Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 07. Mai 2014 - 9 A 51/13

ECLI: ECLI:DE:VGSH:2014:0507.9A51.13.0A
published on 07/05/2014 00:00
Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 07. Mai 2014 - 9 A 51/13
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile

Gericht

There are no judges assigned to this case currently.
addJudgesHint

Tenor

Die Bescheide des Beklagten vom 9.11.2012 und der Widerspruchsbescheid vom 08.02.2013 werden aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der erstattungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger wehrt sich gegen die Heranziehung zu Ausbaubeiträgen.

2

Der Kläger ist Eigentümer von zwei Grundstücken in L. auf Sylt, welches im Amtsgebiet des Beklagten liegt. Die Grundstücke mit der postalischen Anschrift An der D… xx und xx der Flur xx, Flurstück xx und xx sind xx und xx m² groß. Bei der ca. 150 m langen Straße „An der D...“ handelt es sich um eine private Stichstraße, die von der öffentlichen Straße A abzweigt, sich wiederum verzweigt und mehrere Grundstücke erschließt, die mit Einfamilienhäusern bebaut sind. Die Straße besteht aus mehreren Flurstücken, die mehreren privaten Eigentümern gehören. Sie ist uneinheitlich zum Teil mit Teer und zum anderen Teil wassergebunden befestigt.

3

Im Straßenzug A-Straße/ B-Straße wurden in den Jahren 2009/2010 die fast 40 Jahre alten Straßenlampen erneuert und der Kläger wurde für seine zwei Grundstücke mit Bescheiden vom 09.11.2012 zu Ausbaubeiträgen in Höhe von 361,12 € und von 577,26 € herangezogen.

4

Der Kläger legte dagegen Widerspruch ein, den er damit begründete, dass er nicht direkter Anlieger an der B-Straße sei, sondern seine Grundstücke über die Privatstraße erschlossen würden. Die Grundstücke würden durch die Beleuchtung im Straßenzug A-Straße/ B-Straße nicht bevorteilt werden. Zudem könne er, wenn die Privatstraße ausgebaut würde, wiederum zu den Kosten herangezogen werden.

5

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.02.2013 wurde der Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, dass es sich bei der Zuwegung „An der D...“ um eine Privatstraße handele, so dass dafür keine Erschließungs- oder Ausbaubeiträge erhoben werden könnten. Da der Straßenzug A-Straße/ B-Straße aber die einzige öffentliche Erschließung der Grundstücke des Klägers bilde und keine weitere Zugangsmöglichkeiten über andere öffentliche Erschließungsanlagen vorhanden seien, könnten sonst unter Anwendung der Wegdenktheorie die Grundstücke des Klägers nicht erreicht werden. Durch den verbessernden Ausbau der Beleuchtung seien alle Anlieger des Straßenzuges bevorteilt. Dieses treffe auch für die Grundstücke des Klägers zu, weil er zur Erreichung seiner Grundstücke zwingend auf einen Zugang über die ausgebaute Straße angewiesen sei.

6

Der Kläger hat am 06.03.2013 Klage erhoben.

7

Er wiederholt seine Begründung aus den Widerspruchsverfahren.

8

Der Kläger beantragt,

9

die Bescheide des Beklagten vom 09.11.2012 in der Form des Widerspruchbescheides vom 08.02.2013 aufzuheben.

10

Der Beklagte beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Die über die Privatstraße an das öffentliche Verkehrsnetz angebundenen Grundstücke verfügten über keine weitere Zufahrt. Sie würden ausschließlich über die ausgebaute Straße angefahren werden. Eine Nichtveranlagung dieser Grundstücke hätte eine Ungleichbehandlung mit den anderen Grundstücken im Abrechnungsgebiet zur Folge, denn die Anlieger der Privatstraße müssen die ausgebaute Einrichtung genauso benutzen wie die Anlieger der anderen Grundstücke. Würde man die ausgebaute Einrichtung wegdenken, wäre eine Erschließung der Straße „An der D...“ nicht gegeben. Würde man das anders sehen, würden die Anlieger von Privatstraßen zu keiner Zeit zu Ausbaubeiträgen herangezogen werden können. Für die Grundstücke des Klägers werde es aus naturschutzrechtlichen Gründen auch in der Zukunft keine andere öffentliche Erschließung geben.

13

Der Rechtsstreit ist der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen worden.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

15

Die Klage ist zulässig und begründet.

16

Die angegriffenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Sie sind daher aufzuheben.

17

Der Kläger ist nicht zu Ausbaubeiträgen gem. § 8 Abs. 1 KAG iVm. § 1 der Satzung der Gemeinde L. auf Sylt über die Erhebung von Beiträgen für den Aus- und Umbau von Straßen, Wegen und Plätzen vom 04.09.2000 verpflichtet, denn er ist nicht Anlieger der öffentlichen Einrichtung A-Straße/ B-Straße.

18

Eine vorteilsrelevante, zur Beitragserhebung rechtfertigende Inanspruchnahmemöglichkeit vermittelt im Straßenausbaubeitragsrecht grundsätzlich die nächste erreichbare selbständige Straße. Das kann auch, wie im Erschließungsbeitragsrecht, eine Privatstraße oder ein befahrbarer Privatweg sein. Grenzt ein Grundstück allein an eine erneuerte oder verbessernd ausgebaute Straße, ist die Beantwortung der Frage, ob das betreffende Grundstück an der Verteilung des umlagefähigen Aufwandes für den Ausbau der Straße teilnimmt, abhängig von der Beurteilung der Vorfrage, ob die Verkehrsanlage als selbständige oder unselbständige Einrichtung zu qualifizieren ist. Ist die Verkehrsanlage selbständig, koppelt sie die nur an ihr gelegenen Grundstücke ab und schließt eine Beitragspflicht für die Straße aus, von der die Verkehrsanlage abzweigt. Ist dagegen eine abzweigende Verkehrsanlage ein unselbständiger Anhängsel der ausgebauten Straße, wird den anliegenden Grundstücken durch den Hauptzug eine vorteilsrelevante Inanspruchnahmemöglichkeit geboten (vgl. Driehaus, Ausbau- und Erschließungsbeiträge, 9. Aufl., § 35 Nr. 27).

19

Dieser Auffassung folgt auch Habermann, wenn er in seinem Kommentar zum Ausbaubeitragsrecht ausführt, dass an einer abzweigenden befahrbaren Privatstraße gelegenen Grundstücke keine beitragspflichtigen Hinterlieger-Grundstücke der nächsten öffentlichen Straße seien, wenn die private Verkehrsfläche sich bei natürlicher Betrachtungsweise als selbständige Verkehrsanlage darstelle (vgl. Habermann in Habermann/Arndt, Schleswig-Holsteinischen Kommunalabgabengesetz. § 8 Rdnr. 184).

20

Dieser Literaturauffassung hat sich auch die Rechtsprechung angeschlossen (vgl. OVG Schleswig, Urteil v. 13.10.2005 - 2 LB 97/04 - zur Straßenreinigungsgebühr), die eine Straßenreinigungsgebühr für die Reinigung des Hauptzuges für die Anlieger einer privaten Stichstraße nur dann zulässt, wenn die private Straße selbst keine selbständige Erschließungsanlage ist, weil sie nach Breite, Länge und Anzahl der erschlossenen Grundstücke keine selbständige Erschließungsfunktion hat. Auch das Verwaltungsgericht hat nunmehr entschieden, dass ausschließlich an einen Privatweg angrenzende Grundstücke nicht durch die öffentliche Straße erschlossen werden, in die der Privatweg einmündet, wenn diese eine zum Anbau bestimmte, zur verkehrsmäßigen Erschließung geeignete und überdies selbständige Erschließungsanlage sei (vgl. Urteil 9 A 183/12 vom 19.03.2014, S. 7).

21

Entscheidend ist damit, ob die private Stichstraße „An der D...“ eine selbständige Erschließungsanlage ist. Wenn die Stichstraße „An der D...“ eine öffentlich gewidmete Straße wäre, würde sie als selbständige öffentliche Einrichtung gewertet werden, weil sie mehr als eine zweite Baureihe erschließt (hierzu OVG Schleswig, Urteil 2 LB 118/02 v. 30.04.2003, SchlHA 2004,53) und sie zudem verzweigt und mehr als 100 m lang ist (hierzu BVerwG, Urteil v. 25.01.1985, - 8 C 106/83 -, NVwZ 1985,753). Damit würden unter der Annahme, es handele sich um eine öffentliche Straße, die Anlieger auch nicht für Beiträge an dem ausgebauten Hauptzug herangezogen werden können.

22

Nichts anderes gilt dann, wenn die Stichstraße im privaten Eigentum steht. Die Grundstücke des Klägers liegen allein an der Privatstraße. Zwar wird er dafür von dem Beklagten nie zu Ausbaubeiträgen herangezogen werden können, weil die Straße eben Privateigentum ist, so dass die Gemeinde diese Straße nicht ausbauen kann. Ob der Kläger sich dagegen privatrechtlich an den Kosten eines etwaigen Ausbaus der Privatstraße durch die privaten Eigentümer beteiligen muss, muss hier nicht entschieden zu werden.

23

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist auch nicht erkennbar, dass es insoweit eine gleichheitswidrige Behandlung all der Anlieger geben soll, die auf den ausgebauten Straßenzug A-Straße/ B-Straße zwingend angewiesen sind, denn wenn die Stichstraße öffentlich gewidmet wäre, müssten die Eigentümer der anliegenden Grundstücke auch keine Beiträge für den Ausbau des Hauptzuges leisten. Insoweit gibt es keine Differenzierung hinsichtlich einer privaten und einer öffentlichen Straße, sondern allein hinsichtlich der Frage, ob ein Grundstück an einer selb- oder unselbständigen Verkehrsanlage angrenzt.

24

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die gem. §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO vorläufig vollstreckbar ist.


Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

moreResultsText


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
1 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 13/10/2005 00:00

Tatbestand 1 Die Kläger wenden sich gegen einen Straßenreinigungsgebührenbescheid für das Jahr 2004. 2 Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks ... im Gebiet der Beklagten. Das mit einem Wohnhaus
{{Doctitle}} zitiert {{count_recursive}} Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Annotations

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.