Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 15. Dez. 2016 - 12 A 331/15
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.
Tatbestand
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Der Kläger bewarb sich mit Schreiben vom 20.10.2014 um die Einstellung in den Vorbereitungsdienst des mittleren Polizeivollzugsdienstes der Bundespolizei. Mit Schreiben vom 15.01.2015 wurde ihm mitgeteilt, dass er für die Teilnahme an einem Eignungsauswahlverfahren vorgesehen sei.
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Am 21.04.2015 wurde der Kläger polizeiärztlich untersucht und für polizeidienstuntauglich befunden. Er wurde durch die Polizeiärztin darüber informiert, dass der Grund für diesen Befund in dem Fehlen der oberen beiden Glieder des linken Zeigefingers liege. Zudem stelle die vorhandene Fehlsichtigkeit (Astigmatismus) einen weiteren Ausschlussgrund dar.
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Mit Bescheid vom 23.04.2015, dem Kläger am 27.04.2015 zugegangen, teilte die Personalgewinnung der Bundespolizeiakademie in … dem Kläger dann mit, dass er als polizeiuntauglich eingestuft worden sei, und verwies zur Begründung auf die bundeseinheitliche Polizeidienstvorschrift ( PDV ) 300 („Ärztliche Beurteilung der Polizeidiensttauglichkeit) und das mit dem Kläger anlässlich der Untersuchung geführte Gespräch.
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Gegen seine Ablehnung erhob der Kläger mit Schreiben vom 05.05.2015 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, dass keinerlei Gebrauchseinschränkungen der betroffenen linken Hand bestünden. Ferner sei die Fehlsichtigkeit operabel und könne nicht zur Ablehnung führen. Der Kläger reichte ein Erstes Rentengutachten vom 17.07.2015 bzgl. der Amputation der oberen beiden Glieder des linken Zeigefingers des …, Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie, Hand- und Wiederherstellungschirurgie ein.
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Dem Gutachten ist zu entnehmen, dass der Kläger die oberen beiden Glieder des linken Zeigefingers aufgrund einer Amputation im Zusammenhang mit einem Kreissägenunfall verloren habe. Hinsichtlich der Funktionsprüfung sei festgestellt worden, dass am 2. Finger ein Zustand nach Amputation im PIP-Gelenk bestehe und das distale Interphalangealgelenk des 3. Fingers wackelsteif und in der Funktion deutlich eingeschränkt sei. Die angrenzenden Gelenke wiesen eine normale Funktion und Beweglichkeit auf. Wegen der weiteren Einzelheiten des Gutachtens wird auf Bl. 90 ff. der Beiakte Bezug genommen.
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Zudem reichte der Kläger einen Bescheid der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen (UK NRW) vom 21.08.2015 ein, mit dem sein Unfall als Arbeitsunfall anerkannt worden war. Eine Rente wurde ihm nicht zugesprochen. Der Kläger wies abschließend darauf hin, dass er während seiner Zeit bei der Bundeswehr genauso schnell wie seine Kollegen ein Gewehr auseinander und zusammenbauen sowie Schießübungen habe absolvieren können.
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Durch Bescheid vom 01.09.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
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Der Polizeivollzugsdienst stelle besondere Anforderungen an die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit der Bewerber, so dass diese insbesondere den körperlichen Einsatz gegen Personen, die Anwendung unmittelbaren Zwangs und den Gebrauch von Waffen zulassen müssten. Daher seien auch an die gesundheitlichen Voraussetzungen besondere Maßstäbe anzulegen. Als polizeidienstuntauglich könne ein Bewerber beurteilt werden, wenn ein oder mehrere Merkmale der Anlage 1.1 der PDV 300 festgestellt worden seien und nach konkreter Beurteilung im Einzelfall bereits die aktuelle Polizeidienstuntauglichkeit nach sich ziehe oder mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in der Zukunft zur Polizeidienstuntauglichkeit führe.
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Bei dem Kläger liege die Merkmalnummer 4.5.2 („Nichtgebrauchshand: -funktionsmindernder Substanzverlust oder Bewegungseinschränkung/ - Verlust von mehr als einem Finger im Bereich des zweiten bis fünften Fingers (verkrümmte oder verkürzte Glieder werden nach ihrer Gebrauchsfähigkeit beurteilt)“) vor.
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Der Polizeibeamte benötige eine uneingeschränkte grob- sowie feinmotorische Handmotorik. Ob bei Festnahmetechniken, z.B. Anlegen und Öffnen von Handschellen; beim Verschließen des Einsatzhelmes; bei Bedienung der Einsatz-und Führungsmittel oder bei der sicheren Handhabung der Waffe und des Schlagstocks sei eine vollständige Greiffunktion beider Hände notwendig.
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Das eingereichte Erste Rentengutachten vermöge an dieser Einschätzung nichts zu ändern. Es attestiere vielmehr diese Beeinträchtigungen und stelle nur fest, dass der Kläger selbst von keinerlei Einschränkungen ausgehe. Hierbei handele es sich aber gerade nicht um eine ärztliche bzw. gutachterliche Einschätzung.
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Ungeachtet dessen komme der polizeiärztlichen Beurteilung der Diensttauglichkeit ein höherer Beweiswert zu, was sich durch die Tatsache begründe, dass für die Beurteilung der Polizeidiensttauglichkeit ein spezieller zusätzlicher Sachverstand erforderlich sei. Dieser sei im Gegensatz zu einem Privatarzt bei den Ärzten des Polizeiärztlichen bzw. Sozialmedizinischen Dienstes der Bundespolizei aufgrund der Kenntnis der Anforderungen an den einzelnen Bewerber im Polizeivollzugsdienst als auch aufgrund der Erfahrungen aus einer Vielzahl von gleichgelagerten oder ähnlichen Fällen vorherrschend. Zum anderen könne ein solcher Arzt seine Beurteilung auch unbefangen abgeben, während ein Privatarzt bestrebt sein werde, das Vertrauen des Patienten zu ihm zu halten. Der Polizeiärztliche bzw. Sozialmedizinische Dienst der Bundespolizei sei ebenso wie ein Amtsarzt verpflichtet, seine Feststellungen nur unter ärztlichen Gesichtspunkten nicht nur wahrheitsgemäß, sondern auch unparteiisch zu treffen.
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Darüber hinaus liege beim Kläger als Normabweichung die Merkmalnummer 5.2.5 der PDV 300 („die astigmatische Komponente einer Fehlsichtigkeit darf +/- 2,5 dpt nicht überschreiten“) vor.
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Diese Fehlsichtigkeit könne nur mittels einer Brille korrigiert werden. Allerdings müsse jeder Polizeibeamte auch ohne Brille voll verwendungsfähig sein. Zwar könne die Fehlsichtigkeit operabel behoben werden, aber der Kläger sei vor Ablauf eines Jahres aufgrund der Heilungsbewährung nach der OP nicht einsatzfähig.
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Der Einsatz des Klägers bei der Bundeswehr sei mit dem bei der Bundespolizei nicht zu vergleichen; die Tauglichkeitsprüfungen entsprächen sich nicht. Vielmehr gebe es bei der Bundeswehr das Urteil „verwendungsfähig mit Einschränkung für bestimmte Tätigkeiten“ (T2). Als Grund für eine Musterung mit T2 komme u.a. eine Fehlsichtigkeit mit bestimmten Werten - wie im Falle des Klägers - in Betracht. Daher sei er dort auch lediglich in der Teileinheit „Waffengeräte“ der „Wartungs-und Waffenstaffel“ eingesetzt gewesen, also im administrativen Bereich.
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Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 01.09.2015 hat der Kläger nicht erhoben.
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Er hat stattdessen beim Arbeitsgericht … eine Klage am 27.10.2017 anhängig gemacht - die Klageschrift wurde der Beklagten am 02.11.2015 zugestellt –, mit der er Entschädigung und Schadensersatz nach dem AGG begehrt.
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Zur Begründung nimmt er im Wesentlichen Bezug auf seinen Widerspruch vom 05.05.2015 und führt ergänzend aus, dass er aufgrund der fehlenden Fingerglieder eine Behinderung i. S. v. § 1 Abs. 1 AGG aufweise.
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Nur aufgrund dieser Behinderung sei er nicht eingestellt worden, worin eine Benachteiligung i. S. v. § 7 AGG liege. Bei ihm handele es sich um einen gleichgeeigneten Stellenbewerber, der nur aufgrund des fehlenden Fingers schlechter gestellt worden sei. Es sei nicht festgestellt worden, inwiefern der Finger noch beweglich sei, sondern nur, dass er nicht vollständig vorhanden sei.
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Die unterschiedliche Behandlung gegenüber anderen Bewerbern sei auch nicht nach § 8 AGG zulässig. Die Begründung, dass er klinisch nachgewiesen den feinmotorischen Pinzetten-, Schlüssel- sowie Dreipunktgriff nicht ausführen könne, sei keine Rechtfertigung i. S. v. § 8 AGG. Vielmehr sei er dazu in der Lage, diese Griffe auszuführen. Zudem sei er Rechtshänder. Bei der Bundeswehr sei er schließlich als schusstauglich qualifiziert worden.
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Es würden nach Art. 5 RL 2000/78/EG besondere Maßnahmen vom Arbeitgeber verlangt, bevor dieser sich auf § 8 Abs. 1 AGG berufen könne. Er habe die im konkreten Fall geeigneten und erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um Menschen mit Behinderung beispielsweise den Zugang zur Beschäftigung zu ermöglichen, es sei denn, diese Maßnahmen würden den Arbeitgeber unverhältnismäßig belasten. Die Beklagte hätte demnach versuchen müssen, das behinderungsbedingte Beschäftigungshemmnis zu beseitigen. Sie hätte sich nicht nur des klinischen Nachweises bedienen dürfen. Sie hätte vielmehr austesten müssen, ob er die feinmotorischen Griffe ausführen könne und schusstauglich sei. Dies hätte die Beklagte lediglich mehr Zeit gekostet, wäre mithin also nicht unverhältnismäßig gewesen.
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Ihm sei auch ein Vermögensschaden in Form von Verdienstausfall entstanden. Er hätte seine Ausbildung bei der Bundeswehr zum 01.07.2015 beginnen können, habe den Ausbildungsstart jedoch aufgrund des laufenden Bewerbungsverfahrens bei der Beklagten auf den 01.09.2015 verschoben.
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Mit Beschluss vom 17.11.2015 hat das Arbeitsgericht den Rechtsstreit an das erkennende Gericht verwiesen.
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Der Kläger beantragt:
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1. Die Beklagte wird verurteilt, an ihn eine Entschädigung zu zahlen, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wird und den Betrag von drei Monatsgehältern der beantragten Einstellung nicht unterschreiten sollte.
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2. Die Beklagte wird verurteilt, ihm einen Verdienstausfall in Höhe
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von drei Monatsgehältern seiner versäumten Ausbildungsstelle als Schadensersatz für die verspätete Einstellung zu zahlen.
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3. Die Beklagte wird verurteilt, seine außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 492,54 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu tragen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie trägt vor:
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Ein Entschädigungsanspruch stehe dem Kläger nicht zu.
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Die Ernennung eines Bewerbers zum Beamten auf Widerruf stehe im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn. Bei der geforderten Eignungsbeurteilung habe dieser auch zu überprüfen, ob der Bewerber den Anforderungen des jeweiligen Amtes in gesundheitlicher Hinsicht entspreche.
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Hierbei stehe ihm ein Einschätzungsspielraum zu. Die gesundheitliche Eignung müsse sich sowohl an den Anforderungen des Vorbereitungsdienstes als auch an den des auf Lebenszeit zu übertragenden Amtes messen lassen. Die Beurteilung beziehe dabei nicht nur auf den gegenwärtigen Zustand, sondern auch auf die künftige Amtstätigkeit.
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Durch die PDV 300 habe der Dienstherr das ihm in Bezug auf die gesundheitlichen Eignungsvoraussetzungen eingeräumte Ermessen gebunden und den diesbezüglich bestehenden Beurteilungsspielraum ausgefüllt. Damit werde sichergestellt, dass die gesundheitliche Eignung der Bewerber nach einheitlichen Maßstäben beurteilt werde.
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Ferner sei zu berücksichtigen, dass der Schusswaffeneinsatz wie auch der körperliche Zwang häufig in Situationen gefordert seien, die mit Gefahren für Leib und Leben von Kollegen und Dritten einhergingen. Daher gebiete es auch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn, nur Personen ohne Funktionseinschränkungen einzusetzen bzw. einzustellen.
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Auch die erhebliche Seheinschränkung des Klägers führe zu einer aktuellen Dienstuntauglichkeit.
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Die Feststellung der Polizeidienstuntauglichkeit gelte daher für beide genannten Merkmalnummern gleichermaßen, so dass sich die Frage eine „Prognoseentscheidung“ gar nicht stelle.
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Da sich die Anforderungen an den Polizeivollzugsdienst nicht mit den bei dem Kläger festgestellten körperlichen Einschränkungen vereinbaren ließen, stelle sich auch die weitere vom Kläger ins Feld geführte Frage der zumutbaren Kompensationsmaßnahmen im Rahmen von Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG nicht. Derartige Kompensationsmöglichkeiten seien vorliegend nicht ersichtlich, da diese Fertigkeiten uneingeschränkt für die Ausübung des Polizeidienstes erforderlich seien.
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Nach den Vorbemerkungen Ziffer 18 der Richtlinie, die ergänzend heranzuziehen seien, dürfe Sicherheitskräften und namentlich der Polizei unter Berücksichtigung des rechtmäßigen Ziels, die Einsatzbereitschaft dieser Dienste zu wahren, nicht zur Auflage gemacht werden, Personen einzustellen oder weiter zu beschäftigen, die nicht den jeweiligen Anforderungen entsprächen, um sämtliche Aufgaben zu erfüllen, die ihnen übertragen werden könnten. Die Personalauswahl der Polizei müsse und dürfe sich daher an der Einsatzbereitschaft der Organisation orientieren, die ausdrücklich als rechtmäßiges Ziel genannt werde. Daher sei sie nicht gehalten, kompensatorische Maßnahmen zu ergreifen, wenn diese die Erfüllung sämtlicher Aufgaben eines Bundespolizisten oder einer Bundespolizistin beeinträchtigen würden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist - als allgemeine Leistungsklage - zulässig. Das Entschädigungsbegehren setzt eine vorherige Behördenentscheidung in Form eines Verwaltungsakts nicht voraus. Da der Kläger auch weder eine auf dem Gebiet des Beamtenrechts liegende Entscheidung begehrt noch gegen eine solche vorgeht, bedarf es auch keines Vorverfahrens nach § 126 Abs. 2 Bundesbeamtengesetz (BBG) (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 07.02.2012 - 4 S 82/12 - juris).
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Die Klage ist indes unbegründet.
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Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Entschädigung nach den AGG.
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Die Beteiligten unterfallen zwar dem persönlichen Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (§ 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 AGG).
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Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche scheitern aber bereits an der Nichteinhaltung der materiellen Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG. Danach muss ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn - was hier nicht vorliegt – die Tarifparteienhaben hätten etwas anderes vereinbart.
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Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Für den Fristbeginn ist auf das Schreiben der Beklagten vom 23.04.2015, dem Kläger zugegangen am 27.04.2015, abzustellen und nicht auf das Schreiben vom 01.09.2015, mit dem die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurückgewiesen hat. Nach dem Wortlaut der Norm beginnt die Frist grundsätzlich zu dem Zeitpunkt, zu dem der Benachteiligte von der Diskriminierung Kenntnis erlangt. Wie die Gesetzesbegründung (BT-Drs 16/1780 S. 38) zeigt, geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Kenntnis im Fall einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs zum Zeitpunkt des Zugangs der Ablehnung durch den Arbeitgeber eintritt (vgl. auch LAG Saarland, Urt. v. 17. 11. 2010 - 1 Sa 23/10 - juris). Kenntnis von seiner fehlenden Einbeziehung in das weitere Bewerbungsverfahren hat der Kläger bereits mit dem (ersten) Ablehnungsschreiben erlangt. Die Bestätigung dieser Entscheidung im Widerspruchsbescheid vom 01.09.2015 führt zu keiner neuen Benachteiligung. Sie führt auch nicht dazu, dass es sich um einen Dauertatbestand handeln würde, bei dem die Ausschlussfrist nicht vor dessen Beendigung zu laufen beginnt (vgl. hierzu BAG, Urt. v. 24.09.200 – 8 AZR 705/08 - juris). Es kommt also für den Fristbeginn nicht darauf an, ob ein Widerspruchsverfahren gegen die versagte Berücksichtigung der Bewerbung durchzuführen ist oder nicht. Das Gesetz knüpft unabhängig hiervon allein an den Zugang der Ablehnung bzw. die Kenntnis der Diskriminierung an (so ausdrücklich BVerwG, Beschluss vom 16.04.2013 – 2 B 145/11 – juris).
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Die Frist ist demzufolge am 27.06.2015 abgelaufen; geltend gemacht wurde der Anspruch nach dem AGG hingegen erst mit der Zustellung der Klageschrift an die Beklagte am 02.11.2015.
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Die zweimonatige Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG verstößt auch nicht gegen europäisches Gemeinschaftsrecht. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 08. 07.2010 - C-246/09 - („Bulicke“, NJW 2010, 2713) stehen sowohl das Primärrecht der Union als auch Art. 9 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf nationalen Verfahrensvorschriften, wonach derjenige, der bei der Einstellung wegen des Alters diskriminiert worden ist, seine Ansprüche auf Ersatz des Vermögens- und Nichtvermögensschadens gegenüber demjenigen, von dem diese Diskriminierung ausgeht, innerhalb von zwei Monaten geltend machen muss, grundsätzlich nicht entgegen. Die Frist darf allerdings nicht weniger günstig sein als die für vergleichbare innerstaatliche Rechtsbehelfe im Bereich des Arbeitsrechts. Darüber hinaus darf die Festlegung des Zeitpunktes, mit dem der Lauf dieser Frist beginnt, die Ausübung der von der Richtlinie verliehenen Rechte nicht unmöglich machen oder übermäßig erschweren. Dies zu prüfen ist Sache der nationalen Gerichte.
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Dem Kläger steht darüber hinaus ein Anspruch auf Entschädigung und/oder Schadensersatz gemäß § 15 Abs. 1,2 AGG auch dem Grunde nach nicht zu.
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Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG ist ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG. Zwar wird der Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nur in § 15 Abs. 1 AGG als Tatbestandsvoraussetzung für den Ersatz materieller Schäden ausdrücklich genannt. Dem Charakter des § 15 AGG als umfassender Regelung der finanziellen Einstandspflicht des Arbeitgebers bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot entspricht es aber, auch die Entschädigung immaterieller Schäden nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG an einen derartigen Verstoß zu binden (BVerwG, Urteil vom 03.03.2011 – 5 C 16/10 – juris)
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Die Voraussetzungen für die geltend gemachten Ansprüche in diesem Sinne liegen hier jedoch nicht vor.
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Zwar stellt das Fehlen der oberen beiden Glieder des linken Zeigefingers, wie die Parteien selbst zutreffend vortragen, eine Behinderung i. S. v. § 1 Var. 6 AGG dar. Der Begriff der Behinderung ist i. S. d. Richtlinie 78/2000/EG ( Richtlinie des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ) dahingehend auszulegen, dass er heilbare und unheilbare Krankheiten einschließt, die vor allem eine länger dauernde Einschränkung mit sich bringen, welche den Betroffenen an der vollen und wirksamen, gleichberechtigten Teilhabe am Berufsleben hindern können.
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Der Grad der Behinderung sowie ein Verschulden des Betroffenen sind bei dieser Betrachtung irrelevant (Rupp in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 7. Auflage 2016, § 1 AGG Rn 9).
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Diese Teilhabe wird dem Kläger durch die Behörde, die die Polizeidienstvorschrift 300 („Ärztliche Beurteilung der Polizeidiensttauglichkeit und der Polizeidienstfähigkeit“) anwendet, auch verwehrt. Danach kann ein Bewerber – wie hier geschehen - als polizeidienstuntauglich beurteilt werden, wenn ein oder mehrere Merkmale der Anlage 1.1 festgestellt werden. Das Fehlen der Glieder des Zeigefingers erfüllt die Merkmalnummer 4.5.2 („Nichtgebrauchshand: -funktionsmindernder Substanzverlust oder Bewegungseinschränkung/ - Verlust von mehr als einem Finger im Bereich des zweiten bis fünften Fingers (verkrümmte oder verkürzte Glieder werden nach ihrer Gebrauchsfähigkeit beurteilt)“).Darin liegt auch eine mittelbare Benachteiligung i. S. d. § 3 Abs. 2 AGG.
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Eine solche mittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 2 Hs. 2 AGG aber gerechtfertigt, wenn die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich begründet und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind oder die spezielle Ausnahme nach § 8 Abs. 1 AGG vorliegt. Danach ist eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstelle, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.
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Die damit im AGG formulierten Anforderungen sind jedenfalls, was die Anknüpfung an von einem Bewerber nicht beeinflussbare Merkmale angeht, dieselben, die auch an eine Begrenzung des Bewerberkreises durch ein beamtenrechtliches Anforderungsprofil zu stellen sind. So ist der öffentlichen Verwaltung im Rahmen der ihr zustehenden Personal- und Organisationshoheit die Möglichkeit eingeräumt, den Kreis der nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu vergleichenden Bewerber um ein öffentliches Amt aufgrund sachlicher Erwägungen einzuengen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.02.2007 - 2 BvR 2494/06 –; BVerwG, Beschluss vom 20.06.2013 - 2 VR 1/13 –; Beschluss vom 08.07.2014 - 2 B 7/14 – alle juris). Bewerber, die die allgemeinen Ernennungsbedingungen oder die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllen oder die aus sonstigen Eignungsgründen für die Ämtervergabe von vornherein nicht in Betracht kommen, können in einer ersten Auswahl ausgeschlossen werden und müssen nicht mehr in den Leistungsvergleich einbezogen werden. Dies gilt grundsätzlich auch für Bewerber, die zwingende Vorgaben eines rechtmäßigen Anforderungsprofils nicht erfüllen (BVerwG, Beschluss vom 20.06.2013 a.a.O.m.w.N.). Bei der Festlegung eines Anforderungsprofils ist der Dienstherr allerdings nicht frei, sondern an die Auswahlgrundsätze des Art. 33 Abs. 2 GG gebunden. Die Formulierung von Ausschlusskriterien bedarf mithin schon deshalb eines sachlichen Grundes. Wird um des Sachgrundes willen ein Ausschlusskriterium formuliert, das - wie vorliegend - den besonderen Regelungsbereich des AGG berührt, muss sich dieses überdies im Lichte von § 8 Abs. 1 AGG als unter Berücksichtigung des sachlichen Grundes verhältnismäßig in Bezug auf die begründete mittelbare Beeinträchtigung darstellen.
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Diese Vorgaben wurden hier seitens der Beklagten beachtet.
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Der funktionsmindernde Substanzverlust oder die Bewegungseinschränkung hinsichtlich der Nichtgebrauchshand stellt ein zulässiges Ausschlusskriterium dar.
An den Bewerber für den Polizeidienst sind erhöhte Anforderungen zu stellen. Er muss den körperlichen und geistigen Herausforderungen dieses Berufsbildes bis zum Eintritt ins Pensionsalter gewachsen sein.
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Wie die Beklagte in diesem Zusammenhang zutreffend darlegt, gehören hierzu insbesondere auch die Anwendung körperlichen Zwangs und der Gebrauch von Waffen. Ein Einsatz dieser Hilfsmittel erfolgt häufig im Zusammenhang mit einer Gefahr für Leib und Leben – sei es für den Beamten selbst, einen Kollegen oder einen Dritten. Hierbei muss der Dienstherr an den sich in dieser Situation befindlichen Beamten ein hohes Maß an körperlicher sowie geistiger Verlässlichkeit anlegen können. Dies folgt schon aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn den anderen Beamten gegenüber aber auch dem betroffenen Beamten selbst gegenüber. Eine unbedingte Einsatzbereitschaft ist hierfür Voraussetzung.
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Allerdings ersetzt auch der hohe Rang des Ziels nicht den Nachweis der Rechtfertigung der konkreten Maßnahme. Die Angemessenheit und Erforderlichkeit einer Maßnahme ist nachgewiesen, wenn sie im Hinblick auf das verfolgte Ziel nicht unvernünftig erscheint und auf Beweismittel mit einer gewissen Beweiskraft gestützt ist ( BVerwG, Urteil vom 25.07.2013 - 2 C 12/11 - juris. unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 21.07.2011 - Rs. C-159/10 und 160/1; Fuchs und Köhler-NVwZ 2011, 1249 Rn. 61, 73 f. und 80 f.).
- 63
Auch diesen Anforderungen ist die Beklagte gerecht geworden.
- 64
Sie hat nicht einfach pauschal behauptet, sondern anhand einer Einzelfallentscheidung dargelegt, dass sie diese unbedingte Einsatzbereitschaft nicht hundertprozentig von dem Kläger abrufen kann; insoweit hat sie das ihr vorgegebene Kriterium der PDV 300 nicht starr angewandt, sondern hat erkannt, dass dem Dienstherrn vielmehr Ermessen sowie eine Einschätzungsprorogative hinsichtlich der Beurteilung der konkreten Bewegungseinschränkung zustehen. Aufgrund des Ermessens – sowie des Beurteilungsspielraumes wurde der Kläger dann auch trotz seiner bereits bei der Bewerbung bekannten körperlichen Besonderheit zum Auswahlverfahren und insbesondere zur polizeiärztlichen Untersuchung geladen. Erst aufgrund und im Rahmen dieser Untersuchung erfolgte dann die Bewertung seines Einzelfalls.
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Erst im Rahmen der Untersuchung wurde dem Kläger aufgrund des spezifischen Fachwissens des Polizeiärztlichen Dienstes bescheinigt, dass er etwa die für den Polizeidienst benötigten spezifischen Grifftechniken nicht zuverlässig ausüben kann, weil es der der linken Hand insgesamt an Kraft und Beweglichkeit fehlt, und auch der Mittelfinger durch seine Wackelsteifigkeit deutlich beeinträchtigt ist. Für eine unsachliche Betrachtung ergeben sich insofern keine Anhaltspunkte.
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Diese Einschätzung wird im Übrigen – darauf sei der Vollständigkeit halber hingewiesen -von dem von dem Kläger in Auftrag gegebenen Rentengutachten (teilweise) gestützt.
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Nicht nur, dass auch das dieses eine Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers in Höhe von 10% bis zur Beendigung des dritten Jahres nach dem Unfall für möglich hält. Auch ist erkennbar, dass die Einschätzung des Klägers selbst, voll einsatzfähig zu sein, gerade nicht der Auffassung des begutachtenden Privatarztes entspricht. Dieser stellte vielmehr fest, dass die linke Hand des Klägers in Kraft und Beweglichkeit eingeschränkt ist.
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Das hier maßgebliche sachliche Ausschlusskriterium der PDV 300 hält auch einer Überprüfung anhand der Aussagen der RL 78/2000/EG stand.
Die Vorbemerkung mit der Ziffer 18 zu der vorgenannten Richtlinie besagt, dass das rechtmäßige Ziel namentlich der Polizei die Gewährleistung der Einsatzbereitschaft ihrer Dienste ist. Daher dürften ihr die Regelungen der Richtlinie nicht zum Nachteil gereichen. Vielmehr hat auch der Richtliniengeber gesehen und anerkannt, dass es für die Ausübung des Polizeidienstes besondere Anforderungen zu erfüllen gilt. Sofern diese also schon nicht erfüllt werden können, kommt die Benachteiligung aufgrund einer Behinderung von vornherein schon nicht in Betracht. Damit entfällt auch die Pflicht des Dienstherrn kompensatorische Maßnahmen zu treffen.
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Aufgrund der obigen Ausführungen bedarf es auch letztendlich keiner abschließenden Entscheidung mehr darüber, ob die Fehlsichtigkeit ( Astigmatismus ) des Klägers eine Behinderung i. S. v. § 1 Var. 6 AGG darstellt. Sieht man auch hierin eine Behinderung, so ist die Benachteiligung deswegen ebenfalls aufgrund der bereits dargelegten zwingenden Anforderungen an die Polizeidiensttauglichkeit gerechtfertigt. Hält man die Fehlsichtigkeit hingegen nicht für eine Behinderung, weil sie mit einer Brille kompensiert werden kann, so ist der Kläger schließlich nicht allein aufgrund der amputierten Fingerglieder für polizeidienstuntauglich erklärt worden. Vielmehr gibt es mit der Fehlsichtigkeit einen weiteren, gleichermaßen bedeutenden Grund für die Ablehnung seiner Bewerbung. Damit kann der Kläger jedoch nach dem Sinn und Zweck des AGG ebenfalls keine Entschädigung verlangen, weil die Ablehnung nicht allein auf einer Behinderung basiert. Es kann dann nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Hauptgrund für die Ablehnung in der Behinderung in Form der amputierten Fingerglieder liegt (vgl. BAG, Urt. v. 17. 08. 2010 - 9 AZR 839/08 - juris).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verb. mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Annotations
Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.
(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.
(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.
(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.
(1) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.
(2) Die Vereinbarung einer geringeren Vergütung für gleiche oder gleichwertige Arbeit wegen eines in § 1 genannten Grundes wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass wegen eines in § 1 genannten Grundes besondere Schutzvorschriften gelten.
Die Vorschriften dieses Gesetzes gelten unter Berücksichtigung ihrer besonderen Rechtsstellung entsprechend für
- 1.
Beamtinnen und Beamte des Bundes, der Länder, der Gemeinden, der Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht des Bundes oder eines Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, - 2.
Richterinnen und Richter des Bundes und der Länder, - 3.
Zivildienstleistende sowie anerkannte Kriegsdienstverweigerer, soweit ihre Heranziehung zum Zivildienst betroffen ist.
(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.
(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.
(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.
(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.
(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.
(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.
(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.
(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.
(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.
(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.
(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.
(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.
(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.
Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.
(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.
(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.
(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.
(1) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.
(2) Die Vereinbarung einer geringeren Vergütung für gleiche oder gleichwertige Arbeit wegen eines in § 1 genannten Grundes wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass wegen eines in § 1 genannten Grundes besondere Schutzvorschriften gelten.
(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.
(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.
(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.
(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.
(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.
(1) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.
(2) Die Vereinbarung einer geringeren Vergütung für gleiche oder gleichwertige Arbeit wegen eines in § 1 genannten Grundes wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass wegen eines in § 1 genannten Grundes besondere Schutzvorschriften gelten.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.