Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 20. Sept. 2016 - 12 B 23/16
Gericht
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,- € festgesetzt.
Gründe
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Der - sinngemäße - Antrag des Antragstellers,
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die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, das abgebrochene Auswahlverfahren bezüglich der zu besetzenden Stelle „Sachbearbeiter/in innerer Dienst“ fortzuführen und die Antragsgegnerin zu verurteilen, es zu unterlassen, bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens diese Stelle der Beigeladenen zu übertragen,
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hat keinen Erfolg.
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Die Kammer legt bei verständiger Würdigung des gesamten Vorbringens des Antragstellers dessen Begehren dahin aus, dass er das (bisherige) Verfahren fortsetzen und die Besetzung der ausgeschriebenen Stelle mit der Beigeladenen verhindern will. Effektiver Rechtschutz für dieses Begehren, das auf eine zeitnahe Fortführung des begonnenen Auswahlverfahrens mit dem bestehenden Bewerberkreis zielt, ist allein mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erreichen.
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Nach der Vorschrift des § 123 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 VwGO, § 920 ZPO kann das Gericht, auch schon vor Klagerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Der Grund der Anordnung und der zu sichernde Anspruch sind glaubhaft zu machen.
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Beim Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens - wie vorliegend - kann jeder Bewerber dabei einen Antrag nach § 123 VwGO mit dem Ziel anstreben, den Dienstherrn zur Fortführung des Stellenbesetzungsverfahrens zu verpflichten. Allerdings wird der Abbruch mit der Folge des Erlöschens des Bewerbungsverfahrensanspruchs rechtsbeständig, wenn kein Bewerber innerhalb angemessener Zeit (zwei Wochen) nach Mitteilung der Abbruchentscheidung Rechtschutz zur Fortsetzung des Stellenbesetzungsverfahrens beantragt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.11.2012 - 2 C 6.11 - Juris).
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Zwar ist die letztere Voraussetzung erfüllt; denn der Antragsteller hat mit der Stellung seines - bisher nur angekündigten - Antrags im Schriftsatz vom 05.08.2016 auf die Mitteilung der Antragsgegnerin vom 04.08.2016, dass das bisherige Verfahren ohne endgültige Stellenbesetzung aus dienstlichen Gründen beendet worden sei, reagiert.
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Der Antragsteller hat indes nicht glaubhaft gemacht, dass der Abbruch des Auswahlverfahrens rechtswidrig war und er eine Fortsetzung des ursprünglichen Verfahrens verlangen kann.
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Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist die Vorschrift des § 9 S. 1 Bundesbeamtengesetz (BBG) in Verbindung mit Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz (GG). Danach dürfen öffentliche Ämter im statusrechtlichen Sinne nur nach Kriterien vergeben werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung betreffen. Hierbei handelt es sich um Gesichtspunkte, die darüber Aufschluss geben, in welchem Maße der Beamte - oder wie hier der Beamtenbewerber - den Anforderungen des angestrebten Statusamtes genügt und sich darin voraussichtlich bewähren wird. Jeder Bewerber hat einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr seine Bewerbung nur aus Gründen zurückweist, die in Einklang mit Art. 33 Abs. 2 GG stehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.11.2012 a.a.O.).
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Der Bewerbungsverfahrensanspruch geht unter, wenn ein Mitbewerber rechtsbeständig ernannt worden und das Auswahlverfahren damit abgeschlossen ist. Er erlischt auch, wenn sich das Auswahlverfahren erledigt, weil die Ämtervergabe nicht mehr stattfinden soll. Die in Art. 33 Abs. 2 GG normierten Auswahlgrundsätze sind auf eine Auswahlentscheidung bezogen. Dementsprechend ist der Bewerbungsverfahrensanspruch auf ein konkretes Stellenbesetzungsverfahren gerichtet und besteht grundsätzlich nur, wenn eine Ernennung oder eine diese vorherbestimmende Dienstpostenvergabe vorgenommen werden soll. Entfällt der Bezugspunkt der Auswahlentscheidung, weil die Stelle nicht mehr zur Verfügung steht oder weil sich der Dienstherr in Ausübung seiner Organisationsgewalt entschieden hat, das ausgeschriebene Amt so nicht zu vergeben, wird das hierauf bezogene Auswahlverfahren gegenstandslos (vgl. BVerwG, Urteil vom 03.12.2014 - 2 A 3.13 - Juris). Das Bewerbungsverfahren kann schließlich auch durch einen wirksamen Abbruch beendet werden, wenn der Dienstherr die Stelle zwar weiterhin vergeben will, hierfür aber ein neues Auswahlverfahren für erforderlich hält. Wirksam ist diese Entscheidung indes nur, wenn sie rechtmäßig ist (BVerwG, Urteil vom 03.12.2014 a.a.O.). Der Abbruch kommt vor allem in Betracht, um auf Verstöße gegen Art. 33 Abs. 2 GG im Auswahlverfahren oder bei der Auswahlentscheidung zu reagieren. Erkennt der Dienstherr, dass das Verfahren fehlerbehaftet ist, darf er abbrechen. Es kann von ihm nicht verlangt werden, „sehenden Auges“ eine Auswahlentscheidung zu treffen oder aufrecht zu erhalten, die nach eigener Erkenntnis gegen Art. 33 Abs. 2 GG verstößt. Allerdings müssen die neuen Erkenntnisse vertretbar sein, wobei Maßstab der Stand der Rechtsprechung ist. Allgemein anerkannt ist die Berechtigung zum Abbruch, wenn die Auswahlentscheidung von einem Verwaltungsgericht durch Erlass einer einstweiligen Anordnung beanstandet worden ist, die die Ernennung des ausgewählten Bewerbers verbietet (BVerwG, Urteil vom 29.11.2012 a.a.O.).
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Die Rechtmäßigkeit des Abbruchs setzt darüber hinaus voraus, dass die Bewerber hiervon rechtzeitig und in geeigneter Form Kenntnis erlangen und der wesentliche Abbruchgrund schriftlich dokumentiert wird (BVerwG, Urteile vom 29.11.2012 a.a.O. und vom 03.12.2014 a.a.O.).
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Diesen rechtlichen Vorgaben wird die Abbruchentscheidung der Antragsgegnerin gerecht.
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Die dem Antragsteller übersandte Mitteilung vom 04.08.2016 enthält neben dem Abbruchgrund „aus dienstlichen Gründen“ die nähere Darlegung, dass das Auswahlverfahren fehlerhaft sei und nicht mehr zu einer ordnungsgemäßen Auswahlentscheidung führen könne und aktuell die Durchführung eines neuen Verfahrens geprüft werde. Der Antragsteller wurde damit - dem Zweck der Mitteilung entsprechend - über das Erlöschen seines Verfahrensanspruchs in Kenntnis gesetzt. Aufgrund der Kenntnis der Gründe des dem Antragsteller Prozesskostenhilfe bewilligenden Beschlusses der Kammer vom 28.07.2016, in denen im Einzelnen die Fehlerhaftigkeit des Verfahrens dargelegt und im Wesentlichen damit begründet wurde, dass die u. a. auch mit dem Antragsteller geführten Auswahlgespräche nicht ausreichend dokumentiert bzw. protokolliert worden sind („Protokollierungsdefizit“), war der Antragsteller in der Lage, darüber befinden zu können, ob er die Abbruchentscheidung hinnehmen oder gerichtlichen Rechtschutz erlangen möchte.
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Die Gründe für den Abbruch sind auch nicht erstmalig von der Antragsgegnerin in ihrer Erwiderung vom 22.08.2016 aufgeführt worden, ihre dortigen Ausführungen dienen lediglich der Klarstellung und Vertiefung der bereits in der Mitteilung vom 04.08.2016 enthaltenen Gründe.
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Ferner ist es unerheblich dass die Kammer die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin nicht durch Erlass einer einstweiligen Anordnung, sondern im Rahmen eines Prozesskostenhilfeverfahrens beanstandet hat. Entscheidend ist, dass sich die Antragsgegnerin die Erwägungen die Kammer im Beschluss vom 28.07.2016 zu Eigen gemacht und diese maßgeblich ihrer Abbruchentscheidung zugrunde gelegt hat.
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Schließlich ist es nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin das Stellenbesetzungsverfahren insgesamt beendet hat. Sie kann nach pflichtgemäßem Ermessen darüber befinden, ob sie sich darauf beschränkt, einzelne rechtsfehlerhaft durchgeführte Teilakzente zu wiederholen und das Verfahren dann an dieser Stelle fortzusetzen oder es insgesamt zu beenden. (VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 26.01.2016 - 12 L 7173/15 - VG Augsburg, Beschluss vom 22.03.2016 - Au 2 C 16.158 beide Juris).
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Bei dem Vorbringen des Antragstellers, der Abbruch des Verfahrens habe nur dem Zweck gedient, ihn als „unerwünschten Kandidaten“ von der weiteren Auswahl auszuschließen, handelt es sich um eine durch weitere Anhaltspunkte nicht belegte reine Vermutung.
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Nach allem hat die Antragsgegnerin den rechtlichen Anforderungen an den rechtmäßigen Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens Genüge getan. Der Bewerbungsverfahrensanspruch, dessen Sicherung der Antragsteller im Ergebnis begehrt, ist damit erloschen; sein Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtschutzes konnte demnach keinen Erfolg haben.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs 1, 162 Abs. 3 VwGO.
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Der Streitgegenstand ist gemäß §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG festgesetzt worden (vgl. VG Augsburg, Beschluss vom 22.03.2016 a.a.O. unter Hinweis auf Bayrischen VGH, Beschlüsse vom 15.10.2015 - 6 CE 15.1847 -, vom 11.08.2015 - 6 CE 15.1379 - und vom 16.04.2013 - 6 C 13.284 -).
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Annotations
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.
(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.
(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.
(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.
(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.