Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 08. Dez. 2010 - 9 A 217/09
Gericht
Tenor
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 21.08.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2009 verpflichtet, dem Kläger seine Schülerbeförderungskosten für das Schuljahr 2009/2010 zu erstatten.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
- 1
Der Kläger begehrt die Erstattung von Schülerbeförderungskosten.
- 2
Der minderjährige Kläger wohnt in der amtsangehörigen Gemeinde A-Stadt/A.S. und besucht seit Beginn des Schuljahres 2009/2010 die Gemeinschaftsschule in der amtsangehörigen Nachbargemeinde .... Träger der Schule und damit der Schülerbeförderung ist das Amt .... Über Anträge auf Übernahme von Schülerbeförderungskosten hat das (Vorgänger-) Amt bis 2004 selbst entschieden. Zum 1.4.2004 hat es diese Aufgabe vertraglich auf den beklagten Kreis übertragen, der seitdem - zunächst unter Einschaltung eine Zentralen Abrechnungsstelle - anstelle der Schulträger über die Anträge entscheidet.
- 3
Der Schulweg des Klägers ist knapp 3 km lang und führt entlang der K 45 über eine Kreuzung mit der L 200, aus dem Ort heraus in den Ortsteil ... und dort zur Kreuzung mit der L 92, die ebenfalls gequert werden muss. Eine Querungshilfe für Fußgänger oder Radfahrer existiert an beiden Kreuzungen nicht. Entlang der K 45 führt seit 2002 ein kombinierter Fuß- und Radweg, der kurz vor der Kreuzung mit der L 92 endet. Dieser Schulweg war bereits vom Amt als gefährlich eingestuft worden. Diese Einstufung hatte der Beklagte zunächst übernommen mit der Folge, dass die Beförderungskosten für Schülerinnen und Schüler aus A-Stadt/A.S. bis zum Schuljahr 2008/2009 einschließlich erstattet worden sind.
- 4
Der Kläger wechselte zum Schuljahr 2009/2010 in die 5. Klasse der Gesamtschule in ... und beantragte am 5.6.2009 die Übernahme der Schulbeförderungskosten. Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 21.8.2009 ab mit der Begründung, dass die maßgebliche Schülerbeförderungssatzung die Beförderungskosten nur dann als notwendig ansehe und eine Erstattung zulasse, wenn der Schulweg von der Wohnung bis zur Schule mehr als 4 km betrage. Dies sei beim Kläger nicht der Fall.
- 5
Zuvor war bereits das Amt darüber unterrichtet worden, dass u.a. die Schülerinnen und Schüler aus A-Stadt/A.S. ab dem Schuljahr 2009/2010 keinen Anspruch mehr auf Übernahme der Schülerbeförderungskosten hätten. Mit Schreiben vom 28.8.2009 machte das Amt daraufhin auf die aus seiner Sicht extrem gefährliche Straßen- und Verkehrssituation aufmerksam. Die Schülerinnen und Schüler aus A-Stadt/A.S. müssten eine extrem breite und auch gefährliche Straßenkreuzung ohne Beschilderung o.ä. überqueren. Eine Bewältigung dieses Schulweges sei daher weder zu Fuß noch per Fahrrad zumutbar, auch wenn der Weg kürzer als 4 km sei.
- 6
Den vom Kläger mit der weiterhin gegebenen Gefährlichkeit des Weges begründeten und am 14.9.2009 eingelegten Widerspruch wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 21.9.2009 als unbegründet zurück. Vom zentralen Punkt im Ort aus gemessen liege die Schule nur 2,36 km entfernt. Eine Ausnahme gemäß § 11 Abs. 1 der Satzung wegen Gefährlichkeit des Schulweges komme nicht in Frage. Der Schulweg habe zwar mal als gefährlich gegolten, doch könne dies nach neuerlicher Prüfung nicht mehr angenommen werden. Entlang der gesamten Strecke verlaufe ein Radweg, die Querungen lägen beide innerorts und stellten keine außergewöhnliche Gefahrenquelle dar. Auch die Polizeiinspektion bestätige, dass der Schulweg Kindern ab der 5. Klasse zuzutrauen sei.
- 7
Dagegen hat der Kläger am 14.10.2009 Klage erhoben.
- 8
Er ist der Auffassung, dass ihm ein Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 11 Abs. 1 der Schülerbeförderungssatzung zustehe. Die Vorschrift sehe in besonders gelagerten Fällen ein Abweichen von der Satzung vor. Das dem Beklagten zustehende Ermessen sei wegen der weiterhin gegebenen Gefährlichkeit des Schulwegs reduziert. Über die Darstellung der Schulwegssituation hinaus verweist der Kläger auch darauf, dass es an der Kreuzung in ... bereits im Jahre 1992 zu einem schweren Unfall mit einem Schulkind gekommen sei; das Kind habe eine Querschnittslähmung davongetragen. Im Übrigen müsse der Beklagte die Kosten auch aus Gleichbehandlungsgründen übernehmen, weil gegenüber dem Vorjahr keine tatsächlichen Veränderungen am Schulweg eingetreten seien.
- 9
Der Kläger beantragt,
- 10
den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 21.8.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2009 zu verpflichten, ihm Schulbeförderungskosten für das Schuljahr 2009/2010 zu bewilligen.
- 11
Der Beklagte beantragt,
- 12
die Klage abzuweisen.
- 13
Er weist darauf hin, dass er die Prüfung der Gefährlichkeit von Schulwegen auf Antrag der Schülerbeförderungsträger auch schon vor Übernahme der Zuständigkeit im Jahre 2004 durchgeführt habe. Die Korrektur einer einmal getroffenen Einstufung habe von der Mitteilung abgehangen, dass sich am Schulweg etwas geändert habe. Vorliegend sei erst anlässlich einer Neuvermessung des Schulwegs im August 2009 festgestellt worden, dass es entlang der K 45 einen Radweg gebe und die Kreuzungen ausreichend übersichtlich seien. Warum der hier in Rede stehende Schulweg während der vielen Jahre zuvor als gefährlich eingestuft worden sei, lasse sich nicht mehr feststellen. Insoweit könne nur vermutet werden, dass dies am ursprünglich fehlenden Radweg gelegen habe.
- 14
Die Kriterien, nach denen die Zumutbarkeit des Schulwegs bei einer Länge unter 4 km beurteilt werde, seien nirgends festgelegt. Der Beklagte selbst richte seine Entscheidung seit 2004 danach aus, ob gesundheitliche Gründe dies geböten oder der Schulweg gefährlich sei. Dies werde angenommen, wenn die Gefahr gewalttätiger Übergriffe bestehe oder der Weg verkehrsmäßig nicht sicher genug sei, etwa weil er extrem unübersichtlich oder - bei Grundschülern - außerorts nicht beleuchtet sei. Ferner könne der Weg dann gefährlich sein, wenn außerorts eine vielbefahrene Straße ohne verkehrsmäßige Hilfe gequert werden müsse, wenn ein vorhandener Radweg querfeldein verlaufe, gefährlich oder in schlechtem Zustand sei oder wenn auf einer Straße ohne Geh- und Radwege mehr als 3000 Fahrzeuge/24 Std. verkehrten. Generell gehe es darum, eine über das normale Maß hinausgehende Gefährlichkeit auszuschließen. Alle bisher als gefährlich eingestuften Strecken befänden außerorts. Eine Gefährlichkeit von Schulwegen innerorts, d.h. in Städten oder großen Gemeinden (wie hier in ...) gebe es nicht. Da der Schulweg von A-Stadt/A.S. nach ... keines der genannten Kriterien erfülle und eine Einstufung als gefährlich der beschriebenen Verwaltungspraxis widerspreche, habe man diese zurückgenommen. Im Übrigen hätten zwei nach Klagerhebung noch einmal durchgeführte Ortsbesichtigungen durch den Fachdienst Straßenverkehr und unter der Beteiligung der Polizeidirektion ergeben, dass an der Kreuzung in ... auch keine verkehrsrechtlichen Maßnahmen angezeigt seien. Die Sichtverhältnisse für Fußgänger seien gut, Unfälle gebe es nur selten. Demnach gebe es an diesem Knotenpunkt keine besondere Gefahrenlage und keine Anzeichen für die Anordnung eines Fußgängerüberwegs.
- 15
Die Kammer hat den Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten auch der Parallelverfahren 9 A 195/09, 9 A 218/09, 9 A 219/09 und 9 A 220/09 verwiesen.
Entscheidungsgründe
- 16
Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig und begründet. Die angegriffene Ablehnung der Kostenerstattung ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO. Er hat aus Gründen der Gleichbehandlung einen Anspruch auf Erstattung seiner Schülerbeförderungskosten für das Schuljahr 2009/2010.
- 17
Obwohl das Amt ... Schulträger und damit nach § 114 Abs. 1 SchulG auch Träger der Schülerbeförderung ist, ist der beklagte Kreis für die begehrte Leistung sachlich zuständig, weil er die mit der Trägerschaft der Schülerbeförderung zusammenhängenden Aufgaben vertraglich vom Amt übernommen hat. Damit sind das Recht und die Pflicht zur Erfüllung dieser Aufgabe in dessen alleinige Zuständigkeit übergegangen und der Beklagte tritt auch gegenüber Dritten als alleiniger Aufgabenträger auf, § 18 Abs. 1 S. 2 GkZ. Etwaige entscheidungserhebliche Mitwirkungs- oder Zustimmungsvorbehalte sind für das Amt vertraglich nicht vorgesehen.
- 18
Ein Anspruch auf Kostenerstattung für die Beförderung des Klägers als Schüler einer weiterführenden allgemein bildenden Schule zwischen seiner Wohnung in A-Stadt/A.S. und der Schule als nächstgelegener Schule ihrer Art in ... für das Schuljahr 2009/2010 ergibt sich nicht aus dem Schulgesetz oder der Satzung des Beklagten über die Anerkennung der notwendigen Kosten für die Schülerbeförderung vom 28. April 2004, zuletzt geändert durch Satzung vom 6. März 2008 (Schülerbeförderungssatzung - SBS -), wohl aber aus dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG.
- 19
§ 136 SchulG bestimmt u.a., dass die Bestimmungen im 6. Teil des Schulgesetzes - dazu gehören die §§ 111-114 SchulG - keine Ansprüche von Eltern, Schülerinnen oder Schüler gegen den Schulträger, den Träger der Schülerbeförderung oder das Land begründen. Gleichermaßen schließt § 1 Abs. 6 SBS Rechtsansprüche Dritter unter Verweis auf § 136 SchulG aus. Dieser Ausschluss subjektiver Rechte war bereits in § 81 SchulG a.F. vorgesehen und geht darauf zurück, dass das Gesetz lediglich das Verhältnis des Landes gegenüber den Schulträgern und den Trägern der Schülerbeförderung regelt, nicht jedoch das Verhältnis zu den Schulbenutzern. Den objektiven Verpflichtungen der Schulträger und der Träger der Schülerbeförderung sollen keine subjektiven Rechte der Schülerinnen und Schüler, Eltern oder Lehrkräfte gegenüberstehen (Karpen/ Lorentzen in: Praxis der Kommunalverwaltung, Kommentar zum SchulG a.F., § 80 Anm. 5.3, § 81 Anm. 1 u. 2).
- 20
Allerdings kann der Kläger beanspruchen, dass der Beklagte über sein Begehren auf Übernahme von Schülerbeförderungskosten in ermessensfehlerfreier Weise entscheidet, insbesondere frei von Willkür (Art. 3 Abs. 1 GG) seine Entscheidungen trifft (vgl. OVG Schleswig, Urt. v. 05.03.1992 - 3 L 5/91 -, Die Gemeinde 1993, 258; Urt. v. 25.03.1994 - 3 L 204/93 -, Die Gemeinde 1994, 228). Das OVG Schleswig hat dazu in der genannten Entscheidung vom 25.03.1994 ausgeführt:
- 21
„Für die Frage, ob der Beklagte sein Ermessen fehlerfrei betätigt hat, indem er der Klägerin die begehrte Bewilligung versagt hat, kommt es auf die Auslegung des Schulgesetzes bzw. der Satzung des Beklagten nicht an. Das Schulgesetz enthält im Hinblick auf Schülerbeförderungskosten - wie ausgeführt - keine Rechtsanspruchsnormen für Bürger. Dieser Ausschluß subjektiver Rechte wirkt sich auch auf die Ermessensbetätigung der Schulträger bei der Entscheidung über entsprechende Anträge aus. Die gesetzlichen Regelungen zu den Schülerbeförderungskosten (§ 80 SchulG) entfalten keine Rechtswirkung außerhalb der Organbereiche, für die sie verbindlich sind (Land, Kreise, Gemeinden, Schulträger). Insoweit ist das Schulgesetz vergleichbar mit einem Haushaltsplan, der ebenfalls einen gesetzlichen Ausschluß von Außenwirkungen enthält (vgl. BVerfG, Beschluß vom 22.10.1974 - 1 BvL 3/72 -, E 38, 121). Konstruierte man über den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG einen subjektiven Rechtsanspruch darauf, daß das Ermessen in der vom Gesetz vorgesehenen Weise zu betätigen sei, würde der Wille des Gesetzgebers, der erkennbar darin besteht, dem Bürger die Berufung auf das Gesetz zu verwehren, unterlaufen. Die vorstehenden Ausführungen gelten für die Satzung des Beklagten entsprechend.
- 22
Dem Schulgesetz und der Satzung des Beklagten kommen daher hinsichtlich der Bestimmungen zu den Schülerbeförderungskosten im Verhältnis zwischen dem Schulträger und dem Bürger nicht mehr Gewicht zu als einer nur für die Verwaltung verbindlichen Richtlinie (vgl. Urteil des Senats vom 05.03.1992 - 3 L 5/91 -, Die Gemeinde 1993, 258 = SchlHA 1993, 120).
- 23
Eine im Rahmen des Gleichbehandlungsgrundsatzes relevante Selbstbindung entsteht noch nicht, wenn ausschließlich für die Verwaltung verbindliche Vorschriften erlassen werden oder sie sich selbst - innerbehördliche - Richtlinien, Anweisungen oder dergleichen gibt. Ein im beschriebenen Sinne der Selbstbindung relevantes Verhalten liegt erst dann vor, wenn und soweit die Verwaltung sich nach außen hin, d.h. dem Bürger gegenüber betätigt. Danach kommt es nicht darauf an, wie eine für die Verwaltung verbindliche Vorschrift auszulegen wäre, wenn die Auslegung nach den für Rechtsanspruchsnormen entwickelten Grundsätzen vorzunehmen wäre. Sofern die Normen allein die Verwaltung binden, sind sie nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die der Senat teilt, nicht der gerichtlichen Interpretation unterworfen (vgl. BVerwG, aaO). Entscheidend ist vielmehr, wie die die Verwaltung bindende Vorschrift von der Verwaltung selbst - nach ihrem eigenen Verständnis - gehandhabt wird. Denn der Gleichheitssatz, an dem die Ermessensausübung zu messen ist, stellt nicht auf den Wortlaut der die Verwaltung bindenden Vorschrift, sondern auf ihre Handhabung ab (vgl. BVerwG, Beschluß vom 01.06.1979 - 6 B 33.79 ZBR 1980, 24; Urteil vom 26.04.1979, aaO). Es kommt also darauf an, welche Verwaltungspraxis sich aufgrund der Vorschrift entwickelt hat. Nur die bisherige Verwaltungspraxis bindet die Verwaltung dem Bürger gegenüber (vgl. Dürig in Maunz/Dürig/Herzog, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 3 Abs. 1 Rdn. 432 m.w.N.).“
- 24
Dieser Auffassung hat sich das erkennende Gericht angeschlossen (vgl. Urt. v. 16.04.2008 - 9 A 207/07 - in juris; Urt. v. 04.11.2009 - 9 A 98/09 - m.w.N.). Richterlicher Prüfungsmaßstab ist deshalb allein die Frage, ob der Beklagte das ihm zustehende Ermessen fehlerfrei betätigt hat, indem er die bestehenden Bindungen aus der eigenen, anhand der Schülerbeförderungssatzung entwickelten Verwaltungspraxis beachtet und dabei nicht den Gleichheitssatz bzw. sonstige rechtliche Regelungen willkürlich verletzt oder höherrangige Zweckbestimmungen nicht beachtet hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.04.1979 - 3 C 111/79 -, BVerwGE 58, 45 ff.; Beschl. v. 21.09.1993 - 2 B 109/93 - in juris). Auf die Auslegung des § 114 Abs. 1 SchulG oder der Schülerbeförderungssatzung, wie der Kläger oder das Gericht dies für richtig halten, kommt es nicht an.
- 25
Danach hat der Kläger einen Anspruch auf die begehrte Kostenerstattung, weil der Beklagte in der Vergangenheit in vergleichbaren Fällen ... Schulkindern eine solche Erstattung bewilligt hat und eine im Jahr 2009 vollzogene Änderung dieser Verwaltungspraxis gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt.
- 26
Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich gleiche Sachverhalte auch gleich zu behandeln. Eine Ungleichbehandlung ist nur dann zu rechtfertigen, wenn die handelnde Verwaltung hierfür plausible, sachlich nachvollziehbare Gründe darzulegen vermag. Dies ist dem Beklagten im Ergebnis nicht gelungen. Es erscheint vielmehr willkürlich, dass eine Erstattung zwar bis zum Schuljahr 2008/2009 erfolgt ist, nicht aber mehr im Schuljahr 2009/2010 erfolgen soll.
- 27
Entsprechend § 1 Abs. 2 SBS stellt der seit 2004 zuständige Beklagte maßgeblich darauf ab, ob die Beförderungskosten als notwendig anzuerkennen sind. Dies wiederum ist der Fall, wenn der betreffende Schüler nicht am Schulort wohnt und zum Erreichen der Schule ein Verkehrsmittel benutzen muss, weil der Schulweg auf andere zumutbare Weise nicht zurückgelegt werden kann. Ob der Schulweg ab Klassenstufe 5 nicht zumutbar ist, richtet sich allein nach § 3 Abs. 2 b) SBS und dem dort festgelegten Entfernungskriterium (mehr als 4 km).
- 28
Die Schülerinnen und Schüler aus A-Stadt/A.S., die die Gemeinschaftsschule in ... als nächstgelegene Schule ihrer Art besuchen, wohnen nicht am Schulort. Schulort ist nach § 2 Abs. 1 SBS die Gemeinde, in der sich die Schule befindet. Vom sog. zentralen Punkt ihres Wohnortes i.S.d. § 3 Abs. 1 SBS ausgehend ist ihr Schulweg danach zumutbar, weil er kürzer ist als 4 km. Dessen ungeachtet macht der Beklagte Ausnahmen vom Zumutbarkeitserfordernis. Nach eigenem Bekunden weicht er entsprechend § 11 Abs. 1 SBS „in besonders gelagerten Fällen“ von den Regelungen der Satzung ab und übernimmt die Kosten auch dann, wenn der Schulweg kürzer als 4 km ist. Dies soll zunächst dann der Fall sein, wenn der Schulweg aus gesundheitlichen Gründen als unzumutbar angesehen wird (vgl. das im Ergebnis unstreitig abgeschlossene und den Beteiligten bekannte Parallelverfahren 9 A 195/09). Des Weiteren wird eine Unzumutbarkeit des Schulwegs angenommen, wenn dieser vom Beklagten als gefährlich eingestuft wird. Maßstab sei eine über das normale Maß hinausgehende Gefährlichkeit.
- 29
Unstreitig ist eine solche Gefährlichkeit für den Schulweg von A-Stadt/A.S. nach ... in der Vergangenheit angenommen worden. Die entsprechende Einstufung reicht in eine Zeit zurück, zu der noch das Amt ... Träger der Schülerbeförderung war (bis 2004). Soweit der Beklagte im Jahre 2009 anführt, dass diese Gefährlichkeit nicht mehr bestehe, weil – so der maßgebliche Vermerk – ein Fuß- bzw. Radweg vorhanden sei und die zu querenden Kreuzungen ausreichend übersichtlich seien, so liegt darin keine Änderung des Sachverhalts, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könnte. Der Beklagte musste einräumen, selbst nicht zu wissen, wann sich die Beschaffenheit des Schulwegs so verändert haben könnte, dass diese nunmehr zu eine anderen Einschätzung führen musste. Er kann nur vermuten, dass dies mit dem im Jahre 2002 neu gebauten Radweg zusammenhängt und dass das Amt als Schulträger es versäumt hat, ihn darüber zu informieren mit der Folge, dass dies erst jetzt bei der neuerlichen Prüfung im Jahre 2009 festgestellt worden ist.
- 30
Damit aber macht der Beklagte nicht die Änderung eines Sachverhalts, sondern lediglich die veränderte Einschätzung eines im maßgeblichen Zeitpunkt gleich gebliebenen Sachverhalts geltend. Dass der Beklagte über den Bau des Radwegs vorher nicht informiert war, ändert daran nichts. Denn es lässt sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, dass die frühere Einstufung als gefährlich tatsächlich nur auf dem fehlenden Radweg beruhte, so dass man annehmen könnte, dass insoweit nur eine Korrektur der schon seit 2002 fehlerhaften Einstufung erfolgt wäre. Der Beklagte vermag nach eigenem Bekunden gerade nicht nachzuvollziehen, „seit wann und warum die Strecke … als gefährlich eingestuft worden war und ob es zwischenzeitlich Änderungen gab.“ Eine gerichtliche Nachfrage beim früher zuständigen Amt blieb ebenfalls erfolglos. Hier konnte nur noch bestätigt werden, dass die Beförderungskosten von A-Stadt/A.S. nach ... schon seit mindestens 1998 erstattet worden sind. Hieraus folgt, dass der Beklagte zwar die bei ihm heute und nach eigenem Bekunden schon seit 2004 geltenden Kriterien, nach denen er selbst die Gefährlichkeit beurteilt, im Einzelnen aufführen kann, aber gerade nicht darzulegen vermag, dass das bis 2004 zuständige Amt in Anwendung gerade dieser Kriterien die Gefährlichkeit des hier in Rede stehenden Schulwegs (fehlerhaft) beurteilt hat. In Anbetracht der vielmehr noch im Jahre 2009 abgegebenen Einschätzung des Amtes ist ebenso gut vorstellbar, dass vor allem oder jedenfalls auch die Situation an den beiden zu querenden Kreuzungen ausschlaggebend war und hier insbesondere die Kreuzung in ..., an der immerhin im Jahre 1992 ein Schulkind schwer verunfallt war und deren Gefährlichkeit, insbesondere deren Unübersichtlichkeit gerade für Schulkinder jedenfalls umstritten ist. Hinzu kommt, dass der Beklagte die vom Amt einmal getroffene und bis zum Jahre 2004 beibehaltene Einschätzung zunächst ungeprüft übernommen und bis 2009 beibehalten hat. So kann letztlich nicht ausgeschlossen werden, dass er nach der Überprüfung im Jahre 2009 nicht nur eine versäumte Korrektur nachholte, sondern einen zu diesem Zeitpunkt unveränderten Sachverhalt neu bewertete.
- 31
Eine zum maßgeblichen Zeitpunkt relevante Sachverhaltsänderung lässt sich damit gerade nicht feststellen. Die dennoch vorgenommene Änderung der Verwaltungspraxis führt zu einer vor Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung. Während ... Schülerinnen und Schülern, die für ihren Schulweg nach ... zur Gesamtschule bis zum Schuljahr 2008/2009 eine Kostenerstattung erhielten und diese bis zur Jahrgangsstufe 10 weiter erhalten, wird diese Leistung anderen ... Schülerinnen und Schülern, die für den gleichen Schulweg erstmals dieselbe Erstattung beantragen, ohne hinreichende sachliche Rechtfertigung verweigert. Der dem Kläger deshalb zustehende Anspruch auf Gleichbehandlung gebietet eine Verpflichtung des Beklagten, den geltend gemachten Anspruch auf Kostenerstattung zu erfüllen, ohne dass insoweit noch ein Ermessensspielraum bestünde.
- 32
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
moreResultsText
Annotations
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.