, sind jedenfalls seit dessen Nachgründung im Jahre 1998 rechtlich existent. Der Zweckverband hat insbesondere eine wirksame Verbandssatzung. Dies wird klägerseitig auch nicht in Abrede gestellt und hat das Gericht bereits mehrfach entschieden.
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Vgl. näher etwa VG Schwerin, Urt. v. 10. Oktober 2011 – 8 A 560/10 – juris LS 3 und Rn. 76 ff.
- 38
Im Übrigen kommt es im vorliegenden Fall auch deshalb nicht darauf an, ob der Zweckverband mit Wirkung für die Vergangenheit rechtswirksam gegründet worden ist, weil es vorliegend um Bescheide aus dem Jahre 2011 geht. Dass der Zweckverband Wismar nach seiner Nachgründung 1998 für die Zukunft und damit heute rechtlich nicht existent ist, ist nicht ersichtlich. Einer gesonderten Veröffentlichung etwa des Gründungsvertrages oder der Gründungsverbandssatzung im Veröffentlichungsorgan der zuständigen Aufsichtsbehörde sieht § 152 KV M-V im Gegensatz zu § 11 Abs. 2 des (Reichs)Zweckverbandesgesetzes vom 7. Juni 1939 (RGBl. I. S. 979) nicht vor. Die danach beschlossene Verbandssatzung vom 26. Januar 1999 ist nach klägerseitig nicht angezweifelten Angaben des Beklagten am 10. März 1999 in der Ostsee-Zeitung (Wismarer Ausgabe) veröffentlicht worden.
- 39
2 a) Entgegen klägerischer Auffassung ist § 5 Abs. 5 derVerbandsatzung des Zweckverbandes Wismar (VS) mit der Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern vereinbar. Diese Satzungsvorschrift lautet:
- 40
(5) Die Mitglieder der Verbandsversammlung entscheiden nach ihrer freien, durch das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung. Die Verbandsmitglieder können ihren Vertretern in der Verbandsversammlung in folgenden Angelegenheiten Weisungen erteilen:
- 41
1. Wahl und Abberufung des Verbandsvorstehers und der Mitglieder des Verbandsvorstandes,
2. Änderung der Verbandssatzung,
3. Beratung der Jahresrechnung und Entlastung des Verbandsvorstehers,
4. Festsetzung von Umlagen und Stammkapital,
5. Zusammenschluss von Verbänden.
- 42
Nach dem Inhalt der Vorschrift ist weder vorgeschrieben noch sonst möglich, den Mitgliedern der Verbandsversammlung in allen Fällen Weisungen für Abstimmungen durch die jeweilige Mitgliedsgemeinde zu erteilen. Nach §§ 23 Abs. 3, 154 Abs. 1 KV M-V üben die Mitglieder der Verbandsversammlung ihr Mandat „im Rahmen der Gesetze nach ihrer freien, nur dem Gemeinwohl verpflichteten Überzeugung aus“. Sie sind an diesen Vorgaben widerstreitende Weisungen, Aufträge oder Verpflichtungen nicht gebunden. § 156 Abs. 7 KV M-V enthält zur Frage der Weisungen an die Mitglieder der Verbandsversammlung enumerativ aufgezählte (abschließende sowie eng auszulegende) - und hier vom Zweckverband Wismar übernommene - Ausnahmen.
- 43
Vgl. allgemein dazu Bielenberg, in: Darsow/Gentner/Glaser/Meyer, Schweriner Kommentierung der Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 3. Aufl. 2005, § 156 Rn. 6.
- 44
Eine einheitliche Stimmabgabe, wie sie etwa Art. 51 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) für Abstimmungen im Bundesrat vorschreibt, ist im Gemeinderecht im Übrigen nicht vorgesehen. Nur in den in § 156 Abs. 7 KV M-V genannten Fällen kommt sie in Betracht, wenn und soweit die Verbandssatzung dazu eine Bestimmung enthält und wenn und soweit eine Mitgliedsgemeinde tatsächlich von ihrem Weisungsrecht Gebrauch machen sollte. Lediglich der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass das Verwaltungsgericht Schwerin im Urteil vom 21. November 2008 – 8 A 3375/04 – (n. v., Umdruck, S. 16 f.) durchgreifende Bedenken gegen eine Bestimmung in einer Verbandssatzung eines anderen Zweckverbandes geäußert hat, in welcher die einheitliche Stimmabgabe in anderen Fällen zwingend vorgeschrieben war.
- 45
b) Die Veröffentlichungsbestimmung des § 22 VS ist nicht rechtsfehlerhaft, weil dieOstsee-Zeitung (Lokalteil Wismarer Zeitung) nicht überall im Verbandsgebiet erhältlich ist. Entscheidend ist, dass durch die Art und Weise der Bekanntmachung jeder Bürger als Normadressaten der Regelung ermöglicht wird, sich über den Inhalt der Regelung zu informieren.
- 46
Vgl. BVerfG, Urt. v. 2. April 1963 – 2 BvL 22/60 – juris Rn. 36; Glaser, in: Darsow/Gentner/Glaser/Meyer, Schweriner Kommentierung zur Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 3. Aufl. 2005, § 5 Rn. 15.
- 47
Dies ist bei einer Veröffentlichung in der Ostsee-Zeitung im ausreichenden Maß gewährleistet.
- 48
c) Im Übrigen dürfte die Klägerseite mit dem Vortrag gegen Regelungen der Verbandssatzung schon deshalb nicht gemäß §§ 5 Abs. 5, 154 KV M-V gehört werden, weil er die Fehlerhaftigkeit der Verbandssatzung erst nach über einem Jahr nach Bekanntgabe der Verbandssatzung in einem im Februar 2012 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz geltend gemacht hat.
- 49
3. Wie das Verwaltungsgericht Schwerin in ständiger Rechtsprechung entschieden hat,
- 50
- vgl. zuletzt etwa VG Schwerin, Urt. v. 10. Oktober 2011 – 8 A 560/10 – juris, Rn. 88 ff. mwN -
- 51
entspricht die den angegriffenen Bescheiden nunmehr zugrunde liegende Beitragssatzung Schmutzwasser (BSSW 2010) des Zweckverbandes Wismar in der Fassung vom 3. März 2010 den Vorgaben höherrangigen Rechts, insbesondere dem Kommunalabgabengesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern und ist damit wirksam.
- 52
a) Sie enthält die nach § 2 Abs. 1 KAG M-V vorgeschriebenen Mindestbestandteile. Die in den drei Urteilen des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 22. Januar 2010 - 8 A 1364/09, 1366/09 und 1369/09 - (letzteres in veröffentlicht juris, Rn. 14 ff.) monierten Regelungen der Beitragssatzung Schmutzwasser in der Fassung vom 7. Mai 2009 (BSSW 2009) sind beseitigt bzw. ergänzt worden. Die Widersprüchlichkeit der Vorschriften der Satzung in § 6 Abs. 4 c) BSSW 2009 einerseits und § 6 Abs. 5 f) BSSW 2009 andererseits bezüglich der Zahl der Vollgeschosse, sofern solche nicht feststellbar sind, ist durch Streichung des § 6 Abs. 4 c) BSSW 2009 beseitigt worden. Die weiterhin beanstandete Bestimmung des § 6 Abs. 5 e) Satz 3 BSSW 2009 bezüglich von vor dem 30. April 1994 entsprechend bisherigen Rechts errichteten Gebäuden ist um folgenden Satz ergänzt worden:
- 53
"[...]; weisen die in einem solchen Gebäude vorhandenen Geschosse schräge Wände auf, gelten sie dann als Vollgeschoss, wenn sie über mindestens zwei Drittel ihrer Grundfläche die lichte Höhe des darunter liegenden Geschosses aufweisen."
- 54
Damit hat der Satzungsgeber eine bestimmbare lichte Höhe für weitere Vollgeschosse festgelegt, die als sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung mit nach dem genannten Stichtag errichteten Gebäuden erscheint oder diese jedenfalls relativiert. Solche oder ähnliche Bestimmungen bei anderen Zweckverbänden sind von der Kammer in der Vergangenheit nicht beanstandet worden.
- 55
b) Klägerseitig wird gegen die Bestimmung des Gegenstandes der Beitragspflicht in § 3 BSSW geltend gemacht, Absatz 2 dieser Vorschrift sei kein Auffangtatbestand, sondern die gegenüber Absatz 1 speziellere Regelung. Diese Bestimmungen lauten:
- 56
(1) Der Beitragspflicht zur Deckung des Aufwandes nach §§ 1 Abs. 2 und 2 Abs. 1 Satz 1 unterliegen alle Grundstücke, die an die betriebsfertige öffentliche Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung des ZvWis tatsächlich angeschlossen sind bzw. angeschlossen werden können und
- 57
a) für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerblich genutzt werden dürfen oder
- 58
b) für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, wenn sie nach der Verkehrsanschauung Bauland sind und sie nach der geordneten baulichen Entwicklung der Verbandsmitgliedsgemeinde zur Bebauung oder gewerblichen Nutzung anstehen oder
- 59
c) wenn sie bebaut sind.
- 60
(2) Wird ein Grundstück an die öffentliche Einrichtung der Schmutzwasserbeseitigung des ZvWis tatsächlich angeschlossen, so unterliegt es der Beitragspflicht auch dann, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht erfüllt sind.
- 61
(3) […]
- 62
Das Gericht vermag die rechtliche Relevanz dieses Vortrags nicht zu erkennen. Es hat bereits im Urteil vom 10. Oktober 2011 (juris Rn. 94) entschieden, dass die genannten Bestimmungen nicht nichtig sind, weil unklar sein könnte, wie diese Vorschrift sich zu den Absätze 1 und 2 in § 3 BSSW 2010 verhalte. § 3 Abs. 2 BSSW 2010 stelle eine Auffangvorschrift für den Fall dar, dass das Grundstück eines Eigentümers tatsächlich angeschlossen ist, obgleich die Vorgaben des § 3 Abs. 1 BSSW 2010 nicht erfüllt seien. Lediglich in diesem Fall sei ein Beitrag zwingend zu erheben. Dies ist auch vorteilsgerecht, weil das angeschlossene Grundstück von den Vorteilen der Schmutzwasseranlage des Zweckverbandes profitiert. Auch das OVG M-V hat eine solche Regelung in einer Schmutzwasserbeitragssatzung eines anderen Zweckverbandes nicht beanstandet.
- 63
Vgl. zur Schmutzwasserbeitragssatzung Parchim/Lübz vom 14. Dezember 2006: OVG M-V, Urt. v. 14. September 2010 – 4 K 12/07 und - 4 K 10/4 K 10/07 -, juris Rn. 33 ff. bzw. Umdruck, S. 14 (unter f)).
- 64
c) Entgegen klägerseitiger Auffassung ist die Vollgeschossregelung in § 6 Abs. 5 BSSW 2010 nicht zu beanstanden. Die Vorschrift lautet im Kontext mit Absatz 4:
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(4) Der Nutzungsfaktor eines Grundstückes wird anhand der Zahl der Vollgeschosse eines Gebäudes wie folgt bewertet:
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a) das 1. Vollgeschoss mit dem Nutzungsfaktor 1,0;
- 67
b) jedes weitere Vollgeschoss mit dem Nutzungsfaktor 0,5;
- 68
c) abweichend von den Buchstaben a) und b) wird Gemeinbedarfs- bzw. Grünflächengrundstücken, für die im B-Plan oder im Vorhaben bezogenen B-Plan eine sonstige Nutzung festgesetzt ist und deren Fläche aufgrund ihrer Zweckbestimmung nur zum untergeordneten Teil mit Gebäuden bebaut sind oder bebaut werden dürfen (Friedhöfe, Freibäder, Sportplätze, Parkanlagen) ein Nutzungsfaktor von 0,3, für Campingplätze ein Nutzungsfaktor von 0,5 zugeordnet.
- 69
(5) Als Zahl der Vollgeschosse nach Abs. 4 gelten:
- 70
a) soweit ein B-Plan oder ein Vorhaben bezogener B-Plan besteht, die im B-Plan oder im Vorhaben bezogenen B-Plan festgesetzte höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse;
- 71
b) soweit in einem B-Plan oder Vorhaben bezogenen B-Plan die Zahl der Vollgeschosse nicht, sondern nur die höchstzulässige Höhe der baulichen Anlagen bestimmt ist, die durch 2,6 geteilte höchstzulässige Gebäudehöhe, wobei nach kaufmännischen Regeln Beitragssatzung Schmutzwasser auf ganze Zahlen auf- oder abgerundet wird. Soweit in einem B-Plan oder Vorhaben bezogenen B-Plan weder die Zahl der Vollgeschosse noch die höchstzulässige Gebäudehöhe, sondern nur eine Baumassenzahl bestimmt ist, die durch 2,6 geteilte höchstzulässige Baumassenzahl, wobei nach kaufmännischen Regeln auf ganze Zahlen auf- oder abgerundet wird. Ist in einem B-Plan oder Vorhaben bezogenen B-Plan die Zahl der Vollgeschosse nicht, jedoch sowohl die höchstzulässige Gebäudehöhe als auch die höchstzulässige Baumassenzahl bestimmt, ist die höchstzulässige Gebäudehöhe maßgeblich;
- 72
c) soweit kein B-Plan oder Vorhaben bezogener B-Plan besteht oder in einem solchen Plan weder die Zahl der Vollgeschosse, noch der höchstzulässigen Gebäudehöhe, noch die höchstzulässige Baumassenzahl angegeben sind
- 73
- bei bebauten Grundstücken die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse,
- bei unbebauten Grundstücken die Zahl der in der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse,
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d) […]
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e) Als Vollgeschosse gelten alle Geschosse, deren Deckenoberkante im Mittel mehr als 1,40 m über die Geländeoberfläche hinausragt und die über mindestens zwei Drittel der Grundfläche des darunter liegenden Geschosses oder, wenn kein darunter liegendes Geschoss vorhanden ist, zwei Drittel ihrer Grundfläche eine lichte Höhe von mindestens 2,30 m haben. Zwischenböden und Zwischendecken, die unbegehbare Hohlräume von einem Geschoss abtrennen, bleiben bei der Anwendung von Satz 1 unberücksichtigt […].
- 76
Diese Satzungsbestimmung wird klägerseitig unter Hinweis auf unterschiedliche bauplanungsrechtliche Festsetzungen in Bebauungsplänen im Zweckverbandsgebiet insoweit beanstandet, als bei fehlenden Angaben zur Anzahl der Vollgeschosse in den Bebauungsplänen (I, II usw.) keine anderen Parameter wie First- oder Traufhöhe (FH, TH) genannt werden. Ferner bleibe unklar, was gelte, wenn in einem Bebauungsplan ohne Angabe von Vollgeschossen sowohl First- als auch Traufhöhe bezeichnet würde. Damit werde dem Beklagten ein Ermessen eingeräumt, was unzulässig sei.
- 77
aa) Die genannte Bestimmung ist weder zu unbestimmt noch vorteilswidrig. Fehlt es im Bebauungsplan an einer Festlegung der Vollgeschosse, gilt zunächst § 6 Abs. 5 b) BSSW 2010. Danach ist auf die bauplanungsrechtlich höchstzulässige Höhe der baulichen Anlage abzustellen. Die Anzahl der Vollgeschosse wird durch den Divisor 2,6 mit kaufmännischer Rundung ermittelt. Höchstzulässige Höhe ist jedenfalls die Firsthöhe sowie die klägerseitig genannte (ggf. maximale) Oberkante einer baulichen Anlage (OK [max]). Die festgesetzte Firsthöhe ist eine Gesamthöhe
- 78
- so auch Dürr/Sauthoff, Baurecht Mecklenburg-Vorpommern, 1. Aufl. 2006, Rn. 394 -
- 79
und damit die höchstzulässige Gebäudehöhe im satzungsrechtlichen Sinn. Danach ist es möglich, über die Traufhöhe, also dem Schnittpunkt zwischen Außenwand und Dach (vgl. Dürr/Sauthoff, aaO) hinaus noch einen First zu errichten. Zwar mag es zulässig sein, bis zur Trauf- oder Firsthöhe ein Gebäude mit einem Flachdach zu errichten, sofern weitere bauplanungsrechtliche Vorgaben (etwa hinsichtlich der Dachform) fehlen. Allerdings dürfte auch dann eine Firsthöhe vorhanden sein, weil dieses Dach leicht geneigt sein muss, damit das Regenwasser abfließen kann. Darauf kommt es aber nicht an. Entscheidend ist, dass bauplanungsrechtlich die Möglichkeit besteht, bis zur Firsthöhe zu bauen. Unter Berücksichtigung der baulichen Ausnutzbarkeit der konkreten bauplanungsrechtlichen Vorgaben ist von der Firsthöhe als höchstzulässige Höhe auszugehen. Ob sich daraus ein (oder mehrere) Vollgeschoss(e) im Sinne der Satzungsdefinition des § 6 Abs. 5 e) BSSW 2010 ergeben, ist dann eine Frage der Anwendung der Satzung im Einzelfall.
- 80
bb) Sofern sich die Firsthöhe nicht aus dem Bebauungsplan ergibt, greift die Auffangregelung des § 6 Abs. 5 c) BSSW 2010, da sich in diesen Fällen keine höchstmögliche Gebäudehöhe ermitteln lässt. Demnach wäre nach dieser Vorschrift entweder auf bebauten Grundstücken die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse oder bei unbebauten Grundstücken die in der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse maßgebend. Ein Auswahlermessen steht dem Beklagten insoweit nicht zu.
- 81
cc) Soweit darauf hingewiesen wird, in einem Bebauungsplan (Nr. 3 der Gemeinde Glasin) sei im Gewerbegebiet eine Gebäudehöhe im Höchstmaß über HN [= Höhennull] mit 101 m genannt, ist klarzustellen, dass es sich bei HN um den in der DDR gebräuchlichen Bezugspunkt für das Höhensystem gehandelt hat (dem sog. Kronstädter Pegel), der – mit späteren Änderungen – im Wesentlichen auf dem mittleren Meeresspiegel des Finnischen Meerbusens abstellte.
- 82
Näher: Kronstädter Pegel, in: www.wikipedia.de
- 83
Demnach ist von den festgesetzten 101 m über HN die jeweilige im Bebauungsplan auch mitgeteilte Geländehöhe abzuziehen. Im konkreten Bebauungsgebiet wären dies ca. 85 m, so dass Gebäude von maximal 16 m Höhe errichtet werden dürften. Dies ergäbe sechs Vollgeschosse.
- 84
cc) Der Bebauungsplan Nr. 5 der Gemeinde Glasin enthält die Festsetzung maximale Oberkante (OK max) für Windkrafträder (WEA) 100 m. Dies ist für die beitragsrechtliche Bestimmung der Vollgeschosse unerheblich. Nach § 6 Abs. 4 BSSW 2010 sind für die Berechnung des Beitrags nur die Vollgeschosse von Gebäuden maßgebend. Dies hat auch nach Inhalt, Regelungszusammenhang und Zweck der Satzungsbestimmung für die nachfolgenden Vorschriften zu gelten, selbst wenn dort von „baulichen Anlagen“ die Rede ist. Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 Satz 1 LBauO M-V sind Gebäude u. a. geeignet oder bestimmt, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen. Windkrafträder sind demnach zwar bauliche Anlagen, aber ersichtlich keine Gebäude.
- 85
d) Die Kalkulation des in § 7 Abs. 1 SWBS festgesetzten Beitragssatz in Höhe von 3,10 € je Quadratmeter anrechenbarer Nutzfläche begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.
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aa) Das Gericht ist bei der Prüfung der Gültigkeit einer angegriffenen Satzung einerseits nicht auf die von Klägerseite geltend gemachten Mängel beschränkt. Sind objektiv mehrere Rechtsfehler vorhanden, so ist das Gericht insbesondere nicht verpflichtet, jeden dieser Rechtsfehler zu ermitteln und darauf seine Entscheidung zu stützen. Das gerichtliche Verfahren dient nicht - wie etwa ein behördliches Anzeige- oder Genehmigungsverfahren - einer umfassenden Prüfung der Rechtslage unter jedem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt.
- 87
Vgl. BVerwG, Beschl. v. 20. Februar 2001 – 4 BN 21.01 -, juris Rn. 12 für das Normenkontrollverfahren.
- 88
Andererseits untersucht das Gericht die Kalkulation nur insoweit auf Rechtsfehler, als solche von den Beteiligten substantiiert geltend gemacht werden. Das Gericht geht diesbezüglich nicht „ungefragt auf Fehlersuche“.
- 89
Vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 17. April 2002 – 9 CN 1.01 -, juris LS 2 und 3 und Rn. 43 mwN.
- 90
Bei Beachtung dieser Vorgaben gilt im vorliegenden Fall Folgendes:
- 91
bb) Bereits im zitierten Urteil vom 22. Januar 2010 (juris Rn. 26 ff.) hat das Gericht ausführlich zur Kalkulation der Beitragsatzung Schmutzwasser 2009 Stellung genommen und keine Fehler festgestellt. Darauf wird zunächst hingewiesen. In diesem Zusammenhang sind auch die Flächenermittlungen des Zweckverbandes erörtert und nicht beanstandet worden. Daran ist festzuhalten. Einzelne Flächenermittlungen werden im vorliegenden Fall auch nicht substantiiert angegriffen.
- 92
cc) Klägerseitig wird weiter die Auffassung vertreten, dass mit der (rechtlichen oder faktischen) Einbeziehung von aus DDR-Zeiten übernommenen Altanlagen in die Schmutzwasserbeseitigungsanlage diese Anlagen beitragsrechtlich als hergestellt gelten müsste. Diese Auffassung ist unzutreffend. Die Sanierung alter (zu DDR-Zeiten errichteter) Schmutzwasserkanäle bewirkt beitragsrechtlich keine Verbesserung im beitragsrechtlichen Sinne. Sie ist lediglich ein unselbständiger Kostenfaktor, der in die Beitragskalkulation einfließt und über den Herstellungsbeitrag bzw. über Kanalbenutzungsgebühren abgegolten wird.
- 93
Vgl. OVG M-V, Beschl. v. 21. April 1999 – 1 M 12/99-, juris LS 4 und Rn. 22; Urt. v. 18. Oktober 2005 – 1 L 197/05 -, juris Rn. 17 mwN.
- 94
Nur für Investitionen, die nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland erfolgt sind, können Herstellungsbeiträge erhoben werden.
- 95
Vgl. näher Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 9 Erl. 2.5.2.2 mwN aus der Rechtsprechung des OVG M-V.
- 96
Durch die auf neuer Rechtsgrundlage neu geschaffene öffentliche Einrichtung "Schmutzwasserentsorgung" wird allen angeschlossenen bzw. anschließbaren Grundstücken erstmals der gleiche rechtlich dauerhaft abgesicherte Vorteil verschafft. Dies gilt sowohl für "Altanschließer" als auch für neu angeschlossene Grundstücke.
- 97
Vgl. OVG M-V, Beschl. vom 06. Februar 2007 - 1 L 295/05 -, juris, Rn. 12 mwN; Urt. v. 13. November 2001 - 4 K 16/00 - juris Rn. 58 ff. unter Hinweis auf den Beschluss vom 21. April 1999 - 1 M 12/99 - NordÖR 1999, 302 = juris Rn. 16 ff.
- 98
Diese Rechtsprechung wurde vom Landesgesetzgeber bei der Novellierung des KAG M-V 2005 unter Hinweis auf seine Bindung an den Gleichheitssatz aufgenommen und berücksichtigt (LtDrs 4/1307, S. 48). Nach allem ist auch bei einem bereits vorhandenen Anschluss an die Schmutzwasserbeseitigungsanlage von einer Wertsteigerung des betroffenen Grundstücks auszugehen.
- 99
Da die Alt- und Neuanschließer durch den Anschluss an die Schmutzwasseranlage die gleichen Vorteile genießen, sind entgegen klägerischer Auffassung auch die Kosten der technischen Erneuerung von bereits zu DDR-Zeiten erstellten Schmutzwasseranlagen aus der aktuellen Beitragskalkulation einzubeziehen. In den beiden (nicht veröffentlichten) Urteilen vom 22. Januar 2010 - 8 A 1364/09 und 1366/10 - hat das Gericht diesbezüglich hinsichtlich der Beitragskalkulation ergänzend ausgeführt, dass die
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"nach 1990 durchgeführte (technisch betrachtet) Erneuerung von bereits zu DDR-Zeiten erbauten Anlageteilen beitragsrechtlich gesehen keine Erneuerung [ist], sondern erstmalige Herstellung einer Anlage im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V. Deshalb bedarf es insoweit auch keiner Beitragssatzung über Erneuerungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V. Nur wenn diese Anlagenteile danach nochmals erneuert werden, sind die dadurch verursachten Kosten Erneuerungskosten, die beitragsrechtlich nicht als Herstellungsaufwand berücksichtigt werden dürfen."
- 101
Danach durfte der Zweckverband Wismar die gelegentlich im Widerspruch klägerseitig monierte Einstellung von Kosten für die die technische Erneuerung von bereits zu DDR-Zeiten hergestellten Kanalsystemen bei der Beitragskalkulation als Herstellungskosten berücksichtigen.
- 102
Der in der Schmutzwasserbeitragssatzung festgelegte einheitliche Beitragssatz für alt und neu angeschlossene Grundstücke verletzt auch nicht den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bzw. das Willkürverbot, sondern ist sogar geboten. Dieser Beitragssatz gilt gleichermaßen für die sogenannten Altanschließer, d.h. Grundstücke, die bereits vor Inkrafttreten des ersten Kommunalabgabengesetzes (KAG 1991) an die Schmutzwasserentsorgung angeschlossen waren, und für danach (neu) angeschlossene Grundstücke. Dies Ergebnis entspricht sowohl der Rechtsprechung der Kammer als auch derjenigen des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern.
- 103
Vgl. OVG M-V, Urt. v. 6. Februar 2007 – 1 L 295/05 -, juris Rn. 7; Urt. v. 13. Dezember 2011 – 1 L 192/08 – juris LS und Rn. 16 ff. je mwN; VG Schwerin, Urteile v. 21. Mai 2008 - 8 A 2429/05 –, v. 22. Januar 2010 – 8 A 1369/09 – juris Rn. 39 mwN; v. 27. Mai 2011 – 8 A 898/10 -, juris Rn. 65 ff. und vom 10. Oktober 2011 – 8 A 560/10 – juris, Rn. 163 ff.
- 104
dd) Die Klägerseite beanstandet weiter, dass die mit Übernahme von Altanlagen in die Schmutzwasserbeseitigungsanlage des Zweckverbandes im Rahmen der Gebührenkalkulation vereinnahmten Abschreibungen bei der Beitragskalkulation keine Berücksichtigung finden. Dies sei fehlerhaft, weil der Zweckverband Wismar solche Anlagen kostenfrei übernommen habe und führe dazu, dass Beitragszahler jedenfalls zeitweise diese Anlagen doppelt bezahlten.
- 105
(1) Diese Auffassung ist unzutreffend. Soweit klägerseitig unter Hinweis auf Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt (OVG LSA, Beschl. v. 7. November 2001 – 1 L 152/01 – n. v.) und des Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht (Nds OVG, Urt. v. 25. September 1980 – 3 C 2/79 juris nur LS = KStZ 1981, 193 ff.) vorgetragen wird, es seien die gebührenrechtlich erwirtschafteten Abschreibungen bei der Bemessung des Beitrages abzuziehen, vermag das Gericht diesem nicht zu folgen. Dabei wird zunächst übersehen, dass abweichend von § 7 Abs. 1 KAG M-V nach § 6 Abs. 1 KAG LSA Beiträge nur erhoben werden dürfen, „soweit der Aufwand nicht durch Gebühren gedeckt ist“. In diesem Zusammenhang mag in Betracht kommen, erwirtschaftete Abschreibungen beitragsrechtlich zu berücksichtigen. Eine solche Regelung gibt es aber nicht im Kommunalabgabenrecht Mecklenburg-Vorpommerns und stellt auch kein allgemeines kommunalabgabenrechtliches Prinzip dar. Abgesehen davon hat das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt in der genannten Entscheidung einschränkend ausgeführt:
- 106
„[…] Der Vorbehalt in § 6 Abs 1 S 1 KAG LSA, wonach die Erhebung von Beiträgen nur zulässig ist, soweit der Finanzbedarf durch Gebühren nicht gedeckt ist, soll nur verhindern, dass eine Gemeinde Beiträge erhebt, obwohl sie durch das Aufkommen aus einer nach dem Wiederbeschaffungszeitwert kalkulierten Abwassergebühr Rücklagen für die Finanzierung der Investitionskosten gebildet hat. Sofern der Investitionsaufwand in die Gebührenkalkulation nur über die Abschreibungssätze für die voraussichtliche (Rest-) Nutzungsdauer Eingang findet, hat er auf den festgesetzten Beitragssatz keinen Einfluss. […]“
- 107
OVG LSA v. 7. November 2001 – 1 L 152/01 – (n. v.), S. 5. – Hervorhebung durch das Gericht.
- 108
Ähnlich hat das OVG LSA im Beschluss vom 1. Juli 2003 – 1 M 492/02 -, juris LS 2 und Rn 15 dargelegt:
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„Neben der Sache liegt der Einwand der Antragstellerin, es sei nicht erkennbar, dass bei der Beitragsbemessung der durch Gebühren gedeckte Aufwand abgezogen worden sei. Zwar bestimmt § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA, dass Beiträge nur erhoben werden dürfen, soweit der Aufwand nicht durch Gebühren gedeckt ist. Diese Bestimmung soll verhindern, dass die Gemeinde den Aufwand, der in der Vergangenheit bereits ganz oder teilweise durch das Ansammeln von Abschreibungserlösen abgedeckt hat, nunmehr über die Erhebung von Beiträgen nochmals verteilt. Aus dieser Zweckbestimmung ergibt sich zugleich, dass diese Abschreibungserlöse jedenfalls bei der Kalkulation von Herstellungsbeiträgen, um die es im vorliegenden Fall geht, nicht abgezogen werden müssen. Es ist vielmehr sachgerecht, Abschreibungserlöse durch eine Minderung des Beitragsaufwands nur denjenigen zugute kommen zu lassen, die in der Vergangenheit durch die Zahlung der Gebühren für die Inanspruchnahme der öffentlichen leitungsgebundenen Einrichtung dazu beigetragen haben, dass das Kapital für die beitragsfähige Maßnahme in Form der Abschreibungserlöse zur Verfügung steht und nicht (gänzlich) über Beiträge beschafft werden muss.[…]“
- 110
Das von Klägerseite weiter angeführte Urteil des Nds. OVG enthält über die Frage der Berechnung der Abschreibung hinaus zu der Anrechnung von kalkulatorischen Abschreibungen bei der Kalkulation von Beiträgen keine Aussage. Die kostenlose Übernahme von Altanlagen lässt die gebührenrechtliche Möglichkeit der Abschreibung demnach unberührt.
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Vgl. auch OVG Thüringen, Beschl. v. 6. April 2005 – 4 ZKO 78/02 -, juris Rn. 3 mwN.
- 112
(2) Auch in Mecklenburg-Vorpommern sind im Beitragrecht für leitungsgebundene Anlagen in der Kalkulation keine Abschreibungen vorzunehmen. Im hier maßgebenden Anschlussbeitragsrecht ist gemäß § 9 KAG M-V bei der Kalkulation der Aufwand für die Anschaffung und Herstellung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen zur leitungsgebunden Versorgung mit Wasser oder Abwasserentsorgung anzusetzen. Der Aufwand ist nach den Kosten zu ermitteln. Abschreibungen sind dabei nicht vorzunehmen. Dies folgt auch aus Nr. 5.1.1 des Einführungserlasses des Innenministeriums vom 14. Juni 2005 – II 330 – 179-00-06 – (abgedruckt bei Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Anhang 1).
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Abschreibungen von Anlagewerten sind zwar nach § 6 Abs. 2 KAG M-V bei der Ermittlung derGebührensätze u. a. nach Maßgabe des dortigen Absatz 2a zu berücksichtigen. Danach sind kalkulatorische Abschreibungen auf die um Beiträge und Zuschüsse Dritter reduzierte Anlagenwerte (Anschaffungs- und Herstellungskosten) vorzunehmen Unzutreffend ist insoweit die klägerische Annahme, die über die Gebühren realisierten Abschreibungen für kostenlos übernommene Anlagen seien beim Beitragsaufwand abzuziehen. Maßgebend ist allein, dass nach den gesetzlichen Vorgaben der Aufwand in die Kalkulation einzustellen ist. Ob die Berechnung der Abschreibungen fehlerhaft ist, ist ggf. bei der Überprüfung der Gebührenkalkulation in einem Verfahren zum Gebührenrecht zu prüfen.
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(3) Soweit klägerseitig darauf verwiesen wird, dass der Zweckverband Wismar Altanlagen kostenlos übernommen hat und trotzdem Abschreibungen in der Gebührenkalkulation eingestellt hat, weist das Gericht auf Folgendes hin:
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Nach ständiger Rechtsprechung des OVG M-V, dem das Gericht folgt, können Anschaffungs- und Herstellungskosten übernommener Altanlagen nur dann bei der Beitragskalkulation berücksichtigt werden, wenn und soweit für die jeweiligen (konkreten) Anlagen Verbindlichkeiten übernommen worden sind. Da im Übrigen die Altanlagen kostenlos übertragen worden sind, also der Zweckverband keinen Aufwand gehabt hat, dürfen diese Anlagen bei der Beitragskalkulation nicht berücksichtigt werden.
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Vgl. dazu OVG M-V, Urt. v. 15. November 2000 – 4 K 8/99 -, juris Rn. 51; Urt. v. 13. November 2001 – 4 K 16/00 - juris Rn. 51; Beschl. v. 2. Dezember 2003 – 1 M 72/03 -, juris Rn. 9 mwN; Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 9 Erl. 3.5.5 f.
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Das den §§ 7 ff. und § 6 KAG M-V zugrundeliegende Prinzip besagt, dass im Grundsatz die Anschaffungs- und Herstellungskosten zunächst beitragsrechtlich zu finanzieren sind und sodann gebührenrechtlich kalkulatorisch abgeschrieben werden können. Dieses Prinzip wird bei der kostenlosen Übernahme von Altanlagen in der oben genannten Weise ausreichend gewahrt.
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Es ist auch nichts dafür ersichtlich oder substantiiert vorgetragen, dass der Beklagte aus DDR-Zeiten übernommene Altanlagen auch dann mit Anschaffungs- oder Herstellungskosten in die Beitragskalkulation eingestellt hat, wenn der Zweckverband Wismar dadurch nicht finanziell belastet worden ist.
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ee) Die der Schmutzwasserbeitragssatzung zugrunde liegende Globalkalkulation ist nicht deshalb zu beanstanden, weil zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Satzung das Abwasserbeseitigungskonzept noch nicht beschlossen war. Nach den dem Gericht vorliegenden Kalkulationsunterlagen sind Prognosen in der „Planung der Investitionskosten und Fördermittel (Zuarbeit Fr. Dick)“, der „Kostenschätzung Baumaßnahmen 2008 bis 2014“ sowie einer Auflistung „Kostenschätzung B-Pläne“. Dies genügt als Schätzungsgrundlage. Es ist nichts Substantiiertes dazu vorgetragen worden und es bestehen auch derzeit sonst keine Anhaltspunkte, aus dem sich ergeben könnte, dass die Prognosen des Zweckverbandes und die ihnen zugrunde liegenden Annahmen offensichtlich unzutreffend und die zugrunde liegenden Investitionszahlen oder -vorgaben offensichtlich willkürlich oder sonst falsch sein könnten. Im Übrigen folgt aus der Aufzählung von Altanlagen im Anlagespiegel oder im Vermögensnachweis nicht, dass der Wert dieser Anlagen auch in der Beitragskalkulation berücksichtigt worden ist.
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cc) Die Annahmen in der Kalkulation müssen entgegen klägerischer Auffassung mit den Angaben in den jeweiligen Abwasserbeseitigungskonzepten nicht übereinstimmen. Es ist weder vorgeschrieben noch sonst zwingend, dass die erforderlichen Prognosen nur auf Grund eines förmlichen Abwasserbeseitigungskonzeptes zu erstellen sind. Weder das Kommunalabgabenrecht Mecklenburg-Vorpommerns noch dessen Kommunalrecht oder das Wasserhaushaltsgesetz des Bundes oder das Wassergesetz des Landes schreiben ein Abwasserbeseitigungskonzept vor, geschweige den enthalten Vorgaben aus einem Abwasserbeseitigungskonzept für die Beitragskalkulation. Das Konzept stellt als Planungsgrundlage eine Bestandsaufnahme und eine unverbindliche grobe Richtlinie dar, wie der Aufgabenträger sich die Planung und Entwicklung seiner Abwasserbeseitigungsanlagen in seinem Gebiet vorstellt. Zwar ist es dem Aufgabenträger nicht verwehrt, aus dem Abwasserbeseitigungskonzept die Beitragskalkulation zu entwickeln. Dies ist aber nicht zwingend. Wenn danach der Zweckverband Wismar die Vorgaben der Kalkulation maßgeblich seinen jährlich verabschiedeten Wirtschaftsplänen entnimmt, ist dies nicht zu beanstanden. Es ist daher grundsätzlich unerheblich, ob die Angaben der verschiedenen Abwasserbeseitigungskonzepte des Zweckverbandes Wismar nach Höhe und Umfang sowie in tatsächlicher und/oder zeitlicher Hinsicht mit den Angaben zu Anschaffungs- und Herstellungskosten in der Beitragskalkulation übereinstimmt.
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ff) Die Kalkulation hinsichtlich der Klärablage Neukloster hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung dahingehend erläutert, dass die Anteile der dezentralen Schmutzwasserbeseitigung und der Regenwasserentsorgung herausgerechnet worden seien. Dies ist klägerseitig nicht weiter beanstandet worden.
- 122
gg) Aus dem Umstand, dass in der Vergangenheit die Beitragskalkulation des Zweckverband Wismar nicht allen gesetzlichen Vorgaben entsprochen hat, folgt nicht, dass die nunmehr vorliegende Kalkulation fehlerhaft ist. Klägerseitig ist in den Widerspruchsverfahren gelegentlich vorgetragen worden, dass der Beitragssatz über Jahre stabil geblieben sei, was wegen der sich ändernden wirtschaftlichen Grundannahmen nicht möglich sei. Sofern damit der in der Satzung in § 7 Abs. 1 BSSW 2010festgesetzte Beitragssatz von 3,10 €/m² gemeint sein sollte, ist darauf hinzuweisen, dass es dem Zweckverband unbenommen ist, einen Beitragssatz unterhalb des kalkulierten Höchstbeitragssatz (derzeit - nach der Erklärung gemäß § 2 Abs. 3 KAG M-V in der heutigen mündlichen Verhandlung -: 4,29 €/m²) festzusetzen. Sollte mit dem Vortrag der kalkulierte höchstmögliche Beitragssatz gemeint sein, stimmt nach den Erkenntnissen des Gerichts bereits die Annahme nicht, dass der Beitragssatz stabil gewesen ist. Nach dem Kalkulationsgutachten (einer Rechnungsperiodenkalkulation) der Fa. WIBERA vom 9. März 2001 sollte der kalkulierte Schmutzwasserbeitragssatz 6,58 DM/m² betragen, also 3,36 €/m². Im WIBERA-Gutachten (einer Globalkalkulation) vom 1. Dezember 2005 war ein Beitragssatz von 4,48 € ermittelt worden. Nach der bisher maßgebenden Kalkulation 2009 lag der höchstmögliche Beitragssatz bei 4,43 €. Daraus lässt sich nach Auffassung des Gerichts nicht herleiten, dass die heute maßgebende Kalkulation unzutreffend ist. Auch die Fehler in der Beitragssatzung 2009 sind nicht so gravierend gewesen, dass die Kalkulation grundlegend neu erarbeitet werden musste. Maßgebende Parameter mussten deshalb nicht neu definiert werden, so dass der kalkulierte Beitragssatz plausibel erscheint.
- 123
hh) Die Kalkulation ist nicht deshalb fehlerhaft, weil in früheren Beitragsatzungen die Hausanschlusskosten nicht im Beitrag enthalten gewesen seien. Die Kalkulation hat nach Maßgabe der jetzigen Satzungslage zu erfolgen und die Kosten des ersten Hausanschlusses zu berücksichtigen. Sollten im Einzelfall zu einem früheren Zeitpunkt Hausanschlusskosten nach damaliger Satzungslage für einen ersten Hausanschluss gezahlt worden sein, wäre dies bei der Beitragsfestsetzung zu berücksichtigen.
- 124
ii) Die Kalkulation ist auch noch hinreichend aktuell, obgleich für die im März 2010 beschlossene Satzung in die Kalkulation nach dem 31. Dezember 2007 nur noch prognostische Werte eingestellt worden sind. Zur Aktualität hat das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern ausgeführt, dass mit Blick auf § 6 Abs. 2d KAG M-V eine Kalkulation grundsätzlich dann noch hinreichend aktuell ist, wenn sie nicht älter als fünf Jahre ist.
- 125
Vgl. OVG M-V; Urt. v. 15. November 2000 – 4 K 8/99 -, juris Rn. 47; Urt. v. 14. September 2010 – 4 K 12/07-, juris Rn. 31 mwN.
- 126
Dieser Zeitrahmen ist im vorliegenden Fall auch deshalb gewahrt, weil für die tatsächlichen Kosten prüffähige und/oder geprüfte Rechnungen vorliegen müssen und ggf. diese Kosten noch von einem unabhängigen Prüfer zu prüfen sind. Eine Anpassung der einstellungsfähigen Kosten bzw. eine Überprüfung der Kalkulation ist zudem vor Ablauf von fünf Jahren nur erforderlich, wenn die Kosten ersichtlich von den prognostizierten Kosten abweichen. Dafür bestehen keine Anhaltspunkte, zumal flächenseitig vor der Beschlussfassung Ergänzungen vorgenommen worden sind. Abweichungen des kalkulierten Beitragssatzes dürften wegen des erheblich geringer festgesetzten Beitragssatzes auch keine unmittelbaren Auswirkungen haben.
- 127
4. Die Erhebung von Beiträgen ist nicht nach § 242 Abs. 9 BauGB (früher: § 246a Abs. 1 Nr. 11 BauGB a.F.) unzulässig, weil die Schmutzwasseranlage zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Einigungsvertrages bereits hergestellt gewesen ist. Denn bei einer solchen Anlage handelt es sich um keine Erschließungsanlage im Sinne des § 127 Abs. 2 BauGB. In § 127 Abs. 4 BauGB wird bezüglich (u. a.) leitungsgebundener Anlagen ausdrücklich darauf verwiesen, dass das Recht zur Erhebung von Beiträgen für diese Anlagen unberührt bleibt, sofern andere Gesetze - wie insbesondere die Kommunalabgabengesetze der Länder - dies vorsehen.
- 128
Dazu Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 10. Aufl. 2007, § 127 Rn. 50; Kniest, in: Ferner/Kröniger/Aschke, BauGB, 2. Aufl. 2008, § 127 Rn. 27.
- 129
Im Umkehrschluss folgt daraus, dass der Bundesgesetzgeber in den Fällen von bereits zu "DDR-Zeiten" fertig gestellten öffentlich-rechtlichen leitungsgebundenen Anlagen gerade keine zeitliche Sperre für eine Beitragserhebung vorschreiben wollte.
- 130
So jetzt auch OVG M-V, Urt. v. 13. Dezember 2011 – 1 L 192/08 – juris Rn. 23 mwN.
- 131
5. Der Beitragsanspruch des Zweckverbandes Wismar ist auch gemäß § 12 KAG 1993 bzw. § 12 Abs. 2 KAG M-V in Verbindung mit §§ 47,169 ff. AO nicht endgültig verjährt. Danach galt bzw. gilt eine Festsetzungsfrist von vier Jahren. Die Verjährung hängt nicht allein davon ab, dass ein bestimmter Zeitraum verstrichen ist. Maßgebend ist zunächst, dass die Frist auch angelaufen ist. Das ist hier nicht der Fall:
- 132
a) Die Festsetzungsverjährungsfrist beginnt nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Jahres, indem die Abgabe (abstrakt) entstanden ist. Nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1993 war dies der Zeitpunkt der Anschlussmöglichkeit des Grundstücks an die Anlage, frühestens mit Inkrafttreten der ersten Beitragssatzung. Dabei ist zunächst klarzustellen, dass ein einmal verjährter Beitragsanspruch durch eine gesetzliche Neuregelung oder eine neue Beitragssatzung aus rechtsstaatlichen Gründen nicht wieder aufleben könnte (vgl. nur Steiner, LKV 2009, 254 [255 f. mwN]).
- 133
Im Falle der Schmutzwasserbeiträge des Zweckverbandes Wismar sind bisher keine Beitragsansprüche verjährt, weil die maßgebenden Festsetzungsfristen überhaupt noch nicht angelaufen sind.
- 134
Die Frist beginnt nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern, welcher der Kammer folgt, erst mit Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung,
- 135
- vgl. nur OVG M-V, Beschluss vom 06. Februar 2007 - 1 L 295/05 – juris, Rn. 21 ff.; Beschl. v. 27. Januar 2006 - 1 M 60/06 - juris Rn. 8, weitere Nachweise bei Aussprung, NordÖR 2005, 240 (246 Fn. 43) -
- 136
nicht hingegen mit der Veröffentlichung einer (Vorgänger-)Satzung mit formellem Geltungsanspruch. Dies entspricht nunmehr auch dem Wortlaut des § 9 Abs. 3 KAG M-V 2005.
- 137
Vgl. dazu auch LtDrs 4/1307 S. 48 unter Hinweis auf die dazu ergangene Rechtsprechung des OVG M-V.
- 138
Das Gericht hat dies u. a. in seinen Urteilen vom 10. Oktober 2011 ausführlich begründet. Hierauf ist im Einzelnen zu verweisen.
- 139
Vgl. näher etwa VG Schwerin, Urt. v. 10. Oktober 2011 – 8 A 340/10 – juris Rn. 177 ff. mwN.
- 140
b) Der Beitragsanspruch konnte im vorliegenden Fall schon deshalb nicht endgültig verjähren, weil die Festsetzungsfrist mangels wirksamer Beitragssatzung nicht anlaufen konnte. Die bisherigen Beitragssatzungen des Zweckverbandes Wismar waren sämtlich rechtsunwirksam:
- 141
aa) Die Beitrags- und Gebührenssatzung des Zweckverbandes Wismar vom 1. März 1992 war nichtig, weil sie nicht im eigenen Amtsblatt des Zweckverbandes oder einer von der Verbandssatzung bestimmten Zeitung veröffentlicht worden ist, sondern im Wismarer Kreisanzeiger mit Amtsblatt für den Landkreis Wismar. Dabei handelte es sich um das amtliche Veröffentlichungsorgan (nur) für den Landkreis Wismar, in dem Satzungen anderer Träger nicht rechtswirksam veröffentlicht werden konnten. Denn nach § 5 Abs. 3 KV DDR waren Satzungen zu veröffentlichen. Wenn es dort auch an näheren Bestimmungen zur Veröffentlichung fehlt, war es dennoch ausgeschlossen in einem Amtsblatt eines fremden Hoheitsträgers Satzungen zu veröffentlichen. Es musste sich aber - nach Maßgabe der Hauptsatzung - um das eigene amtliche Veröffentlichungsorgan oder jedenfalls um eine Tages- oder Wochenzeitung handeln (vgl. auch Bretzinger/Büchner-Uhder, Kommunalverfassung, 1. Aufl. 1991, § 5 Rn. 8). Das Gericht ist der Auffassung, dass eine Veröffentlichung im Amtsblatt eines anderen Rechtsträgers nur möglich ist, wenn dies gesetzlich ausdrücklich zugelassen ist. Eine solche Bestimmung hat es zu damaliger Zeit – soweit ersichtlich – nicht gegeben. Jedenfalls hätte in dem Veröffentlichungsorgan deutlich darauf hingewiesen werden müssen, dass in ihm auch Satzungen des Zweckverbandes veröffentlicht werden, damit der rechtsuchende Bürger in zumutbarer Weise erkennt, dass im Amtsblatt des Kreises auch Satzungen des Zweckverbandes enthalten sein können. Daran fehlt es aber im vorliegenden Fall.
- 142
In materieller Hinsicht war die Satzung schon deshalb nichtig, weil sie entgegen § 8 Abs. 1 KAG 1991 bei der Bestimmung des Baukostenbeitrages in Teil II Nr. 1.1 nicht auf die individuellen Vorteile des jeweils bevorteilten Grundstücks abstellte, sondern als Zuschlag zu der Abwassergebühr pauschal ein jährlich neu festzusetzender Baukostenbeitrag erhoben werden sollte. Zudem sollte der Baukostenbeitrag von allen „Grundstücksbesitzern“ erhoben werden, also auch von Mietern oder Pächtern. Dies war mit § 8 Abs. 2 Satz 2 KAG 1991 nicht zu vereinbaren, da Beiträge nur von Eigentümern und Erbbauberechtigten erhoben werden durften.
- 143
bb) Die Beitrags- und Gebührensatzung vom 1. Juli 1993 ist nach den obigen Vorgaben ebenfalls nichtig, weil sie im Wismarer Kreisanzeiger veröffentlicht worden ist. Der Baukostenbeitrag stellte nicht auf die Vorteile des Anschlusses des Grundstücks ab.
- 144
cc) Auch die Beitrags- und Gebührensatzung in der Fassung vom 22. Dezember 1993 wurde am 21. Januar 1994 im Wismarer Kreisanzeiger veröffentlicht und ist schon deshalb nichtig. Zudem begegnet sie in materieller Hinsicht durchgreifenden Bedenken, weil der in Nr. 1.3 bestimmte pauschale Anschlussbeitrag von 750,-- DM je Entsorgungseinheit unabhängig von der Größe und Art des Grundstück festgelegt wurde, also gleichfalls nicht auf die Vorteile für das jeweilige angeschlossene Grundstück abstellte.
- 145
dd) Auch die am 1. Januar 1996 erlassene Satzung des Zweckverbandes Wismar vom 22. Dezember 1995 war in materieller Hinsicht nichtig. Zum einen wies diese Satzung Fehler insoweit auf, als beim Beitragsmaßstab die Außenbereichsflächen mit der Grundflächenzahl (GRZ) von 0,4 vorteilswidrig zu hoch angesetzt und keine Abgeltungsfläche festgelegt war. Dies wäre aber wegen der Einmaligkeit der Beitragsveranlagung notwendig gewesen. Zum anderen lag der Verbandsversammlung seinerzeit keine ordnungsgemäße Kalkulation vor. Ihr hat nur eine Tabelle mit den maßgebenden Daten vorgelegen, nicht aber notwendige weitere Unterlagen. Zudem waren für Teilmaßnahmen Teilbeiträge ermittelt und danach addiert worden, obgleich die Satzung keine Kostenspaltung vorsah.
- 146
Dazu VG Schwerin, Urt. v. 28. Juni 2001 - 4 A 2239/98 - sowie im Beschl. v. 19. Oktober 1999 - 4 B 889/98 - zur Kalkulation.
- 147
Das Verdikt der Unwirksamkeit würde diese Satzung selbst dann treffen, wenn diese während ihrer formellen Gültigkeitsdauer unbeanstandet angewandt worden sein sollte und es auch keine entsprechenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichts oder Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern in einzelnen Verfahren oder im Normenkontrollverfahren gegeben haben sollte. Die Nichtigkeit der früheren Satzungen muss nicht durch Normenkontrollentscheidung gemäß § 47 VwGO in Verbindung mit § 13 des Ausführungsgesetzes zum Gerichtsstrukturgesetz durch das OVG M-V festgestellt werden, um daraus Konsequenzen für die Verjährung im vorliegenden Verfahren herleiten zu können. Das Gericht hat bereits in den genannten Urteilen vom 22. Januar 2010 (u. a. juris Rn. 46) im Einzelnen dargelegt, dass die Nichtigkeit früherer Satzungen nicht allein durch eine Normenkontrollentscheidung durch das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern festgestellt werden muss, um daraus Konsequenzen für die Verjährung im Einzelfall herleiten zu können. Bei Satzungen ist zwar die formelle Verwerfungskompetenz der Gerichte mit allgemeiner Verbindlichkeit auf das abstrakte Normenkontrollverfahren gemäß § 47 VwGO beschränkt.
- 148
Zu den Folgerungen daraus siehe Kopp/Schenke, VwGO, § 47 Rn. 141 ff.; Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 47 Rn. 364 ff.
- 149
Den Verwaltungsgerichten fehlt diese Kompetenz. Sie haben aber nach Art. 20 Abs. 3 GG mit Blick auf das zwingende Satzungserfordernis des § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V bei Überprüfung einzelner Abgabenbescheide die ihnen zugrunde liegenden Satzungen auf ihre Wirksamkeit (inzidenter) zu überprüfen, soweit hierzu Anlass besteht. Eine gültige Satzung ist Entstehungsvoraussetzung der Abgabe.
- 150
Vgl. dazu Quaas, Kommunales Abgabenrecht, Rn. 22 mwN; Meyer, Kommunalrecht, 2. Aufl. 2002 Rn. 180a; Glaser, in: Darsow/Gentner/Glaser/Meyer, Schweriner Kommentierung der Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 3. Aufl. 2005, § 5 Rn. 4 aE.
- 151
Weist die Satzung bei dieser Prüfung Fehler auf, die sie unanwendbar machen, ist der angefochtene Bescheid in jedem Einzelfall mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig und aufzuheben, wenn die Satzung auch nicht formell vom Gericht aufgehoben werden und deren Nichtigkeit ausdrücklich (und mit Allgemeinverbindlichkeit) festgestellt werden kann. Für den jeweiligen Einzelfall wird die fehlerhafte Satzung aber so behandelt, als wäre sie nichtig.
- 152
Vgl. Sensburg/Maslaton, Abgabenrecht in der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte, 2007, S. 25; weitergehend Hill, Soll das kommunale Satzungsrecht gegenüber staatlicher und gerichtlicher Kontrolle gestärkt werden? 1990, D 109 (Nichtigkeitserklärung durch jedes Gericht im Einzelfall.).
- 153
Zwar könnte der kommunale Aufgabenträger die Satzung weiter anwenden, da Urteile des Verwaltungsgerichts nur inter partes gelten (vgl. § 121 VwGO) und die inzidente Nichtigkeitsfeststellung nicht allgemein verbindlich (Umkehrschluss aus § 47 Abs. 5 VwGO) ist. Er würde dann aber jeweils ein möglicherweise kostenträchtiges Unterliegen in einem nachfolgenden Verwaltungsstreitverfahren riskieren. Auch das Verwaltungsgericht stellt im vorliegenden Fall die Unwirksamkeit der Satzung nur in diesem Einzelfall fest.
- 154
Diese Feststellung der Nichtigkeit kann entgegen klägerischer Ansicht auch erfolgen, wenn zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Satzung bereits nicht mehr formell in Kraft ist, es aber - etwa wie hier zur Klärung der Verjährungsfrage – auf die Gültigkeit früherer Satzungen ankommen sollte. Dem Gericht ist kein Rechtssatz bekannt, wonach eine während ihres Anwendungszeitraums gerichtlich unbeanstandet gebliebene Satzung später nicht mehr auf ihre Wirksamkeit überprüft werden darf.
- 155
ee) Im Übrigen sind die bisher behandelten Abgabensatzungen auch deshalb nichtig, weil der Zweckverband Wismar 1991 fehlerhaft gegründet worden ist. Die danach verkündeten Abgabensatzungen konnten somit nicht wirksam beschlossen und veröffentlicht werden. Dabei kann offenbleiben, ob – wie geschehen - das Reichszweckverbandsgesetz (RZVG) vom 7. Juni 1939 (RGBl. I S. 979) ergänzend zu § 61 KV DDR herangezogen werden konnte.
- 156
Zum Meinungsstand: Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 10. Dezember 1998 – LVerfG 1/98 -, Umdruck S. 15 ff.; Saugier, Der fehlerhafte Zweckverband, 2001, S. 58 ff. mwN. – Zum Verfahren bei der Gründung eines Zweckverbandes vor Inkrafttreten der Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern siehe auch VG B-Stadt, Urt. v. 19. Februar 1997 – 4 A 1092/95 – (n. v.), Umdruck S. 6 ff.; Beschl. v. 29. August 1997 – 4 B 431/96 -, Umdruck, S. 8 ff. (letzterer Entscheidung betr. den Zweckverband Wismar).
- 157
Selbst wenn die Anwendbarkeit des Reichszweckverbandsgesetzes zu bejahen wäre, würde es bei der Gründung des Zweckverbandes Wismar an dem nach § 11 Abs. 1 RZVG erforderlichen Beschluss der zuständigen Aufsichtsbehörde (Landrat des Landkreises Wismar) fehlen. Dieser Beschluss hätte auch gemäß § 11 Abs. 2 RZVG im amtlichen Bekanntmachungsblatt des Landrates nebst der Verbandssatzung veröffentlicht werden müssen. Daran fehlt es im vorliegenden Fall.
- 158
So bereits ausführlich VG Schwerin, Beschl. v. 29. August 1997 – 4 B 431/96 – Umdruck, S. 11 ff.
- 159
Demzufolge hätte der Zweckverband seine Satzungen nach seiner bestätigenden Neugründung im Jahr 1998 und Neukonstituierung seiner Organe erneut beschließen und veröffentlichen müssen, um ihnen Wirksamkeit zu verleihen. Da dies nicht geschehen ist, waren und blieben die genannten Satzungen nichtig.
- 160
ff) Auch die Satzung von 18. Oktober 2000 verstieß gegen höherrangiges Recht und war nichtig. Dem Beitragssatz lag keine ordnungsgemäße Kalkulation zu Grunde. Die Vollgeschossfaktoren in Satzung und Kalkulation wichen voneinander ab. Zudem lagen Fehler bei Flächenermittlung vor, da der Vollgeschossfaktor der Satzung nicht hinreichend berücksichtigt wurde. Schließlich waren die Kläranlagen in die Kalkulation nicht einbezogen worden (vgl. VG B-Stadt, Urt. v. 3. Juni 2004 - 4 A 1623/02). Die Satzung vom 20. Dezember 2005 ist durch Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 27. Juni 2008 - 8 A 1654/08 - aus materiellen, die Satzung betreffenden Gründe für nichtig erklärt worden.
- 161
gg) Auch die (letzte) Beitragssatzung vom 7. Mai 2009 war - wie die Kammer in den oben genannten Urteilen vom 22. Januar 2010 festgestellt hat - wegen Widersprüchlichkeit der Regelungen in § 6 Abs. 4 und 5 f) BSSW 2009 (Bestimmung der Anzahl der Vollgeschosse, wenn diese nicht feststellbar sind) bzw. wegen Unvollständigkeit der Bestimmung zur Festlegung von Vollgeschossen in vor dem 30. April 1994 errichteten Gebäuden in § 6 Abs. 5 e) Satz 3 BSSW 2009 nichtig.
- 162
Zur Frage der Bestimmung der Vollgeschosse bei Altbauten vgl. aber OVG M-V, Urt. v. 14. September 2010 – 4 K 12/07 -, juris Rn. 65.
- 163
hh) Die Festsetzungsverjährungsfrist konnte daher erst mit Bekanntgabe der letzten, jetzt maßgebenden Änderungssatzung (BSSW 2010) zu laufen beginnen. Das war im vorliegende Fall der 1. Januar 2011, da der Beitragsanspruch erst mit Inkrafttreten der Beitragssatzung vom 3. März 2010, also im Jahr 2010 entstanden ist (vgl. § 170 Abs. 1 AO).
- 164
6. Dem jeweiligen Beitragsschuldner steht auch kein Vertrauensschutz in die Rechtswirksamkeit der Vorgängersatzungen zur Seite. Das Ergebnis, wonach im Beitragsrecht eine spätere rechtswirksame Satzung den Zeitraum einer früheren nichtigen Satzung erfasst, steht mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG im Einklang. Insbesondere ist das Vertrauen des Beitragszahlers in die Rechtswirksamkeit der Vorgängersatzungen nicht in der Weise geschützt, dass er Anspruch hätte, auf Grundlage der zum Zeitpunkt der Anschließbarkeit des Grundstücks maßgebenden Verhältnissen nach der damals formell gültigen Satzung veranlagt zu werden. Der Bürger kann sich nicht immer auf den durch eine ungültige Norm erzeugten Rechtsschein verlassen. Dies gilt insbesondere, wenn sich eine Rechtsnorm im Nachhinein als ungültig erweist und durch eine neue rechtlich nicht zu beanstandende Bestimmung ersetzt wird.
- 165
Vgl. grundlegend BVerfG, Urt. v. 19. Dezember 1961 - 2 BvL 6/59 - BVerfGE 13, 261 ff., zit. nach juris Rn. 48 ff., 54 m. w. N.
- 166
Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht im Übrigen nicht so weit, den Bürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren. Schutzwürdig ist zudem nur das getätigte Vertrauen, also eine "Vertrauensinvestition", die zu Erlangung einer Rechtsposition geführt hat (vgl. BVerfG, Urt. v. 2. Mai 1987 - 1 BvR 724/81 - u. a. juris Rn. 82 m. w. N.). Eine solche Rechtsposition erwächst nicht aus dem Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit einer Beitragssatzung.
- 167
7. Der Beitragsanspruch ist auch nicht verwirkt. Als ein im Grundsatz von Treu und Glauben wurzelnder Vorgang der Rechtsvernichtung bedeutet Verwirkung, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung des Rechts als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete in Folge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand), und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauensbetätigung).
- 168
Zu den Voraussetzungen der Verwirkung OVG M-V, Beschl. v. 22.9. 2004 - 1 M 166/04 - juris Rn. 24; Gersch, in: Klein, Abgabenordnung, 9. Aufl. 2006, § 4 Rn. 21; Rüsken, ebenda, § 228 Rn. 13 je mwN. aus der Rechtspr. des Bundesfinanzhofs; vgl. auch OVG M-V, Beschl. v. 18. März 2008 - 1 M 15/08 - S. 6 mwN (n. v.]).
- 169
Zwar ist der Anschlussbeitrag über einen langen Zeitraum nicht geltend gemacht worden. Jedoch durfte der Beitragsschuldner regelmäßig nicht darauf vertrauen, dass der Beklagte den Beitrag nicht mehr einfordern wird. Es ist nichts ersichtlich, dass der Beklagte gegenüber Beitragsschuldner jemals zu erkennen gegeben hat, er werde den Beitrag nicht mehr geltend machen. Auch nach dem Inhalt früherer Satzungen war der Beklagte gehalten, Beiträge gegenüber Altanschließern geltend zu machen. Die Durchsetzung dieses Rechts mit einem Bescheid erscheint daher nicht als unzumutbarer Nachteil zu Lasten des Beitragsschuldners. Zudem kann eine Verwirkung bei einer laufenden Verjährungsfrist nur unter ganz besonderen Umständen angenommen werden (siehe Rüsken, ebenda, § 228 Rn. 13). Solche sind hier nicht ersichtlich.
- 170
8. Die nach allem rechtsgültige Beitragssatzung hat der Beklagte im vorliegenden Fall zutreffend angewandt. Soweit die Kläger geltend machen, dass ihr Grundstück zum Teil aus Gartenland bestehe, kann dies zu keiner Reduzierung des Beitrags führen. Denn beide Flurstücke sind rechtlich gesehen ein Grundstück, weil beide Flurstücke im Bestandsverzeichnis des Grundbuchs unter einer Nummer geführt werden. Sie sind daher einheitlich zu veranlagen.
- 171
9. Anzumerken bleibt, dass die Beitragsschuldner auch nicht mit dem Argument durchdringen, der Beklagte habe zeitnah mit dem tatsächlichen Anschluss des Grundstücks und seiner Satzung aus dem Jahre 1992 neben den Hausanschlussbeitrag sogleich auch den Anschlussbeitrag erheben müssen, so dass sie in den "Genuss" eines früheren niedrigen Beitrags von 2.000,-- DM oder 3.000,-- DM gekommen wären. Zum einen geben die Verjährungsvorschriften dem Beklagten vor, innerhalb welcher Zeiträume er Beitragsbescheide erlassen muss. Er ist weder nach Satzungsrecht noch nach sonstigen Vorschriften verpflichtet, zeitnah nach Herstellung der Anschlussfähigkeit des Grundstücks Beitragsbescheide zu erlassen. Zum anderen ist es dem Beklagten unbenommen, soweit er aufgrund früherer, nichtiger Satzungen (zu niedrige) Beiträge durch (bestandskräftige) Beitragsbescheide erhoben hat, im Rahmen pflichtmäßigen Ermessens unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten zu prüfen, ob er die diesbezüglichen abgeschlossenen Verwaltungsverfahren nach § 12 Abs. 1 KAG M-V in Verbindung mit §§ 130, 131 AO wieder aufgreift (oder gar aufgreifen muss) und unter Beachtung neuer Satzungsbestimmungen und der erbrachten Beiträge neu entscheidet. Die Einmaligkeit der Beitragserhebung dürfte ihn nicht daran hindern, weil es noch immer um die erstmalige Beitragserhebung geht (vgl. jetzt auch OVG M-V, Urt. v. 15. Dezember 2009 - 1 L 323/06 – juris Rn. 52 ff. mwN).“
- 172
An diesen Ausführungen hält das Gericht auch im vorliegenden Verfahren fest.
- 173
Die Kläger haben als Unterlegene die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).
- 174
Die Regelungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
- 175
Das Gericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gem. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VerGO zugelassen. Die von den Klägern angesprochene Rechtsfrage der Verfassungsmäßigkeit des § 9 Abs. 3 KAG M-V ist bislang – soweit ersichtlich – noch nicht vom Oberverwaltungsgericht M-V im Lichte der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 (1 BvR 2457/08) bewertet worden.
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(2) Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur dann zurückgenommen werden, wenn
- 1.
er von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden ist, - 2.
er durch unlautere Mittel, wie arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist, - 3.
ihn der Begünstigte durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren, - 4.
seine Rechtswidrigkeit dem Begünstigten bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war.
(3) Erhält die Finanzbehörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Fall des Absatzes 2 Nr. 2.
(4) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts die nach den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zuständige Finanzbehörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Finanzbehörde erlassen worden ist; § 26 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.
(2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn
- 1.
eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt, - 2.
eine Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu zahlen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem für den Steuerfall Steuerzeichen oder Steuerstempler verwendet worden sind, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuerzeichen oder Steuerstempler hätten verwendet werden müssen.
(3) Wird eine Steuer oder eine Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung dieser Festsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag gestellt wird.
(4) Wird durch Anwendung des Absatzes 2 Nr. 1 auf die Vermögensteuer oder die Grundsteuer der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.
(5) Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2
- 1.
bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat, - 2.
bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat, - 3.
bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.
(6) Für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die
- 1.
aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und - 2.
nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden,
(7) Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die in Zusammenhang stehen mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen oder auf andere Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.
(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist
- 1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder - 2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.
(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.
(2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn
- 1.
eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt, - 2.
eine Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu zahlen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem für den Steuerfall Steuerzeichen oder Steuerstempler verwendet worden sind, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuerzeichen oder Steuerstempler hätten verwendet werden müssen.
(3) Wird eine Steuer oder eine Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung dieser Festsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag gestellt wird.
(4) Wird durch Anwendung des Absatzes 2 Nr. 1 auf die Vermögensteuer oder die Grundsteuer der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.
(5) Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2
- 1.
bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat, - 2.
bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat, - 3.
bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.
(6) Für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die
- 1.
aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und - 2.
nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden,
(7) Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die in Zusammenhang stehen mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen oder auf andere Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.
(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.
(2) In den Fällen des § 13 Nr. 6, 6a, 11, 12 und 14 hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gesetzeskraft. Das gilt auch in den Fällen des § 13 Nr. 8a, wenn das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz als mit dem Grundgesetz vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt. Soweit ein Gesetz als mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt wird, ist die Entscheidungsformel durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen. Entsprechendes gilt für die Entscheidungsformel in den Fällen des § 13 Nr. 12 und 14.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.