Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 19. Mai 2016 - 9 A 124/15
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
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Der Kläger wehrt sich gegen die Heranziehung zu Ausbaubeiträgen.
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Er ist Eigentümer des 749 m² großen Grundstücks mit der Postbezeichnung Amselstraße xx im Stadtgebiet der Beklagten mit der Flurstücksnummer xx der Flur x.
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Die Amselstraße zweigt ab vom Galgenredder und führt über mehrere Kreuzungen bis zum Julius-Petersen-Platz, der wie ein Wendehammer gestaltet ist und an dessen Rand Parkplätze angeordnet sind. Durch Absperrungen zu den Nachbarstraßen ist von dort keine Durchfahrt ermöglicht.
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Die Stadtwerke planten, in der Amselstraße zwischen dem Julius-Petersen-Platz und dem Finkenweg den vorhandenen Mischwasserkanal durch einen Trennkanal zu ersetzen. Die Beklagte beschloss daraufhin, die Straße auszubauen.
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Die an der Straße anliegenden Grundstücke wurden in den Dreißiger-Jahren des letzten Jahrhunderts mit Einfamilienhäusern bebaut. Die Straße selber wurde Ende der Fünfziger Jahre hergestellt. Die Amselstraße vom Julius-Petersen-Platz bis zur Königsberger Straße bestand aus einer 4,5 m breiten asphaltierten Fahrbahn, die sich zur querenden Königsberger Straße aufweitete.
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Auf der westlichen Seite befand sich ein 1,25 m breiter, durch Hochbord von der Fahrbahn abgetrennter Gehweg, der mit Betonrechteckpflaster befestigt war. An der Straßenseite wurde auf der Fahrbahn geparkt.
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Auf der östlichen Straßenseite befand sich ein 1,0 m breiter Bankettstreifen, auf dem mit den rechten Rädern des Wagens geparkt werden durfte. Daran schloss sich ein 1,3 m breiter Gehweg an.
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Im Abschnitt von der Königsberger Straße bis zur Memeler Straße bzw. Finkenweg war die Fahrbahn 5,50 m breit, der Gehweg auf der westlichen Seite 0,8-1,0 m breit, der auf der östlichen Seite 1,2 m und dort befand sich noch ein 1,4 m breiter Bankettstreifen, auf dem geparkt werden konnte.
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Der Straßenzustand war desolat. Die Fahrbahn wies Verformungen auf, die auf eine mangelnde Tragfähigkeit des Unterbodens hinwiesen, sowie eine erhebliche Rissbildung. Die grobe und unebene Oberflächenstruktur beeinträchtigte die Oberflächenentwässerung. Die zur Entwässerung der Verkehrsfläche vorhandenen Regeneinläufe waren nicht ausreichend.
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Der Bau- und Umweltausschuss der Beklagten beschloss am 04.10.2011, im Ausbaubereich getrennte Regen- und Schmutzwasserkanäle einzubauen und den Regenwasserkanal mit einem Betonrohr von DN 500 bis DN 700 herzustellen. Diese Kanäle waren notwendig, um auch das Regenwasser aus anderen Straßen zum Vorfluter aufzunehmen. Die Fahrbahn sollte eine Breite von 4,50 im südlichen und von 5,0 m im nördlichen Bereich erhalten, befestigt durch diagonal zu verlegenes Betonsteinpflaster. Auf beiden Straßenseiten sollten jeweils 1,5 m breite Gehwege angelegt werden. Zusätzlich sollte auf der Ostseite zwischen der Fahrbahn und dem Gehweg ein Parkstreifen angelegt werden, der gestalterisch mit Bäumen versehen werden sollte. Auf der westlichen Seite sollte statt eines Hochbordes ein Rundbord hergestellt werden. Im Bereich zwischen den beiden Einmündungen der Memeler Straße wurde die Oberfläche durch eine Asphaltschicht lediglich wieder hergestellt.
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Die Bauarbeiten wurden im Zeitraum November 2011 bis November 2012 ausgeführt und am 22.11.2012 abgenommen.
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Der Kläger wurde mit Bescheid vom 01.12.2014 zu Ausbaubeiträgen in Höhe von 3.689,50 € herangezogen. Dagegen legte er am 30.12.2014 Widerspruch ein. Zur Begründung machte er geltend, dass das Abrechnungsgebiet falsch bestimmt worden sei, weil die Amselstraße bis zum Galgenredder reiche und deshalb auch die dort anliegenden Grundstücke zu Beiträgen heranzuziehen seien. Der Bescheid sei auch deshalb rechtswidrig, weil kein Abschnittsbildungsbeschluss gefasst worden sei.
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Der Gehweg habe auch nicht eine einheitliche Breite von 1,5 m, denn teilweise sei dieser nur 1,4 m breit. Es sei auch nachteilig, dass nunmehr nicht mehr 23, sondern nur noch 12 Parkplätze vorhanden seien. Die als beitragsfähig geltend gemachten Planungskosten müssten hinsichtlich der Anteile für nicht beitragspflichtige Bauarbeiten reduziert werden. Durch den Straßenbau komme es jetzt bei den anliegenden Häusern zu Problemen bei der Versickerung, so dass es zu Feuchtigkeit in den Kellern komme.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 04.05.2015 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Gehweg nur in minimalen Teilbereichen aus örtlichen Begebenheiten schmaler als 1,5 m ausgebaut werden konnte. Selbst wenn jetzt weniger Parkplätze vorhanden seien, sei es vorteilhaft, den ruhenden von dem fließenden Verkehr zu trennen. Durch den Ausbau seien keine Feuchtigkeitsschäden an den Häusern verursacht worden.
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Der Kläger hat am 28.05.2015 Klage erhoben.
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Er macht geltend, dass die Amselstraße über den ausgebauten Abschnitt hinausreiche und insgesamt eine öffentliche Einrichtung darstelle, so dass alle Anlieger zu Beiträgen heranzuziehen seien. Der querende Finkenweg stelle keine Zäsur dar. Bei der Bestimmung der örtlichen Ausdehnung einer öffentlichen Einrichtung komme es auf die natürliche Betrachtungsweise zum Zeitpunkt vor dem Ausbau an. Die unterschiedliche Gestaltung durch einen Teilstreckenausbau führe nicht zu zwei unterschiedlichen öffentlichen Einrichtungen. Auch das Eckgrundstück Flurstück xx, bebaut mit einer Trafostation, grenze an die Amselstraße und sei deshalb einzubeziehen.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid vom 01.12.2014 in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 04.05.2015 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie verweist auf den angegriffenen Bescheid und führt weiter aus, dass die hier ausgebaute Teilstrecke der Amselstraße eine öffentliche Einrichtung darstelle, da sich nach Querung des Finkenweges die Bebauung ändere und zudem die Straße schmaler sei und nur noch an der westlichen Seite einen Gehweg habe.
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Die in die Berechnung eingestellten Planungskosten seien nur für die beitragsfähigen Baumaßnahmen angefallen, denn die Stadtwerke haben in Eigenregie den Kanalbau geplant, so dass dafür keine weiteren Planungskosten entstanden seien.
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Soweit auf das Grundstück mit der Trafostation (Flurstück xx) hingewiesen worden sei, welches sich an der Kreuzung Amselstraße/Memeler Straße befinde, verfüge dieses nur über eine Punktanbindung zur Amselstraße, so dass dieses Grundstück nicht herangezogen werden könne.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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Der Rechtsstreit ist der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen worden.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
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Der angegriffene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
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Die Voraussetzungen für die Erhebung eines Ausbaubeitrages gem. § 8 KAG in Verbindung mit § 1 der Satzung der Stadt Schleswig über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau und Umbau von Straßen, Wegen und Plätzen /Ausbaubeitragssatzung) vom 25.04.2001 (im Folgenden ABS) liegen hier vor.
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Gem. § 1 ABS in Verbindung mit § 8 KAG können Beiträge zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung, den Ausbau und Umbau der notwendigen öffentlichen Einrichtungen nach festen Verteilungsmaßstäben von denjenigen Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümern erhoben werden, denen hierdurch Vorteile erwachsen. Im Gegensatz zu § 8 Abs. 1 S. 1 KAG, der seit 2004 auch den Beitragstatbestand der Erneuerung vorsieht, hat die Beklagte deren Übernahme in ihre Satzung aus dem Jahr 2001 nicht geregelt, obwohl sie im Jahr 2011 mit ihrer 1. Nachtragssatzung die Möglichkeit gehabt hätte, ihre Satzung der geänderten Rechtslage anzupassen. Das hat zur Folge, dass nicht mehr wie vor der Gesetzesänderung unter Herstellung auch eine nochmalige Herstellung verstanden werden kann, sondern darunter nur noch eine erstmalige Herstellung verstanden werden kann (vgl. dazu Habermann in Habermann/Arndt, Kommunalabgabengesetz des Landes Schleswig-Holstein, Kommentar, § 8 Rdnr. 147a).
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Bevorteilt ist ein Eigentümer bei Erfüllung eines Beitragstatbestandes, z.B. dem Ausbau einer öffentlichen Einrichtung, wenn er von seinem Grundstück die Straße betreten kann, also mehr als nur einen punktuellen Zugang hat. Dabei ist Einrichtung im Sinne von § 8 Abs. 1 KAG regelmäßig die im Gemeindegebiet verlaufende Straße in ihrer gesamten Ausdehnung. Für die Feststellung der räumlichen Ausdehnung einer öffentlichen Einrichtung kommt es, ungeachtet einer wechselnden Straßenbezeichnung, bei natürlicher Betrachtungsweise auf das Erscheinungsbild eines Straßenzuges an, z.B. auf die Straßenführung, Straßenbreite, Straßenlänge, Straßenausstattung, seine Verkehrsfunktion sowie vorhandene Abgrenzungen (Kreuzungen, Einmündungen), die eine Verkehrsfläche augenfällig als ein selbständiges Element des Straßennetzes erscheinen lassen (vgl. OVG Schleswig, Beschluss v. 25.1.2012 - 4 MB 2/12 -; Urteil v. 21.10.2009 - 2 LB 15/09 -). An Kreuzungen kann eine Einrichtung enden, wenn der Straßenzug nach seinem Erscheinungsbild in die Querstraße einmündet und in der gegenüberliegenden, ebenfalls einmündenden Straße keine Fortsetzung findet. Trennende Wirkung kommt einer Kreuzung regelmäßig nicht zu, wenn sich zwei Straßen, die nach ihrer Funktion im Straßennetz im Wesentlichen gleichartig sind, kreuzen und sich jenseits der Kreuzung nicht verändern. Auch eine durch den Teilstreckenausbau verwirklichte Gestaltungsvielfalt steht der Annahme einer einheitlichen Einrichtung nicht entgegen, wenn insgesamt ein einheitlicher Ausstattungsstandard vorhanden ist und Zäsuren nicht eindeutig lokalisiert werden können. Bloße Unterschiede der Ausgestaltung der Einrichtung am Ende der Ausbaustrecke, die typischerweise mit einem Teilstreckenausbau verbunden sind, bzw. sein können, das heißt das Zusammentreffen von alt und neu, stellen regelmäßig nicht das Ende der Einrichtung dar (vgl. OVG Schleswig, U. v. 05.03.2015 - 4 LB 4/14 -, juris). Bei der Bestimmung der öffentlichen Einrichtung kommt es dabei auf die tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht an (OVG Schleswig, U. v. 25.06.2003 - 2 LB 55/02 -, Die Gemeinde, 268).
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Nach diesen Grundsätzen beginnt die Amselstraße, ungeachtet des unterschiedlichen Namens, mit der platzartigen Erweiterung am Julius-Petersen-Platz und geht über die kreuzende Königsberger Straße hinweg, auch wenn der Kreuzungsbereich geteert ist und sich damit von der Fahrbahnbefestigung der Amselstraße, die durch Betonsteinpflaster befestigt ist, unterscheidet. Da sich der Straßenzug in seinem Ausbauzustand auf beiden Seiten der Königsberger Straße nicht verändert, stellt diese keine Zäsur dar.
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Allerdings deutet das vorhandene Kartenmaterial, das auf S. 55 - unten - des Verwaltungsvorgangs (Beiakte A zu 9 A 52/15) abgebildete Foto des Kreuzungsbereiches Amselstraße/Memeler Straße sowie die Ortskenntnis der Einzelrichterin darauf hin, dass der Kreuzungsbereich Amselstraße/Memeler Straße als Zäsur aufgefasst werden könnte, weil sich dort die Kreuzung erweitert und sich wie ein Y darstellt, so dass nicht eindeutig ist, ob sich dort die öffentliche Einrichtung fortsetzt oder an der Schnittstelle des Y zwei neue Straßen beginnen. Diese Frage kann aber offen bleiben, denn wenn bereits an der Kreuzung Amselstraße/Memeler Straße eine Zäsur für die Ausdehnung der öffentlichen Einrichtung anzunehmen wäre, würde sich das Verteilungsgebiet verkleinern und der Beitragssatz steigen. Zudem wäre der Kläger weiter Anlieger der ausgebauten Einrichtung, so dass ein noch höherer Beitrag entstehen würde.
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Wenn man aber nicht bereits die Y-Kreuzung als Zäsur auffassen will, beendet jedenfalls die Kreuzung Finkenweg die öffentliche Einrichtung Amselstraße. Nicht nur die Karte, sondern auch die sich auf S. 56 des Verwaltungsvorganges (Beiakte A zu 9 A 52/15) befindlichen Fotos zeigen deutlich, dass die Amselstraße nach der Kreuzung Finkenweg deutlich schmaler ist und sich zudem nur noch auf der westlichen Straßenseite ein schmaler Gehweg befindet. Da bereits das Platzangebot in der schmalen Straße nicht ausreichen würde, beidseitig einen Gehweg anzulegen, trifft hier bei natürlicher Betrachtungsweise nicht ein neuer auf einen alten Teil einer einheitlichen Einrichtung, sondern der Straßenzug verändert sich wegen der geringeren Ausdehnung der öffentlichen Einrichtung und des nur einseitig vorhandenen Gehweges.
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Die Baumaßnahme stellt auch eine beitragspflichtige Ausbaumaßnahme dar.
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Die Teileinrichtungen der öffentlichen Einrichtung Amselstraße vom Julius-Petersen-Platz bis zum Finkenweg, bestehend aus der Fahrbahn, dem Gehweg, dem Parkstreifen und der Straßenentwässerung, sind nicht nur erneuert worden, wofür im Stadtgebiet der Beklagten keine Beiträge erhoben werden können, sondern im Sinne von § 1 ABS ausgebaut worden. Unter Ausbau ist die Vervollständigung oder Verbesserung einer vorhandenen Einrichtung in ihrem bisherigen Zustand der Benutzbarkeit zu verstehen, wenn sich also für den Anlieger die Benutzbarkeit der Straße verbessert, weil sich der Ausbauzustand der Straße nach Durchführung der Maßnahme positiv von dem zum Zeitpunkt der erstmaligen oder letztmaligen Herstellung unterscheidet und sich dadurch die Erschließungssituation der betroffenen Grundstücke verbessert hat (vgl. Habermann, a.a.O., § 8 Rdnr 151).
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Die Gehwege sind verbessernd ausgebaut worden, weil sie von 0,8-1,3 m auf, bis auf wenige Teilbereiche, einheitlich 1,50 m verbreitert worden sind. Die Verbreiterung stellt genauso eine Verbesserung dar wie der jetzt hergestellte frostsichere Unterbau, so dass der Fußgängerverkehr erleichtert wird.
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Durch die erstmalige Herstellung eines Parkstreifens liegt auch ein vervollständigender Ausbau vor, weil dadurch der ruhende von dem fließenden Verkehr getrennt wird. Auch wenn nach Auffassung des Klägers durch den Bau des Parkstreifens nunmehr weniger Parkraum in der Straße vorhanden ist, wird dadurch der Vorteil nicht kompensiert.
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Auch die Straßenentwässerung hat sich durch die größere Dimensionierung der verlegten Kanäle und der Erhöhung der Anzahl der Einläufe verbessert.
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Schließlich ist auch die Fahrbahn verbessernd ausgebaut worden, selbst wenn nunmehr die Fahrbahn statt zuvor zwischen 4,5 und 5,5 m nunmehr vom Julius-Petersen-Platz bis zur Königsberger Straße 4,50 m und bis zum Ende der Ausbaustrecke 5 m breit ist, und die zudem an der westlichen Seite mit einem Rundbord zum Gehweg abgegrenzt ist, so dass im Ausnahmefall bei Begegnungsverkehr mit größeren Fahrzeugen ein Ausweichen möglich ist. Die Fahrbahn ist mit einer Frostschutzschicht den heutigen Verkehrsverhältnissen angepasst worden. Und durch die geringfügige Verschmälerung der Fahrbahn wird der Vorteil auch nicht kompensiert, denn jetzt kann die Fahrbahn für den fließenden Verkehr genutzt werden, ohne wie zuvor den zum Teil auf der Fahrbahn stehenden parkenden Fahrzeugen auszuweichen. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung plausibel erläutert, dass die Straße verkehrsberuhigt und durch die Gestaltung der Teileinrichtungen unnötiger Verkehr aus der Straße ferngehalten werden sollte. Da selbst bei der Fahrbahnbreite zwischen 4,5-5,0 m ein Begegnungsverkehr von Personenkraftwagen möglich ist und nur bei einem Begegnungsverkehr mit größeren Kraftfahrzeugen auf den verbreiterten Gehweg ausgewichen werden muss, wird der Vorteil des Ausbaus nicht kompensiert. .
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Ein beitragspflichtiger Ausbau setzt auch nicht einen vollständigen Ausbau in der gesamten Ausdehnung voraus. Auch wenn die Fahrbahn am Julius-Petersen-Platz und zwischen den Einmündungen der Memeler Straße nicht wie die andere Teilstrecke ausgebaut worden ist, sind auch die Anlieger dieser Teilstrecken bevorteilt, denn die Vorteile erstrecken sich auf die gesamte öffentliche Einrichtung und ein Abschnittsbildungsbeschluss hätte entgegen der Auffassung des Klägers nicht beschlossen werden können, weil ein solcher gem. § 5 Abs. 2 ABS voraussetzt, dass eine öffentliche Einrichtung in mehreren Abschnitten ausgebaut werden soll, so dass mit der Veranlagung nicht gewartet werden muss, bis die öffentliche Einrichtung in ihrer gesamten Ausdehnung ausgebaut worden ist. Damit setzt ein Abschnittsbildungsbeschluss voraus, dass es ein konkretes Bauprogramm gibt, welches über den jetzt ausgebauten Teilabschnitt hinausreicht. Daran fehlt es hier.
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Die sachliche Beitragspflicht ist auch entstanden. Diese entsteht gem. § 8 Abs. 4 S. 3 KAG mit dem Abschluss der Maßnahme, d.h. mit der Abnahme, die hier am 22.11.2012 erfolgt ist (vgl. OVG Schleswig, U. v. 13.02.2008 - 2 LB 42/07 -, Die Gemeinde 2008, 171; juris). Zu dem Zeitpunkt galt die Straße gem. § 57Abs. 3 StrWG auch als gewidmet, da es diese auch schon vor dem Inkrafttreten der schleswig-holsteinischen Straßen- und Wegegesetzes am 01.10.1962 gab.
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Da die sachliche Beitragspflicht am 22.11.2012 entstanden ist, ist die Ausbaubeitragssatzung anzuwenden, die zu dem Zeitpunkt galt. Da die 1. Nachtragssatzung, ausgefertigt am 19.12.2011, erst zum 01.01.2013 in Kraft gesetzt worden ist, ist noch die Ausbaubeitragssatzung in der Fassung vom 25.04.2001 anzuwenden, die für die Anlieger geringere Kostenanteile als die 1. Nachtragssatzung vorsieht.
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Die Beklagte hat beitragsfähige Kosten in Höhe von 419.584,56 € zugrunde gelegt und davon gem. § 4 Abs. 1 a und 2 a ABS für die Anliegerstraße einen 45 %-igen Stadtanteil abgezogen. Das Gericht hat keine Bedenken an der Klassifizierung der Amselstraße als Anliegerstraße, denn diese Straße nimmt den Anliegerverkehr innerhalb des Wohngebietes auf. Und da die Straße jedenfalls ab der Kreuzung Königsberger Straße durch die Absperrungen am Julius-Petersen-Platz eine Sackgasse bildet, ist sie auch ungeeignet, den innerörtlichen Verkehr aufzunehmen. Darüber hinaus ist die Straße verkehrsberuhigt ausgebaut worden, wodurch es für Nicht-Anlieger unattraktiv gemacht worden ist, durch die Straße zu fahren.
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Das Gericht hat keine Bedenken an den zugrunde gelegten umlagepflichtigen Kosten von 230.771,51 €. Soweit die Beklagte nicht die vollständigen Kosten für die größere Dimensionierung der Kanäle für die Regenentwässerung berücksichtigt hat, sondern um Kostenteile reduziert hat, weil die Größe der Kanäle notwendig wurde für die Durchleitung von Regenwasser aus anderen Straßen, braucht der Frage nicht weiter nachgegangen zu werden, ob die Kostenreduzierung ausreichend vorgenommen worden ist. Der Beklagten sind für die Regenentwässerung 424.069,38 € in Rechnung gestellt worden. Diese hat sie aber nur in Höhe von 150.804,66 € als umlagefähigen Aufwand angesehen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass dieser Kanal auch für die Regenentwässerung der anliegenden Privatgrundstücke genutzt wird, so dass in der Regel nur 50 % der Kosten umgelegt werden dürfen, hat die Beklagte hier diesen Kostenanteil auf 35,56 % reduziert. Der Kläger hat dagegen keine substantiierten Einwände geltend gemacht. Zwar hatte das OVG Schleswig in seiner Entscheidung vom 10.02.2011 (- 2 LB 19/10 -, SchlHA 2011, 344) in einem ähnlichen Fall eine fiktive Kostenreduzierung gefordert, die von der Literatur angegriffen worden ist (Habermann, a.a.O., § 8 Rdnr 155 und 303), aber das Gericht hat keinen Anhalt, die Richtigkeit der hier angesetzten Kosten in Frage zu stellen.
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Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, dass nicht alle Planungskosten umlagefähig seien, weil davon auch die nicht beitragspflichtigen Baumaßnahmen profitiert hätten, so hat die Beklagte plausibel dargelegt, dass die nicht beitragsfähigen Baumaßnahmen hinsichtlich des Schmutzwasserkanals und der Regenentwässerung der anliegenden Grundstücke durch die Stadtwerke geplant worden seien, so dass sich alle hier geltend gemachten Planungskosten auf die beitragsfähigen Baumaßnahmen bezogen haben. Der Kläger ist dem nicht mehr entgegen getreten.
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Die Beklagte hat auch zutreffenderweise das Abrechnungsgebiet mit 31.577,45 m² angenommen. Soweit das Eckgrundstück mit der Flurstücksnummer xx nicht in die Verteilung einbezogen worden ist, bestehen daran keine Bedenken. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 29.04.2016 einen Katasterplan vorgelegt, aus der erkennbar ist, dass das Grundstück nur punktuell an der Amselstraße anliegt, was nicht ausreichend ist. Stattdessen kann es als Eckgrundstück nur von der Memeler Straße erreicht werden, die sich an der Kreuzung aufweitet.
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Soweit der Kläger um Aufklärung gebeten hat, ob auch die anliegenden Grundstücke des Julius-Petersen-Platzes in die Verteilung einbezogen worden seien, hat die Beklagte am 29.04.2016 eine vollständige Übersicht zur Akte gereicht, aus der erkennbar ist, dass auch diese Grundstücke einbezogen worden sind.
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Der Kläger ist zutreffenderweise als Eigentümer des veranlagten Grundstücks, und damit gem. § 8 Abs. 5 KAG als persönlich Beitragspflichtiger, zu einem Ausbaubeitrag herangezogen worden.
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Soweit der Kläger auf durch die Baumaßnahmen verursachte verschlechterte Versickerung der Niederschläge und dadurch bedingte Feuchtigkeit in den Kellern verweist, ist der Beklagte dieser vom Kläger angenommenen Ursachenkette entgegengetreten. Da gem. §§ 11 Abs. 1 S. 2 KAG, 226 Abs. 3 AO nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufgerechnet werden kann, die hier nicht vorliegen, ist eine Aufrechnung nicht möglich.
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Die Klage ist daher abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die gem. §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO vorläufig vollstreckbar ist.
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Annotations
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.