Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 01. Dez. 2016 - 1 A 24/14

ECLI:ECLI:DE:VGSH:2016:1201.1A24.14.0A
bei uns veröffentlicht am01.12.2016

Tenor

Es wird festgestellt, dass die vorläufige Unterbringung der Klägerin durch die Beklagte vom 07.07.2012 rechtswidrig war.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer einstweiligen Unterbringungsverfügung.

2

Die 1981 geborene Klägerin stürzte bei einer Reitstunde am Abend des 06.07.2012 vom Pferd und wurde wegen auftretender Gedächtnislücken sowie Schmerzen im Becken-, Hüft- und Nierenbereich von ihrem Lebensgefährten und Prozessbevollmächtigten in diesem Verfahren in das … in A-Stadt gebracht. Von dort wurde sie am selben Abend mit einem Krankentransport in das Universitätsklinikum A-Stadt (UK...) gebracht und dort zunächst auf der neurochirurgischen Station aufgenommen. Es erfolgte noch am selben Tag eine Verlegung auf die Intensivstation der Anästhesiologie.

3

Es wurden bei der Klägerin ein Schädel-Hirn-Trauma sowie Prellungen des Beckens und der Nieren diagnostiziert. Mittels Computertomographie (CT) wurde der Kopf der Klägerin mehrmals auf Hirnverletzungen untersucht. Laut Angaben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin habe das erste CT kleine schwarze Linien gezeigt, welche nach Äußerung des aufnehmenden Arztes Ungenauigkeiten in der Bildgebung oder leichte Einblutungen sein könnten. Ein weiteres CT um 3.00 Uhr habe ergeben, dass die Einblutungen, soweit sie beim ersten CT vorhanden gewesen seien, sich vollständig zurückgebildet hätten. Es habe festgestanden, dass die Klägerin am Folgemorgen entlassen werden könne oder im Falle einer Verschlechterung der Situation auf eine andere Station verlegt werden solle.

4

Nach Angaben des Stationsarztes gegenüber der Richterin am Amtsgericht … im Unterbringungsverfahren – 300 XIV 1457 L – bestehe in Fällen eines Schädel-Hirn-Traumas eine Überwachungspflicht von 24 Stunden. Sofern die Klägerin innerhalb dieser Frist das Krankenhaus verlasse, um auf eine andere Station oder in ein anderes Krankenhaus zu kommen, bestehe Lebensgefahr, weil die Klägerin, sofern unterwegs etwas passiere, nicht sofort notfallmäßig und operativ versorgt werden könne. Bei der Klägerin habe eine Amnesie vorgelegen, so dass sie sich an den Reitunfall und auch einige aktuelle Dinge nicht erinnere.

5

Am Morgen des 07.07.2012 wollte die Klägerin nach einer Auseinandersetzung mit dem Pflegepersonal ihrer Station sowie mit dem Stationsarzt zusammen mit ihrem Lebensgefährten eine Entlassung auf eigenen Wunsch herbeiführen. Als ihr dies verwehrt wurde, versuchte sie, sich bei einem Vorgesetzten des Stationspersonals zu beschweren und einen Wechsel des Krankenhauses oder zumindest der Station herbeizuführen. Nachdem sie niemanden angetroffen hatte, der ihre Beschwerde entgegennehmen und einen Stationswechsel veranlassen wollte, verließ die lediglich mit einem Kliniknachthemd bekleidete Klägerin mit ihrem Lebensgefährten das Klinikgebäude. Vor dem Gebäude trafen die Klägerin und ihr Lebensgefährte auf die beiden vom Stationspersonal herbeigerufenen Polizeibeamten … und …. Diese überredeten die Klägerin, zu einer Klärung der Angelegenheit noch einmal auf die Station zurückzukehren. Die Polizeibeamten erklärten der Klägerin, dass sie auf die Station zurückkehren müsse, da ihnen vom Stationspersonal mitgeteilt worden sei, dass für die Klägerin Lebensgefahr bestehe, wenn sie die Station verlasse. Auf der Station waren am Bett der Klägerin bereits Fixiergurte angebracht worden. Die Klägerin lehnte eine Fesselung energisch ab, weigerte sich, in das Bett zu gehen und wehrte sich gegen den Versuch, sie gewaltsam in das Bett zu legen. Sie wurde schließlich unter Zusammenwirken des Stationsarztes, eines Pflegers und der beiden Polizeibeamten unter Anwendung körperlicher Gewalt in das Bett gelegt und an den Armen, den Beinen und im Hüftbereich fixiert.

6

Der Amtsarzt der Beklagten, Herr Dr. … (Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie), gab in seinem Gedächtnisprotokoll vom 08.08.2012 an, am 07.07.2012 im Rahmen seines amtsärztlichen Dienstes in A-Stadt um 9.25 Uhr von der Leitstelle der Polizei gebeten worden zu sein, sich mit der Intensivstation der Anästhesiologie des UK... in Verbindung zu setzen. Bei seinem Anruf auf der Station habe ihm der diensthabende Arzt erklärt, dass sich eine Patientin am Vorabend bei einem Sturz vom Pferd ein Schädel-Hirn-Trauma zugezogen habe. Im MRT des Schädels sei eine Scherverletzung im Stammganglienbereich erkennbar. Nachblutungen seien grundsätzlich möglich. Daher sei eine 24-stündige stationäre Beobachtung zwingend indiziert. Die Patientin wolle jedoch nach Hause, auch gegen den ärztlichen Rat. Dabei sei sie verhaltensauffällig, sehr unruhig und versuche, die Station zu verlassen. Herr Dr. … habe dem diensthabenden Arzt der Station geraten, die Patientin gegebenenfalls zu fixieren, wenn dies in der Gesamtsituation notwendig werde. Er habe auf dem Weg zu der Klägerin vor der Station den Prozessbevollmächtigten der Klägerin getroffen, der ihm erklärt habe, die Klägerin habe eine Patientenverfügung sowie eine Vorsorgevollmacht, die er allerdings nicht bei sich habe.

7

Herr Dr. … suchte die Klägerin in ihrem Zimmer auf. Laut Gedächtnisprotokoll habe er sie fixiert vorgefunden. Er habe ihr den medizinischen Sachverhalt und die Notwendigkeit einer 24-stündigen stationären Behandlung erklärt. Die Klägerin habe daraufhin nur gefragt, ob er sich nicht für ihre Würde interessiere. Daraufhin habe der Amtsarzt erneut den Sachverhalt erläutert. Erneut habe die Klägerin nur gefragt, warum er sich nicht für ihre Würde interessiere. Dabei sei die Klägerin bewusstseinsklar, aber sehr aufgeregt, angespannt und unruhig gewesen.

8

Herr Dr. … erstellte ein Gutachten, in dem er Schädel-Hirn-Trauma sowie ein Durchgangssyndrom mit Erregungszuständen diagnostizierte. Er führte im einzelnen aus:

9

„Es besteht akute Eigengefährdung. Fr… . erlitt gestern einen Sturz beim Reiten. Ein SHT wurde diagnostiziert. In der Bildgebung ist erkennbar ein Schertrauma im Stammganglienbereich. Eine stationäre Beobachtung ist unabdingbar. Dies lehnt Fr. … ab, versucht die Station zu verlassen. Polizei wird hinzugezogen. Fr. … wird fixiert. Frau ... ist sehr aufgeregt, ihre Würde sei verletzt. Fr. ... ist nicht einsichtig in die aktuelle medizinische Situation, als dass Komplikationen nach der o.g. Verletzung auftreten können, die auch lebensbedrohlich sein können mit dann sofortiger Operationsindikation.“

10

Herr Dr. … ordnete die vorläufige Unterbringung der Klägerin, längstens bis zum 08.07.2012, 24.00 Uhr, auf der Intensivstation der Anästhesiologie des UK... A-Stadt an und beantragte gleichzeitig bei dem Amtsgericht A-Stadt einen Beschluss über die weitere Unterbringung der Klägerin in einer geeigneten Krankenanstalt.

11

Mit Beschluss vom 07.07.2012 – 300 XIV 1457 L – ordnete das Amtsgericht A-Stadt die Unterbringung der Klägerin im geschlossenen Bereich eines Krankenhauses bis zum Ablauf des 08.07.2012 an. Gegen diesen Beschluss legte die Klägerin am 07.07.2012 Beschwerde ein. Im Beschwerdeverfahren beantragte die Klägerin zudem mit Schriftsatz vom 27.05.2013 die Feststellung der Rechtswidrigkeit der vorläufigen Unterbringung durch die Beklagte.

12

Mit Beschluss des Landgerichts A-Stadt vom 16.09.2013 – 3 T 233/12 – wurde auf die Beschwerde der Klägerin festgestellt, dass sie durch den Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 07.07.2012 in ihren Rechten verletzt wurde. Dies wurde damit begründet, dass in dem Unterbringungsverfahren nicht der Notwendigkeit der Einholung eines Gutachtens durch einen Facharzt für Psychiatrie oder jedenfalls einen Arzt mit Erfahrung in der Psychiatrie genügt worden sei. Denn der hinzugezogene Stationsarzt, Herr …, sei Anästhesist und verfüge nach eigenen Angaben über keinerlei Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie.

13

Mit Beschluss vom 30.10.2013 hat das Landgericht A-Stadt – 3 T 221/13 – den Rechtsstreit zum Verwaltungsgericht verwiesen.

14

Die Klägerin trägt zur Begründung der Klage vor, dass es bereits an einer Ermächtigungsgrundlage für die vorläufige Unterbringung fehle. Die §§ 7 und 11 schleswig-holsteinisches Psychisch-Kranken-Gesetz (PsychKG-SH) hätten nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention keinen Anwendungsbereich mehr, da diese Freiheitsentziehungen aufgrund von Behinderungen verbiete. Zudem stehe der gewählten landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage § 1906 BGB entgegen, wonach in Fällen wie dem vorliegenden zunächst ein Betreuer zu bestellen sei. Als Betreuer sei aufgrund der bestehenden Vorsorgevollmacht nur ihr Prozessbevollmächtigter in Frage gekommen. Die Unterbringung sei rechtswidrig gewesen, weil sie mit ihrer Weigerung, sich zwangsbehandeln zu lassen, verbunden gewesen sei. Aufgrund des schweren Eingriffs in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit scheide eine Unterbringung zur Zwangsbehandlung aus. Für eine Unterbringung nach dem PsychKG-SH fehle es an den Voraussetzungen. Sie sei voll ansprechbar und bei klaren Sinnen gewesen. Dass sie im Gespräch mit Herrn Dr. … nur von ihrer verletzten Menschenwürde gesprochen habe, sei auf ihre Empörung über die Fesselung zurückzuführen. Eine psychische Krankheit habe nicht vorgelegen. Schließlich sei auch keine Eilbedürftigkeit gegeben gewesen, da es möglich gewesen sei, eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Anordnung durch die Beklagte sei nicht aufgrund eines ärztlichen Gutachtens ergangen. Es habe weder eine Untersuchung noch eine Anhörung durch Herrn Dr. … stattgefunden. Bei Feststellung einer psychischen Erkrankung, die die Einsichtsfähigkeit einschränke, habe ihr Prozessbevollmächtigter als Vorsorgebevollmächtigter hinzugezogen werden müssen. Es habe auch nicht die von der Beklagten in der vorläufigen Unterbringungsanordnung behauptete Lebensgefahr durch eine Hirnverletzung vorgelegen. Die Annahme einer Scherverletzung widerspreche bereits den Feststellungen des aufnehmenden Arztes bei der Aufnahmeuntersuchung im UK.... Auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei nicht gewahrt.

15

Die Klägerin beantragt,

16

festzustellen, dass die vorläufige Unterbringung durch die Beklagte vom 07.07.2012 rechtswidrig gewesen ist.

17

Die Beklagte beantragt,

18

die Klage abzuweisen.

19

Zur Begründung führt die Beklagte aus, dass für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Unterbringungsanordnung durch den Amtsarzt Dr. … das Vorliegen der Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 PsychKG maßgeblich sei. Für das Vorliegen einer Gefahr reiche eine Anscheinsgefahr aus. Die Fixierung habe Herr Dr. … nicht unmittelbar veranlasst. Jedoch habe er auf die telefonische Nachfrage des Stationsarztes, der ihm die Situation schilderte, diesem geraten, die Klägerin gegebenenfalls zu fixieren. Die Diagnose eines Durchgangssyndroms habe Herr Dr. … aufgrund der Reaktion und des Verhaltens der Klägerin aufstellen können, da diese sich geweigert habe in ärztlicher Beobachtung zu bleiben. Sie sei nicht in der Lage gewesen, den medizinischen Sachverhalt zu verstehen und die akute Lebensgefahr bei Verlassen der Klinik zu erkennen. An die Feststellung einer psychischen Krankheit könnten im Rahmen des § 11 PsychKG-SH nicht allzu hohe Anforderungen gestellt werden. Die Klägerin sei nicht mit milderen Mitteln zum Verbleib in der Klinik zu bewegen gewesen. Insbesondere seien weder von der Klägerin selbst noch von ihrem Lebensgefährten Alternativvorschläge ärztlicher Betreuung unterbreitet worden. Daher seien Unterbringung und Fixierung auch erforderlich gewesen.

Entscheidungsgründe

20

Die Klage ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

21

Die Klage ist als Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Gemäß § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.

22

Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis i.S. des § 43 Abs. 1 VwGO ist gegeben. Unter einem solchen Rechtsverhältnis sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, kraft deren eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht. Rechtliche Beziehungen haben sich nur dann zu einem Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO verdichtet, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist (BVerwG, Urt. v. 30.11.2011 – 6 C 20/10 –, Rn. 12 m.w.N.). Im vorliegenden Fall geht es um die Feststellung, ob die Beklagte von Rechts wegen daran gehindert war, die Klägerin vorläufig in der Intensivstation des UK... A-Stadt unterzubringen. Die Statthaftigkeit der Feststellungsklage scheitert hier auch nicht an der Subsidiarität nach § 43 Abs. 2 VwGO, denn bei der vorläufigen Unterbringung durch den Amtsarzt handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine einstweilige Sicherungsmaßnahme (siehe OVG Schleswig, Beschl. v. 02.12.1992 – 2 M 73/92 –, juris Rn. 7; Dornis, PsychKG Schleswig-Holstein, Praxiskommentar, 2012, § 11 Rn. 1).

23

Das notwendige Feststellungsinteresse ist ebenfalls gegeben. Als ein solches Interesse kommt grundsätzlich jedes nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art in Betracht (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2013 – 8 C 14/12 –, juris Rn. 20 m.w.N.).

24

Ein Feststellungsinteresse ergibt sich hier nicht bereits aus der Wiederholungsgefahr. Eine Wiederholungsgefahr ist nur gegeben, wenn die hinreichend bestimmte Wahrscheinlichkeit besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut eine gleichartige Maßnahme ergehen wird (vgl. VGH München, Beschl. v. 10.06.2015 – 10 C 15.880 –, juris Rn. 12 m.w.N.). Der Erlass eines gleichen Verwaltungsaktes muss konkret und in absehbarer Zeit zu erwarten sein (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 16.09.2015, 4 O 37/15). Nach diesen Maßstäben ist eine konkrete Wiederholungsgefahr nicht ersichtlich. Ausgangspunkt für die Unterbringungsanordnung gegen die Klägerin war deren Sturz vom Pferd und das dadurch erlittene Schädel-Hirn-Trauma, das zur stationären Aufnahme in das UK... führte. Es ist nicht absehbar, dass sich eine ähnliche Situation in nächster Zeit erneut einstellt.

25

Jedoch ist ein Feststellungsinteresse aufgrund der kurzfristigen Natur der vorläufigen Unterbringung und der regelmäßigen Erledigung vor Abschluss eines gerichtlichen Verfahrens gegeben. Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG erfordert eine wenigstens nachträgliche Kontrolle bei typischerweise kurzfristigen, aber tiefgreifenden Grundrechtseingriffen, in denen die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung gegebenen Instanz kaum erlangen kann (insbesondere bei Eingriffen in Grundrechte mit Richtervorbehalt: siehe BVerfG, Kammerbeschl. v. 10.05.1998 – 2 BvR 978/97 –, juris Rn. 10; BVerfG, Beschl. v. 30.04.1997 – 2 BvR 817/90 –, juris Rn. 49; BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 – 1 BvR 461/03 –, juris Rn. 28; BVerwG, Urt. v. 16.05.2013 – 8 C 14/12 –, juris Rn. 29; Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 22. Aufl. 2016, § 43 Rn. 25, § 113 Rn. 145; Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2016, § 113 VwGO, Rn. 109 m.w.N.). So liegt es hier. Bei der sofortigen Unterbringung handelt es sich um eine zwangsläufig kurzfristige Maßnahme, die mit der Entscheidung des Amtsgerichts über die weitere Unterbringung ihre Erledigung findet. Eine "Anfechtung" dieser Maßnahme im gerichtlichen Verfahren ist deshalb kaum möglich. Andererseits ist sie ein schwerwiegender Eingriff in die durch Art. 2 GG geschützte persönliche Freiheit.

26

Ob darüber hinaus die Feststellung von Bedeutung für ein Amtshaftungsverfahren ist, muss nicht entschieden werden.

27

Die Klage ist begründet.

28

Die vorläufige Unterbringung durch den Amtsarzt der Beklagten war rechtswidrig. Der Anordnung des Amtsarztes zur vorläufigen Unterbringung lag kein Gutachten zugrunde, das die Notwendigkeit der Unterbringung in gerichtlich nachvollziehbarer Weise begründet.

29

Nach § 7 Abs. 1 PsychKG-SH ist eine Unterbringung psychisch kranker Menschen dann zulässig, wenn und solange sie infolge ihrer Krankheit ihr Leben, ihre Gesundheit oder Rechtsgüter anderer erheblich gefährden und die Gefahr nicht anders abgewendet werden kann. Nach § 11 Abs. 1 Halbsatz 1 PsychKG-SH kann der Kreis oder die kreisfreie Stadt die Unterbringung im Rahmen des Artikels 104 Abs. 2 des Grundgesetzes vorläufig vornehmen, wenn eine gerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig herbeigeführt werden kann. Nach § 11 Abs. 1 Halbsatz 2 PsychKG-SH muss auch bei der vorläufigen Unterbringung ein Gutachten im Sinne des § 8 Satz 2 PsychKG-SH vorliegen, in dem die Erfüllung der Voraussetzungen für die Unterbringung durch entsprechende Tatsachenfeststellungen sowie durch Beurteilungen einer in der Psychiatrie erfahrenen Ärztin oder eines in der Psychiatrie erfahrenen Arztes bescheinigt wird.

30

Der Anwendungsbereich des PsychKG-SH war im vorliegenden Fall eröffnet, da der Amtsarzt mit dem von ihm diagnostizierten Durchgangssyndrom eine psychische Krankheit attestiert hat. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 PsychKG-SH sind psychisch kranke Menschen Personen, bei denen eine seelische Störung von erheblichem Ausmaß erkennbar ist. Das diagnostizierte Durchgangssyndrom ist nach der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandten Gesundheitsprobleme in der 10. Revision (ICD-10) eine „nicht näher bezeichnete organische oder symptomatische psychische Störung“ (ICD-10-WHO Version 2016 online unter: Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information, www.dimdi.de).

31

Ein Verstoß gegen Art. 14 UN-Behindertenrechtskonvention durch die Anwendung des PsychKG-SH, wie von der Klägerin geltend gemacht, ist nicht ersichtlich. Eine Einbeziehung geistig behinderter Personen in den Geltungsbereich des PsychKG-SH wurde bereits in der Ausgangsfassung des Gesetzes vom 14.01.2000 aufgegeben (siehe Gesetzesbegründung LT-Drucks. 14/2157, S. 27). Insbesondere erfordert eine Unterbringung nach § 7 PsychKG-SH neben einer psychischen Erkrankung eine davon ausgehende Gefahr. Art. 5 EMRK ist gewahrt durch die Verfahrensvorschriften und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, die durch das PsychKG-SH vorgegeben werden (siehe Dornis, PsychKG Schleswig-Holstein, Praxiskommentar, 2012, § 7 Rn. 2).

32

Die Beklagte hat jedoch nicht substantiiert dargelegt, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung nach § 7 Abs. 1 PsychKG-SH im Zeitpunkt der Anordnung der vorläufigen Unterbringung der Klägerin am 07.07.2012 gegeben waren.

33

Eine vorläufige Unterbringung nach § 11 PsychKG-SH darf durch den Amtsarzt nur angeordnet werden, wenn nach seiner pflichtgemäßen Einschätzung die Voraussetzung des § 7 PsychKG-SH vorliegen (Dornis, PsychKG Schleswig-Holstein, Praxiskommentar, 2012, § 11 Rn. 3). Diese Einschätzung muss auf einem Gutachten im Sinne des § 8 Satz 2 PsychKG-SH beruhen. Der Anordnung des Amtsarztes der Beklagten lag dessen ärztliches Gutachten zugrunde. Der Amtsarzt erfüllt als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie die Qualifikationsanforderungen des § 8 Satz 2 PsychKG-SH. Das Gutachten erfüllt jedoch nicht die inhaltlichen Anforderungen, die nach der Landesverordnung zum Psychisch-Kranken-Gesetz (PsychKGVO) geregelt sind und die durch die Rechtsprechung entwickelt wurden. Nach § 2 PsychKGVO muss das Unterbringungsgutachten unter medizinischen Gesichtspunkten insbesondere darlegen, inwiefern das durch die psychische Krankheit bedingte Verhalten der psychisch kranken Person eine erhebliche Gefahr für ihr Leben, ihre Gesundheit oder die Rechtsgüter anderer darstellt und aus welchem Grund die Gefahr durch Hilfen oder andere Maßnahmen als eine Unterbringung nicht abgewendet werden kann. Das Gutachten muss auf einer persönlichen Untersuchung der psychisch kranken Person durch die Ärztin oder den Arzt beruhen, die nicht länger als 24 Stunden zurückliegt. Um einen wirksamen Grundrechtsschutz sicherzustellen, sind die Anforderungen an das einer Unterbringungsentscheidung zugrundeliegende Gutachten hoch anzusetzen. Zwar lassen sich nähere Regelungen über Aufbau, Inhalt und Ausführlichkeit eines Gutachtens nicht allgemein aufstellen. Jedoch müssen die Ausführungen des Sachverständigen so gehalten sein, dass das Gericht seiner Pflicht, das Gutachten auf seine wissenschaftliche Begründung, seine innere Logik und seine Schlüssigkeit hin zu überprüfen, nachkommen kann (BGH, Beschl. v. 19.01.2011 – XII ZB 256/10 –, juris Rn. 12; BayObLG, Beschl. v. 28.03.2001 – 3Z BR 71/01 –, juris Rn. 7).

34

Die bloße Wiedergabe einer Krankheitsdiagnose oder eines Untersuchungsergebnisses reicht nicht aus. Vielmehr ist erforderlich, dass der Sachverständige den Untersuchungsbefund, aus dem er seine Diagnose ableitet, im Einzelnen mitteilt und die Folgerungen aus den einzelnen Befundtatsachen auf die Diagnose oder die ihm sonst gestellte Beweisfrage nachvollziehbar darstellt. Dem Gericht muss durch die Feststellungen des Gutachtens eine eigene Prüfung des Ergebnisses der Untersuchungen ermöglicht werden. Das somit erforderliche, erkennbar von einem Arzt mit psychiatrischer Vorbildung und Erfahrung erstattete Gutachten muss ein ausführliches und überzeugendes Bild vom Geisteszustand des Betroffenen vermitteln. Dazu gehört auch, dass sich der betreffende Arzt ein möglichst deutliches Bild von der derzeitigen Verfassung des Betroffenen verschafft. Aus dem Gutachten muss sich regelmäßig ergeben, dass die Feststellungen des das Gutachten erstattenden Arztes auf einer persönlichen Untersuchung des Betroffenen beruhen, die eine möglichst kurze Zeit zurückliegt. Ferner ist darzulegen, aufgrund welcher tatsächlichen Feststellungen der Gutachter seine Meinung gebildet hat. Dabei muss grundsätzlich erkennbar werden, inwieweit es sich um eigene Wahrnehmungen des Gutachters handelt, sowie wann und in welchem Zusammenhang sich für erheblich gehaltene, möglichst genau zu schildernde Vorgänge zugetragen haben (zu dem Ganzen: KG Berlin, Beschl. v. 20.12.1994 – 1 W 6687/94 –, juris Rn. 6).

35

Es ist unverzichtbare Voraussetzung eines rechtsstaatlichen Verfahrens, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (BVerfG, Kammerbeschl. v. 23.03.1998 – 2 BvR 2270/96 –, juris Rn. 16). Insbesondere im Falle von Unterbringungen aufgrund einer Eigengefährdung des Betroffenen sind hohe Anforderungen an die Feststellungen zu stellen, mit denen eine fürsorgliche Unterbringung begründet wird. Die Grundrechte und der Achtungsanspruch der Menschenwürde stehen selbstverständlich auch psychisch kranken Menschen zur Seite. Bei einem fürsorgerischen Eingriff ist daher der Gefahr zu begegnen, dass das Grundrecht von seinem Träger getrennt wird (Marschner, in: Marschner/Volckart/Lesting, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 5. Auflage 2010, Abschnitt B, Rn. 40 f.). Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu zutreffend ausgeführt (BVerfG, Kammerbeschl. v. 23.03.1998 – 2 BvR 2270/96 –, juris Rn. 15):

36

„Die Freiheit der Person ist ein so hohes Rechtsgut, dass sie nur aus besonders gewichtigem Grund angetastet werden darf (vgl. BVerfGE 45, 187 <223>). Die Einschränkung dieser Freiheit ist daher stets der strengen Prüfung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu unterziehen. Dies schließt allerdings nicht von vornherein einen staatlichen Eingriff aus, der ausschließlich den Zweck verfolgt, einen psychisch Kranken vor sich selbst in Schutz zu nehmen und ihn zu seinem eigenen Wohl in einer geschlossenen Einrichtung unterzubringen. Die Fürsorge der staatlichen Gemeinschaft schließt auch die Befugnis ein, den psychisch Kranken, der infolge seines Krankheitszustandes und der damit verbundenen fehlenden Einsichtsfähigkeit die Schwere seiner Erkrankung und die Notwendigkeit von Behandlungsmaßnahmen nicht zu beurteilen vermag oder trotz einer solchen Erkenntnis sich infolge der Krankheit nicht zu einer Behandlung entschließen kann, zwangsweise in einer geschlossenen Einrichtung unterzubringen, wenn sich dies als unumgänglich erweist, um eine drohende gewichtige gesundheitliche Schädigung von dem Kranken abzuwenden. Dabei drängt es sich auf, dass dies nicht ausnahmslos gilt, weil schon im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei weniger gewichtigen Fällen eine derart einschneidende Maßnahme unterbleiben muss und somit auch dem psychisch Kranken in gewissen Grenzen die "Freiheit zur Krankheit" belassen bleibt (vgl. BVerfGE 58, 208 <224 ff.>).“

37

Auch psychisch kranke Menschen haben ein Recht auf Nichtbehandlung, solange nicht die Rechte anderer berührt sind. Eine Vernunfthoheit der Psychiater im Umgang mit psychischen Krankheiten scheidet aus. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert bei freiheitsentziehenden Maßnahmen eine zweifelsfreie Feststellung hinsichtlich der Erforderlichkeit und der Geeignetheit der Maßnahme. Der Grundsatz „in dubio pro libertate“ gebietet eine sorgfältige Überprüfung der Unterbringungsvoraussetzungen besonders bei Unterbringungen ausschließlich zum Schutz gegen Selbstgefährdung, um die grundsätzlich zugunsten des Betroffenen bestehende Freiheitsvermutung zu widerlegen (BVerfG, Beschl. v. 22.03.1983 – 1 BvR 154/82 –, juris Rn. 6; Marschner, in: Marschner/Volckart/Lesting, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 5. Auflage 2010, Abschnitt B, Rn. 43). Der Wille des Betroffenen ist zu berücksichtigen. Der Grundsatz, dass eine Unterbringung gegen den freien Willen des Betroffenen ausgeschlossen ist, gilt für den Fall der Selbstgefährdung unbeschränkt. Die betroffenen Rechtsgüter unterliegen der Disposition des Patienten, der, soweit er darüber einen freien Willen bilden kann, ggf. zu entlassen ist (BayObLG, Beschl. v. 17.12.2001 – 3Z BR 386/01 –, juris Rn. 14; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 14.06.2006 – 3 W 98/06 –, juris Rn 13; Dornis, PsychKG Schleswig-Holstein, Praxiskommentar, 2012, § 7 Rn. 29). Insoweit muss das zugrundeliegende Gutachten Angaben dazu enthalten, ob der Betroffene aufgrund seiner Erkrankung seinen Willen nicht frei bestimmen kann (Lesting, in: Marschner/Volckart/Lesting, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 5. Auflage 2010, Abschnitt D, Rn. 11; Dornis, PsychKG Schleswig-Holstein, Praxiskommentar, 2012, § 7 Rn. 33).

38

Diesen Maßstäben genügen die Feststellungen des der vorläufigen Unterbringungsanordnung des Amtsarztes zugrundeliegenden Gutachtens nicht. Es wird nur eine Diagnose einer psychischen Störung aufgestellt, ohne dass eine für das Gericht nachvollziehbare Begründung dieser Diagnose gegeben wird. Ein Durchgangssyndrom ist nach der Beschreibung unter Pschyrembel online (www.pschyrembel.de) „eine akute (reversible) hirnorganisch bedingte Störung im Sinne eines deliranten Syndroms mit u.a. Orientierungs- und/oder Aufmerksamkeitsstörungen im Rahmen organischer Störungen (z. B. Infektionen, Schädelhirntrauma, Demenz) oder auch nach operativen Eingriffen, besonders bei älteren Menschen. Es wird dem akuten exogenen Reaktionstyp zugerechnet.“ Das Gutachten enthält keine näheren Angaben zu der bei der Klägerin festgestellten Symptomatik im Sinne dieser Beschreibung des Durchgangssyndroms als psychischer Störung. Es wird nur festgestellt, dass die Klägerin aufgeregt gewesen sei, dass sie nicht einsichtig sei in ihre medizinische Situation, dass sie erkläre in ihrer Würde verletzt zu sein und dass sie die Klinik verlassen wolle. Aus diesen Feststellungen kann das Gericht keine schlüssige Folgerung einer Diagnose aus einzelnen Befundtatsachen ablesen. Es wird bereits nicht deutlich, welche Symptome einer psychischen Störung zuzuordnen sind.

39

Das Gutachten enthält darüber hinaus weder Feststellungen zum Ausschluss der freien Willensbildung der Klägerin, noch zu dem Schweregrad der psychischen Störung und der daraus resultierenden Kausalität für die drohende Gefahr.

40

Das Gutachten trifft keine Feststellungen zur Fähigkeit der Klägerin, ihren Willen frei zu bilden. Ein Ausschluss der freien Willensbestimmung liegt vor, wenn jemand nicht imstande ist, seinen Willen frei und unbeeinflusst von der vorliegenden Geistesstörung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln. Abzustellen ist dabei darauf, ob eine freie Entscheidung nach Abwägung des Für und Wider bei sachlicher Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte möglich ist oder ob umgekehrt von einer freien Willensbildung nicht mehr gesprochen werden kann, etwa weil infolge der Geistesstörung Einflüsse dritter Personen den Willen übermäßig beherrschen (BGH, Urt. v. 05.12.1995 – XI ZR 70/95 –, juris Rn. 11). Im Gutachten des Amtsarztes ist lediglich die Feststellung enthalten, die Klägerin sei nicht einsichtig in die aktuelle medizinische Situation. Daraus lässt sich nicht ohne weiteres schließen, dass die Klägerin über eine aus Sicht des Amtsarztes bestehende Unvernunft hinausgehend aufgrund der diagnostizierten psychischen Störung nicht in der Lage war, ihren Willen frei zu bilden. Vielmehr lassen die Feststellungen im Gutachten den Schluss zu, der Klägerin sei ihre Würde wichtiger als eine weitere stationäre Überwachung zum Schutz vor einer möglicherweise bestehenden Lebensgefahr beim Verlassen der Klinik. Damit lässt sich ein die freie Willensbildung ausschließender Zustand der Klägerin aufgrund der gutachterlichen Feststellungen nicht zweifelsfrei nachvollziehen. Nach dem oben dargelegten Grundsatz „in dubio pro libertate“ kann bei solch einer Tatsachenlage eine Unterbringung nicht frei von Rechtsfehlern angeordnet werden.

41

Eine Unterbringung der Klägerin ist aufgrund der Feststellungen des Gutachtens schließlich nicht gerechtfertigt, weil Angaben zum Schweregrad der psychischen Störung und der daraus resultierenden Gefährdung vollständig fehlen. Es wird im Gutachten nicht festgestellt, dass die Unterbringung aufgrund der Schwere der psychischen Störung das einzig geeignete Mittel darstellt, um einer Gefahr zu begegnen. Es wird lediglich festgestellt, dass eine stationäre Beobachtung zur Abwendung einer von der Hirnverletzung ausgehenden Lebensgefahr unabdingbar sei. Dass die Unterbringung aufgrund der psychischen Störung in dieser Hinsicht der einzige Weg gewesen sei, um eine solche Gefahr abzuwenden, wird im Gutachten nicht dargelegt. Weder aus dem Gutachten, noch aus dem später angefertigten Gedächtnisprotokoll des Amtsarztes ergibt sich, dass der Amtsarzt versucht hätte, die Klägerin von einem freiwilligen Verbleib auf der Station zu überzeugen.

42

Eine Kausalität zwischen der psychischen Störung und der drohenden Lebensgefahr wird nicht festgestellt. Nach § 7 Abs. 2 PsychKG-SH besteht eine Gefahr insbesondere dann, wenn sich die psychische Krankheit so auswirkt, dass ein schadensstiftendes Ereignis unmittelbar bevorsteht oder unvorhersehbar ist, jedoch wegen besonderer Umstände jederzeit damit gerechnet werden muss. Dass die Wahrscheinlichkeit eines schadensstiftendes Ereignisses durch das von der Klägerin begehrte Verlassen der Klinik vorliegt, wurde nur im Hinblick auf die Bildgebungsergebnisse festgestellt. Dass diese Ergebnisse tatsächlich vom Amtsarzt eingesehen wurden, ist nicht dargelegt. Ob hierzu eine Pflicht des die vorläufige Unterbringung anordnenden Amtsarztes besteht, muss vorliegend aber auch nicht entschieden werden. Denn jedenfalls fehlt es an einer Feststellung der Kausalität zwischen dem als psychische Störung diagnostizierten Durchgangssyndrom und der drohenden Lebensgefahr für die Klägerin. Es fehlt dem Gutachten an einer Feststellung dazu, ob der Wille zum Verlassen der Klinik auf der psychischen Störung beruhte und deshalb nicht frei gebildet wurde. Denn, wie oben dargelegt, sind im Gutachten keine Feststellungen zum Ausschluss der freien Willensbildung enthalten.

43

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht gem. § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 S. 1, 711 ZPO.


Urteilsbesprechung zu Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 01. Dez. 2016 - 1 A 24/14

Urteilsbesprechungen zu Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 01. Dez. 2016 - 1 A 24/14

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 01. Dez. 2016 - 1 A 24/14 zitiert 9 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19


(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 43


(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungskla

Referenzen - Urteile

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 01. Dez. 2016 - 1 A 24/14 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 01. Dez. 2016 - 1 A 24/14 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 10. Juni 2015 - 10 C 15.880

bei uns veröffentlicht am 10.06.2015

Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gründe I. Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Klägerin ihren in erster Instanz erfolgl

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 16. Mai 2013 - 8 C 14/12

bei uns veröffentlicht am 16.05.2013

Tatbestand 1 Die Klägerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Untersagungsverfügung, mit der ihr die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung von Spor

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 30. Nov. 2011 - 6 C 20/10

bei uns veröffentlicht am 30.11.2011

Tatbestand 1 Der Kläger, ein Schüler, begehrt die Feststellung, dass er berechtigt ist, in der von ihm besuchten Schule außerhalb der Unterrichtszeit ein islamisches Geb

Referenzen

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein Schüler, begehrt die Feststellung, dass er berechtigt ist, in der von ihm besuchten Schule außerhalb der Unterrichtszeit ein islamisches Gebet zu verrichten.

2

Der am 17. August 1993 geborene Kläger ist muslimischen Glaubens. Er besucht das D.-Gymnasium in Berlin Wedding. Im November 2007 verrichtete er in der Pause zwischen zwei Unterrichtsstunden zusammen mit Mitschülern auf einem Flur des Schulgebäudes das Gebet nach islamischem Ritus. Die Schüler knieten dabei auf ihren Jacken, vollzogen die nach islamischem Ritus erforderlichen Körperbewegungen und deklamierten den vorgegebenen Text. Das Gebet dauerte etwa zehn Minuten. Andere Schüler sahen zu.

3

Am folgenden Tag wies die Leiterin der Schule die Schüler, die an dem Gebet beteiligt waren, darauf hin, die Verrichtung eines Gebets werde auf dem Schulgelände nicht geduldet. Mit Schreiben vom selben Tag teilte sie den Eltern des Klägers mit, an der Schule seien religiöse Bekundungen nicht erlaubt; zu ihnen gehörten insbesondere Gebete.

4

Der Kläger hat daraufhin Klage erhoben und beantragt, festzustellen, dass er berechtigt sei, während des Besuchs des D.-Gymnasiums außerhalb der Unterrichtszeit einmal täglich sein islamisches Gebet zu verrichten.

5

Das Verwaltungsgericht hat die beantragte Feststellung getroffen: Der Kläger könne sich für sein Anliegen auf das Grundrecht der Glaubensfreiheit berufen. Andere Verfassungsrechte schränkten dieses Recht nicht ein.

6

Auf die Berufung des beklagten Landes hat das Oberverwaltungsgericht die Klage abgewiesen: Das Anliegen des Klägers werde zwar vom Schutzbereich der verfassungsrechtlich gewährleisteten Freiheit der Religionsausübung erfasst. Dieses Grundrecht sei hier jedoch zum Schutz von Grundrechten Dritter und von Gemeinschaftswerten mit Verfassungsrang eingeschränkt. Die Verrichtung des Gebets im Schulgebäude beeinträchtige die negative Glaubensfreiheit der Mitschüler. Sie hätten grundsätzlich einen Anspruch darauf, von Äußerungen eines Glaubens verschont zu bleiben, den sie nicht teilten. Das vom Grundgesetz gewährleistete Elternrecht verleihe zudem den Eltern die Befugnis, ihre Kinder von Glaubensäußerungen fernzuhalten, die sie als falsch oder schädlich ansähen. Die deshalb erforderliche Abwägung zwischen dem Grundrecht auf Glaubensfreiheit des Klägers und den betroffenen Grundrechten Dritter falle zu Lasten des Klägers aus. An der von ihm besuchten Schule sei unter den Schülern eine Vielzahl von Religionen und Glaubensrichtungen vertreten. Dort würden bereits religiös motivierte Konflikte ausgetragen. Das führe zu einer konkreten Gefährdung des Schulfriedens. Diese Konfliktlage würde sich noch verschärfen, wenn dem Anliegen des Klägers Rechnung getragen würde.

7

Der Kläger hat die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt, mit der er sein erstinstanzlich erfolgreiches Begehren weiterverfolgt: Ihm stehe aufgrund der verfassungsrechtlich gewährleisteten Glaubensfreiheit das Recht zu, im Schulgebäude das islamische Ritualgebet zu verrichten. Die Glaubensfreiheit sei weder durch Grundrechte Dritter noch durch andere mit Verfassungsrang versehene Rechtsgüter eingeschränkt. Insbesondere könne eine Einschränkung nicht aus der negativen Religionsfreiheit anderer Schüler, dem Gebot der religiösen Neutralität des Staates und der Verpflichtung zur Wahrung des Schulfriedens hergeleitet werden. In der Sache unzutreffend sei die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, aufgrund religiöser Konflikte zwischen Schülern bestehe bereits jetzt eine konkrete Gefahr für den Schulfrieden, die durch die Verrichtung des Gebets verschärft werde.

8

Das beklagte Land tritt der Revision entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage ohne Verstoß gegen Bundesrecht abgewiesen (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

10

1. Das Oberverwaltungsgericht hat in Einklang mit Bundesrecht die Klage als zulässig angesehen.

11

a) Das Begehren des Klägers ist als allgemeine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO zulässig. Danach kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.

12

Unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, kraft deren eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht. Rechtliche Beziehungen haben sich nur dann zu einem Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO verdichtet, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist (Urteil vom 26. Januar 1996 - BVerwG 8 C 19.94 - BVerwGE 100, 262 <264 f.> = Buchholz 454.9 Mietpreisrecht Nr. 15 S. 3). Der Streit der Beteiligten betrifft die Bedeutung und Tragweite des Art. 4 Abs. 1 GG, einer Vorschrift des öffentlichen Rechts, und dessen Anwendung auf einen konkreten Sachverhalt, nämlich den Vorgang aus dem November 2007, als der Kläger zusammen mit Mitschülern auf dem Flur des Schulgebäudes in einer Pause das rituelle islamische Gebet verrichtete. Der Kläger berühmt sich des Rechts, in dieser Weise auch künftig vorgehen zu dürfen. Die Schulverwaltung bestreitet das Bestehen eines solchen Rechts.

13

Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der erstrebten Feststellung. Nachdem die Schulleiterin ihn und seine Eltern darauf hingewiesen hat, religiöse Bekundungen wie Gebete seien in der Schule nicht erlaubt, muss er mit Sanktionen in der Gestalt von Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen rechnen, wenn er das von ihm als erlaubt angesehene Verhalten fortsetzt. Ihm ist nicht zuzumuten, solche Sanktionen abzuwarten und erst im Zusammenhang mit ihnen die streitige Rechtsfrage gerichtlich klären zu lassen.

14

Der Feststellungsklage steht nicht der Grundsatz der Subsidiarität entgegen (§ 43 Abs. 2 VwGO). Namentlich konnte der Kläger seine Rechte nicht durch eine Anfechtungsklage verfolgen. Wie das Verwaltungsgericht festgestellt hat, enthielten sowohl der mündliche Hinweis der Schulleiterin an den Kläger, die Verrichtung eines Gebets auf dem Schulgelände werde nicht geduldet, als auch das nachfolgende Schreiben an seine Eltern lediglich Hinweise auf die Rechtslage, wie sie nach Ansicht der Schulleiterin besteht, aber keine Regelungen. Sie waren mithin keine Verwaltungsakte. Das Oberverwaltungsgericht hat sich diese tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu eigen gemacht. Der Senat hat keinen Anlass zu einer abweichenden Würdigung.

15

b) Der Kläger hat die Klage wirksam erhoben. Obwohl er zu diesem Zeitpunkt das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte und deshalb nach bürgerlichem Recht in seiner Geschäftsfähigkeit noch beschränkt war, war er dennoch prozessfähig. Er war im Sinne des § 62 Abs. 1 Nr. 2 VwGO durch Vorschriften des bürgerlichen oder des öffentlichen Rechts für den Gegenstand seines Verfahrens als geschäftsfähig anerkannt. Nach § 5 Satz 1 des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung vom 15. Juli 1921 (RGBl S. 939, BGBl III 404-9) steht dem Kind nach Vollendung des 14. Lebensjahres die Entscheidung darüber zu, zu welchem religiösen Bekenntnis es sich halten will. Die Bestimmung legt das Alter fest, bei dem angenommen wird, dass der Einzelne weitgehend selbst über sein Recht auf Glaubensfreiheit nach Art. 4 GG zu verfügen vermag (Religionsmündigkeit). Die Religionsmündigkeit erstreckt sich auf alle mit der religiösen Selbstbestimmung im Zusammenhang stehenden Fragen einschließlich der Verrichtung religiöser Handlungen (Huber in MünchKommBGB, 5. Aufl. 2008, Anhang zu § 1631 § 5 RelKErzG Rn. 2). Mithin wird der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens von der Religionsmündigkeit erfasst.

16

2. Ebenfalls mit Bundesrecht vereinbar ist die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Kläger könne die von ihm begehrte Feststellung nicht beanspruchen und seine Klage sei deshalb unbegründet. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus der verfassungsrechtlich verbürgten Glaubensfreiheit des Art. 4 Abs. 1 GG. Auf der Grundlage des Sachverhalts, den das Oberverwaltungsgericht bindend festgestellt hat (§ 137 Abs. 2 VwGO), berechtigt diese Verfassungsbestimmung den Kläger nicht, in der von ihm besuchten Schule außerhalb der Unterrichtszeit einmal täglich sein rituelles islamisches Gebet zu verrichten.

17

a) Das Anliegen des Klägers wird allerdings durch den Schutzbereich der verfassungsrechtlich garantierten Glaubensfreiheit erfasst.

18

Art. 4 Abs. 1 und 2 GG enthält ein Grundrecht der Glaubensfreiheit, das umfassend zu verstehen ist (BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 - 1 BvR 2857, 2858/07 - BVerfGE 125, 39 <79>). Dieses Grundrecht bezieht sich nicht nur auf die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, sondern auch auf die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbreiten (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <297>). Das von der Glaubensfreiheit umfasste Recht der Religionsausübung ist extensiv auszulegen und erstreckt sich auf kultische Handlungen, die ein Glauben vorschreibt oder in denen er Ausdruck findet, wie z.B. Gebete (BVerfG, Beschluss vom 16. Mai 1995 - 1 BvR 1087/91 - BVerfGE 93, 1 <15 f.>). Zwar kann nicht jedes Verhalten einer Person nach deren subjektiver Bestimmung als Ausdruck einer besonders geschützten Glaubensfreiheit angesehen werden. Beansprucht der Einzelne ein Verhalten als Ausdruck seiner Glaubensfreiheit für sich, darf vielmehr bei der Würdigung das Selbstverständnis der jeweiligen Religionsgemeinschaft nicht außer Betracht bleiben. Es kommt darauf an, ob sich das Verhalten nach Gehalt und Erscheinung als Glaubensregel der jeweiligen Religionsgemeinschaft dem Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG hinreichend plausibel zuordnen lässt (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <298 f.>).

19

Daran gemessen unterfällt die streitige Verrichtung des Gebets durch den Kläger dem Schutzbereich von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts geht es dem Kläger um das rituelle Pflichtgebet ("as-salat"), das nach den Regeln des islamischen Glaubens fünfmal täglich zu festgelegten Zeiten zu verrichten ist. Dieses Pflichtgebet zeichnet sich dadurch aus, dass der Betende auf einem rituell sauberen Platz mit dem Gesicht gen Mekka in einer vorgegebenen Abfolge von Körperhaltungen bestimmte Gebetstexte deklamiert. Ein solches Pflichtgebet ist unter anderem zur Mittagszeit zu verrichten. Der Kläger möchte diese rituelle Handlung in der Schule außerhalb der Unterrichtszeit vornehmen, wenn die Zeitspanne, die für das Gebet vorgeschrieben ist, in die Zeit des Schulbesuchs fällt. Nach den bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts lässt sich ein Gebot, das rituelle Pflichtgebet zu den dafür festgesetzten Zeiten zu verrichten, als islamisch-religiös begründete Glaubensregel dem Schutzbereich der Glaubensfreiheit hinreichend plausibel zuordnen. In dem angefochtenen Urteil wird festgestellt, dass der Kläger die Einhaltung dieser Glaubensregel als für sich verbindlich ansieht. Deshalb vermag er sich grundsätzlich auf den Schutz der Glaubensfreiheit zu berufen.

20

Der Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG umfasst hier auch die freie Wahl des Ortes, an dem der Kläger das Gebet verrichten möchte.

21

Um sein rituelles Gebet zu verrichten, benötigt der Kläger Raum, konkret einen Bereich des Schulflurs, dessen Nutzung nicht seinem Bestimmungsrecht, sondern dem Bestimmungsrecht der Schulverwaltung unterliegt und der als Verkehrsfläche, nämlich als Zugang zu Klassenräumen, Fachräumen, Lehrerzimmern, Toiletten und Ausgängen zur Verfügung gestellt ist.

22

Für das Grundrecht der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG hat das Bundesverwaltungsgericht angenommen, es begründe kein Benutzungsrecht, das nicht schon nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen besteht. Die Entscheidung über Ort und Zeit der Versammlung ist zwar frei, setzt aber die rechtliche Verfügungsbefugnis über den Versammlungsort voraus. Das Recht der freien Ortswahl umfasst nicht das Recht, fremdes Eigentum nach Belieben in Anspruch zu nehmen. Dies gilt auch für ein Grundstück, das nach dem Willen des Trägers nur im Rahmen einer eingeschränkten Zweckbestimmung zur Verfügung steht (Urteil vom 29. Oktober 1992 - BVerwG 7 C 34.91 - BVerwGE 91, 135 <138 f.> = Buchholz 11 Art. 8 GG Nr. 6 S. 15; vgl. auch BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 - NJW 2011, 1201 <1204>).

23

Hiervon unterscheidet sich jedoch die Ausübung der Glaubensfreiheit. Zwar verschafft auch sie dem Einzelnen keinen Anspruch auf Zutritt zu ihm sonst nicht zugänglichen Räumen. Die Glaubensfreiheit ist dem Bürger nur dort gewährleistet, wo er tatsächlich Zugang findet. Anders als die kollektiv ausgeübte Versammlungsfreiheit schließt die Ausübung der Glaubensfreiheit als Recht des Einzelnen in der Regel keinen besonderen Raumbedarf ein, der typischerweise mit Belästigungen verbunden ist. Als Individualgrundrecht steht sie dem Bürger vom Grundsatz her überall dort zu, wo er sich jeweils befindet (vgl. zu der in dieser Hinsicht vergleichbaren Freiheit der Meinungsäußerung: BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 - NJW 2011, 1201 <1208>).

24

Das gilt jedenfalls für einen Schüler, der in der Schule ein ihm von seiner Religion vorgeschriebenes Gebet verrichten will. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gebietet, den Raum für die aktive Betätigung der Glaubensüberzeugung und die Verwirklichung der autonomen Persönlichkeit auf weltanschaulich-religiösem Gebiet zu sichern (BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 1975 - 1 BvR 63/68 - BVerfGE 41, 29 <49>). Dies gilt insbesondere für den vom Staat in Vorsorge genommenen Bereich der Schule (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <300>). Der Schüler bringt seine Persönlichkeitsrechte in die Schule ein. Gleichzeitig ist er in die Schule und den Unterrichtsablauf eingebunden. Er kann die Schule auch während der Pausen zwischen den Unterrichtsstunden nicht ohne Weiteres verlassen. Darauf könnte er auch nicht verwiesen werden. Er hält sich auch während der Pausen bestimmungsgemäß in der Schule auf und kann - vorbehaltlich noch zu erörternder Schranken - sich dort seinen persönlichen Neigungen und Bedürfnissen entsprechend betätigen. Jedenfalls aufgrund dieser Eingebundenheit in die Schule kann ihm die Wahl von Zeit und Ort des Gebets nicht unter Hinweis darauf von vornherein verwehrt werden, die Schulverwaltung habe die überhaupt in Betracht kommenden Räume ausschließlich für eine andere Nutzung vorgesehen. Der Schutzbereich der Glaubensfreiheit umfasst in dieser Lage den Zugriff auf einen Raum, der hierfür tatsächlich zur Verfügung steht.

25

b) Insoweit besteht das Grundrecht der Glaubensfreiheit aber nicht uneingeschränkt. Die Glaubensfreiheit verleiht dem Kläger hier nicht das Recht, das Gebet auf dem Schulflur zu verrichten.

26

Die in Art. 4 Abs. 1 und 2 verbürgte Glaubensfreiheit ist vorbehaltlos gewährleistet. Einschränkungen müssen sich daher aus der Verfassung selbst ergeben. Hierzu zählen die Grundrechte Dritter sowie Gemeinschaftswerte von Verfassungsrang. Die Einschränkung der vorbehaltlos gewährleisteten Glaubensfreiheit bedarf überdies einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <297>).

27

Zwar ist das Recht des Klägers, seinen Glauben zu bekunden, nicht durch die negative Glaubensfreiheit anderer Schüler und der Lehrer eingeschränkt. Ebenso wenig findet sein Grundrecht eine Schranke in dem elterlichen Erziehungsrecht. Eine solche Schranke kann ferner nicht aus dem Gebot religiöser Neutralität hergeleitet werden, das den Staat verpflichtet. Das Grundrecht des Klägers auf Glaubensfreiheit ist aber zum Schutze des Schulfriedens eingeschränkt, der zu den Gemeinschaftswerten mit Verfassungsrang gehört.

28

aa) Die in Art. 4 Abs. 1 GG geschützte Glaubensfreiheit umfasst neben der Freiheit, religiöse und weltanschauliche Überzeugungen zu bilden und zu haben sowie sich zu diesen Überzeugungen zu bekennen und sie zu verbreiten, auch die negative Glaubensfreiheit, also die Freiheit, keine religiöse oder weltanschauliche Überzeugung zu haben oder eine solche abzulehnen (BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2008 - 1 BvR 462/06 - BVerfGE 122, 89 <119>). Insoweit ist auch die Freiheit gewährleistet, kultischen Handlungen eines nicht geteilten Glaubens fernzubleiben; das bezieht sich auch auf Kulte und Symbole, in denen ein Glaube oder eine Religion sich darstellt (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <301 f.>).

29

Indes wird in die negative Glaubensfreiheit der Mitschüler nicht eingegriffen, wenn sie auf dem Flur des Schulgebäudes dem betenden Kläger begegnen.

30

Die negative Glaubensfreiheit ist ein Abwehrrecht, das sich gegen den Staat richtet. Der Staat darf keine Lage schaffen, in welcher der Einzelne ohne Ausweichmöglichkeit dem Einfluss eines bestimmten Glaubens, den Handlungen, in denen dieser sich manifestiert, und den Symbolen, in denen er sich darstellt, ausgesetzt ist. Insofern entfaltet Art. 4 Abs. 1 und 2 GG seine Freiheit sichernde Wirkung gerade in Lebensbereichen, die nicht der gesellschaftlichen Selbstorganisation überlassen, sondern vom Staat in Vorsorge genommen sind, wie dies auf die Schule zutrifft (BVerfG, Beschluss vom 16. Mai 1995 - 1 BvR 1087/91 - BVerfGE 93, 1 <16>). Auch insoweit wendet sich die negative Glaubensfreiheit aber gegen den Staat. Ihm ist es verwehrt, den Einzelnen gegen seinen Willen zwangsweise mit fremden Glaubensbekundungen, kultischen Handlungen und religiösen Symbolen zu konfrontieren, etwa indem er Klassenräume mit solchen Symbolen ausstattet oder den Schülern in der Gestalt von Lehrkräften entgegentritt, die durch ihr Auftreten ihre religiösen Überzeugungen in den Unterricht hineintragen. Machen hingegen Schüler in der Schule von ihrer Glaubensfreiheit durch das Tragen religiöser Symbole oder durch kultische Handlungen Gebrauch, ist allenfalls eine Schutzpflicht des Staates gegenüber den Mitschülern betroffen. In dem von ihm in Vorsorge genommenen Bereich der Schule muss der Staat auch garantieren, dass der Einzelne nicht mit Verantwortung des Staates einer religiösen Äußerung eines privaten Dritten ausgesetzt ist, die seine negative Religionsfreiheit zu verletzen geeignet ist. Glaubensäußerungen von Schülern hat der Staat nicht veranlasst. Sie sind ihm nicht zuzurechnen. Seine Verantwortung besteht darin, dass er Schüler unterschiedlicher Glaubensrichtungen und Glaubenshaltungen in einer Schule zusammenführt. Seine Schutzpflicht für deren negative Glaubensfreiheit fällt weithin mit seiner Aufgabe zusammen, den Schulfrieden zu wahren, also keine auch religiösen Konflikte zuzulassen, die der Verwirklichung des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags und dem ordnungsgemäßen Unterrichtsablauf entgegenstehen. Die Schutzpflicht des Staates geht jedenfalls nicht soweit, dass er Schüler oder auch Lehrkräfte vor jeder Begegnung mit Äußerungen eines ihnen fremden, von ihnen nicht geteilten Glaubens bewahren müsste. Mitschüler und Lehrkräfte werden mit dem betenden Kläger nicht unausweichlich konfrontiert. Sie haben es zwar nicht selbst in der Hand, ob sie auf einem Weg durch die Schule auf den Kläger bei der Verrichtung seines Gebets treffen. Es bleibt ihnen aber unbenommen, bei einer Begegnung mit dem betenden Kläger einen anderen Weg zu nehmen. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar festgestellt, dass in der Schule die Möglichkeiten des Ausweichens beschränkt seien, hat damit aber zugleich zum Ausdruck gebracht, dass solche Möglichkeiten tatsächlich, wenn auch in eingeschränktem Umfang, bestehen. Diese tatsächliche Feststellung bindet den Senat (§ 137 Abs. 2 VwGO). Eine Begegnung mit dem betenden Kläger beschränkt sich mithin auf ein eher flüchtiges Zusammentreffen. Mitschüler und Lehrkräfte werden dadurch nicht dem Einfluss eines anderen, von ihnen abgelehnten Glaubens in einer Weise ausgesetzt, die ihnen nicht zumutbar ist. Der Einzelne hat in einer Gesellschaft, die unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen Raum gibt, kein Recht darauf, von fremden Glaubensbekundungen, kultischen Handlungen und religiösen Symbolen gänzlich verschont zu bleiben (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <302>). Dies gilt auch für den Lebensbereich der Schule.

31

bb) Die Glaubensfreiheit des Klägers kann nicht mit der Erwägung eingeschränkt werden, dies diene dem Schutz des Erziehungsrechts der Eltern seiner Mitschüler.

32

Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern die Pflege und Erziehung ihrer Kinder als natürliches Recht. Dieses Grundrecht umfasst zusammen mit Art. 4 Abs. 1 GG das Recht zur Kindererziehung in weltanschaulicher und religiöser Hinsicht. Daher ist es zuvörderst Sache der Eltern, ihren Kindern diejenigen Überzeugungen in Glaubens- und Weltanschauungsfragen zu vermitteln, die sie für richtig halten (BVerfG, Beschluss vom 16. Mai 1995 - 1 BvR 1087/91 - BVerfGE 93, 1 <17>). Dem entspricht das Recht, die Kinder von Glaubensüberzeugungen fernzuhalten, die den Eltern als falsch oder schädlich erscheinen (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <301>).

33

Was die Begegnung von Kindern mit religiösen Handlungen Dritter angeht, reicht das elterliche Erziehungsrecht aber nicht weiter als die negative Glaubensfreiheit der Kinder. Dementsprechend verleiht das Erziehungsrecht den Eltern nicht die Befugnis, ihre Kinder vor jeglicher Begegnung mit religiösen Handlungen Dritter zu schützen. Das Erziehungsrecht als ebenfalls gegen den Staat gerichtetes Grundrecht kann nur dann betroffen sein, wenn das Kind mit Verantwortung des Staates solchen Handlungen unausweichlich ausgesetzt ist. Dies ist hier mit Blick auf die Mitschüler des Klägers - wie aufgezeigt - nicht der Fall.

34

cc) Die Glaubensfreiheit des Klägers ist nicht durch das verfassungsrechtliche Gebot religiöser Neutralität des Staates beschränkt. Die Schulverwaltung wäre nicht berechtigt, unter Hinweis auf dieses Gebot die Verrichtung des Gebets im Schulgebäude zu unterbinden.

35

Das Grundgesetz begründet für den Staat als Heimstatt aller Staatsbürger die Pflicht zu weltanschaulich-religiöser Neutralität. Es verbietet, staatskirchliche Rechtsformen einzuführen, und untersagt, bestimmte Bekenntnisse zu privilegieren und Andersgläubige auszugrenzen. Der Staat hat auf eine am Gleichheitssatz orientierte Behandlung der verschiedenen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zu achten. Er darf sich nicht mit einer bestimmten Religionsgemeinschaft identifizieren. Die dem Staat gebotene religiös-weltanschauliche Neutralität ist indes nicht als eine distanzierende Haltung im Sinne einer strikten Trennung von Staat und Kirche zu verstehen, sondern als eine offene und übergreifende Haltung, die Glaubensfreiheit für alle Bekenntnisse gleichermaßen fördert. Der Staat darf lediglich keine gezielte Beeinflussung im Dienste einer bestimmten politischen, ideologischen oder weltanschaulichen Richtung betreiben oder sich durch von ihm ausgehende oder ihm zuzurechnende Maßnahmen ausdrücklich oder konkludent mit einem bestimmten Glauben oder einer bestimmten Weltanschauung identifizieren und dadurch den religiösen Frieden in einer Gesellschaft von sich aus gefährden (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <299 f.>).

36

Dies gilt nach dem bisherigen Verständnis des Verhältnisses von Staat und Religion, wie es in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seinen Niederschlag gefunden hat, insbesondere für den vom Staat in Vorsorge genommenen Bereich der Schule, für den seiner Natur nach religiöse und weltanschauliche Vorstellungen von jeher relevant waren. Danach muss die Schule für unterschiedliche weltanschauliche und religiöse Inhalte und Werte offen sein. In dieser Offenheit bewahrt der freiheitliche Staat des Grundgesetzes seine religiöse und weltanschauliche Neutralität. Für die Spannungen, die bei der gemeinsamen Erziehung von Kindern unterschiedlicher Weltanschauungs- und Glaubensrichtungen unvermeidlich sind, muss unter Berücksichtigung des Toleranzgebots als Ausdruck der Menschenwürde nach einem Ausgleich gesucht werden (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <300 f.>). Die Neutralitätspflicht des Staates verlangt danach keine Schule, die von jeglichen religiösen Bezügen frei gehalten wird. Die Schule ist vielmehr gehalten, die weltanschaulichen und religiösen Zusammenhänge unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Realitäten zu vermitteln, ohne sie in die eine oder andere Richtung einseitig zu bewerten (Urteil vom 26. Juni 2008 - BVerwG 2 C 22.07 - BVerwGE 131, 242 = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 265).

37

Daran gemessen ist eine Verletzung des Gebots staatlicher Neutralität nicht zu besorgen, wenn die Schulverwaltung zulässt, dass der Kläger sein Gebet auf dem Flur des Schulgebäudes verrichtet. Darin läge keine einseitige Bevorzugung des islamischen Glaubens oder eine Beeinflussung im Sinne dieses Glaubens. Eine ausdrückliche oder konkludente Identifikation mit diesem Glauben wäre ebenfalls nicht zu verzeichnen. Das Gebet als kultische Handlung ist nicht von der Schulbehörde veranlasst, sondern beruht auf einer eigenen Entscheidung des Gläubigen. Duldet der Staat in der Schule die Verrichtung des islamischen Gebets durch den Kläger, macht er sich dessen Bekenntnis zum islamischen Glauben, das in dem Gebet zum Ausdruck kommt, nicht zu eigen. Er muss es sich auch nicht als von ihm beabsichtigt zurechnen lassen.

38

Allerdings könnte der gesellschaftliche Wandel, der mit einer zunehmenden religiösen Pluralität verbunden ist, Anlass sein, das Ausmaß abweichend zu bestimmen, in dem religiöse Bezüge in der Schule zulässig sein sollen. Es lassen sich einerseits Gründe dafür anführen, die zunehmende religiöse Vielfalt in der Schule aufzunehmen und als Mittel für die Einübung von gegenseitiger Toleranz zu nutzen, um so einen Beitrag in dem Bemühen um Integration zu leisten. Andererseits ist die zunehmende religiöse Vielfalt mit einem größeren Potenzial möglicher Konflikte in der Schule verbunden. Es mag deshalb auch gute Gründe dafür geben, der staatlichen Neutralitätspflicht im schulischen Bereich eine striktere und mehr als bisher distanzierende Bedeutung beizumessen und demgemäß religiöse Bezüge, die von Schülern in die Schule hineingetragen werden, aus der Schule grundsätzlich fernzuhalten, um Konflikte mit Schülern, Eltern oder anderen Lehrkräften von vornherein zu vermeiden (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <310>).

39

Wie auf die gewandelten Verhältnisse zu antworten ist, insbesondere, welche Verhaltensregeln für Schüler zur Wahrung des religiösen Friedens in der Schule aufgestellt werden sollen, hat aber nicht die Exekutive zu entscheiden. Vielmehr bedarf es hierfür einer Regelung durch den demokratisch legitimierten parlamentarischen Landesgesetzgeber. Es hängt von einer Beurteilung der tatsächlichen Entwicklungen ab, ob gegenläufige Grundrechtspositionen von Schülern und Eltern oder andere Werte von Verfassungsrang eine Regelung rechtfertigen, die kultische Handlungen und die Verwendung von Kennzeichen mit religiösem Bezug weitgehend aus der Schule verbannen. Für diese Beurteilung verfügt nur der Gesetzgeber über eine Einschätzungsprärogative, die Behörden und Gerichte nicht für sich in Anspruch nehmen können. Er hat zu beurteilen, ob von der Verrichtung kultischer Handlungen in der Schule oder der Verwendung von religiösen Symbolen bereits eine abstrakte Gefährdung des Schulfriedens ausgeht, und muss gegebenenfalls zu deren Abwehr eine darauf zugeschnittene Rechtsgrundlage schaffen (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <307>).

40

Eine solche durch den parlamentarischen Gesetzgeber geschaffene Rechtsgrundlage fehlt im Landesrecht von Berlin. Zwar regelt die Schulordnung des D.-Gymnasiums in ihrer Nr. II 16 unter Hinweis auf das Gebot weltanschaulicher und religiöser Neutralität des Staates, dass die Ausübung religiöser Riten im Religionsunterricht erfolgt. Die Schulordnung lässt sich ihrerseits auf eine parlamentarische Ermächtigung zurückführen. Nach § 76 Abs. 2 Nr. 8 des Schulgesetzes für das Land Berlin (Schulgesetz - SchulG) vom 26. Januar 2004 (GVBl 2004, 26) entscheidet die Schulkonferenz über Verhaltensregeln für den geordneten Ablauf des äußeren Schulbetriebs (Hausordnung), an die die Schüler nach § 46 Abs. 2 Satz 3 SchulG in der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts gebunden sind. Die allgemeine Ermächtigung, auch für die Schüler verbindliche Verhaltensregeln zu erlassen, stellt nicht die erforderliche hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage dar, um Glaubensäußerungen der Schüler, wie der Vornahme religiöser Riten, bereits wegen der bloßen Möglichkeit einer Gefährdung oder eines Konflikts zu beschränken (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <303>). Deshalb ist es der Schulverwaltung derzeit verwehrt, ohne Rücksicht auf eine konkrete Gefährdung des Schulfriedens im Einzelfall vorbeugend die Verrichtung von Gebeten und die Vornahme vergleichbarer kultischer Handlungen in der Schule wegen deren abstrakter Eignung, den Schulfrieden zu gefährden, zu unterbinden.

41

dd) Die Glaubensfreiheit des Klägers und seine daraus herleitbare Berechtigung, auch in der Schule sein Gebet zu verrichten, finden ihre Schranke aber in dem Gebot, den Schulfrieden zu wahren.

42

Die Erfüllung des staatlichen Erziehungs- und Bildungsauftrags nach Art. 7 Abs. 1 GG setzt voraus, dass der Schulfrieden gewahrt ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <303>). Damit ist ein Zustand der Konfliktfreiheit und -bewältigung gemeint, der den ordnungsgemäßen Unterrichtsablauf ermöglicht, damit der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag verwirklicht werden kann (vgl. Zimmermann, LKV 2010, 394 <398> m.w.N.). Der Schulfrieden kann auch durch religiös motiviertes Verhalten beeinträchtigt werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <303 und 307>). Der religiöse Schulfrieden ist ein Schutzzweck von herausragender Bedeutung (Urteil vom 24. Juni 2004 - BVerwG 2 C 45.03 - BVerwGE 121, 140 <152> = Buchholz 237.0 § 9 BaWüLBG Nr. 1 S. 10). Die Vermeidung religiös-weltanschaulicher Konflikte in öffentlichen Schulen stellt ein gewichtiges Gemeinschaftsgut dar (Urteil vom 26. Juni 2008 - BVerwG 2 C 22.07 - BVerwGE 131, 242 = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 265).

43

Nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts würde die Verrichtung des Gebets auf dem Schulflur durch den Kläger eine ohnehin bereits bestehende konkrete Gefahr für den Schulfrieden weiter verschärfen.

44

Nach diesen Feststellungen ist an dem D.-Gymnasium unter den Schülern eine Vielzahl von Religionen und Glaubensrichtungen vertreten. Aufgrund dieser heterogenen Zusammensetzung der Schülerschaft sind unter den Schülern teilweise sehr heftige Konflikte ausgetragen worden, die von Vorwürfen gegen Mitschüler ausgingen, diese seien nicht den Verhaltensregeln gefolgt, die sich aus einer bestimmten Auslegung des Korans ergäben, wie beispielsweise dem Gebot, ein Kopftuch zu tragen, Fastenvorschriften einzuhalten, Gebete abzuhalten, kein Schweinefleisch zu verzehren, "unsittliches Verhalten" und "unsittliche Kleidung" sowie persönliche Kontakte zu "unreinen" Mitschülern zu vermeiden. Aus derartigen Anlässen sei es etwa zu Mobbing, Beleidigung, insbesondere mit antisemitischer Zielrichtung, Bedrohung und sexistischen Diskriminierungen gekommen. Hierauf aufbauend hat das Oberverwaltungsgericht den Schluss gezogen, die ohnehin bestehende Konfliktlage würde sich verschärfen, wenn die Ausübung religiöser Riten auf dem Schulgelände gestattet wäre und deutlich an Präsenz gewönne.

45

An diese tatsächlichen Feststellungen und die darauf aufbauende Beweiswürdigung ist der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. Der Kläger hat dagegen keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht.

46

Der Kläger beanstandet im Kern, das Oberverwaltungsgericht habe jedenfalls auf der Grundlage einer zu schmalen Tatsachenbasis angenommen, an der von ihm besuchten Schule sei bereits jetzt der Schulfrieden konkret gefährdet. Der Kläger rügt damit der Sache nach, das Oberverwaltungsgericht habe den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt. Ein Verstoß gegen diesen Grundsatz liegt jedoch nicht vor.

47

Der Überzeugungsgrundsatz ist verletzt, wenn der Vorgang der Überzeugungsbildung an einem Fehler leidet, weil das Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist, insbesondere Umstände übergangen hat, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen (Urteil vom 21. Juni 2006 - BVerwG 6 C 19.06 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 264 Rn. 28), oder weil seine Beweiswürdigung aktenwidrig oder objektiv willkürlich ist, gegen Denkgesetze verstößt oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachtet (Beschluss vom 14. Juli 2010 - BVerwG 10 B 7.10 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 66 Rn. 4). Das Revisionsgericht kann die Beweiswürdigung nicht daraufhin überprüfen, ob sie überzeugend ist, ob festgestellte Einzelumstände mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die abschließende Sachverhaltswürdigung eingegangen sind und ob solche Umstände die Würdigung zu tragen vermögen (Urteil vom 25. Mai 1984 - BVerwG 8 C 108.82 - Buchholz 448.0 § 11 WPflG Nr. 35 S. 16 f.).

48

Der Revisionsbegründung lässt sich nicht entnehmen, dass das Oberverwaltungsgericht in dieser Hinsicht das Gebot der freien Beweiswürdigung verletzt hat. Es hat seine Feststellung, der Schulfrieden sei bereits jetzt konkret gefährdet, auf eine Reihe von Beispielen gestützt, die das beklagte Land nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts substantiiert vorgetragen hatte und die in dem Urteil beispielhaft wiedergegeben werden. Das Oberverwaltungsgericht ist dabei zwar nicht ausdrücklich auf den Hinweis des Klägers eingegangen, die geschilderten Konflikte mit religiösem Hintergrund wiesen keinen Bezug zu dem von ihm geübten Gebet auf, er - der Kläger - sei an diesen Konflikten nicht beteiligt gewesen, habe im Gegenteil auf der Schule viele christliche Freunde, die seine streng religiöse Haltung sogar gut fänden. Indes kam es auf diese Umstände nicht entscheidungserheblich an. Das Oberverwaltungsgericht hat der Sache nach festgestellt, dass an dem D.-Gymnasium aufgrund der heterogenen religiösen Zusammensetzung der Schülerschaft ein Klima herrscht, in dem sich an religiösem Verhalten ebenso wie an offener Distanz zu religiösen Geboten aus durchaus geringem Anlass Konflikte entzünden. Von daher kam es nicht darauf an, ob schon bisher die Verrichtung ritueller Gebete in der Schule zu solchen Konflikten geführt hatte. Denn die offene Verrichtung eines rituellen Gebets konnte nach der Würdigung des Oberverwaltungsgerichts in diesem Klima wiederum die Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Einstellungen zum Glauben und ihren Geboten aufbrechen lassen, weil es zum Mitmachen auffordert und geeignet ist, zwischen strengen und weniger strengen Anhängern einer Religion zu scheiden. Ob der Kläger in einer solchen Absicht gehandelt hat oder gar Auseinandersetzungen schüren wollte, war für das Oberverwaltungsgericht unerheblich, weil es aus seiner Sicht nur darauf ankam, dass in dem herrschenden Klima an der Schule die Verrichtung eines rituellen Gebets objektiv geeignet war, weiteren Unfrieden zu stiften. Ein Schuldvorwurf an den Kläger war damit nicht verbunden, so dass das Oberverwaltungsgericht auch nicht ausdrücklich auf seine Beteuerung eingehen musste, er sei an religiös motivierten Auseinandersetzungen nicht beteiligt; es konnte diesen Vortrag vielmehr ohne weiteres Eingehen darauf als wahr unterstellen. Ebenso musste das Oberverwaltungsgericht in seiner Beweiswürdigung nicht eigens auf die Aussage des Klägers eingehen, ihm - dem Kläger - seien die Vorfälle nicht bekannt, die das beklagte Land zur Stützung seines Vortrags heranziehe, an dem D.-Gymnasium sei bereits jetzt durch religiös motivierte Konflikte der Schulfriede gefährdet. Das Oberverwaltungsgericht durfte ohne Weiteres davon ausgehen, dass die Schulverwaltung den vollständigen Überblick über das Geschehen an dieser Schule hat, der dem Kläger nicht notwendig in derselben Weise zugänglich ist.

49

Sollte der Kläger die Revisionsbegründung insoweit auch als Rüge verstanden wissen wollen, das Oberverwaltungsgericht habe sein rechtliches Gehör verletzt, wäre die Rüge aus denselben Gründen unbegründet. Es lässt sich nicht feststellen, dass das Oberverwaltungsgericht entscheidungserheblichen Tatsachenvortrag des Klägers übergangen hat.

50

ee) Die Einschränkung des Grundrechts des Klägers auf Glaubensfreiheit steht im Einklang mit dem Gebot eines schonenden Ausgleichs der widerstreitenden Verfassungsgüter. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt.

51

Die Einschränkung der Möglichkeit, in der Schule das rituelle islamische Mittagsgebet zu verrichten, ist geeignet, den damit verfolgten legitimen Zweck zu erreichen, der zutreffend prognostizierten Verschärfung der ohnehin bereits bestehenden konkreten Gefahr für den Schulfrieden zu begegnen.

52

An diesem Zweck ausgerichtet erweist sich die Beschränkung der Glaubensfreiheit als erforderlich. Der vorhersehbaren Gefährdung des Schulfriedens kann nicht durch eine andere gleich wirksame Maßnahme begegnet werden, die die Glaubensfreiheit des Klägers nicht oder weniger einschränkt.

53

Allerdings ist die Schule zunächst gehalten, konkreten religiös motivierten Konflikten mit erzieherischen Mitteln gegenzusteuern. Die gewachsene religiöse Vielfalt in der Gesellschaft spiegelt sich besonders deutlich in der Schule wider. Sie ist der Ort, an dem unterschiedliche religiöse Auffassungen unausweichlich aufeinander treffen und an dem sich dieses Nebeneinander in besonders empfindlicher Weise auswirkt. Ein tolerantes Miteinander mit Andersgesinnten kann hier am nachhaltigsten durch Erziehung geübt werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <310>). Hieran anknüpfend hat das Oberverwaltungsgericht in Auslegung des irrevisiblen Landesrechts festgestellt, dem Schulgesetz liege das Konzept zugrunde, dem beschriebenen Konfliktpotential mit erzieherischen Mitteln zu begegnen. Es ist gerade Aufgabe der Schule, ein tolerantes Miteinander mit Andersgesinnten durch Erziehung zu üben. Nach § 1 Abs. 3 SchulG gehört es zum Auftrag der Schule, Persönlichkeiten heranzubilden, deren Haltung von der Achtung vor jeder ehrlichen Überzeugung bestimmt wird. Schulische Bildung und Erziehung sollen die Schüler insbesondere befähigen, ihre eigene Kultur sowie andere Kulturen kennen zu lernen und zu verstehen, Menschen anderer Herkunft, Religion und Weltanschauung vorurteilsfrei zu begegnen und für das Lebensrecht und die Würde aller Menschen einzutreten (§ 3 Abs. 3 SchulG). Dem liegt die Vorstellung des Landesgesetzgebers zugrunde, dass die Integrationsaufgabe des Staates in einer pluralistischen Gesellschaft einen eigenständigen und umfassenden staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag erfordert, der über die Anforderungen an die Vermittlung von Wissen und Kenntnissen hinausgeht und dessen Ziele einen ethischen, weltanschaulichen und politischen Mindestkonsens darstellen, der gleichzeitig die Offenheit für die in der Gesellschaft vorhandenen Wertauffassungen gewährleisten muss (Begründung der Regierungsvorlage zum Schulgesetz, Abghs-Drs 15/1842, S. 7).

54

Die Schule kann danach nicht stets sogleich gegen religiös geprägtes Verhalten eines Schülers vorgehen, wenn es Gegenreaktionen und Unruhe bei anderen Schülern auslöst. Von Fällen bewusster und gewollter Provokation abgesehen, stört nicht der Schüler den Schulfrieden, der nur von der ihm im Grundgesetz verheißenen Glaubensfreiheit Gebrauch macht, sondern derjenige, der daran in einer Weise Anstoß nimmt, die mit den Geboten der Toleranz nicht vereinbar ist. Hierdurch ausgelöste Störungen geben Anlass, sich damit etwa im Unterricht mit dem Ziel, wechselseitiges Verständnis zu wecken, auseinanderzusetzen. Anderenfalls hätten es einzelne oder wenige Schüler in der Hand auch bei einem an sich offenen Klima in der Schule durch unduldsames Anstoßnehmen Störungen herbeizuführen, die dann zum Anlass einseitigen Einschreitens genommen werden.

55

Andererseits sind den Möglichkeiten der Schule Grenzen gesetzt, konkreten religiös motivierten Konflikten mit erzieherischen Mitteln zu begegnen. Das gilt namentlich in Fällen, in denen religiös geprägtes und umgekehrt betont religionsfernes Verhalten wechselseitig zu Auseinandersetzungen geführt und ein allgemeines Klima geschaffen haben, in dem das Aufgreifen einzelner Vorgänge angesichts des damit verbundenen Aufwands keinen Sinn mehr verspricht. Jedenfalls in einem solchen Fall setzt sich der übergeordnete Zweck der staatlichen Veranstaltung Schule durch, im Interesse des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule für alle Schüler einen geordneten Unterrichtsablauf sicherzustellen. Diesem eigentlichen Zweck der Schule sind alle Schüler verpflichtet. Der Einzelne muss um dieses Zweckes willen in einer solchen Lage auf ein an sich erlaubtes Verhalten verzichten, ohne dass es darauf ankommt, ob ihm der Vorwurf gemacht werden kann, gerade er störe schuldhaft den Schulfrieden.

56

Derartige Verhältnisse hat das Oberverwaltungsgericht für das D.-Gymnasium festgestellt und darauf aufbauend, den Sachverhalt dahin gewürdigt, angesichts der konkreten Verhältnisse an dieser Schule genügten erzieherische Mittel allein nicht, den erheblichen Konflikten ausreichend zu begegnen, die zu erwarten wären, wenn die streitige Verrichtung des Gebets zugelassen würde. Das Oberverwaltungsgericht hat insbesondere darauf hingewiesen, soweit die Schule überhaupt in der Lage gewesen sei, an Konflikten beteiligte Schüler zu einem Gespräch zusammenzubringen, seien diese Gespräche fruchtlos geblieben. An diese tatsächlichen Feststellungen ist der Senat wiederum gebunden.

57

Als ein milderes Mittel kommt grundsätzlich auch in Betracht, betwilligen Schülern einen Raum zuzuweisen, wo sie ihre Gebete unbeobachtet von anderen Schülern verrichten können. Zwar verleiht Art. 4 GG keinen Anspruch darauf, der Glaubensüberzeugung mit staatlicher Unterstützung Ausdruck zu verleihen (BVerfG, Beschluss vom 16. Mai 1995 - 1 BvR 1087/91 - BVerfGE 93, 1 <16>). Darum geht es in diesem Zusammenhang aber auch nicht. Der Kläger begehrt keine Leistung der Schule, auf die er keinen Anspruch hätte. Es geht nur darum, ob die Schule, bevor sie die Verrichtung des Gebets gänzlich unterbindet, im Rahmen des verhältnismäßigen Ausgleichs aus dem ohnehin Vorhandenen einen Raum anbieten kann, der für die Verrichtung des Gebets zur Verfügung steht. Sie muss hingegen nicht erst Räume für diesen Zweck schaffen. Der Kläger muss die Schule so hinnehmen, wie sie ist.

58

Jedoch hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, dass die Einrichtung eines speziellen Raums zur Verrichtung des Gebets die organisatorischen Möglichkeiten der Schule sprengen würde. An diese Feststellung ist der Senat gebunden. Danach liegen bereits fünf Anträge vor, am D.-Gymnasium Gebetsräume einzurichten. Das Oberverwaltungsgericht hat darauf hingewiesen, die Schule habe in der Vergangenheit schon einmal einen gemeinsamen Gebetsraum eingerichtet, der wieder habe geschlossen werden müssen, nachdem es zu verbalen Auseinandersetzungen zwischen Schülerinnen, die ein Kopftuch getragen hätten, und anderen, die dies nicht getan hätten, gekommen sei, und nachdem die Jungen es abgelehnt hätten, gemeinsam mit Mädchen zu beten. Hieran anknüpfend hat das Oberverwaltungsgericht den Sachverhalt dahin gewürdigt, es müssten umfangreiche Vorkehrungen für eine differenzierte räumliche Aufteilung getroffen und deren ungestörte Benutzung durch Aufsichtspersonal gewährleistet werden.

59

Die Einschränkung der Glaubensfreiheit erweist sich als angemessen. Sie steht nicht außer Verhältnis zu dem sie rechtfertigenden legitimen Zweck.

60

Allerdings wiegt die Einschränkung der Glaubensfreiheit des Klägers nicht leicht. Er unterliegt zwar nicht mehr der Schulpflicht. Um den angestrebten Schulabschluss zu erreichen, ist er jedoch gehalten, sich zu den Zeiten im Schulgebäude aufzuhalten, die von der Schule vorgegeben sind. Die Einschränkung des Grundrechts wiegt nicht deshalb leichter, weil das hier inmitten stehende Mittagsgebet nach Ablauf des dafür vorgesehenen Zeitraums nachgeholt werden könnte. Hierauf kann der Kläger nicht verwiesen werden. Er sieht die Einhaltung der vorgegebenen Zeitspanne als für sich verbindlich an. Dies lässt sich - wie dargelegt - dem Schutzbereich der Glaubensfreiheit hinreichend plausibel zuordnen.

61

Der mit der Einschränkung des Grundrechts verfolgte Zweck ist aber höher zu gewichten als die Beeinträchtigung der Glaubensfreiheit des Klägers. Der Wahrung des Schulfriedens kommt besonderes Gewicht zu. Dies gilt hier in besonderem Maße, weil durch die Verrichtung des Gebets eine bereits bestehende hinreichende Wahrscheinlichkeit der Störung des Schulfriedens aufgrund religiöser Konflikte erhöht würde und deshalb eine besonders intensive Gefahrenlage für den Schulfrieden zu besorgen wäre. Bei einer solchen Fallgestaltung muss die Religionsausübung des Klägers hinter die Wahrung des ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Schulfriedens zurücktreten.

62

ff) Die Einschränkung der Glaubensfreiheit des Klägers kann auf eine ausreichende gesetzliche Grundlage zurückgeführt werden. Wie bereits dargelegt, ist nach der Auslegung des irrevisiblen Landesrechts durch das Oberverwaltungsgericht die Verrichtung des Gebets auf dem Flur des Schulgebäudes nach § 46 Abs. 2 Satz 3 SchulG in Verbindung mit Nr. II. 16 der Schulordnung des D.-Gymnasiums nicht zulässig. Obwohl § 46 Abs. 2 Satz 3 SchulG als Generalklausel die Einschränkung der Religionsausübung nicht speziell anspricht und Nr. II. 16 der Schulordnung nicht vom parlamentarischen Gesetzgeber verantwortet ist, reichen diese Bestimmungen als Grundlage für eine Einschränkung der Glaubensfreiheit aus, soweit es nicht um die Konkretisierung des Gebots staatlicher Neutralität mit Blick auf abstrakt mögliche Gefährdungen des Schulfriedens, sondern - wie hier - um die Abwehr konkreter Gefahren für dieses Schutzgut geht (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <303>).

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Untersagungsverfügung, mit der ihr die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung von Sportwetten verboten wurde.

2

In der G.straße ... in M. und in drei weiteren Betriebsstätten im Stadtgebiet der Beklagten vermittelte die Klägerin Sportwetten an die I. in G., die über eine dort erteilte Lizenz zur Veranstaltung von Sportwetten verfügte. Die Beklagte untersagte der Klägerin nach vorheriger Anhörung mit Verfügung vom 18. Juni 2008 die Veranstaltung, Vermittlung und Durchführung von Sportwetten sowie die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten im Internet für jede Betriebsstätte in M. Sie gab der Klägerin auf, den Betrieb mit Ablauf des 19. Juni 2008 einzustellen, und drohte ihr ein Zwangsgeld in Höhe von 25 000 € an. Die Untersagung stützte sie auf § 9 Abs. 1 Satz 2 und 3 i.V.m. § 4 Abs. 1, 2 und 4 des Glücksspielstaatsvertrages in der seinerzeit geltenden Fassung (GlüStV). Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, das Wettangebot der Klägerin erfülle den Straftatbestand unerlaubten Glücksspiels gemäß § 284 Abs. 1 des Strafgesetzbuches (StGB). Eine Erlaubnis könne wegen des staatlichen Wettmonopols nach § 10 Abs. 2 und 5 GlüStV nicht erteilt werden. Bei sachgerechter Ermessensausübung komme keine andere Entscheidung als eine Untersagung in Betracht. Diese sei auch verhältnismäßig.

3

Am 23. Juni 2008 hat die Klägerin vor dem Verwaltungsgericht München Klage erhoben und um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Wenige Tage später wurde bei einer Polizeikontrolle in der G.straße ... die Vermittlung von Sportwetten der I. festgestellt. Daraufhin stellte die Beklagte das Zwangsgeld fällig und verfügte die Anwendung unmittelbaren Zwangs. Am 26. Juni 2008 wurde das Wettbüro der Klägerin polizeilich geschlossen und versiegelt. Dagegen erhob die Klägerin - in einem anderen Verfahren - ebenfalls Klage und bat um vorläufigen Rechtsschutz.

4

Das Verwaltungsgericht München lehnte mit Beschluss vom 3. Juli 2008 den Eilantrag betreffend die Untersagungsverfügung und die Zwangsgeldandrohung ab. Mit weiterem Beschluss vom 7. Juli 2008 ordnete es die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Anordnung unmittelbaren Zwangs unter der Auflage an, dass in der G.straße ... keine unerlaubte Sportwettenvermittlung mehr durchgeführt werde. Die Beklagte setzte das fällig gestellte Zwangsgeld vom Soll ab und hob die Versiegelung auf. Das Eilverfahren wurde nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen eingestellt; der Klage gegen die Anordnung unmittelbaren Zwangs wurde im Januar 2009 stattgegeben.

5

Die Klage gegen die Untersagungsverfügung und die Zwangsgeldandrohung hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 27. Januar 2009 abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin ihr Klagebegehren für die Zeit bis zur Berufungsentscheidung auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellt und an der Anfechtung nur für den anschließenden Zeitraum festgehalten. Sie meint, ihr Feststellungsinteresse für die Vergangenheit ergebe sich aus der Versiegelung ihrer Betriebsstätte in der Zeit vom 26. Juni bis zum 8. Juli 2008 sowie aus der Absicht, unionsrechtliche Staatshaftungsansprüche geltend zu machen. Darüber hinaus bestehe eine Wiederholungsgefahr und - wegen des Vorwurfes strafrechtswidrigen Verhaltens - ein Rehabilitierungsinteresse. Die Beklagte hat in ihrer Berufungserwiderung die Auffassung vertreten, die formelle Illegalität der Vermittlung rechtfertige die Untersagung auch unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Monopols. Mit Bezug darauf hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2010 die Ermessenserwägungen des angegriffenen Bescheides ausdrücklich um Ausführungen zur - nach ihrer Ansicht fehlenden - materiellen Erlaubnisfähigkeit der Veranstaltung und Vermittlung der Sportwetten ergänzt.

6

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 12. Januar 2012 das erstinstanzliche Urteil geändert, den angefochtenen Bescheid vom 18. Juni 2008 aufgehoben und dessen Rechtswidrigkeit im Zeitraum bis zur Berufungsentscheidung festgestellt. Die in die Zukunft gerichtete, zulässige Anfechtungsklage sei begründet, weil die Untersagungsverfügung ermessensfehlerhaft sei. Sie stütze sich maßgeblich auf das staatliche Sportwettenmonopol, das seinerseits gegen Unionsrecht verstoße. Es schränke die Dienstleistungsfreiheit unverhältnismäßig ein, da es nicht den Anforderungen der Geeignetheit und dem daraus abzuleitenden Erfordernis der Kohärenz entspreche. Dass es irgendeinen Beitrag zur Verwirklichung der mit dem Monopol verfolgten Ziele leiste, reiche nicht aus. Zu fordern sei vielmehr ein glücksspielsektorenübergreifender, konzeptionell und inhaltlich aufeinander bezogener, systematischer Regelungszusammenhang, mit dem diese Ziele konsequent verfolgt würden. Daran fehle es im maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsentscheidung schon wegen der gegenläufigen Regelung des gewerblichen Automatenspiels. Die Expansionspolitik in diesem Bereich führe dazu, dass die Monopolziele der Suchtbekämpfung und des Spielerschutzes nicht mehr wirksam verfolgt werden könnten. Auf Interdependenzen zwischen den beiden Glücksspielsektoren komme es dabei nicht an. Bei einem derartig widersprüchlichen Regelungs- und Schutzkonzept sei nicht nur die Geeignetheit der Beschränkung in einem Teilsegment, sondern ihre Verhältnismäßigkeit insgesamt in den Blick zu nehmen.

7

Die Untersagungsverfügung könne auch nicht mit dem Hinweis auf die formelle Illegalität und die fehlende materielle Erlaubnisfähigkeit der Wettvermittlung aufrechterhalten werden. Eine vollständige Untersagung sei nur bei fehlender Erlaubnisfähigkeit gerechtfertigt. Außerdem stehe § 114 Satz 2 VwGO einer Berücksichtigung der nachgeschobenen Ermessenserwägungen entgegen. Diesen sei auch kein Neuerlass der Untersagungsverfügung unter konkludenter Rücknahme des Ausgangsbescheides zu entnehmen. Wegen der Rechtswidrigkeit der Untersagung könne die Zwangsgeldandrohung ebenfalls keinen Bestand haben.

8

Der Antrag, die Rechtswidrigkeit der Untersagung für die Vergangenheit festzustellen, sei zulässig und begründet. Ein berechtigtes Interesse der Klägerin an dieser Feststellung bestehe jedenfalls in Gestalt eines Rehabilitierungsinteresses. Dieses ergebe sich schon aus dem Vorwurf objektiv strafbaren Verhaltens. Im Übrigen sei ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse auch wegen des tiefgreifenden Eingriffs in die Berufsfreiheit zu bejahen, da andernfalls effektiver Rechtsschutz nicht gewährleistet sei. Auf das Vorliegen eines Präjudizinteresses komme es danach nicht an. Die Begründetheit des Fortsetzungsfeststellungsantrags ergebe sich aus den Urteilserwägungen zur Anfechtungsklage.

9

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision macht die Beteiligte geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe zu Unrecht ein berechtigtes Feststellungsinteresse der Klägerin bejaht. Ein Rehabilitierungsinteresse scheide aus, da die Klägerin sich als juristische Person nicht strafbar machen könne. Die Untersagungsverfügung bewirke auch keinen tiefgreifenden Grundrechtseingriff, sondern erschöpfe sich in einer Berufsausübungsregelung. Materiell-rechtlich wende das Berufungsgericht das unionsrechtliche Kohärenzerfordernis unzutreffend an. Unabhängig davon werde die Untersagung auch von den nachgeschobenen Gründen getragen. Außerdem macht die Beteiligte Verfahrensmängel geltend.

10

Mit Schriftsatz vom 15. November 2012 hat die Beklagte erklärt, aus der angefochtenen Untersagungsverfügung ab dem 1. Juli 2012 keine Rechte mehr herzuleiten. Daraufhin haben die Hauptbeteiligten den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt.

11

Die Beteiligte beantragt,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. Januar 2012 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 27. Januar 2009 zurückzuweisen, soweit der Rechtsstreit noch nicht - in Bezug auf die Zeit seit dem 1. Juli 2012 - in der Hauptsache erledigt ist, sowie der Klägerin die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens insgesamt aufzuerlegen.

12

Die Beklagte schließt sich dem Revisionsvorbringen der Beteiligten an, ohne einen eigenen Antrag zu stellen.

13

Die Klägerin beantragt,

die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass anstelle der Aufhebung der Untersagungsverfügung deren Rechtswidrigkeit - auch - in der Zeit von der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs bis zum 30. Juni 2012 festgestellt wird, sowie die Kosten des Revisionsverfahrens insgesamt dem Freistaat Bayern aufzuerlegen.

14

Sie verteidigt das angegriffene Urteil und meint, ein ideelles Feststellungsinteresse ergebe sich auch aus dem tiefgreifenden Eingriff in unionsrechtliche Grundfreiheiten in Verbindung mit der Garantie eines wirksamen Rechtsbehelfs nach Art. 47 Abs. 1 der Grundrechtecharta der Europäischen Union (GRC). Dazu regt die Klägerin eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union an. Für die von ihr formulierte Vorlagefrage wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift verwiesen. Ferner macht die Klägerin ein Präjudizinteresse wegen unionsrechtlicher Staatshaftungsansprüche geltend. Die formelle Illegalität ihrer Tätigkeit könne ihr nicht entgegengehalten werden, weil ihr die Erlaubnis zur Vermittlung an private Wettanbieter unionsrechtswidrig vorenthalten worden sei. Ein Verneinen des Feststellungsinteresses entwerte ihren prozessualen Aufwand und bringe sie um die Früchte des mehr als vierjährigen Verfahrens. Materiell-rechtlich hält die Klägerin den Erlaubnisvorbehalt nach § 4 Abs. 1 GlüStV für unionsrechtswidrig und die Monopolregelung für inkohärent.

Entscheidungsgründe

15

Soweit die Hauptbeteiligten den Rechtsstreit mit Schriftsätzen vom 15. und 23. November 2012 übereinstimmend - bezüglich der Zeit seit dem 1. Juli 2012 - für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Einer Zustimmung des am Verfahren beteiligten Vertreters des öffentlichen Interesses bedurfte es nicht. Im Umfang der Teilerledigung sind das erstinstanzliche und das Berufungsurteil wirkungslos geworden.

16

Im Übrigen - soweit die Klägerin begehrt, die Rechtswidrigkeit der Untersagung bis zur Entscheidung des Berufungsgerichts und darüber hinaus bis zum 30. Juni 2012 festzustellen - ist die zulässige Revision begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs verletzt revisibles Recht, weil es unzutreffend annimmt, die Klägerin habe gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit für den bereits abgelaufenen Zeitraum. Das Urteil beruht auch auf dieser Rechtsverletzung und erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 137 Abs. 1, § 144 Abs. 4 VwGO). Bei zutreffender Rechtsanwendung hätte es die Fortsetzungsfeststellungsklage für unzulässig halten müssen. Dies führt zur Änderung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen - klagabweisenden - Urteils. Dem steht nicht entgegen, dass der Klagantrag umgestellt wurde.

17

1. In Bezug auf den noch verfahrensgegenständlichen, bereits abgelaufenen Zeitraum bis zum 30. Juni 2012 kann die Untersagungsverfügung nur mit der Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO angegriffen werden.

18

a) Zu Recht hat der Verwaltungsgerichtshof den entsprechenden Antrag der Klägerin für die Zeit bis zur Berufungsentscheidung für statthaft gehalten, da die Untersagung sich als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung grundsätzlich fortlaufend für den jeweils abgelaufenen Zeitraum erledigt. Ein Verbot wird durch Zeitablauf gegenstandslos, weil es nicht rückwirkend befolgt oder durchgesetzt werden kann. Maßnahmen zur Vollstreckung der Untersagung schließen eine Erledigung nur aus, wenn sie bei Aufhebung der Grundverfügung noch rückgängig zu machen sind. Das ist bei der Schließung der Betriebsstätte durch unmittelbaren Zwang vom 26. Juni bis zum 8. Juli 2008 nicht der Fall.

19

b) Für den Zeitraum von der Berufungsentscheidung bis zum Ablauf der Wirkung der Untersagung infolge ihrer nachträglichen Befristung zum 30. Juni 2012 hat die Klägerin ihr Anfechtungsbegehren im Revisionsverfahren zulässig auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellt. Das Verbot der Klageänderung gemäß § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO steht nur einer Änderung des Streitgegenstandes entgegen. Es schließt jedoch nicht aus, von der Anfechtung eines Verwaltungsakts zu einem Fortsetzungsfeststellungsantrag überzugehen. Dieser Antrag ist für die Zeit bis zum 30. Juni 2012 auch statthaft, da sich die angegriffene Untersagung bis zu diesem Tag weiter fortlaufend und mit seinem Ablauf endgültig erledigt hat. Vorher ist keine endgültige Erledigung eingetreten, weil die Klägerin ihre Betriebsstätte nach der vorübergehenden polizeilichen Schließung wieder zur Vermittlung von Pferdewetten nutzte und auch die Vermittlung von Sportwetten dort jederzeit hätte wieder aufnehmen können.

20

2. Zulässig ist die statthafte Fortsetzungsfeststellungsklage allerdings nur, wenn die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts hat. Ein solches Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein. Entscheidend ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position der Klägerin in den genannten Bereichen zu verbessern (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 4. März 1976 - BVerwG 1 WB 54.74 - BVerwGE 53, 134 <137> und vom 24. Oktober 2006 - BVerwG 6 B 61.06 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 24 Rn. 3). Als Sachentscheidungsvoraussetzung muss das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen. Danach kommt es hier auf den Schluss der mündlichen Verhandlung in der Revisionsinstanz an.

21

a) Für diesen Zeitpunkt lässt sich ein berechtigtes Feststellungsinteresse nicht mit einer Wiederholungsgefahr begründen. Dazu ist nicht nur die konkrete Gefahr erforderlich, dass künftig ein vergleichbarer Verwaltungsakt erlassen wird. Darüber hinaus müssen die für die Beurteilung maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände im Wesentlichen unverändert geblieben sein (Urteil vom 12. Oktober 2006 - BVerwG 4 C 12.04 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 23 Rn. 8 m.w.N.). Daran fehlt es hier. Die für die Beurteilung einer glücksspielrechtlichen Untersagung maßgeblichen rechtlichen Umstände haben sich mit dem Inkrafttreten des Ersten Staatsvertrages zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 15. Dezember 2011 (BayGVBl 2012 S. 318) und dessen landesrechtlicher Umsetzung in Bayern zum 1. Juli 2012 gemäß §§ 1 und 4 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland und anderer Rechtsvorschriften vom 25. Juni 2012 (BayGVBl S. 270) grundlegend geändert. Dem steht nicht entgegen, dass der allgemeine Erlaubnisvorbehalt für die Veranstaltung und Vermittlung öffentlichen Glücksspiels nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV und die Ermächtigung zur Untersagung der unerlaubten Veranstaltung und Vermittlung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV fortgelten. Für die rechtliche Beurteilung einer Untersagung kommt es auch auf die Verhältnismäßigkeit des mit ihr durchgesetzten Erlaubnisvorbehalts sowie des Verbots selbst und damit auf Fragen der materiellen Erlaubnisfähigkeit des untersagten Verhaltens an (vgl. Urteil vom 1. Juni 2011 - BVerwG 8 C 2.10 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 276 Rn. 55; dazu näher unten Rn. 54 f.). Insoweit ergeben sich aus den in Bayern zum 1. Juli 2012 in Kraft getretenen, § 4 GlüStV ergänzenden Spezialregelungen betreffend die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten erhebliche Unterschiede zur früheren, bis zum 30. Juni 2012 geltenden Rechtslage. Nach § 10a Abs. 1 und 2 i.V.m. §§ 4a ff. GlüStV wird das staatliche Sportwettenmonopol - zunächst für eine Experimentierphase von sieben Jahren - durch ein Konzessionssystem ersetzt. Gemäß § 10a Abs. 3 GlüStV können bundesweit bis zu 20 Wettunternehmen eine Veranstalterkonzession erhalten. Für die Konzessionäre wird das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV, von dem ohnehin nach Absatz 5 der Vorschrift dispensiert werden darf, nach Maßgabe des § 10a Abs. 4 Satz 1 und 2 GlüStV gelockert. Die Vermittlung konzessionierter Angebote bleibt nach § 10a Abs. 5 Satz 2 GlüStV i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV erlaubnispflichtig. Die Anforderungen an die gewerbliche Spielvermittlung werden aber in § 19 i.V.m. §§ 5 bis 8 GlüStV in wesentlichen Punkten neu geregelt. So wurden die Werbebeschränkungen des § 5 GlüStV deutlich zurückgenommen (dazu im Einzelnen Beschluss vom 17. Oktober 2012 - BVerwG 8 B 47.12 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 208 Rn. 6). Andererseits enthält § 7 Abs. 1 Satz 2 GlüStV eine weitgehende Konkretisierung der zuvor nur allgemein statuierten Aufklärungspflichten. Außerdem bindet § 8 Abs. 6 GlüStV erstmals auch die Vermittler in das übergreifende Sperrsystem nach § 23 GlüStV ein. Insgesamt schließen die erheblichen Änderungen der für die materiell-rechtliche Beurteilung der Untersagung erheblichen Vorschriften es aus, von einer im Wesentlichen gleichen Rechtslage auszugehen.

22

Aus der Befristung der experimentellen Konzessionsregelung lässt sich keine konkrete Wiederholungsgefahr herleiten. Ob der Gesetzgeber das Konzessionssystem und dessen materiell-rechtliche Ausgestaltung nach Ablauf der siebenjährigen Experimentierphase auf der Grundlage der inzwischen gewonnenen Erfahrungen fortschreiben, modifizieren oder aufgeben wird, ist ungewiss. Eine Rückkehr zur alten Rechtslage ist jedenfalls nicht abzusehen.

23

b) Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist auch nicht wegen eines Rehabilitierungsinteresses der Klägerin zu bejahen. Die gegenteilige Auffassung der Vorinstanz beruht auf der Annahme, ein solches Interesse bestehe schon wegen des Vorwurfs objektiver Strafbarkeit des untersagten Verhaltens. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

24

Allerdings fehlt ein Rehabilitierungsinteresse nicht etwa deshalb, weil die Klägerin sich als juristische Person nicht strafbar machen kann. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob der Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG sich nach Art. 19 Abs. 3 GG insgesamt auf juristische Personen erstreckt. Sie können jedenfalls Ausprägungen dieses Rechts geltend machen, die nicht an die charakterliche Individualität und die Entfaltung der natürlichen Person anknüpfen, sondern wie das Recht am eigenen Wort oder das Recht auf Achtung des sozialen Geltungsanspruchs und auf Abwehr von Rufschädigungen auch Personengesamtheiten und juristischen Personen zustehen können (BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96, 805/98 - BVerfGE 106, 28 <42 ff.>; BGH, Urteil vom 3. Juni 1986 - VI ZR 102/85 - BGHZ 98, 94 <97>). Die bloße Einschätzung eines Verhaltens als objektiv strafbar hat aber keinen den Betroffenen diskriminierenden Charakter und kann deshalb noch kein Rehabilitierungsinteresse auslösen.

25

Ein berechtigtes ideelles Interesse an einer Rehabilitierung besteht nur, wenn sich aus der angegriffenen Maßnahme eine Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen. Diese Stigmatisierung muss Außenwirkung erlangt haben und noch in der Gegenwart andauern (Beschlüsse vom 4. März 1976 a.a.O. S. 138 f. und vom 4. Oktober 2006 - BVerwG 6 B 64.06 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 36 S. 4 f.). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. In der Feststellung objektiver Strafbarkeit des untersagten Verhaltens liegt noch keine Stigmatisierung. Vielmehr erschöpft sie sich in der Aussage, die unerlaubte Veranstaltung und Vermittlung der Sportwetten erfülle den objektiven Tatbestand des § 284 Abs. 1 StGB und rechtfertige deshalb ein ordnungsbehördliches Einschreiten. Damit enthält sie kein ethisches Unwerturteil, das geeignet wäre, das soziale Ansehen des Betroffenen herabzusetzen. Diese Schwelle wird erst mit dem konkreten, personenbezogenen Vorwurf eines schuldhaft-kriminellen Verhaltens überschritten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 1952 - 1 BvR 197/53 - BVerfGE 9, 167 <171> und Urteil vom 6. Juni 1967 - 2 BvR 375, 53/60 und 18/65 - BVerfGE 22, 49 <79 f.>).

26

Einen solchen Vorwurf hat die Beklagte nach der revisionsrechtlich fehlerfreien Auslegung der Untersagungsverfügung durch die Vorinstanz hier nicht erhoben. Vielmehr bleibt offen, ob angesichts der umstrittenen und seinerzeit ungeklärten Rechtslage ein Entschuldigungsgrund in Gestalt eines unvermeidbaren Verbotsirrtums vorlag (vgl. BGH, Urteil vom 16. August 2007 - 4 StR 62/07 - NJW 2007, 3078 zur Rechtslage unter dem Lotteriestaatsvertrag). Die Einschätzung, die untersagte Tätigkeit sei objektiv strafbar, hat überdies keine Außenwirkung erlangt. Der Bescheid ist nur an die Klägerin gerichtet. Eine Weitergabe an Dritte ist weder substantiiert vorgetragen worden noch aus den Akten zu ersehen.

27

Der vorübergehenden polizeilichen Schließung des Wettlokals kam zwar Außenwirkung zu, sie hatte jedoch keinen diskriminierenden Charakter. Aus dem Vollzug einer Verwaltungsmaßnahme lässt sich nur ableiten, dass dem Betroffenen ein Verstoß gegen verwaltungsrechtliche Vorschriften und Anordnungen vorgeworfen wird. Ein solcher Vorwurf bewirkt jedoch im Gegensatz zum Vorwurf schuldhafter Verletzung von Strafgesetzen keine Stigmatisierung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 1952 a.a.O.). Sie ergibt sich hier auch nicht aus der Art und Weise der Schließung des Lokals.

28

Nachteilige Auswirkungen der Untersagung in künftigen Verwaltungsverfahren - etwa zur Erlaubniserteilung nach aktuellem Recht - sind nach der im Termin zur mündlichen Verhandlung zu Protokoll gegebenen Erklärung des Vertreters des Freistaates Bayern ebenfalls nicht zu besorgen. Danach werden Monopolverstöße dort zukünftig nicht als Anhaltspunkt für eine Unzuverlässigkeit von Konzessionsbewerbern oder Bewerbern um eine Vermittlungserlaubnis gewertet.

29

c) Entgegen dem angegriffenen Urteil lässt sich ein berechtigtes Feststellungsinteresse nicht mit dem Vorliegen eines tiefgreifenden Eingriffs in die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG begründen. Die Annahme des Berufungsgerichts, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO müsse wegen der Garantie effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG in diesem Sinne ausgelegt werden, trifft nicht zu. Eine Ausweitung des Tatbestandsmerkmals des berechtigten Feststellungsinteresses über die einfach-rechtlich konkretisierten Fallgruppen des berechtigten rechtlichen, ideellen oder wirtschaftlichen Interesses (aa) hinaus verlangt Art. 19 Abs. 4 GG nur bei Eingriffsakten, die sonst wegen ihrer typischerweise kurzfristigen Erledigung regelmäßig keiner gerichtlichen Überprüfung in einem Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten (bb). Eine weitere Ausdehnung des Anwendungsbereichs, die ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse allein wegen der Schwere des erledigten Eingriffs in Grundrechte oder Grundfreiheiten annimmt, ist auch aus Art. 47 GRC in Verbindung mit dem unionsrechtlichen Effektivitätsgebot nicht herzuleiten (cc).

30

aa) Aus dem Wortlaut des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO und dem systematischen Zusammenhang mit § 42 VwGO ergibt sich, dass die Verwaltungsgerichte nur ausnahmsweise für die Überprüfung erledigter Verwaltungsakte in Anspruch genommen werden können. Nach dem Wegfall der mit dem Verwaltungsakt verbundenen Beschwer wird gerichtlicher Rechtsschutz grundsätzlich nur zur Verfügung gestellt, wenn der Kläger ein berechtigtes rechtliches, wirtschaftliches oder ideelles Interesse an einer nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der erledigten Maßnahme hat (dazu oben Rn. 20). Das berechtigte Feststellungsinteresse geht in all diesen Fällen über das bloße Interesse an der Klärung der Rechtswidrigkeit der Verfügung hinaus. Dies gilt unabhängig von der Intensität des erledigten Eingriffs und vom Rang der Rechte, die von ihm betroffen waren.

31

bb) Die Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG differenziert ebenfalls nicht nach diesen beiden Kriterien. Sie gilt auch für einfach-rechtliche Rechtsverletzungen, die - von der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG abgesehen - kein Grundrecht tangieren, und für weniger schwerwiegende Eingriffe in Grundrechte und Grundfreiheiten. Umgekehrt gebietet die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG selbst bei tiefgreifenden Eingriffen in solche Rechte nicht, ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse anzunehmen, wenn dies nicht erforderlich ist, die Effektivität des Rechtsschutzes zu sichern.

32

Effektiver Rechtsschutz verlangt, dass der Betroffene ihn belastende Eingriffsmaßnahmen in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren überprüfen lassen kann. Solange er durch den Verwaltungsakt beschwert ist, stehen ihm die Anfechtungs- und die Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO zur Verfügung. Erledigt sich der Verwaltungsakt durch Wegfall der Beschwer, wird nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO Rechtsschutz gewährt, wenn der Betroffene daran ein berechtigtes rechtliches, ideelles oder wirtschaftliches Interesse hat. In den übrigen Fällen, in denen sein Anliegen sich in der bloßen Klärung der Rechtmäßigkeit des erledigten Verwaltungsakts erschöpft, ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nach Art. 19 Abs. 4 GG zu bejahen, wenn andernfalls kein wirksamer Rechtsschutz gegen solche Eingriffe zu erlangen wäre. Davon ist nur bei Maßnahmen auszugehen, die sich typischerweise so kurzfristig erledigen, dass sie ohne die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses regelmäßig keiner Überprüfung im gerichtlichen Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten. Maßgebend ist dabei, ob die kurzfristige, eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage ausschließende Erledigung sich aus der Eigenart des Verwaltungsakts selbst ergibt (BVerfG, Beschlüsse vom 5. Dezember 2001 - 2 BvR 527/99, 1337/00, 1777/00 - BVerfGE 104, 220 <232 f.> und vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77 <86> m.w.N).

33

Glücksspielrechtliche Untersagungsverfügungen nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV zählen nicht zu den Verwaltungsakten, die sich in diesem Sinne typischerweise kurzfristig erledigen. Vielmehr sind sie als Verwaltungsakte mit Dauerwirkung (Urteil vom 1. Juni 2011 - BVerwG 8 C 2.10 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 276 Rn. 19 m.w.N.) gerade auf langfristige Geltung angelegt. Dass sie sich regelmäßig fortlaufend für den bereits zurückliegenden Zeitraum erledigen, lässt ihre gegenwärtige, sich täglich neu aktualisierende Wirksamkeit und damit auch ihre Anfechtbarkeit und Überprüfbarkeit im Hauptsacheverfahren unberührt (vgl. Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Januar 2012, § 113 Rn. 85 a.E.). Änderungen der Rechtslage führen ebenfalls nicht zur Erledigung. Vielmehr ist die Untersagung anhand der jeweils aktuellen Rechtslage zu prüfen. Dass ihre Anfechtung sich regelmäßig nur auf eine Aufhebung des Verbots mit Wirkung ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung richten kann, stellt keine Rechtsschutzbeschränkung dar. Vielmehr trägt dies dem Umstand Rechnung, dass das Verbot in der Vergangenheit keine Regelungswirkung mehr entfaltet, die aufgehoben werden könnte. Im Ausnahmefall, etwa bei einer noch rückgängig zu machenden Vollziehung der Untersagung, bleibt diese wegen ihrer Titelfunktion als Rechtsgrund der Vollziehung rückwirkend anfechtbar (Beschluss vom 25. September 2008 - BVerwG 7 C 5.08 - Buchholz 345 § 6 VwVG Nr. 1 Rn. 13; zur Vollzugsfolgenbeseitigung vgl. Urteil vom 14. März 2006 - BVerwG 1 C 11.05 - BVerwGE 125, 110 = Buchholz 402.242 § 63 AufenthG Nr. 2 Rn. 17).

34

Dass eine untypisch frühzeitige Erledigung im Einzelfall einer streitigen Hauptsacheentscheidung zuvorkommen kann, berührt Art. 19 Abs. 4 GG nicht. Die Rechtsweggarantie verbietet zwar, gesetzliche Zulässigkeitsanforderungen so auszulegen, dass ein gesetzlich eröffneter Rechtsbehelf leerläuft, weil das weitere Beschreiten des Rechtswegs unzumutbar und ohne sachliche Rechtfertigung erschwert wird (BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 2010 - 2 BvR 1023/08 - NJW 2011, 137 m.w.N.). Einen solchen Leerlauf hat die dargestellte Konkretisierung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses aber nicht zur Folge. Ihre sachliche Rechtfertigung und die Zumutbarkeit ihrer prozessualen Konsequenzen ergeben sich daraus, dass eine großzügigere Handhabung dem Kläger mangels berechtigten rechtlichen, ideellen oder wirtschaftlichen Interesses keinen relevanten Vorteil bringen könnte und auch nicht dazu erforderlich ist, maßnahmenspezifische Rechtsschutzlücken zu vermeiden.

35

Entgegen der Auffassung der Klägerin wird deren prozessualer Aufwand mit der endgültigen Erledigung des Verfahrens, wenn kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen ist, auch nicht entwertet. Das ursprüngliche Klageziel, die Beseitigung der Untersagung, wird infolge der zur Erledigung führenden Befristung durch das Unwirksamwerden der Verbotsverfügung mit Fristablauf erreicht. Das prozessuale Vorbringen zur Zulässigkeit und Begründetheit der Klage im Zeitpunkt der Erledigung kann sich bei der Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO zugunsten der Klägerin auswirken. Eine Hauptsacheentscheidung in jedem Einzelfall oder gar ein vollständiger Instanzenzug wird durch Art. 19 Abs. 4 GG nicht gewährleistet.

36

cc) Aus der Garantie eines wirksamen Rechtsbehelfs im Sinne des Art. 47 GRC ergibt sich keine Verpflichtung, das Merkmal des berechtigten Interesses nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO weiter auszulegen.

37

Allerdings ist nach der unionsgerichtlichen Rechtsprechung davon auszugehen, dass der sachliche Anwendungsbereich der Grundrechtecharta nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC eröffnet ist, weil die Klägerin Rechtsschutz wegen einer Beschränkung ihrer Dienstleistungsfreiheit begehrt. Zur mitgliedstaatlichen Durchführung des Unionsrechts im Sinne der Vorschrift rechnet der Gerichtshof nicht nur Umsetzungsakte im Sinne eines unionsrechtlich - zumindest teilweise - determinierten Vollzugs, sondern auch mitgliedstaatliche Eingriffe in Grundfreiheiten nach Maßgabe der allgemeinen unionsrechtlichen Schrankenvorbehalte. An dieser Rechtsprechung, die vor Inkrafttreten der Charta zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs unionsrechtlicher Grundrechte als allgemeiner Grundsätze des Unionsrechts entwickelt wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 18. Juni 1991 - Rs. C-260/89, ERT - Slg. 1991 I-2951 ), hält der Gerichtshof weiterhin fest. Er geht von einer mitgliedstaatlichen Bindung an die Unionsgrundrechte im gesamten Anwendungsbereich des Unionsrechts aus und verweist dazu auf die Erläuterungen zu Art. 51 GRC, die nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 EUV, Art. 52 Abs. 7 GRC bei der Auslegung der Charta zu berücksichtigen sind (EuGH, Urteil vom 26. Februar 2013 - Rs. C-617/10, Akerberg Fransson - EuZW 2013, 302 ). Wie diese Abgrenzungsformel im Einzelnen zu verstehen ist, inwieweit bei ihrer Konkretisierung grammatische und entstehungsgeschichtliche Anhaltspunkte für eine bewusste Begrenzung des Anwendungsbereichs durch Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC maßgeblich und welche Folgerungen aus kompetenzrechtlichen Grenzen zu ziehen sind (vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 24. April 2013 - 1 BvR 1215/07 - NJW 2013, 1499 Rn. 88 und 90; zur Entstehungsgeschichte Borowsky, in: Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Aufl. 2011, S. 643 ff.), bedarf hier keiner Klärung. Geht man von der Anwendbarkeit des Art. 47 GRC aus, ist dieser jedenfalls nicht verletzt.

38

Mit der Verpflichtung, einen wirksamen Rechtsbehelf gegen Rechtsverletzungen zur Verfügung zu stellen, konkretisiert Art. 47 Abs. 1 GRC den allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatz effektiven Rechtsschutzes (dazu vgl. EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2010 - Rs. C-279/09, DEB - EuZW 2011, 137 und Beschluss vom 13. Juni 2012 - Rs. C-156/12, GREP - juris ). Er hindert den mitgliedstaatlichen Gesetzgeber aber nicht, für die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs ein qualifiziertes Interesse des Klägers zu fordern und diese Anforderung im Sinne der soeben unter aa) und bb) (Rn. 30 und 31 ff.) dargelegten Kriterien zu konkretisieren.

39

Wie sich aus den einschlägigen unionsgerichtlichen Entscheidungen ergibt, bleibt es grundsätzlich den Mitgliedstaaten überlassen, im Rahmen der Ausgestaltung ihres Prozessrechts die Klagebefugnis und das Rechtsschutzinteresse des Einzelnen zu normieren. Begrenzt wird das mitgliedstaatliche Ermessen bei der Regelung solcher Zulässigkeitsvoraussetzungen durch das unionsrechtliche Äquivalenzprinzip, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Effektivitätsgebot (EuGH, Urteile vom 11. Juli 1991 - Rs. C-87/90 u.a., Verholen u.a. ./. Sociale Verzekeringsbank - Slg. 1991 I-3783 und vom 16. Juli 2009 - Rs. C-12/08, Mono Car Styling ./. Dervis Odemis u.a. - Slg. 2009 I-6653 ; Beschluss vom 13. Juni 2012 a.a.O. ).

40

Das Äquivalenzprinzip verlangt eine Gleichwertigkeit der prozessrechtlichen Bedingungen für die Durchsetzung von Unionsrecht und mitgliedstaatlichem Recht (EuGH, Urteil vom 13. März 2007 - Rs. C-432/05, Unibet ./. Justitiekansler - Slg. 2005 I-2301 ). Es ist hier nicht betroffen, weil die dargelegte verfassungskonforme Konkretisierung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nicht danach unterscheidet, ob eine Verletzung von Unions- oder mitgliedstaatlichem Recht geltend gemacht wird.

41

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verbietet eine Zulässigkeitsregelung, die das Recht auf Zugang zum Gericht in seinem Wesensgehalt selbst beeinträchtigt, ohne einem unionsrechtlich legitimen Zweck zu dienen und im Verhältnis dazu angemessen zu sein (EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2010 a.a.O. und Beschluss vom 13. Juni 2012 a.a.O. ). Hier fehlt schon eine den Wesensgehalt des Rechts selbst beeinträchtigende Rechtswegbeschränkung. Sie liegt vor, wenn dem Betroffenen der Zugang zum Gericht trotz einer Belastung durch die beanstandete Maßnahme verwehrt wird, weil die fragliche Regelung für den Zugang zum Recht ein unüberwindliches Hindernis aufrichtet (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2010 a.a.O. ; Beschluss vom 13. Juni 2012 a.a.O. ). Danach kommt es - nicht anders als nach der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 19 Abs. 4 GG - maßgeblich darauf an, dass der Betroffene eine ihn belastende Eingriffsmaßnahme gerichtlich überprüfen lassen kann. Das war hier gewährleistet, da die Untersagungsverfügung bis zu ihrer endgültigen Erledigung angefochten werden konnte und § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO eine Fortsetzungsfeststellung ermöglichte, soweit diese noch zur Abwendung fortwirkender Nachteile von Nutzen sein konnte. Dass die Vorschrift keinen darüber hinausgehenden Anspruch auf eine Fortsetzung des Prozesses nur zum Zweck nachträglicher Rechtsklärung vorsieht, widerspricht nicht dem Wesensgehalt der Garantie eines wirksamen Rechtsbehelfs. Unabhängig davon wäre selbst eine Beeinträchtigung des Rechts in seinem Wesensgehalt verhältnismäßig. Sie wäre geeignet, erforderlich und angemessen, die Prozessökonomie zur Verwirklichung des unionsrechtlich legitimen Ziels zügigen, effektiven Rechtsschutzes für alle Rechtssuchenden zu wahren.

42

Das Effektivitätsgebot ist ebenfalls nicht verletzt. Es fordert eine Ausgestaltung des mitgliedstaatlichen Rechts, die die Ausübung unionsrechtlich gewährleisteter Rechte nicht praktisch unmöglich macht oder unzumutbar erschwert (EuGH, Urteile vom 11. Juli 1991 a.a.O. und vom 13. März 2007 a.a.O. ). Bezogen auf die mitgliedstaatliche Regelung prozessualer Zulässigkeitsvoraussetzungen ergibt sich daraus, dass den Trägern unionsrechtlich begründeter Rechte gerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung stehen muss, der eine wirksame Kontrolle jeder Rechtsverletzung und damit die Durchsetzbarkeit des betroffenen Rechts gewährleistet. Diese Anforderungen gehen nicht über die aus Art. 19 Abs. 4 GG herzuleitende Gewährleistung einer gerichtlichen Überprüfbarkeit jedes Eingriffs in einem Hauptsacheverfahren hinaus. Insbesondere lässt sich aus dem Effektivitätsgebot keine Verpflichtung herleiten, eine Fortsetzung der gerichtlichen Kontrolle nach Erledigung des Eingriffs unabhängig von einem rechtlichen, ideellen oder wirtschaftlichen Nutzen für den Kläger allein unter dem Gesichtspunkt eines abstrakten Rechtsklärungsinteresses vorzusehen (vgl. die Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro, in: - Rs. C-83/91, Meilicke/ADV/ORGA AG - vom 8. April 1992, Slg. 1992 I-4897 ). Das gilt erst recht, wenn die Maßnahme bereits Gegenstand einer gerichtlichen Hauptsacheentscheidung war und sich erst im Rechtsmittelverfahren erledigt hat.

43

An der Richtigkeit dieser Auslegung des Art. 47 Abs. 1 GRC und des unionsrechtlichen Grundsatzes effektiven Rechtsschutzes bestehen unter Berücksichtigung der zitierten unionsgerichtlichen Rechtsprechung keine ernsthaften Zweifel im Sinne der acte-clair-Doktrin (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - Rs. C-283/81, C.I.L.F.I.T. u.a. -, Slg. 1982, S. 3415 ). Die von der Klägerin angeregte Vorlage an den Gerichtshof ist deshalb nach Art. 267 Abs. 3 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nicht geboten.

44

d) Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ergibt sich schließlich nicht aus der Präjudizwirkung der beantragten Feststellung für den von der Klägerin angestrebten Staatshaftungsprozess. Auch das Berufungsgericht hat das nicht angenommen. Ein Präjudizinteresse kann nur bestehen, wenn die beabsichtigte Geltendmachung von Staatshaftungsansprüchen nicht offensichtlich aussichtslos ist. Bei der Prüfung dieses Ausschlusskriteriums ist ein strenger Maßstab anzulegen. Die Wahrscheinlichkeit eines Misserfolgs im zivilgerichtlichen Haftungsprozess genügt nicht. Offensichtlich aussichtslos ist eine Staatshaftungsklage jedoch, wenn der geltend gemachte Anspruch unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt besteht und dies sich ohne eine ins Einzelne gehende Würdigung aufdrängt (Urteile vom 14. Januar 1980 - BVerwG 7 C 92.79 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 95 S. 27, vom 29. April 1992 - BVerwG 4 C 29.90 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 247 S. 90 und vom 8. Dezember 1995 - BVerwG 8 C 37.93 - BVerwGE 100, 83 <92> = Buchholz 454.11 WEG Nr. 7). Der Verwaltungsprozess muss nicht zur Klärung öffentlich-rechtlicher Vorfragen der Staatshaftung fortgeführt werden, wenn der Kläger daraus wegen offenkundigen Fehlens anderer Anspruchsvoraussetzungen keinen Nutzen ziehen könnte. Hier drängt sich schon ohne eine detaillierte Würdigung auf, dass der Klägerin selbst bei Rechtswidrigkeit der Untersagung keine staatshaftungsrechtlichen Ansprüche zustehen.

45

Die Voraussetzungen der Amtshaftung gemäß Art. 34 Satz 1 GG, § 839 BGB oder des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs (zu dessen Herleitung vgl. EuGH, Urteil vom 19. November 1991 - Rs. C-6/90 und 9/90, Francovich u.a. - Slg. 1991 I-5357 ) liegen ersichtlich nicht vor, ohne dass es insoweit einer ins Einzelne gehenden Prüfung bedürfte. Weitere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht.

46

aa) Für den Zeitraum vom Erlass der Untersagung bis zum Ergehen der unionsgerichtlichen Urteile zu den deutschen Sportwettenmonopolen (EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - Slg. 2010 I-8069, - Rs. C-46/08, Carmen Media Group - Slg. 2010 I-8175 und - Rs. C-409/06, Winner Wetten - Slg. 2010 I-8041) scheidet ein Amtshaftungsanspruch aus, weil den Amtswaltern selbst bei Rechtswidrigkeit der zur Begründung der Untersagung herangezogenen Monopolregelung keine schuldhaft fehlerhafte Rechtsanwendung zur Last zu legen ist. Die unionsrechtliche Staatshaftung greift für diesen Zeitraum nicht ein, da ein etwaiger Verstoß gegen das Unionsrecht nicht hinreichend qualifiziert war.

47

(1) Einem Amtswalter ist auch bei fehlerhafter Rechtsanwendung regelmäßig kein Verschulden im Sinne des § 839 BGB vorzuwerfen, wenn seine Amtstätigkeit durch ein mit mehreren rechtskundigen Berufsrichtern besetztes Kollegialgericht aufgrund einer nicht nur summarischen Prüfung als objektiv rechtmäßig angesehen wird (Urteil vom 17. August 2005 - BVerwG 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <105 ff.> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 32; BGH, Urteil vom 6. Februar 1986 - III ZR 109/84 - BGHZ 97, 97 <107>). Das Verwaltungsgericht hat die angegriffene Untersagungsverfügung im Hauptsacheverfahren - unabhängig von der Wirksamkeit und Anwendbarkeit des Monopols - für rechtmäßig gehalten. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bejahte seinerzeit in ständiger Rechtsprechung die Vereinbarkeit des Sportwettenmonopols mit höherrangigem Recht sowie die Rechtmäßigkeit darauf gestützter Untersagungen unerlaubter Wettvermittlung (vgl. VGH München, Urteile vom 18. Dezember 2008 - 10 BV 07.558 - ZfWG 2009, 27 und - 10 BV 07.774/775 - juris). Er hat diese Auffassung erst im Hinblick auf die im Herbst 2010 veröffentlichten Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den deutschen Sportwettenmonopolen vom 8. September 2010 (a.a.O.) sowie die daran anknüpfenden Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. November 2010 (BVerwG 8 C 14.09 - BVerwGE 138, 201 = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 272, - BVerwG 8 C 15.09 - NWVBl 2011, 307 sowie - BVerwG 8 C 13.09 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 273) in einer Eilentscheidung im Frühjahr 2011 aufgegeben (VGH München, Beschluss vom 21. März 2011 - 10 AS 10.2499 - ZfWG 2011, 197 = juris Rn. 24 ff.). Die Orientierung an der berufungsgerichtlichen Rechtsprechung kann den Amtswaltern auch nicht etwa vorgeworfen werden, weil die kollegialgerichtlichen Entscheidungen bis Ende 2010 - für sie erkennbar - von einer schon im Ansatzpunkt völlig verfehlten rechtlichen Betrachtung ausgegangen wären (zu diesem Kriterium vgl. BVerwG, Urteil vom 17. August 2005 a.a.O. S. 106 f.). Hinreichend geklärt war ein etwaiger Verstoß gegen unionsrechtliche Vorgaben jedenfalls nicht vor Ergehen der zitierten unionsgerichtlichen Entscheidungen (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2012 - III ZR 196/11 - EuZW 2013, 194 ), die durch die nachfolgenden Urteile des Senats in Bezug auf das bayerische Monopol konkretisiert wurden. Der Gerichtshof stellte seinerzeit erstmals klar, dass die Verhältnismäßigkeit im unionsrechtlichen Sinn nicht nur eine kohärente Ausgestaltung des jeweiligen Monopolbereichs selbst, sondern darüber hinaus eine Kohärenz auch zwischen den Regelungen verschiedener Glücksspielsektoren fordert. Außerdem präzisierte er die Grenzen zulässiger, nicht auf Expansion gerichteter Werbung für die besonders umstrittene Imagewerbung.

48

(2) Im Zeitraum bis zum Herbst 2010 fehlt es auch an einem hinreichend qualifizierten Rechtsverstoß, wie er für die unionsrechtliche Staatshaftung erforderlich ist. Diese setzt eine erhebliche und gleichzeitig offenkundige Verletzung des Unionsrechts voraus. Maßgeblich dafür sind unter anderem das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift, der Umfang des durch sie belassenen Ermessensspielraums und die Frage, ob Vorsatz bezüglich des Rechtsbruchs oder des Zufügens des Schadens vorlag, sowie schließlich, ob ein Rechtsirrtum entschuldbar war (EuGH, Urteil vom 5. März 1996 - Rs. C-46 und 48/93, Brasserie du Pêcheur und Factortame - Slg. 1996 I-1029 ). Nach diesen Kriterien kann zumindest bis zu den zitierten Entscheidungen des Gerichtshofs von einer offenkundigen erheblichen Verletzung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit durch die Monopolregelung nicht die Rede sein. Mangels Harmonisierung des Glücksspielbereichs stand den Mitgliedstaaten ein weites Regelungsermessen zur Verfügung. Seine durch die Grundfreiheiten gezogenen Grenzen waren jedenfalls bis zur unionsgerichtlichen Konkretisierung der intersektoralen Kohärenz nicht so genau und klar bestimmt, dass ein etwaiger Rechtsirrtum unentschuldbar gewesen wäre.

49

bb) Für den anschließenden Zeitraum bis zur endgültigen Erledigung der angegriffenen Untersagung am 30. Juni 2012 bedarf es keiner Prüfung, ob eine schuldhaft fehlerhafte Rechtsanwendung der Behörden oder ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen das Unionsrecht zu bejahen ist. Jedenfalls fehlt offensichtlich die erforderliche Kausalität zwischen einer etwaigen Rechtsverletzung und dem möglicherweise geltend zu machenden Schaden. Das ergibt sich schon aus den allgemeinen Grundsätzen zur Kausalität von fehlerhaften Ermessensentscheidungen für einen etwaigen Schaden.

50

(1) Die Amtshaftung setzt gemäß § 839 BGB voraus, dass der Schaden durch das schuldhaft rechtswidrige Handeln des Amtsträgers verursacht wurde. Bei Ermessensentscheidungen ist das zu verneinen, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch bei fehlerfreier Rechtsanwendung dieselbe zum Schaden führende Entscheidung getroffen worden wäre (BGH, Beschlüsse vom 21. Januar 1982 - III ZR 37/81 - VersR 1982, 275 und vom 30. Mai 1985 - III ZR 198/84 - VersR 1985, 887 f.; Vinke, in: Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. 12, Stand: Sommer 2005, § 839 Rn. 176, zur Unterscheidung von der Figur rechtmäßigen Alternativverhaltens vgl. ebd. Rn. 178).

51

Die unionsrechtliche Staatshaftung greift nur bei einem unmittelbaren Kausalzusammenhang zwischen der hinreichend qualifizierten Unionsrechtsverletzung und dem Schaden ein. Diese unionsrechtlich vorgegebene Haftungsvoraussetzung ist im mitgliedstaatlichen Recht umzusetzen (EuGH, Urteil vom 5. März 1996 a.a.O. ). Sie ist erfüllt, wenn ein unmittelbarer ursächlicher und adäquater Zusammenhang zwischen dem hinreichend qualifizierten Unionsrechtsverstoß und dem Schaden besteht (BGH, Urteil vom 24. Oktober 1996 - III ZR 127/91 - BGHZ 134, 30 <39 f.>; Papier, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2009, § 839 Rn. 101). Bei Ermessensentscheidungen ist dieser Kausalzusammenhang nicht anders zu beurteilen als in den Fällen der Amtshaftung. Er fehlt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Schaden auch bei rechtsfehlerfreier Ermessensausübung eingetreten wäre.

52

Nach beiden Anspruchsgrundlagen käme daher eine Haftung nur in Betracht, wenn feststünde, dass der Schaden bei rechtmäßiger Ermessensausübung vermieden worden wäre. Das ist für den noch offenen Zeitraum vom Herbst 2010 bis zum 30. Juni 2012 offenkundig zu verneinen. In dieser Zeit war eine Untersagung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV zur Durchsetzung des glücksspielrechtlichen Erlaubnisvorbehalts nach § 4 Abs. 1 GlüStV ermessensfehlerfrei gemäß Art. 40 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) möglich. Es steht auch nicht fest, dass die Beklagte in Kenntnis dieser Befugnis von einer Untersagung abgesehen hätte.

53

(2) Der Erlaubnisvorbehalt selbst war unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Sportwettenmonopols verfassungskonform (BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08 - NVwZ 2008, 1338 ; BVerwG, Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 8 C 13.09 - a.a.O. Rn. 73, 77 ff.) und verstieß auch nicht gegen Unionsrecht. Er diente nicht allein dem Schutz des Monopols, sondern auch unabhängig davon den verfassungs- wie unionsrechtlich legitimen Zielen des Jugend- und Spielerschutzes und der Kriminalitätsbekämpfung. Das in Art. 2 des Bayerischen Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (BayAGGlüStV) näher geregelte Erlaubnisverfahren ermöglichte die präventive Prüfung, ob unter anderem die für die Tätigkeit erforderliche persönliche Zuverlässigkeit vorlag (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayAGGlüStV) und die in Art. 2 Abs. 1 BayAGGlüStV in Bezug genommenen Anforderungen des Jugend- und Spielerschutzes nach §§ 4 ff. GlüStV sowie die besonderen Regelungen der gewerblichen Vermittlung und des Vertriebs von Sportwetten nach §§ 19, 21 GlüStV beachtet wurden. Diese gesetzlichen Anforderungen waren im Hinblick auf das damit verfolgte Ziel verhältnismäßig und angemessen (Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 8 C 13.09 - a.a.O. Rn. 80 f., 83). Darüber hinaus waren sie hinreichend bestimmt, transparent und nicht diskriminierend. Gegen etwa rechtswidrige Ablehnungsentscheidungen standen wirksame Rechtsbehelfe zur Verfügung (zu diesen Anforderungen vgl. EuGH, Urteile vom 9. September 2010 - Rs. C-64/08, Engelmann - Slg. 2010 I-8219 , vom 19. Juli 2012 - Rs. C-470/11, SIA Garkalns - NVwZ 2012, 1162 sowie vom 24. Januar 2013 - Rs. C-186/11 und C-209/11, Stanleybet Int. Ltd. u.a. - ZfWG 2013, 95 ).

54

(3) Weil die Klägerin nicht über die erforderliche Erlaubnis für die Veranstaltung und die Vermittlung der von ihr vertriebenen Sportwetten verfügte, war der Tatbestand der Untersagungsermächtigung offenkundig erfüllt. Art. 40 BayVwVfG ließ auch eine Ermessensausübung im Sinne einer Untersagung zu. Sie entsprach dem Zweck der Norm, da die Untersagungsermächtigung dazu diente, die vorherige behördliche Prüfung der Erlaubnisfähigkeit der beabsichtigten Gewerbetätigkeit zu sichern und damit die mit einer unerlaubten Tätigkeit verbundenen Gefahren abzuwehren. Die Rechtsgrenzen des Ermessens schlossen ein Verbot ebenfalls nicht aus. Insbesondere verpflichtete das Verhältnismäßigkeitsgebot die Beklagte nicht, von einer Untersagung abzusehen und die formell illegale Tätigkeit zu dulden. Das wäre nur anzunehmen, wenn die formell illegale Tätigkeit die materiellen Erlaubnisvoraussetzungen - mit Ausnahme der möglicherweise rechtswidrigen Monopolvorschriften - erfüllte und dies für die Untersagungsbehörde im Zeitpunkt ihrer Entscheidung offensichtlich, d.h. ohne weitere Prüfung erkennbar war. Dann war die Untersagung nicht mehr zur Gefahrenabwehr erforderlich. Verbleibende Unklarheiten oder Zweifel an der Erfüllung der nicht monopolabhängigen Erlaubnisvoraussetzungen rechtfertigten dagegen ein Einschreiten. In diesem Fall war die Untersagung notwendig, die Klärung im Erlaubnisverfahren zu sichern und zu verhindern, dass durch die unerlaubte Tätigkeit vollendete Tatsachen geschaffen und ungeprüfte Gefahren verwirklicht wurden.

55

Aus dem Urteil des Senats vom 1. Juni 2011 (BVerwG 8 C 2.10 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 276 Rn. 55; vgl. die Parallelentscheidungen vom selben Tag - BVerwG 8 C 4.10 - ZfWG 2011, 341 und Urteile vom 11. Juli 2011 - BVerwG 8 C 11.10 und BVerwG BVerwG 8 C 12.10 - je juris Rn. 53) ergibt sich nichts anderes. Die dortige Formulierung, der Erlaubnisvorbehalt rechtfertige eine vollständige Untersagung nur bei Fehlen der Erlaubnisfähigkeit, mag Anlass zu Missverständnissen gegeben haben. Sie ist aber nicht als Verschärfung der Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit präventiver Untersagungen zu verstehen und behauptet keine Pflicht der Behörde, eine unerlaubte Tätigkeit bis zur Klärung ihrer Erlaubnisfähigkeit zu dulden. Das ergibt sich schon aus dem Zusammenhang der zitierten Formulierung mit der unmittelbar daran anschließenden Erwägung, bei Zweifeln hinsichtlich der Beachtung von Vorschriften über die Art und Weise der Gewerbetätigkeit kämen zunächst Nebenbestimmungen in Betracht. Dies beschränkt die Durchsetzbarkeit des glücksspielrechtlichen Erlaubnisvorbehalts nicht auf Fälle, in denen bereits feststeht, dass die materielle Erlaubnisfähigkeit endgültig und unbehebbar fehlt. Hervorgehoben wird nur, dass eine vollständige Untersagung unverhältnismäßig ist, wenn Nebenbestimmungen ausreichen, die Legalität einer im Übrigen offensichtlich erlaubnisfähigen Tätigkeit zu sichern. Das setzt zum einen den Nachweis der Erlaubnisfähigkeit im Übrigen und zum anderen einen Erlaubnisantrag voraus, da Nebenbestimmungen sonst nicht erlassen werden können. Solange nicht offensichtlich ist, dass die materielle Legalität vorliegt oder jedenfalls allein mit Nebenbestimmungen gesichert werden kann, bleibt die Untersagung zur Gefahrenabwehr erforderlich. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem vom Verwaltungsgerichtshof angeführten Urteil vom 24. November 2010 (BVerwG 8 C 13.09 a.a.O. ). Es erkennt eine Reduzierung des Untersagungsermessens zulasten des Betroffenen an, wenn feststeht, dass dessen unerlaubte Tätigkeit wesentliche Erlaubnisvoraussetzungen nicht erfüllt. Damit bietet es jedoch keine Grundlage für den - unzulässigen - Umkehrschluss, nur in diesem Fall sei eine Untersagung verhältnismäßig.

56

Die unionsgerichtliche Rechtsprechung, nach der gegen den Betroffenen keine strafrechtlichen Sanktionen wegen des Fehlens einer unionsrechtswidrig vorenthaltenen oder verweigerten Erlaubnis verhängt werden dürfen (EuGH, Urteile vom 6. März 2007 - Rs. C-338/04, Placanica u.a. - Slg. 2007 I-1932 sowie vom 16. Februar 2002 - Rs. C-72/10 und C-77/10, Costa und Cifone - EuZW 2012 275 ), schließt eine ordnungsrechtliche präventive Untersagung bis zur Klärung der - monopolunabhängigen - Erlaubnisfähigkeit ebenfalls nicht aus. Insbesondere verlangt das Unionsrecht selbst bei Rechtswidrigkeit des Monopols keine - und erst recht keine sofortige - Öffnung des Markts für alle Anbieter ohne jede präventive Kontrolle. Vielmehr steht es dem Mitgliedstaat in einer solchen Situation frei, das Monopol zu reformieren oder sich für eine Liberalisierung des Marktzugangs zu entscheiden. In der Zwischenzeit ist er lediglich verpflichtet, Erlaubnisanträge privater Anbieter nach unionsrechtskonformen Maßstäben zu prüfen und zu bescheiden (EuGH, Urteil vom 24. Januar 2013 - Rs. C-186/11 u. a., Stanleybet Int. Ltd. u.a. - a.a.O. ). Einen Anspruch auf Duldung einer unerlaubten Tätigkeit vermittelt das Unionsrecht auch bei Unanwendbarkeit der Monopolregelung nicht.

57

Keiner näheren Prüfung bedarf die Verhältnismäßigkeit der Durchsetzung des Erlaubnisvorbehalts für den Fall, dass die Betroffenen keine Möglichkeit hatten, eine Erlaubnis zu erlangen. Der Freistaat Bayern hat nämlich die Entscheidungen des Gerichtshofs vom 8. September 2010 zum Anlass genommen, das Erlaubnisverfahren nach Art. 2 BayAGGlüStV für private Anbieter und die Vermittler an diese zu öffnen. Entgegen der Auffassung der Klägerin bot diese Regelung in Verbindung mit den Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrages eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die Durchführung eines Erlaubnisverfahrens. Die Zuständigkeit der Regierung der Oberpfalz ergab sich aus Art. 2 Abs. 4 Nr. 3 BayAGGlüStV. Der möglichen Rechtswidrigkeit des Sportwettenmonopols war durch Nichtanwenden der Monopol- und monopolakzessorischen Regelungen Rechnung zu tragen. Die gesetzlich normierten materiell-rechtlichen Anforderungen an das Wettangebot und dessen Vermittlung ließen sich entsprechend auf das Angebot privater Wettunternehmer und dessen Vertrieb anwenden. Einzelheiten, etwa die Richtigkeit der Konkretisierung einer solchen entsprechenden Anwendung in den im Termin zur mündlichen Verhandlung angesprochenen, im Verfahren BVerwG 8 C 15.12 vorgelegten Checklisten sowie die Frage, ob und in welcher Weise private Anbieter in das bestehende Spielersperrsystem einzubeziehen waren, müssen hier nicht erörtert werden. Aus verfassungs- und unionsrechtlicher Sicht genügt es, dass eine grundrechts- und grundfreiheitskonforme Anwendung der Vorschriften mit der Folge einer Erlaubniserteilung an private Anbieter und deren Vermittler möglich war und dass diesen gegen etwa rechtsfehlerhafte Ablehnungsentscheidungen effektiver gerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung stand. Der vom Berufungsgericht hervorgehobene Umstand, eine Erlaubniserteilung sei bisher nicht bekannt geworden, ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zwangsläufig auf systematische Rechtsverstöße zurückzuführen. Er kann sich auch daraus ergeben haben, dass in den zur Kenntnis des Berufungsgerichts gelangten Fällen mindestens eine wesentliche und auch nicht durch Nebenbestimmungen zu sichernde Erlaubnisvoraussetzung fehlte.

58

(4) Im vorliegenden Falle war die materielle Erlaubnisfähigkeit der unerlaubten Tätigkeit für die Behörde der Beklagten im Zeitpunkt ihrer Entscheidung nicht offensichtlich. Vielmehr war für sie nicht erkennbar, inwieweit die gewerbliche Sportwettenvermittlung der Klägerin den ordnungsrechtlichen Anforderungen insbesondere des Jugend- und des Spielerschutzes genügte. Die Klägerin hatte dazu keine aussagekräftigen Unterlagen vorgelegt, sondern meinte, ihre unerlaubte Tätigkeit müsse aus unionsrechtlichen Gründen hingenommen werden.

59

Nach der Verwaltungspraxis der Beklagten ist auch nicht festzustellen, dass diese die unerlaubte Tätigkeit in Kenntnis der Möglichkeit einer rechtsfehlerfreien Untersagung geduldet hätte.

60

cc) Weitere Anspruchsgrundlagen für eine Staatshaftung kommen nicht in Betracht. Eine über die Amtshaftung und den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch hinausgehende Haftung für eine rechtswidrige Inanspruchnahme als Störer sieht das bayerische Landesrecht nicht vor (vgl. Art. 70 ff. des Polizeiaufgabengesetzes - BayPAG).

61

e) Andere Umstände, aus denen sich ein berechtigtes Feststellungsinteresse der Klägerin ergeben könnte, sind nicht erkennbar.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Klägerin ihren in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine noch zu erhebende Fortsetzungsfeststellungsklage wegen eines Polizeieinsatzes am 1. Mai 2008 weiter.

Am 1. Mai 2008 wurden zwei Polizisten anlässlich einer Strafanzeige des Nachbarn der Klägerin wegen Sachbeschädigung auf lautes Geschrei und ein dumpfes Poltern aus der Wohnung der Klägerin, in der sich auch ihre zwei minderjährigen Söhne aufhielten, aufmerksam. Auf mehrfaches Klingeln öffnete die Klägerin die Wohnungstüre und gab an, dass alles in Ordnung sei. Als die Klägerin die Wohnungstüre wieder schließen wollte, blockierte ein Polizist die Wohnungstüre mit dem Fuß. Erst als er wahrnahm, dass die beiden Söhne der Klägerin wohlauf waren, ließ er zu, dass die Klägerin die Wohnungstüre wieder schloss. Die Polizisten befanden sich wegen der Sachbeschädigungsanzeige noch in dem Mehrfamilienhaus, in dem die Klägerin damals wohnte, als sie wieder laute Geräusche aus der Wohnung der Klägerin hörten. Sie klingelten erneut, die Klägerin ließ sie in die Wohnung. Es kam zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen den Polizisten und der Klägerin, weil sie wissen wollte, ob ihr Nachbar die Polizei verständigt habe. Im Laufe dieser Auseinandersetzung alarmierte die Klägerin die polizeiliche Notrufzentrale. Gegen die Klägerin wurde ein Strafverfahren wegen Missbrauchs von Notrufen eingeleitet. Sie selbst erstattete Strafanzeige gegen die beiden Polizisten und machte gegenüber dem Polizeipräsidium Schadensersatzansprüche und Schmerzensgeld geltend. Das Strafverfahren gegen die Klägerin wurde gemäß § 153 Abs. 2 VwGO eingestellt. Ihre Strafanzeigen führten nicht zur Verurteilung der Polizisten, die Schadensersatzforderungen verfolgte sie nicht weiter. Zudem beantragte sie die Löschung der zum Missbrauch von Notrufen und drei anderen Vorfällen im Kriminalaktennachweis gespeicherten Daten. Dieser Antrag wurde abgelehnt.

Am 26. Juni 2014 beantragte die Klägerin beim Bayerischen Verwaltungsgericht München für den Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe die Rechtswidrigkeit des Polizeieinsatzes in ihrer Wohnung in der A. Str. in M. am 1. Mai 2008 festzustellen. Es bestehe Wiederholungsgefahr, der Einsatz sei für sie und ihre Kinder demütigend gewesen, die Klage reiche sie primär aus Rehabilitationsgründen ein, sie diene aber auch der Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses.

Mit Beschluss vom 24. März 2015 lehnte das Bayerische Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Die Klägerin bezeichne schon die polizeiliche Maßnahme, gegen die sie sich wende, nicht genau. Jedenfalls bestehe aber weder ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse i. S. d. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO noch ein berechtigtes Interesse i. S. d. § 43 Abs. 2 VwGO. Eine vergleichbare Konstellation wie bei der damaligen Nachschau sei nicht mehr zu erwarten. Ein Präjudizinteresse sei nicht gegeben, weil das Verwaltungshandeln sich vor der Klageerhebung zum Verwaltungsgericht erledigt habe. Ein Rehabilitierungsinteresse bestehe nicht. Die Berichte der Polizisten an das Jugendamt und das Gesundheitsamt seien nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Im Übrigen habe die Klägerin ihr Klagerecht verwirkt.

Gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München erhob die Klägerin am 18. April 2015 Beschwerde. Zur Begründung trug sie mit Schriftsatz vom 26. Mai 2015 im Wesentlichen vor, dass jeder, der Einblick in ihre Akten nehme, kein vorurteilsfreies Bild haben könne. Sie halte es für sehr wahrscheinlich, dass ihre Schwierigkeiten bei einer Stellensuche als Ballettpädagogin durch die Aktenlage über sie verursacht würden. Die Eintragungen im Kriminalaktennachweis führten ebenfalls zu einer Stigmatisierung. Eine Verwirkung liege nicht vor, sie habe die betreffenden Polizisten mehrmals angezeigt. Sie habe aufgeben müssen, weil ihre finanziellen Mittel nicht mehr ausgereicht hätten. Bei dem Polizeieinsatz am 1. Mai 2008 habe es keinen Streit gegeben. Sie habe den Notruf gewählt, weil sie sich den Polizeieinsatz nicht habe erklären können.

Ergänzend wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen. Behördenakten liegen nach Auskunft des Beklagten nicht mehr vor.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ihre beabsichtigte (Fortsetzungs-)Feststellungsklage wegen des Polizeieinsatzes in ihrer Wohnung am 1. Mai 2008 hat.

Gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält Prozesskostenhilfe, wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Vorliegend bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung wegen des Polizeieinsatzes am 1. Mai 2008 keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klage auf Feststellung, dass der Polizeieinsatz rechtswidrig gewesen ist, voraussichtlich bereits unzulässig ist.

Klagegegenstand einer Feststellungs- bzw. Fortsetzungsfeststellungsklage vor dem Verwaltungsgericht, mit der die Rechtswidrigkeit des Polizeieinsatzes festgestellt werden soll, können nur polizeiliche Maßnahmen anlässlich dieses Polizeieinsatzes sein. Soweit sich die Klägerin im Beschwerdeverfahren auf eine Stigmatisierung durch die bezüglich ihrer Person im Kriminalaktennachweis gespeicherten Daten bzw. durch gegen sie eingeleitete Strafverfahren beruft, können diese Vorgänge kein Rehabilitierungsinteresse im Rahmen einer Feststellungsklage begründen, die sich gegen einen Polizeieinsatz richtet. Ob anlässlich der Nachschau am 1. Mai 2008 in der Wohnung der Klägerin seitens der Polizisten die Straftatbestände der Beleidigung, Nötigung o. ä. verwirklicht worden sind - wie von der Klägerin behauptet - ist von den Strafgerichten zu prüfen (Art. 12 Abs. 1 POG i. V. m. § 23 EGGVG; vgl. BayVGH, B. v. 8.3.2012 - 10 C 12.141 - juris Rn. 14).

Bezogen auf die polizeilichen Maßnahmen (das Betreten der Wohnung durch die Polizei und die Befragung durch die Polizisten) kann die Klägerin jedoch kein berechtigtes Feststellungsinteresse in Form der Wiederholungsgefahr, der beabsichtigten Erhebung einer Amtshaftungsklage oder eines Rehabilitierungsinteresses geltend machen.

Dieses Feststellungsinteresse setzt unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr die hinreichend bestimmte Gefahr voraus, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut eine gleichartige Maßnahme ergehen wird (vgl. BayVGH, B. v. 12.5.2015 - 10 ZB 13.629 - juris Rn. 8 m. w. N.). Insoweit hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass ein vergleichbarer Sachverhalt aufgrund der veränderten Lebenssituation der Klägerin nicht mehr auftreten wird. Ursache des polizeilichen Tätigwerdens war die lautstarke Unterhaltung der Klägerin mit ihren Söhnen in der Wohnung und die Anwesenheit der Polizei in der Wohnung des Nachbarn, mit dem die Klägerin seit Jahren in einen Nachbarschaftsstreit verwickelt war. Die Klägerin ist kurz nach dem Vorfall aus der Wohnung ausgezogen, so dass das problematische Nachbarschaftsverhältnis nicht mehr besteht. Ihre Söhne sind inzwischen volljährig, der ältere Sohn lebt nicht mehr bei ihr. Im Rahmen ihrer Beschwerdebegründung beruft sich die Klägerin auch nicht mehr auf das Bestehen einer Wiederholungsgefahr.

Ebenso zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Absicht, eine Amtshaftungsklage zu erheben, kein berechtigtes Interesse für eine Feststellungsklage bilden kann, wenn sich die Maßnahme, deren Rechtswidrigkeit festgestellt werden soll, bereits vor Erhebung der verwaltungsgerichtlichen Klage erledigt hat (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 113 Rn. 87 m. w. N.). So verhält es sich hier, weil der der beabsichtigten Klageerhebung zugrunde liegende Polizeieinsatz bereits im Mai 2008 stattfand.

Ein Rehabilitierungsinteresse wegen der Maßnahmen der Polizei am 1. Mai 2008 kann die Klägerin ebenfalls nicht für sich in Anspruch nehmen. Ein Rehabilitierungsinteresse begründet ein Feststellungsinteresse dann, wenn es bei vernünftiger Würdigung der Umstände des Einzelfalls als schutzwürdig anzusehen ist (vgl. BVerwG, B. v. 4.10.2006 - 6 B 64.06 - juris Rn. 10). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Kläger durch die streitige Maßnahme in seinem Persönlichkeitsrecht objektiv beeinträchtigt ist (vgl. BVerwG, U. v. 4.3.1976 - 1 WB 54.74 - BVerwGE 53, 134/138; B. v. 4.10.2006 - 6 B 64.06 - juris Rn. 10), weil diese geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder in seinem sozialen Umfeld herabzusetzen (vgl. BVerwG, U. v. 4.3.1976 - 1 WB 54.74 - BVerwGE 53, 134/138 f.; U. v. 16.5.2013 - 8 C 14.12 - juris Rn. 25; U. v. 20.06.2013 - 8 C 39.12 - juris Rn. 24). Dabei müssen die das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigenden Wirkungen noch in der Gegenwart fortbestehen (vgl. BVerwG, U. v. 4.3.1976 - 1 WB 54.74 - BVerwGE 53, 134/138 f.; U. v. 19.3.1992 - 5 C 44.87 - juris Rn. 9; B. v. 4.10.2006 - 6 B 64.06 - juris Rn. 10; U. v. 16.5.2013 - 8 C 14.12 - juris Rn. 25; U. v. 20.06.2013 - 8 C 39.12 - juris Rn. 24). Eine Stigmatisierung, die das Ansehen der Klägerin nachhaltig und noch in der Gegenwart fortdauernd herabgesetzt hätte, ist durch die polizeiliche Nachschau nicht erfolgt. Die Klägerin hat die Wohnungstüre jeweils selbst geöffnet. Die Befragung der Klägerin und der Wortwechsel mit den Polizisten erfolgte in der Wohnung der Klägerin. Alleine die Tatsache, dass der Nachbar oder die Nachbarn beobachtet haben könnten, dass die Polizei an der Wohnungstüre der Klägerin geklingelt hat, führt nicht dazu, dass die Klägerin in ihrem sozialen Umfeld herabgesetzt wurde. Der Nachbar, mit dem die Klägerin im Streit lag, hat die Wohnung der Klägerin nicht betreten und war so auch nicht Zeuge eines etwaigen Wortgefechts der Klägerin mit der Polizei. Auch im Beschwerdeverfahren bringt die Klägerin nichts vor, was es naheliegend erscheinen ließe, eine Stigmatisierung der Klägerin anzunehmen.

Auch ergeben sich aus dem Vorbringen der Klägerin keine Anhaltspunkte dafür, dass eine gravierende Grundrechtsverletzung vorliegen würde, die ein Feststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitierung begründen könnte. Das mit einer Grundrechtsverletzung begründete Feststellungsinteresse darf nicht dahingehend verstanden werden, dass jede Rechtsverletzung eine Rehabilitierung rechtfertigen könnte. Insoweit ist auch darauf abzustellen, ob dem Kläger eine etwaige Feststellung der Rechtswidrigkeit noch etwas nützt (Schmidt in Eyermann, a. a. O., Rn. 93). Das ist bei der Klägerin angesichts des Zeitablaufs und der veränderten Lebenssituation nicht mehr der Fall.

Da somit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahmen anlässlich des Einsatzes am 1. Mai 2008 erkennbar ist, kommt es nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, ob die Klägerin ihr Klagerecht bezüglich der polizeilichen Maßnahmen verwirkt hat. Unabhängig von einer Verwirkung können allerdings auch Fortsetzungsfeststellungsklagen, bei denen sich der Verwaltungsakt schon vor Klageerhebung erledigt hat, nicht zeitlich unbeschränkt erhoben werden. Regelmäßig gilt die Klagefrist des § 58 Abs. 2 VwGO (Schmidt in Eyermann, a. a. O., Rn. 72), die vorliegend weit überschritten ist.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil für die Zurückweisung der Beschwerde in Prozesskostenhilfeangelegenheiten nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1VwGO).

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Untersagungsverfügung, mit der ihr die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung von Sportwetten verboten wurde.

2

In der G.straße ... in M. und in drei weiteren Betriebsstätten im Stadtgebiet der Beklagten vermittelte die Klägerin Sportwetten an die I. in G., die über eine dort erteilte Lizenz zur Veranstaltung von Sportwetten verfügte. Die Beklagte untersagte der Klägerin nach vorheriger Anhörung mit Verfügung vom 18. Juni 2008 die Veranstaltung, Vermittlung und Durchführung von Sportwetten sowie die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten im Internet für jede Betriebsstätte in M. Sie gab der Klägerin auf, den Betrieb mit Ablauf des 19. Juni 2008 einzustellen, und drohte ihr ein Zwangsgeld in Höhe von 25 000 € an. Die Untersagung stützte sie auf § 9 Abs. 1 Satz 2 und 3 i.V.m. § 4 Abs. 1, 2 und 4 des Glücksspielstaatsvertrages in der seinerzeit geltenden Fassung (GlüStV). Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, das Wettangebot der Klägerin erfülle den Straftatbestand unerlaubten Glücksspiels gemäß § 284 Abs. 1 des Strafgesetzbuches (StGB). Eine Erlaubnis könne wegen des staatlichen Wettmonopols nach § 10 Abs. 2 und 5 GlüStV nicht erteilt werden. Bei sachgerechter Ermessensausübung komme keine andere Entscheidung als eine Untersagung in Betracht. Diese sei auch verhältnismäßig.

3

Am 23. Juni 2008 hat die Klägerin vor dem Verwaltungsgericht München Klage erhoben und um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Wenige Tage später wurde bei einer Polizeikontrolle in der G.straße ... die Vermittlung von Sportwetten der I. festgestellt. Daraufhin stellte die Beklagte das Zwangsgeld fällig und verfügte die Anwendung unmittelbaren Zwangs. Am 26. Juni 2008 wurde das Wettbüro der Klägerin polizeilich geschlossen und versiegelt. Dagegen erhob die Klägerin - in einem anderen Verfahren - ebenfalls Klage und bat um vorläufigen Rechtsschutz.

4

Das Verwaltungsgericht München lehnte mit Beschluss vom 3. Juli 2008 den Eilantrag betreffend die Untersagungsverfügung und die Zwangsgeldandrohung ab. Mit weiterem Beschluss vom 7. Juli 2008 ordnete es die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Anordnung unmittelbaren Zwangs unter der Auflage an, dass in der G.straße ... keine unerlaubte Sportwettenvermittlung mehr durchgeführt werde. Die Beklagte setzte das fällig gestellte Zwangsgeld vom Soll ab und hob die Versiegelung auf. Das Eilverfahren wurde nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen eingestellt; der Klage gegen die Anordnung unmittelbaren Zwangs wurde im Januar 2009 stattgegeben.

5

Die Klage gegen die Untersagungsverfügung und die Zwangsgeldandrohung hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 27. Januar 2009 abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin ihr Klagebegehren für die Zeit bis zur Berufungsentscheidung auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellt und an der Anfechtung nur für den anschließenden Zeitraum festgehalten. Sie meint, ihr Feststellungsinteresse für die Vergangenheit ergebe sich aus der Versiegelung ihrer Betriebsstätte in der Zeit vom 26. Juni bis zum 8. Juli 2008 sowie aus der Absicht, unionsrechtliche Staatshaftungsansprüche geltend zu machen. Darüber hinaus bestehe eine Wiederholungsgefahr und - wegen des Vorwurfes strafrechtswidrigen Verhaltens - ein Rehabilitierungsinteresse. Die Beklagte hat in ihrer Berufungserwiderung die Auffassung vertreten, die formelle Illegalität der Vermittlung rechtfertige die Untersagung auch unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Monopols. Mit Bezug darauf hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2010 die Ermessenserwägungen des angegriffenen Bescheides ausdrücklich um Ausführungen zur - nach ihrer Ansicht fehlenden - materiellen Erlaubnisfähigkeit der Veranstaltung und Vermittlung der Sportwetten ergänzt.

6

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 12. Januar 2012 das erstinstanzliche Urteil geändert, den angefochtenen Bescheid vom 18. Juni 2008 aufgehoben und dessen Rechtswidrigkeit im Zeitraum bis zur Berufungsentscheidung festgestellt. Die in die Zukunft gerichtete, zulässige Anfechtungsklage sei begründet, weil die Untersagungsverfügung ermessensfehlerhaft sei. Sie stütze sich maßgeblich auf das staatliche Sportwettenmonopol, das seinerseits gegen Unionsrecht verstoße. Es schränke die Dienstleistungsfreiheit unverhältnismäßig ein, da es nicht den Anforderungen der Geeignetheit und dem daraus abzuleitenden Erfordernis der Kohärenz entspreche. Dass es irgendeinen Beitrag zur Verwirklichung der mit dem Monopol verfolgten Ziele leiste, reiche nicht aus. Zu fordern sei vielmehr ein glücksspielsektorenübergreifender, konzeptionell und inhaltlich aufeinander bezogener, systematischer Regelungszusammenhang, mit dem diese Ziele konsequent verfolgt würden. Daran fehle es im maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsentscheidung schon wegen der gegenläufigen Regelung des gewerblichen Automatenspiels. Die Expansionspolitik in diesem Bereich führe dazu, dass die Monopolziele der Suchtbekämpfung und des Spielerschutzes nicht mehr wirksam verfolgt werden könnten. Auf Interdependenzen zwischen den beiden Glücksspielsektoren komme es dabei nicht an. Bei einem derartig widersprüchlichen Regelungs- und Schutzkonzept sei nicht nur die Geeignetheit der Beschränkung in einem Teilsegment, sondern ihre Verhältnismäßigkeit insgesamt in den Blick zu nehmen.

7

Die Untersagungsverfügung könne auch nicht mit dem Hinweis auf die formelle Illegalität und die fehlende materielle Erlaubnisfähigkeit der Wettvermittlung aufrechterhalten werden. Eine vollständige Untersagung sei nur bei fehlender Erlaubnisfähigkeit gerechtfertigt. Außerdem stehe § 114 Satz 2 VwGO einer Berücksichtigung der nachgeschobenen Ermessenserwägungen entgegen. Diesen sei auch kein Neuerlass der Untersagungsverfügung unter konkludenter Rücknahme des Ausgangsbescheides zu entnehmen. Wegen der Rechtswidrigkeit der Untersagung könne die Zwangsgeldandrohung ebenfalls keinen Bestand haben.

8

Der Antrag, die Rechtswidrigkeit der Untersagung für die Vergangenheit festzustellen, sei zulässig und begründet. Ein berechtigtes Interesse der Klägerin an dieser Feststellung bestehe jedenfalls in Gestalt eines Rehabilitierungsinteresses. Dieses ergebe sich schon aus dem Vorwurf objektiv strafbaren Verhaltens. Im Übrigen sei ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse auch wegen des tiefgreifenden Eingriffs in die Berufsfreiheit zu bejahen, da andernfalls effektiver Rechtsschutz nicht gewährleistet sei. Auf das Vorliegen eines Präjudizinteresses komme es danach nicht an. Die Begründetheit des Fortsetzungsfeststellungsantrags ergebe sich aus den Urteilserwägungen zur Anfechtungsklage.

9

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision macht die Beteiligte geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe zu Unrecht ein berechtigtes Feststellungsinteresse der Klägerin bejaht. Ein Rehabilitierungsinteresse scheide aus, da die Klägerin sich als juristische Person nicht strafbar machen könne. Die Untersagungsverfügung bewirke auch keinen tiefgreifenden Grundrechtseingriff, sondern erschöpfe sich in einer Berufsausübungsregelung. Materiell-rechtlich wende das Berufungsgericht das unionsrechtliche Kohärenzerfordernis unzutreffend an. Unabhängig davon werde die Untersagung auch von den nachgeschobenen Gründen getragen. Außerdem macht die Beteiligte Verfahrensmängel geltend.

10

Mit Schriftsatz vom 15. November 2012 hat die Beklagte erklärt, aus der angefochtenen Untersagungsverfügung ab dem 1. Juli 2012 keine Rechte mehr herzuleiten. Daraufhin haben die Hauptbeteiligten den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt.

11

Die Beteiligte beantragt,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. Januar 2012 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 27. Januar 2009 zurückzuweisen, soweit der Rechtsstreit noch nicht - in Bezug auf die Zeit seit dem 1. Juli 2012 - in der Hauptsache erledigt ist, sowie der Klägerin die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens insgesamt aufzuerlegen.

12

Die Beklagte schließt sich dem Revisionsvorbringen der Beteiligten an, ohne einen eigenen Antrag zu stellen.

13

Die Klägerin beantragt,

die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass anstelle der Aufhebung der Untersagungsverfügung deren Rechtswidrigkeit - auch - in der Zeit von der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs bis zum 30. Juni 2012 festgestellt wird, sowie die Kosten des Revisionsverfahrens insgesamt dem Freistaat Bayern aufzuerlegen.

14

Sie verteidigt das angegriffene Urteil und meint, ein ideelles Feststellungsinteresse ergebe sich auch aus dem tiefgreifenden Eingriff in unionsrechtliche Grundfreiheiten in Verbindung mit der Garantie eines wirksamen Rechtsbehelfs nach Art. 47 Abs. 1 der Grundrechtecharta der Europäischen Union (GRC). Dazu regt die Klägerin eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union an. Für die von ihr formulierte Vorlagefrage wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift verwiesen. Ferner macht die Klägerin ein Präjudizinteresse wegen unionsrechtlicher Staatshaftungsansprüche geltend. Die formelle Illegalität ihrer Tätigkeit könne ihr nicht entgegengehalten werden, weil ihr die Erlaubnis zur Vermittlung an private Wettanbieter unionsrechtswidrig vorenthalten worden sei. Ein Verneinen des Feststellungsinteresses entwerte ihren prozessualen Aufwand und bringe sie um die Früchte des mehr als vierjährigen Verfahrens. Materiell-rechtlich hält die Klägerin den Erlaubnisvorbehalt nach § 4 Abs. 1 GlüStV für unionsrechtswidrig und die Monopolregelung für inkohärent.

Entscheidungsgründe

15

Soweit die Hauptbeteiligten den Rechtsstreit mit Schriftsätzen vom 15. und 23. November 2012 übereinstimmend - bezüglich der Zeit seit dem 1. Juli 2012 - für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Einer Zustimmung des am Verfahren beteiligten Vertreters des öffentlichen Interesses bedurfte es nicht. Im Umfang der Teilerledigung sind das erstinstanzliche und das Berufungsurteil wirkungslos geworden.

16

Im Übrigen - soweit die Klägerin begehrt, die Rechtswidrigkeit der Untersagung bis zur Entscheidung des Berufungsgerichts und darüber hinaus bis zum 30. Juni 2012 festzustellen - ist die zulässige Revision begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs verletzt revisibles Recht, weil es unzutreffend annimmt, die Klägerin habe gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit für den bereits abgelaufenen Zeitraum. Das Urteil beruht auch auf dieser Rechtsverletzung und erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 137 Abs. 1, § 144 Abs. 4 VwGO). Bei zutreffender Rechtsanwendung hätte es die Fortsetzungsfeststellungsklage für unzulässig halten müssen. Dies führt zur Änderung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen - klagabweisenden - Urteils. Dem steht nicht entgegen, dass der Klagantrag umgestellt wurde.

17

1. In Bezug auf den noch verfahrensgegenständlichen, bereits abgelaufenen Zeitraum bis zum 30. Juni 2012 kann die Untersagungsverfügung nur mit der Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO angegriffen werden.

18

a) Zu Recht hat der Verwaltungsgerichtshof den entsprechenden Antrag der Klägerin für die Zeit bis zur Berufungsentscheidung für statthaft gehalten, da die Untersagung sich als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung grundsätzlich fortlaufend für den jeweils abgelaufenen Zeitraum erledigt. Ein Verbot wird durch Zeitablauf gegenstandslos, weil es nicht rückwirkend befolgt oder durchgesetzt werden kann. Maßnahmen zur Vollstreckung der Untersagung schließen eine Erledigung nur aus, wenn sie bei Aufhebung der Grundverfügung noch rückgängig zu machen sind. Das ist bei der Schließung der Betriebsstätte durch unmittelbaren Zwang vom 26. Juni bis zum 8. Juli 2008 nicht der Fall.

19

b) Für den Zeitraum von der Berufungsentscheidung bis zum Ablauf der Wirkung der Untersagung infolge ihrer nachträglichen Befristung zum 30. Juni 2012 hat die Klägerin ihr Anfechtungsbegehren im Revisionsverfahren zulässig auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellt. Das Verbot der Klageänderung gemäß § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO steht nur einer Änderung des Streitgegenstandes entgegen. Es schließt jedoch nicht aus, von der Anfechtung eines Verwaltungsakts zu einem Fortsetzungsfeststellungsantrag überzugehen. Dieser Antrag ist für die Zeit bis zum 30. Juni 2012 auch statthaft, da sich die angegriffene Untersagung bis zu diesem Tag weiter fortlaufend und mit seinem Ablauf endgültig erledigt hat. Vorher ist keine endgültige Erledigung eingetreten, weil die Klägerin ihre Betriebsstätte nach der vorübergehenden polizeilichen Schließung wieder zur Vermittlung von Pferdewetten nutzte und auch die Vermittlung von Sportwetten dort jederzeit hätte wieder aufnehmen können.

20

2. Zulässig ist die statthafte Fortsetzungsfeststellungsklage allerdings nur, wenn die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts hat. Ein solches Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein. Entscheidend ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position der Klägerin in den genannten Bereichen zu verbessern (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 4. März 1976 - BVerwG 1 WB 54.74 - BVerwGE 53, 134 <137> und vom 24. Oktober 2006 - BVerwG 6 B 61.06 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 24 Rn. 3). Als Sachentscheidungsvoraussetzung muss das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen. Danach kommt es hier auf den Schluss der mündlichen Verhandlung in der Revisionsinstanz an.

21

a) Für diesen Zeitpunkt lässt sich ein berechtigtes Feststellungsinteresse nicht mit einer Wiederholungsgefahr begründen. Dazu ist nicht nur die konkrete Gefahr erforderlich, dass künftig ein vergleichbarer Verwaltungsakt erlassen wird. Darüber hinaus müssen die für die Beurteilung maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände im Wesentlichen unverändert geblieben sein (Urteil vom 12. Oktober 2006 - BVerwG 4 C 12.04 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 23 Rn. 8 m.w.N.). Daran fehlt es hier. Die für die Beurteilung einer glücksspielrechtlichen Untersagung maßgeblichen rechtlichen Umstände haben sich mit dem Inkrafttreten des Ersten Staatsvertrages zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 15. Dezember 2011 (BayGVBl 2012 S. 318) und dessen landesrechtlicher Umsetzung in Bayern zum 1. Juli 2012 gemäß §§ 1 und 4 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland und anderer Rechtsvorschriften vom 25. Juni 2012 (BayGVBl S. 270) grundlegend geändert. Dem steht nicht entgegen, dass der allgemeine Erlaubnisvorbehalt für die Veranstaltung und Vermittlung öffentlichen Glücksspiels nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV und die Ermächtigung zur Untersagung der unerlaubten Veranstaltung und Vermittlung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV fortgelten. Für die rechtliche Beurteilung einer Untersagung kommt es auch auf die Verhältnismäßigkeit des mit ihr durchgesetzten Erlaubnisvorbehalts sowie des Verbots selbst und damit auf Fragen der materiellen Erlaubnisfähigkeit des untersagten Verhaltens an (vgl. Urteil vom 1. Juni 2011 - BVerwG 8 C 2.10 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 276 Rn. 55; dazu näher unten Rn. 54 f.). Insoweit ergeben sich aus den in Bayern zum 1. Juli 2012 in Kraft getretenen, § 4 GlüStV ergänzenden Spezialregelungen betreffend die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten erhebliche Unterschiede zur früheren, bis zum 30. Juni 2012 geltenden Rechtslage. Nach § 10a Abs. 1 und 2 i.V.m. §§ 4a ff. GlüStV wird das staatliche Sportwettenmonopol - zunächst für eine Experimentierphase von sieben Jahren - durch ein Konzessionssystem ersetzt. Gemäß § 10a Abs. 3 GlüStV können bundesweit bis zu 20 Wettunternehmen eine Veranstalterkonzession erhalten. Für die Konzessionäre wird das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV, von dem ohnehin nach Absatz 5 der Vorschrift dispensiert werden darf, nach Maßgabe des § 10a Abs. 4 Satz 1 und 2 GlüStV gelockert. Die Vermittlung konzessionierter Angebote bleibt nach § 10a Abs. 5 Satz 2 GlüStV i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV erlaubnispflichtig. Die Anforderungen an die gewerbliche Spielvermittlung werden aber in § 19 i.V.m. §§ 5 bis 8 GlüStV in wesentlichen Punkten neu geregelt. So wurden die Werbebeschränkungen des § 5 GlüStV deutlich zurückgenommen (dazu im Einzelnen Beschluss vom 17. Oktober 2012 - BVerwG 8 B 47.12 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 208 Rn. 6). Andererseits enthält § 7 Abs. 1 Satz 2 GlüStV eine weitgehende Konkretisierung der zuvor nur allgemein statuierten Aufklärungspflichten. Außerdem bindet § 8 Abs. 6 GlüStV erstmals auch die Vermittler in das übergreifende Sperrsystem nach § 23 GlüStV ein. Insgesamt schließen die erheblichen Änderungen der für die materiell-rechtliche Beurteilung der Untersagung erheblichen Vorschriften es aus, von einer im Wesentlichen gleichen Rechtslage auszugehen.

22

Aus der Befristung der experimentellen Konzessionsregelung lässt sich keine konkrete Wiederholungsgefahr herleiten. Ob der Gesetzgeber das Konzessionssystem und dessen materiell-rechtliche Ausgestaltung nach Ablauf der siebenjährigen Experimentierphase auf der Grundlage der inzwischen gewonnenen Erfahrungen fortschreiben, modifizieren oder aufgeben wird, ist ungewiss. Eine Rückkehr zur alten Rechtslage ist jedenfalls nicht abzusehen.

23

b) Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist auch nicht wegen eines Rehabilitierungsinteresses der Klägerin zu bejahen. Die gegenteilige Auffassung der Vorinstanz beruht auf der Annahme, ein solches Interesse bestehe schon wegen des Vorwurfs objektiver Strafbarkeit des untersagten Verhaltens. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

24

Allerdings fehlt ein Rehabilitierungsinteresse nicht etwa deshalb, weil die Klägerin sich als juristische Person nicht strafbar machen kann. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob der Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG sich nach Art. 19 Abs. 3 GG insgesamt auf juristische Personen erstreckt. Sie können jedenfalls Ausprägungen dieses Rechts geltend machen, die nicht an die charakterliche Individualität und die Entfaltung der natürlichen Person anknüpfen, sondern wie das Recht am eigenen Wort oder das Recht auf Achtung des sozialen Geltungsanspruchs und auf Abwehr von Rufschädigungen auch Personengesamtheiten und juristischen Personen zustehen können (BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96, 805/98 - BVerfGE 106, 28 <42 ff.>; BGH, Urteil vom 3. Juni 1986 - VI ZR 102/85 - BGHZ 98, 94 <97>). Die bloße Einschätzung eines Verhaltens als objektiv strafbar hat aber keinen den Betroffenen diskriminierenden Charakter und kann deshalb noch kein Rehabilitierungsinteresse auslösen.

25

Ein berechtigtes ideelles Interesse an einer Rehabilitierung besteht nur, wenn sich aus der angegriffenen Maßnahme eine Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen. Diese Stigmatisierung muss Außenwirkung erlangt haben und noch in der Gegenwart andauern (Beschlüsse vom 4. März 1976 a.a.O. S. 138 f. und vom 4. Oktober 2006 - BVerwG 6 B 64.06 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 36 S. 4 f.). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. In der Feststellung objektiver Strafbarkeit des untersagten Verhaltens liegt noch keine Stigmatisierung. Vielmehr erschöpft sie sich in der Aussage, die unerlaubte Veranstaltung und Vermittlung der Sportwetten erfülle den objektiven Tatbestand des § 284 Abs. 1 StGB und rechtfertige deshalb ein ordnungsbehördliches Einschreiten. Damit enthält sie kein ethisches Unwerturteil, das geeignet wäre, das soziale Ansehen des Betroffenen herabzusetzen. Diese Schwelle wird erst mit dem konkreten, personenbezogenen Vorwurf eines schuldhaft-kriminellen Verhaltens überschritten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 1952 - 1 BvR 197/53 - BVerfGE 9, 167 <171> und Urteil vom 6. Juni 1967 - 2 BvR 375, 53/60 und 18/65 - BVerfGE 22, 49 <79 f.>).

26

Einen solchen Vorwurf hat die Beklagte nach der revisionsrechtlich fehlerfreien Auslegung der Untersagungsverfügung durch die Vorinstanz hier nicht erhoben. Vielmehr bleibt offen, ob angesichts der umstrittenen und seinerzeit ungeklärten Rechtslage ein Entschuldigungsgrund in Gestalt eines unvermeidbaren Verbotsirrtums vorlag (vgl. BGH, Urteil vom 16. August 2007 - 4 StR 62/07 - NJW 2007, 3078 zur Rechtslage unter dem Lotteriestaatsvertrag). Die Einschätzung, die untersagte Tätigkeit sei objektiv strafbar, hat überdies keine Außenwirkung erlangt. Der Bescheid ist nur an die Klägerin gerichtet. Eine Weitergabe an Dritte ist weder substantiiert vorgetragen worden noch aus den Akten zu ersehen.

27

Der vorübergehenden polizeilichen Schließung des Wettlokals kam zwar Außenwirkung zu, sie hatte jedoch keinen diskriminierenden Charakter. Aus dem Vollzug einer Verwaltungsmaßnahme lässt sich nur ableiten, dass dem Betroffenen ein Verstoß gegen verwaltungsrechtliche Vorschriften und Anordnungen vorgeworfen wird. Ein solcher Vorwurf bewirkt jedoch im Gegensatz zum Vorwurf schuldhafter Verletzung von Strafgesetzen keine Stigmatisierung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 1952 a.a.O.). Sie ergibt sich hier auch nicht aus der Art und Weise der Schließung des Lokals.

28

Nachteilige Auswirkungen der Untersagung in künftigen Verwaltungsverfahren - etwa zur Erlaubniserteilung nach aktuellem Recht - sind nach der im Termin zur mündlichen Verhandlung zu Protokoll gegebenen Erklärung des Vertreters des Freistaates Bayern ebenfalls nicht zu besorgen. Danach werden Monopolverstöße dort zukünftig nicht als Anhaltspunkt für eine Unzuverlässigkeit von Konzessionsbewerbern oder Bewerbern um eine Vermittlungserlaubnis gewertet.

29

c) Entgegen dem angegriffenen Urteil lässt sich ein berechtigtes Feststellungsinteresse nicht mit dem Vorliegen eines tiefgreifenden Eingriffs in die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG begründen. Die Annahme des Berufungsgerichts, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO müsse wegen der Garantie effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG in diesem Sinne ausgelegt werden, trifft nicht zu. Eine Ausweitung des Tatbestandsmerkmals des berechtigten Feststellungsinteresses über die einfach-rechtlich konkretisierten Fallgruppen des berechtigten rechtlichen, ideellen oder wirtschaftlichen Interesses (aa) hinaus verlangt Art. 19 Abs. 4 GG nur bei Eingriffsakten, die sonst wegen ihrer typischerweise kurzfristigen Erledigung regelmäßig keiner gerichtlichen Überprüfung in einem Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten (bb). Eine weitere Ausdehnung des Anwendungsbereichs, die ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse allein wegen der Schwere des erledigten Eingriffs in Grundrechte oder Grundfreiheiten annimmt, ist auch aus Art. 47 GRC in Verbindung mit dem unionsrechtlichen Effektivitätsgebot nicht herzuleiten (cc).

30

aa) Aus dem Wortlaut des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO und dem systematischen Zusammenhang mit § 42 VwGO ergibt sich, dass die Verwaltungsgerichte nur ausnahmsweise für die Überprüfung erledigter Verwaltungsakte in Anspruch genommen werden können. Nach dem Wegfall der mit dem Verwaltungsakt verbundenen Beschwer wird gerichtlicher Rechtsschutz grundsätzlich nur zur Verfügung gestellt, wenn der Kläger ein berechtigtes rechtliches, wirtschaftliches oder ideelles Interesse an einer nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der erledigten Maßnahme hat (dazu oben Rn. 20). Das berechtigte Feststellungsinteresse geht in all diesen Fällen über das bloße Interesse an der Klärung der Rechtswidrigkeit der Verfügung hinaus. Dies gilt unabhängig von der Intensität des erledigten Eingriffs und vom Rang der Rechte, die von ihm betroffen waren.

31

bb) Die Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG differenziert ebenfalls nicht nach diesen beiden Kriterien. Sie gilt auch für einfach-rechtliche Rechtsverletzungen, die - von der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG abgesehen - kein Grundrecht tangieren, und für weniger schwerwiegende Eingriffe in Grundrechte und Grundfreiheiten. Umgekehrt gebietet die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG selbst bei tiefgreifenden Eingriffen in solche Rechte nicht, ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse anzunehmen, wenn dies nicht erforderlich ist, die Effektivität des Rechtsschutzes zu sichern.

32

Effektiver Rechtsschutz verlangt, dass der Betroffene ihn belastende Eingriffsmaßnahmen in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren überprüfen lassen kann. Solange er durch den Verwaltungsakt beschwert ist, stehen ihm die Anfechtungs- und die Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO zur Verfügung. Erledigt sich der Verwaltungsakt durch Wegfall der Beschwer, wird nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO Rechtsschutz gewährt, wenn der Betroffene daran ein berechtigtes rechtliches, ideelles oder wirtschaftliches Interesse hat. In den übrigen Fällen, in denen sein Anliegen sich in der bloßen Klärung der Rechtmäßigkeit des erledigten Verwaltungsakts erschöpft, ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nach Art. 19 Abs. 4 GG zu bejahen, wenn andernfalls kein wirksamer Rechtsschutz gegen solche Eingriffe zu erlangen wäre. Davon ist nur bei Maßnahmen auszugehen, die sich typischerweise so kurzfristig erledigen, dass sie ohne die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses regelmäßig keiner Überprüfung im gerichtlichen Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten. Maßgebend ist dabei, ob die kurzfristige, eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage ausschließende Erledigung sich aus der Eigenart des Verwaltungsakts selbst ergibt (BVerfG, Beschlüsse vom 5. Dezember 2001 - 2 BvR 527/99, 1337/00, 1777/00 - BVerfGE 104, 220 <232 f.> und vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77 <86> m.w.N).

33

Glücksspielrechtliche Untersagungsverfügungen nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV zählen nicht zu den Verwaltungsakten, die sich in diesem Sinne typischerweise kurzfristig erledigen. Vielmehr sind sie als Verwaltungsakte mit Dauerwirkung (Urteil vom 1. Juni 2011 - BVerwG 8 C 2.10 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 276 Rn. 19 m.w.N.) gerade auf langfristige Geltung angelegt. Dass sie sich regelmäßig fortlaufend für den bereits zurückliegenden Zeitraum erledigen, lässt ihre gegenwärtige, sich täglich neu aktualisierende Wirksamkeit und damit auch ihre Anfechtbarkeit und Überprüfbarkeit im Hauptsacheverfahren unberührt (vgl. Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Januar 2012, § 113 Rn. 85 a.E.). Änderungen der Rechtslage führen ebenfalls nicht zur Erledigung. Vielmehr ist die Untersagung anhand der jeweils aktuellen Rechtslage zu prüfen. Dass ihre Anfechtung sich regelmäßig nur auf eine Aufhebung des Verbots mit Wirkung ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung richten kann, stellt keine Rechtsschutzbeschränkung dar. Vielmehr trägt dies dem Umstand Rechnung, dass das Verbot in der Vergangenheit keine Regelungswirkung mehr entfaltet, die aufgehoben werden könnte. Im Ausnahmefall, etwa bei einer noch rückgängig zu machenden Vollziehung der Untersagung, bleibt diese wegen ihrer Titelfunktion als Rechtsgrund der Vollziehung rückwirkend anfechtbar (Beschluss vom 25. September 2008 - BVerwG 7 C 5.08 - Buchholz 345 § 6 VwVG Nr. 1 Rn. 13; zur Vollzugsfolgenbeseitigung vgl. Urteil vom 14. März 2006 - BVerwG 1 C 11.05 - BVerwGE 125, 110 = Buchholz 402.242 § 63 AufenthG Nr. 2 Rn. 17).

34

Dass eine untypisch frühzeitige Erledigung im Einzelfall einer streitigen Hauptsacheentscheidung zuvorkommen kann, berührt Art. 19 Abs. 4 GG nicht. Die Rechtsweggarantie verbietet zwar, gesetzliche Zulässigkeitsanforderungen so auszulegen, dass ein gesetzlich eröffneter Rechtsbehelf leerläuft, weil das weitere Beschreiten des Rechtswegs unzumutbar und ohne sachliche Rechtfertigung erschwert wird (BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 2010 - 2 BvR 1023/08 - NJW 2011, 137 m.w.N.). Einen solchen Leerlauf hat die dargestellte Konkretisierung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses aber nicht zur Folge. Ihre sachliche Rechtfertigung und die Zumutbarkeit ihrer prozessualen Konsequenzen ergeben sich daraus, dass eine großzügigere Handhabung dem Kläger mangels berechtigten rechtlichen, ideellen oder wirtschaftlichen Interesses keinen relevanten Vorteil bringen könnte und auch nicht dazu erforderlich ist, maßnahmenspezifische Rechtsschutzlücken zu vermeiden.

35

Entgegen der Auffassung der Klägerin wird deren prozessualer Aufwand mit der endgültigen Erledigung des Verfahrens, wenn kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen ist, auch nicht entwertet. Das ursprüngliche Klageziel, die Beseitigung der Untersagung, wird infolge der zur Erledigung führenden Befristung durch das Unwirksamwerden der Verbotsverfügung mit Fristablauf erreicht. Das prozessuale Vorbringen zur Zulässigkeit und Begründetheit der Klage im Zeitpunkt der Erledigung kann sich bei der Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO zugunsten der Klägerin auswirken. Eine Hauptsacheentscheidung in jedem Einzelfall oder gar ein vollständiger Instanzenzug wird durch Art. 19 Abs. 4 GG nicht gewährleistet.

36

cc) Aus der Garantie eines wirksamen Rechtsbehelfs im Sinne des Art. 47 GRC ergibt sich keine Verpflichtung, das Merkmal des berechtigten Interesses nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO weiter auszulegen.

37

Allerdings ist nach der unionsgerichtlichen Rechtsprechung davon auszugehen, dass der sachliche Anwendungsbereich der Grundrechtecharta nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC eröffnet ist, weil die Klägerin Rechtsschutz wegen einer Beschränkung ihrer Dienstleistungsfreiheit begehrt. Zur mitgliedstaatlichen Durchführung des Unionsrechts im Sinne der Vorschrift rechnet der Gerichtshof nicht nur Umsetzungsakte im Sinne eines unionsrechtlich - zumindest teilweise - determinierten Vollzugs, sondern auch mitgliedstaatliche Eingriffe in Grundfreiheiten nach Maßgabe der allgemeinen unionsrechtlichen Schrankenvorbehalte. An dieser Rechtsprechung, die vor Inkrafttreten der Charta zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs unionsrechtlicher Grundrechte als allgemeiner Grundsätze des Unionsrechts entwickelt wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 18. Juni 1991 - Rs. C-260/89, ERT - Slg. 1991 I-2951 ), hält der Gerichtshof weiterhin fest. Er geht von einer mitgliedstaatlichen Bindung an die Unionsgrundrechte im gesamten Anwendungsbereich des Unionsrechts aus und verweist dazu auf die Erläuterungen zu Art. 51 GRC, die nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 EUV, Art. 52 Abs. 7 GRC bei der Auslegung der Charta zu berücksichtigen sind (EuGH, Urteil vom 26. Februar 2013 - Rs. C-617/10, Akerberg Fransson - EuZW 2013, 302 ). Wie diese Abgrenzungsformel im Einzelnen zu verstehen ist, inwieweit bei ihrer Konkretisierung grammatische und entstehungsgeschichtliche Anhaltspunkte für eine bewusste Begrenzung des Anwendungsbereichs durch Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC maßgeblich und welche Folgerungen aus kompetenzrechtlichen Grenzen zu ziehen sind (vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 24. April 2013 - 1 BvR 1215/07 - NJW 2013, 1499 Rn. 88 und 90; zur Entstehungsgeschichte Borowsky, in: Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Aufl. 2011, S. 643 ff.), bedarf hier keiner Klärung. Geht man von der Anwendbarkeit des Art. 47 GRC aus, ist dieser jedenfalls nicht verletzt.

38

Mit der Verpflichtung, einen wirksamen Rechtsbehelf gegen Rechtsverletzungen zur Verfügung zu stellen, konkretisiert Art. 47 Abs. 1 GRC den allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatz effektiven Rechtsschutzes (dazu vgl. EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2010 - Rs. C-279/09, DEB - EuZW 2011, 137 und Beschluss vom 13. Juni 2012 - Rs. C-156/12, GREP - juris ). Er hindert den mitgliedstaatlichen Gesetzgeber aber nicht, für die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs ein qualifiziertes Interesse des Klägers zu fordern und diese Anforderung im Sinne der soeben unter aa) und bb) (Rn. 30 und 31 ff.) dargelegten Kriterien zu konkretisieren.

39

Wie sich aus den einschlägigen unionsgerichtlichen Entscheidungen ergibt, bleibt es grundsätzlich den Mitgliedstaaten überlassen, im Rahmen der Ausgestaltung ihres Prozessrechts die Klagebefugnis und das Rechtsschutzinteresse des Einzelnen zu normieren. Begrenzt wird das mitgliedstaatliche Ermessen bei der Regelung solcher Zulässigkeitsvoraussetzungen durch das unionsrechtliche Äquivalenzprinzip, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Effektivitätsgebot (EuGH, Urteile vom 11. Juli 1991 - Rs. C-87/90 u.a., Verholen u.a. ./. Sociale Verzekeringsbank - Slg. 1991 I-3783 und vom 16. Juli 2009 - Rs. C-12/08, Mono Car Styling ./. Dervis Odemis u.a. - Slg. 2009 I-6653 ; Beschluss vom 13. Juni 2012 a.a.O. ).

40

Das Äquivalenzprinzip verlangt eine Gleichwertigkeit der prozessrechtlichen Bedingungen für die Durchsetzung von Unionsrecht und mitgliedstaatlichem Recht (EuGH, Urteil vom 13. März 2007 - Rs. C-432/05, Unibet ./. Justitiekansler - Slg. 2005 I-2301 ). Es ist hier nicht betroffen, weil die dargelegte verfassungskonforme Konkretisierung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nicht danach unterscheidet, ob eine Verletzung von Unions- oder mitgliedstaatlichem Recht geltend gemacht wird.

41

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verbietet eine Zulässigkeitsregelung, die das Recht auf Zugang zum Gericht in seinem Wesensgehalt selbst beeinträchtigt, ohne einem unionsrechtlich legitimen Zweck zu dienen und im Verhältnis dazu angemessen zu sein (EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2010 a.a.O. und Beschluss vom 13. Juni 2012 a.a.O. ). Hier fehlt schon eine den Wesensgehalt des Rechts selbst beeinträchtigende Rechtswegbeschränkung. Sie liegt vor, wenn dem Betroffenen der Zugang zum Gericht trotz einer Belastung durch die beanstandete Maßnahme verwehrt wird, weil die fragliche Regelung für den Zugang zum Recht ein unüberwindliches Hindernis aufrichtet (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2010 a.a.O. ; Beschluss vom 13. Juni 2012 a.a.O. ). Danach kommt es - nicht anders als nach der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 19 Abs. 4 GG - maßgeblich darauf an, dass der Betroffene eine ihn belastende Eingriffsmaßnahme gerichtlich überprüfen lassen kann. Das war hier gewährleistet, da die Untersagungsverfügung bis zu ihrer endgültigen Erledigung angefochten werden konnte und § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO eine Fortsetzungsfeststellung ermöglichte, soweit diese noch zur Abwendung fortwirkender Nachteile von Nutzen sein konnte. Dass die Vorschrift keinen darüber hinausgehenden Anspruch auf eine Fortsetzung des Prozesses nur zum Zweck nachträglicher Rechtsklärung vorsieht, widerspricht nicht dem Wesensgehalt der Garantie eines wirksamen Rechtsbehelfs. Unabhängig davon wäre selbst eine Beeinträchtigung des Rechts in seinem Wesensgehalt verhältnismäßig. Sie wäre geeignet, erforderlich und angemessen, die Prozessökonomie zur Verwirklichung des unionsrechtlich legitimen Ziels zügigen, effektiven Rechtsschutzes für alle Rechtssuchenden zu wahren.

42

Das Effektivitätsgebot ist ebenfalls nicht verletzt. Es fordert eine Ausgestaltung des mitgliedstaatlichen Rechts, die die Ausübung unionsrechtlich gewährleisteter Rechte nicht praktisch unmöglich macht oder unzumutbar erschwert (EuGH, Urteile vom 11. Juli 1991 a.a.O. und vom 13. März 2007 a.a.O. ). Bezogen auf die mitgliedstaatliche Regelung prozessualer Zulässigkeitsvoraussetzungen ergibt sich daraus, dass den Trägern unionsrechtlich begründeter Rechte gerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung stehen muss, der eine wirksame Kontrolle jeder Rechtsverletzung und damit die Durchsetzbarkeit des betroffenen Rechts gewährleistet. Diese Anforderungen gehen nicht über die aus Art. 19 Abs. 4 GG herzuleitende Gewährleistung einer gerichtlichen Überprüfbarkeit jedes Eingriffs in einem Hauptsacheverfahren hinaus. Insbesondere lässt sich aus dem Effektivitätsgebot keine Verpflichtung herleiten, eine Fortsetzung der gerichtlichen Kontrolle nach Erledigung des Eingriffs unabhängig von einem rechtlichen, ideellen oder wirtschaftlichen Nutzen für den Kläger allein unter dem Gesichtspunkt eines abstrakten Rechtsklärungsinteresses vorzusehen (vgl. die Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro, in: - Rs. C-83/91, Meilicke/ADV/ORGA AG - vom 8. April 1992, Slg. 1992 I-4897 ). Das gilt erst recht, wenn die Maßnahme bereits Gegenstand einer gerichtlichen Hauptsacheentscheidung war und sich erst im Rechtsmittelverfahren erledigt hat.

43

An der Richtigkeit dieser Auslegung des Art. 47 Abs. 1 GRC und des unionsrechtlichen Grundsatzes effektiven Rechtsschutzes bestehen unter Berücksichtigung der zitierten unionsgerichtlichen Rechtsprechung keine ernsthaften Zweifel im Sinne der acte-clair-Doktrin (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - Rs. C-283/81, C.I.L.F.I.T. u.a. -, Slg. 1982, S. 3415 ). Die von der Klägerin angeregte Vorlage an den Gerichtshof ist deshalb nach Art. 267 Abs. 3 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nicht geboten.

44

d) Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ergibt sich schließlich nicht aus der Präjudizwirkung der beantragten Feststellung für den von der Klägerin angestrebten Staatshaftungsprozess. Auch das Berufungsgericht hat das nicht angenommen. Ein Präjudizinteresse kann nur bestehen, wenn die beabsichtigte Geltendmachung von Staatshaftungsansprüchen nicht offensichtlich aussichtslos ist. Bei der Prüfung dieses Ausschlusskriteriums ist ein strenger Maßstab anzulegen. Die Wahrscheinlichkeit eines Misserfolgs im zivilgerichtlichen Haftungsprozess genügt nicht. Offensichtlich aussichtslos ist eine Staatshaftungsklage jedoch, wenn der geltend gemachte Anspruch unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt besteht und dies sich ohne eine ins Einzelne gehende Würdigung aufdrängt (Urteile vom 14. Januar 1980 - BVerwG 7 C 92.79 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 95 S. 27, vom 29. April 1992 - BVerwG 4 C 29.90 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 247 S. 90 und vom 8. Dezember 1995 - BVerwG 8 C 37.93 - BVerwGE 100, 83 <92> = Buchholz 454.11 WEG Nr. 7). Der Verwaltungsprozess muss nicht zur Klärung öffentlich-rechtlicher Vorfragen der Staatshaftung fortgeführt werden, wenn der Kläger daraus wegen offenkundigen Fehlens anderer Anspruchsvoraussetzungen keinen Nutzen ziehen könnte. Hier drängt sich schon ohne eine detaillierte Würdigung auf, dass der Klägerin selbst bei Rechtswidrigkeit der Untersagung keine staatshaftungsrechtlichen Ansprüche zustehen.

45

Die Voraussetzungen der Amtshaftung gemäß Art. 34 Satz 1 GG, § 839 BGB oder des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs (zu dessen Herleitung vgl. EuGH, Urteil vom 19. November 1991 - Rs. C-6/90 und 9/90, Francovich u.a. - Slg. 1991 I-5357 ) liegen ersichtlich nicht vor, ohne dass es insoweit einer ins Einzelne gehenden Prüfung bedürfte. Weitere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht.

46

aa) Für den Zeitraum vom Erlass der Untersagung bis zum Ergehen der unionsgerichtlichen Urteile zu den deutschen Sportwettenmonopolen (EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - Slg. 2010 I-8069, - Rs. C-46/08, Carmen Media Group - Slg. 2010 I-8175 und - Rs. C-409/06, Winner Wetten - Slg. 2010 I-8041) scheidet ein Amtshaftungsanspruch aus, weil den Amtswaltern selbst bei Rechtswidrigkeit der zur Begründung der Untersagung herangezogenen Monopolregelung keine schuldhaft fehlerhafte Rechtsanwendung zur Last zu legen ist. Die unionsrechtliche Staatshaftung greift für diesen Zeitraum nicht ein, da ein etwaiger Verstoß gegen das Unionsrecht nicht hinreichend qualifiziert war.

47

(1) Einem Amtswalter ist auch bei fehlerhafter Rechtsanwendung regelmäßig kein Verschulden im Sinne des § 839 BGB vorzuwerfen, wenn seine Amtstätigkeit durch ein mit mehreren rechtskundigen Berufsrichtern besetztes Kollegialgericht aufgrund einer nicht nur summarischen Prüfung als objektiv rechtmäßig angesehen wird (Urteil vom 17. August 2005 - BVerwG 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <105 ff.> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 32; BGH, Urteil vom 6. Februar 1986 - III ZR 109/84 - BGHZ 97, 97 <107>). Das Verwaltungsgericht hat die angegriffene Untersagungsverfügung im Hauptsacheverfahren - unabhängig von der Wirksamkeit und Anwendbarkeit des Monopols - für rechtmäßig gehalten. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bejahte seinerzeit in ständiger Rechtsprechung die Vereinbarkeit des Sportwettenmonopols mit höherrangigem Recht sowie die Rechtmäßigkeit darauf gestützter Untersagungen unerlaubter Wettvermittlung (vgl. VGH München, Urteile vom 18. Dezember 2008 - 10 BV 07.558 - ZfWG 2009, 27 und - 10 BV 07.774/775 - juris). Er hat diese Auffassung erst im Hinblick auf die im Herbst 2010 veröffentlichten Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den deutschen Sportwettenmonopolen vom 8. September 2010 (a.a.O.) sowie die daran anknüpfenden Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. November 2010 (BVerwG 8 C 14.09 - BVerwGE 138, 201 = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 272, - BVerwG 8 C 15.09 - NWVBl 2011, 307 sowie - BVerwG 8 C 13.09 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 273) in einer Eilentscheidung im Frühjahr 2011 aufgegeben (VGH München, Beschluss vom 21. März 2011 - 10 AS 10.2499 - ZfWG 2011, 197 = juris Rn. 24 ff.). Die Orientierung an der berufungsgerichtlichen Rechtsprechung kann den Amtswaltern auch nicht etwa vorgeworfen werden, weil die kollegialgerichtlichen Entscheidungen bis Ende 2010 - für sie erkennbar - von einer schon im Ansatzpunkt völlig verfehlten rechtlichen Betrachtung ausgegangen wären (zu diesem Kriterium vgl. BVerwG, Urteil vom 17. August 2005 a.a.O. S. 106 f.). Hinreichend geklärt war ein etwaiger Verstoß gegen unionsrechtliche Vorgaben jedenfalls nicht vor Ergehen der zitierten unionsgerichtlichen Entscheidungen (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2012 - III ZR 196/11 - EuZW 2013, 194 ), die durch die nachfolgenden Urteile des Senats in Bezug auf das bayerische Monopol konkretisiert wurden. Der Gerichtshof stellte seinerzeit erstmals klar, dass die Verhältnismäßigkeit im unionsrechtlichen Sinn nicht nur eine kohärente Ausgestaltung des jeweiligen Monopolbereichs selbst, sondern darüber hinaus eine Kohärenz auch zwischen den Regelungen verschiedener Glücksspielsektoren fordert. Außerdem präzisierte er die Grenzen zulässiger, nicht auf Expansion gerichteter Werbung für die besonders umstrittene Imagewerbung.

48

(2) Im Zeitraum bis zum Herbst 2010 fehlt es auch an einem hinreichend qualifizierten Rechtsverstoß, wie er für die unionsrechtliche Staatshaftung erforderlich ist. Diese setzt eine erhebliche und gleichzeitig offenkundige Verletzung des Unionsrechts voraus. Maßgeblich dafür sind unter anderem das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift, der Umfang des durch sie belassenen Ermessensspielraums und die Frage, ob Vorsatz bezüglich des Rechtsbruchs oder des Zufügens des Schadens vorlag, sowie schließlich, ob ein Rechtsirrtum entschuldbar war (EuGH, Urteil vom 5. März 1996 - Rs. C-46 und 48/93, Brasserie du Pêcheur und Factortame - Slg. 1996 I-1029 ). Nach diesen Kriterien kann zumindest bis zu den zitierten Entscheidungen des Gerichtshofs von einer offenkundigen erheblichen Verletzung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit durch die Monopolregelung nicht die Rede sein. Mangels Harmonisierung des Glücksspielbereichs stand den Mitgliedstaaten ein weites Regelungsermessen zur Verfügung. Seine durch die Grundfreiheiten gezogenen Grenzen waren jedenfalls bis zur unionsgerichtlichen Konkretisierung der intersektoralen Kohärenz nicht so genau und klar bestimmt, dass ein etwaiger Rechtsirrtum unentschuldbar gewesen wäre.

49

bb) Für den anschließenden Zeitraum bis zur endgültigen Erledigung der angegriffenen Untersagung am 30. Juni 2012 bedarf es keiner Prüfung, ob eine schuldhaft fehlerhafte Rechtsanwendung der Behörden oder ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen das Unionsrecht zu bejahen ist. Jedenfalls fehlt offensichtlich die erforderliche Kausalität zwischen einer etwaigen Rechtsverletzung und dem möglicherweise geltend zu machenden Schaden. Das ergibt sich schon aus den allgemeinen Grundsätzen zur Kausalität von fehlerhaften Ermessensentscheidungen für einen etwaigen Schaden.

50

(1) Die Amtshaftung setzt gemäß § 839 BGB voraus, dass der Schaden durch das schuldhaft rechtswidrige Handeln des Amtsträgers verursacht wurde. Bei Ermessensentscheidungen ist das zu verneinen, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch bei fehlerfreier Rechtsanwendung dieselbe zum Schaden führende Entscheidung getroffen worden wäre (BGH, Beschlüsse vom 21. Januar 1982 - III ZR 37/81 - VersR 1982, 275 und vom 30. Mai 1985 - III ZR 198/84 - VersR 1985, 887 f.; Vinke, in: Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. 12, Stand: Sommer 2005, § 839 Rn. 176, zur Unterscheidung von der Figur rechtmäßigen Alternativverhaltens vgl. ebd. Rn. 178).

51

Die unionsrechtliche Staatshaftung greift nur bei einem unmittelbaren Kausalzusammenhang zwischen der hinreichend qualifizierten Unionsrechtsverletzung und dem Schaden ein. Diese unionsrechtlich vorgegebene Haftungsvoraussetzung ist im mitgliedstaatlichen Recht umzusetzen (EuGH, Urteil vom 5. März 1996 a.a.O. ). Sie ist erfüllt, wenn ein unmittelbarer ursächlicher und adäquater Zusammenhang zwischen dem hinreichend qualifizierten Unionsrechtsverstoß und dem Schaden besteht (BGH, Urteil vom 24. Oktober 1996 - III ZR 127/91 - BGHZ 134, 30 <39 f.>; Papier, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2009, § 839 Rn. 101). Bei Ermessensentscheidungen ist dieser Kausalzusammenhang nicht anders zu beurteilen als in den Fällen der Amtshaftung. Er fehlt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Schaden auch bei rechtsfehlerfreier Ermessensausübung eingetreten wäre.

52

Nach beiden Anspruchsgrundlagen käme daher eine Haftung nur in Betracht, wenn feststünde, dass der Schaden bei rechtmäßiger Ermessensausübung vermieden worden wäre. Das ist für den noch offenen Zeitraum vom Herbst 2010 bis zum 30. Juni 2012 offenkundig zu verneinen. In dieser Zeit war eine Untersagung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV zur Durchsetzung des glücksspielrechtlichen Erlaubnisvorbehalts nach § 4 Abs. 1 GlüStV ermessensfehlerfrei gemäß Art. 40 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) möglich. Es steht auch nicht fest, dass die Beklagte in Kenntnis dieser Befugnis von einer Untersagung abgesehen hätte.

53

(2) Der Erlaubnisvorbehalt selbst war unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Sportwettenmonopols verfassungskonform (BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08 - NVwZ 2008, 1338 ; BVerwG, Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 8 C 13.09 - a.a.O. Rn. 73, 77 ff.) und verstieß auch nicht gegen Unionsrecht. Er diente nicht allein dem Schutz des Monopols, sondern auch unabhängig davon den verfassungs- wie unionsrechtlich legitimen Zielen des Jugend- und Spielerschutzes und der Kriminalitätsbekämpfung. Das in Art. 2 des Bayerischen Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (BayAGGlüStV) näher geregelte Erlaubnisverfahren ermöglichte die präventive Prüfung, ob unter anderem die für die Tätigkeit erforderliche persönliche Zuverlässigkeit vorlag (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayAGGlüStV) und die in Art. 2 Abs. 1 BayAGGlüStV in Bezug genommenen Anforderungen des Jugend- und Spielerschutzes nach §§ 4 ff. GlüStV sowie die besonderen Regelungen der gewerblichen Vermittlung und des Vertriebs von Sportwetten nach §§ 19, 21 GlüStV beachtet wurden. Diese gesetzlichen Anforderungen waren im Hinblick auf das damit verfolgte Ziel verhältnismäßig und angemessen (Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 8 C 13.09 - a.a.O. Rn. 80 f., 83). Darüber hinaus waren sie hinreichend bestimmt, transparent und nicht diskriminierend. Gegen etwa rechtswidrige Ablehnungsentscheidungen standen wirksame Rechtsbehelfe zur Verfügung (zu diesen Anforderungen vgl. EuGH, Urteile vom 9. September 2010 - Rs. C-64/08, Engelmann - Slg. 2010 I-8219 , vom 19. Juli 2012 - Rs. C-470/11, SIA Garkalns - NVwZ 2012, 1162 sowie vom 24. Januar 2013 - Rs. C-186/11 und C-209/11, Stanleybet Int. Ltd. u.a. - ZfWG 2013, 95 ).

54

(3) Weil die Klägerin nicht über die erforderliche Erlaubnis für die Veranstaltung und die Vermittlung der von ihr vertriebenen Sportwetten verfügte, war der Tatbestand der Untersagungsermächtigung offenkundig erfüllt. Art. 40 BayVwVfG ließ auch eine Ermessensausübung im Sinne einer Untersagung zu. Sie entsprach dem Zweck der Norm, da die Untersagungsermächtigung dazu diente, die vorherige behördliche Prüfung der Erlaubnisfähigkeit der beabsichtigten Gewerbetätigkeit zu sichern und damit die mit einer unerlaubten Tätigkeit verbundenen Gefahren abzuwehren. Die Rechtsgrenzen des Ermessens schlossen ein Verbot ebenfalls nicht aus. Insbesondere verpflichtete das Verhältnismäßigkeitsgebot die Beklagte nicht, von einer Untersagung abzusehen und die formell illegale Tätigkeit zu dulden. Das wäre nur anzunehmen, wenn die formell illegale Tätigkeit die materiellen Erlaubnisvoraussetzungen - mit Ausnahme der möglicherweise rechtswidrigen Monopolvorschriften - erfüllte und dies für die Untersagungsbehörde im Zeitpunkt ihrer Entscheidung offensichtlich, d.h. ohne weitere Prüfung erkennbar war. Dann war die Untersagung nicht mehr zur Gefahrenabwehr erforderlich. Verbleibende Unklarheiten oder Zweifel an der Erfüllung der nicht monopolabhängigen Erlaubnisvoraussetzungen rechtfertigten dagegen ein Einschreiten. In diesem Fall war die Untersagung notwendig, die Klärung im Erlaubnisverfahren zu sichern und zu verhindern, dass durch die unerlaubte Tätigkeit vollendete Tatsachen geschaffen und ungeprüfte Gefahren verwirklicht wurden.

55

Aus dem Urteil des Senats vom 1. Juni 2011 (BVerwG 8 C 2.10 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 276 Rn. 55; vgl. die Parallelentscheidungen vom selben Tag - BVerwG 8 C 4.10 - ZfWG 2011, 341 und Urteile vom 11. Juli 2011 - BVerwG 8 C 11.10 und BVerwG BVerwG 8 C 12.10 - je juris Rn. 53) ergibt sich nichts anderes. Die dortige Formulierung, der Erlaubnisvorbehalt rechtfertige eine vollständige Untersagung nur bei Fehlen der Erlaubnisfähigkeit, mag Anlass zu Missverständnissen gegeben haben. Sie ist aber nicht als Verschärfung der Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit präventiver Untersagungen zu verstehen und behauptet keine Pflicht der Behörde, eine unerlaubte Tätigkeit bis zur Klärung ihrer Erlaubnisfähigkeit zu dulden. Das ergibt sich schon aus dem Zusammenhang der zitierten Formulierung mit der unmittelbar daran anschließenden Erwägung, bei Zweifeln hinsichtlich der Beachtung von Vorschriften über die Art und Weise der Gewerbetätigkeit kämen zunächst Nebenbestimmungen in Betracht. Dies beschränkt die Durchsetzbarkeit des glücksspielrechtlichen Erlaubnisvorbehalts nicht auf Fälle, in denen bereits feststeht, dass die materielle Erlaubnisfähigkeit endgültig und unbehebbar fehlt. Hervorgehoben wird nur, dass eine vollständige Untersagung unverhältnismäßig ist, wenn Nebenbestimmungen ausreichen, die Legalität einer im Übrigen offensichtlich erlaubnisfähigen Tätigkeit zu sichern. Das setzt zum einen den Nachweis der Erlaubnisfähigkeit im Übrigen und zum anderen einen Erlaubnisantrag voraus, da Nebenbestimmungen sonst nicht erlassen werden können. Solange nicht offensichtlich ist, dass die materielle Legalität vorliegt oder jedenfalls allein mit Nebenbestimmungen gesichert werden kann, bleibt die Untersagung zur Gefahrenabwehr erforderlich. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem vom Verwaltungsgerichtshof angeführten Urteil vom 24. November 2010 (BVerwG 8 C 13.09 a.a.O. ). Es erkennt eine Reduzierung des Untersagungsermessens zulasten des Betroffenen an, wenn feststeht, dass dessen unerlaubte Tätigkeit wesentliche Erlaubnisvoraussetzungen nicht erfüllt. Damit bietet es jedoch keine Grundlage für den - unzulässigen - Umkehrschluss, nur in diesem Fall sei eine Untersagung verhältnismäßig.

56

Die unionsgerichtliche Rechtsprechung, nach der gegen den Betroffenen keine strafrechtlichen Sanktionen wegen des Fehlens einer unionsrechtswidrig vorenthaltenen oder verweigerten Erlaubnis verhängt werden dürfen (EuGH, Urteile vom 6. März 2007 - Rs. C-338/04, Placanica u.a. - Slg. 2007 I-1932 sowie vom 16. Februar 2002 - Rs. C-72/10 und C-77/10, Costa und Cifone - EuZW 2012 275 ), schließt eine ordnungsrechtliche präventive Untersagung bis zur Klärung der - monopolunabhängigen - Erlaubnisfähigkeit ebenfalls nicht aus. Insbesondere verlangt das Unionsrecht selbst bei Rechtswidrigkeit des Monopols keine - und erst recht keine sofortige - Öffnung des Markts für alle Anbieter ohne jede präventive Kontrolle. Vielmehr steht es dem Mitgliedstaat in einer solchen Situation frei, das Monopol zu reformieren oder sich für eine Liberalisierung des Marktzugangs zu entscheiden. In der Zwischenzeit ist er lediglich verpflichtet, Erlaubnisanträge privater Anbieter nach unionsrechtskonformen Maßstäben zu prüfen und zu bescheiden (EuGH, Urteil vom 24. Januar 2013 - Rs. C-186/11 u. a., Stanleybet Int. Ltd. u.a. - a.a.O. ). Einen Anspruch auf Duldung einer unerlaubten Tätigkeit vermittelt das Unionsrecht auch bei Unanwendbarkeit der Monopolregelung nicht.

57

Keiner näheren Prüfung bedarf die Verhältnismäßigkeit der Durchsetzung des Erlaubnisvorbehalts für den Fall, dass die Betroffenen keine Möglichkeit hatten, eine Erlaubnis zu erlangen. Der Freistaat Bayern hat nämlich die Entscheidungen des Gerichtshofs vom 8. September 2010 zum Anlass genommen, das Erlaubnisverfahren nach Art. 2 BayAGGlüStV für private Anbieter und die Vermittler an diese zu öffnen. Entgegen der Auffassung der Klägerin bot diese Regelung in Verbindung mit den Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrages eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die Durchführung eines Erlaubnisverfahrens. Die Zuständigkeit der Regierung der Oberpfalz ergab sich aus Art. 2 Abs. 4 Nr. 3 BayAGGlüStV. Der möglichen Rechtswidrigkeit des Sportwettenmonopols war durch Nichtanwenden der Monopol- und monopolakzessorischen Regelungen Rechnung zu tragen. Die gesetzlich normierten materiell-rechtlichen Anforderungen an das Wettangebot und dessen Vermittlung ließen sich entsprechend auf das Angebot privater Wettunternehmer und dessen Vertrieb anwenden. Einzelheiten, etwa die Richtigkeit der Konkretisierung einer solchen entsprechenden Anwendung in den im Termin zur mündlichen Verhandlung angesprochenen, im Verfahren BVerwG 8 C 15.12 vorgelegten Checklisten sowie die Frage, ob und in welcher Weise private Anbieter in das bestehende Spielersperrsystem einzubeziehen waren, müssen hier nicht erörtert werden. Aus verfassungs- und unionsrechtlicher Sicht genügt es, dass eine grundrechts- und grundfreiheitskonforme Anwendung der Vorschriften mit der Folge einer Erlaubniserteilung an private Anbieter und deren Vermittler möglich war und dass diesen gegen etwa rechtsfehlerhafte Ablehnungsentscheidungen effektiver gerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung stand. Der vom Berufungsgericht hervorgehobene Umstand, eine Erlaubniserteilung sei bisher nicht bekannt geworden, ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zwangsläufig auf systematische Rechtsverstöße zurückzuführen. Er kann sich auch daraus ergeben haben, dass in den zur Kenntnis des Berufungsgerichts gelangten Fällen mindestens eine wesentliche und auch nicht durch Nebenbestimmungen zu sichernde Erlaubnisvoraussetzung fehlte.

58

(4) Im vorliegenden Falle war die materielle Erlaubnisfähigkeit der unerlaubten Tätigkeit für die Behörde der Beklagten im Zeitpunkt ihrer Entscheidung nicht offensichtlich. Vielmehr war für sie nicht erkennbar, inwieweit die gewerbliche Sportwettenvermittlung der Klägerin den ordnungsrechtlichen Anforderungen insbesondere des Jugend- und des Spielerschutzes genügte. Die Klägerin hatte dazu keine aussagekräftigen Unterlagen vorgelegt, sondern meinte, ihre unerlaubte Tätigkeit müsse aus unionsrechtlichen Gründen hingenommen werden.

59

Nach der Verwaltungspraxis der Beklagten ist auch nicht festzustellen, dass diese die unerlaubte Tätigkeit in Kenntnis der Möglichkeit einer rechtsfehlerfreien Untersagung geduldet hätte.

60

cc) Weitere Anspruchsgrundlagen für eine Staatshaftung kommen nicht in Betracht. Eine über die Amtshaftung und den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch hinausgehende Haftung für eine rechtswidrige Inanspruchnahme als Störer sieht das bayerische Landesrecht nicht vor (vgl. Art. 70 ff. des Polizeiaufgabengesetzes - BayPAG).

61

e) Andere Umstände, aus denen sich ein berechtigtes Feststellungsinteresse der Klägerin ergeben könnte, sind nicht erkennbar.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.