Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 15. Feb. 2016 - RO 8 K 15.499

published on 15/02/2016 00:00
Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 15. Feb. 2016 - RO 8 K 15.499
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Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Kanalherstellungsbeitrag.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Fl.-Nr. 5395 der Gemarkung … (Anwesen … ). Das Grundstück wurde im Jahre 1969 erstmals an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossen, es war damals bereits mit einem Einfamilienhaus bebaut. Auf der Grundlage der damals angewandten Abgabenregelungen wurde dafür entsprechend dem damaligen Frontmetermaßstab (Anliegerlänge) eine Anschlussgebühr in Höhe von 1.749 DM abgerechnet (Abgabenbescheid vom 13.5.1969). Mit Bescheid der Stadt … vom 2.6.2010 wurde der Klägerin eine Baugenehmigung zum „Ausbau des Dachgeschosses und Einbau einer Schleppgaube in das bestehende Wohnhaus“ erteilt. Das Bauvorhaben wurde 2011 abgeschlossen.

Mit Bescheid der Beklagten vom 7.11.2013 wurden für das Grundstück der Klägerin Fl.-Nr. 5395 der Gemarkung … ein Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 3.218,40 € erhoben. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Der Beitrag berechne sich im Allgemeinen nach der Grundstücksfläche und der erreichbaren zulässigen Geschossfläche. Bei Grundstücken, die bislang noch nicht zur zulässigen Geschossfläche, sondern nach einem anderen Abrechnungsmaßstab (Anschlussgebühr, Beitrag für die vorhandene Geschossfläche usw.) abgerechnet worden seien, erfolge erst im Baufall eine Beitragsnachberechnung zur zulässigen Geschossfläche (§ 9 BGS/EWS). Das Grundstück sei noch nicht zur zulässigen Geschossfläche veranlagt worden. Mit dem Bauvorhaben Ausbau Dachgeschoss BV-Nr. 42/10 (fertiggestellt: 1.8.2011) sei die Geschossfläche vergrößert worden. Aus diesem Grund seien Kanalherstellungsbeiträge nachzuerheben. Dabei werde die Differenz aus der vorhandenen Geschossfläche (vor dem Baufall) zur erreichbaren zulässigen Geschossfläche veranlagt (§ 9 Abs. 1 BGS/EWS). Der Beitrag betrage pro m² Geschossfläche 5,96 € (§ 6 BGS/EWS). Für das Grundstück errechne sich damit folgender Kanalherstellungsbeitrag: erreichbare zulässige Geschossfläche 690 m², bisherige Geschossfläche 150 m², veranlagungspflichtige Geschossfläche 540 m², Kanalherstellungsbeitrag 540 m² x 5,96 €/m² = 3.218,40 €. Beitragspflichtig sei, wer im Zeitpunkt des Entstehens der Beitragsschuld Grundstückseigentümer sei. Da die Klägerin in Zeitpunkt der Baufertigstellung Grundstückseigentümerin gewesen sei, werde der Beitrag von ihr erhoben.

Gegen diesen Bescheid ließ die Klägerin mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 9.12.2013 Widerspruch erheben. Zur Begründung wurde u.a. vorgetragen: In Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) KAG sei inzwischen klargestellt, dass die Festsetzung eines Beitrags ohne Rücksicht auf die Entstehung der Beitragsschuld 20 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eingetreten sei, nicht mehr zulässig sei. Wegen dieser Neufassung sei schon die Gebührensatzung nichtig, weil sie diese Obergrenze nicht berücksichtige. Davon abgesehen, sei aber das Objekt unstreitig bereits in den 50iger Jahren angeschlossen worden und damals der Wasseranschluss abgerechnet worden. Die Aussage, dass der (neue) Beitragstatbestand erst mit dem Ausbau des Dachgeschosses erst ab 1.8.2011 eingetreten sei, sei nur begrenzt richtig. Entscheidend sei, dass die (in Relation zum Ausbau des Dachgeschosses) doch erhebliche Beitragsforderung daraus resultiere, dass vorliegend gerade nicht nur das Dachgeschoss, sondern vielmehr die „zulässige“ Bebauung des Grundstücksnachberechnet werde. Der Gebührentatbestand „weitere zulässige Bebauung“ liege aber seit Jahrzehnten vor, die bloße „Zulässigkeit“ einer weiteren Bebauung bestehe seit Jahrzehnten.

Die Beklagte half dem Widerspruch nicht ab, sondern legte ihn mit Zuleitungsschreiben vom 16.11.2014 der Regierung … zur Entscheidung vor. Es wurde u.a. ausgeführt, dass die 1969 angewandten Abgaberegelungen als nichtig anzusehen seien, erst mit späteren Satzungen wieder gültige Abgaberegelungen vorgelegen hätten und seitdem in den Beitragssatzungen auf den Maßstab Grundstücksfläche und zulässige Geschossfläche abgestellt werde. Auf entsprechende Nachfrage legte die Beklagte noch dar, dass sich die vorhandene Geschossfläche nach § 5 Abs. 3 Satz 6 i.V.m. Abs. 9 Satz 2 und 3 BGS/EWS berechne. Danach sei das Erdgeschoss zunächst mit einer Fläche von 69,3 m² zu berücksichtigen gewesen und das Dachgeschoss mit einer ausgebauten bzw. bewohnbaren Fläche von 52,87 m². Im Jahre 1969 sei der Keller und das Erdgeschoss erweitert worden; an das Erdgeschoss sei ein zusätzliches Wohnzimmer mit einer Geschossfläche von 27,92 m² angebaut worden. Die zulässige Geschossfläche bestimme sich gemäß § 5 Abs. 3 BGS/EWS aus der Multiplikation der GFZ (0,75) mit der Grundstücksfläche (1.496 m²) und betrage somit 1.122 m². Da die zulässige Geschossfläche aber durch Baugrenzen und höchstzulässige Vollgeschossfestsetzungen eingeschränkt werde, ergebe sich für das Grundstück gemäß § 5 Abs. 3 Satz 4 BGS/EWS lediglich eine erreichbare zulässige Geschossfläche von 690 m². Nach § 9 BGS/EWS finde eine Beitragsnachberechnung statt, wenn eine Veränderung der baulichen Ausnutzung stattfinde. Vorliegend habe durch den Dachgeschossausbau eine Geschossflächenvergrößerung stattgefunden. Auf den abgegoltenen Erweiterungsbau des Jahres 1969 (nur Keller und Erdgeschoss) sei ein Dachgeschoss aufgesetzt bzw. das ursprünglich vorhandene Dachgeschoss nach Osten erweitert worden. Weiter sei im bisherigen Dachgeschoss die südliche Abmauerung entfernt und seien Dachgauben errichtet worden.

Mit Widerspruchsbescheid der Regierung … vom 24.2.2015 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt: Der Beitragsbescheid finde seine Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 1 Satz 1 BGS/EWS und § 5 BGS/EWS vom 28.7.2009, geändert durch Satzung vom 22.12.2009. Die Berechnung des zusätzlichen Geschossflächenbeitrags gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 BGS/EWS und § 5 Abs. 1 Satz BGS/EWS im Bescheid vom 7.11.2013 sei zutreffend. Die Erhebung des Beitrags sei auch nicht gemäß dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5.3.2013 (Az. 1 BvR 2457/08) und der zum 1.4.2014 in Kraft getretenen Änderung von Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) KAG rechtswidrig. Es treffe nicht zu, dass die zusätzliche Beitragserhebung zu Lasten der Widerspruchsführerin anlässlich des Dachgeschossausbaus nicht mehr möglich sei, weil der Vorteil der zulässigen Geschossfläche schon seit Jahrzehnten bestehe. Das bebaute Grundstück sei zwar schon seit 1969 an die städtische Entwässerungseinrichtung angeschlossen und habe seit dieser Zeit einen beitragsrechtlich relevanten Vorteil aus dieser Einrichtung. Durch den Ausbau (u.a. Vergrößerung) des Dachgeschosses im Jahr 2011 erfahre das Grundstück jedoch einen weiteren, anderen beitragsrechtlichen Vorteil, der beitragsrechtlich noch nicht abgegolten sei. Es werde auch auf die amtliche Begründung zum Gesetzentwurf zur Änderung des KAG vom 31.1.2014 (LT-Drs. 17/370 S. 13) verwiesen. Dort werde ausdrücklich angesprochen, dass satzungsrechtliche Übergangsbestimmungen zulässig seien, die einen Maßstabswechsel von der tatsächlichen zur zulässigen Geschossfläche zum Gegenstand haben und hinsichtlich des Entstehens der Beitragsschuld auf die Vornahme von baulichen Veränderungen durch den Beitragsschuldner abstellen.

Mit dem am 1.4.2015 beim Verwaltungsgericht Regensburg eingegangenen Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten ließ die Klägerin Klage gegen Beitragsbescheid und Widerspruchsbescheid erheben. Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom 3.6.2015 im Wesentlichen vorgetragen: Eine Vergrößerung des verbauten Raums des Dachgeschosses habe nur insoweit stattgefunden, als eine Gaube eingebracht worden sei und deshalb an dieser Stelle ein Kniestock entfallen sei. Damit sei keine signifikante Vergrößerung der Dachgeschossfläche erfolgt. Die Beklagte meine, wegen des Dachgeschossausbaus von der früheren Berechnung der „konkreten Geschossfläche“ zur „zulässigen Geschossfläche“ übergehen zu dürfen. Dies sei nicht zulässig. Die Vorteilslage der „Bebaubarkeit“ des Grundstücks etwa mit einem weiteren Haus habe sich durch den Dachgeschossausbau überhaupt nicht verändert. Diese Vorteilslage bestehe seit mindestens 1955, als das Grundstück an die kommunale Wasserversorgung angeschlossen worden sei. Der reine Vorteil „Bebaubarkeit“ bestehe seit Jahrzehnten, auf jeden Fall seit mehr als 30 Jahren. Nachdem die Satzung eine solche zeitlich unbegrenzte Heranziehung gestatte, sei sie nichtig. Es sei zwar richtig, dass der Gesetzgeber in der Begründung zur Neufassung des KAG davon ausgegangen sei, dass auch weiterhin ein Maßstabswechsel von tatsächlicher zu zulässiger Geschossfläche erfolgen könne. Gleichzeitig gehe aber auch der Landesgesetzgeber davon aus, dass nur der Eintritt einer neuen Vorteilslage hinsichtlich des neu hinzugekommen Vorteils die Ausschlussfrist gesondert in Gang setze. Die Vorteilslage der „zulässigen Errichtung weiterer Geschossflächen“ sei aber vorliegend vor mehr als 40 Jahren eingetreten. Die Einbringung einer Dachgaube und die hiermit verbundene Änderung der Dachgeschossfläche bringe hierfür keinen neuen Vorteil. Es wäre auch die Verhältnismäßigkeit nicht mehr gewahrt, weil die Klägerin darauf vertrauen durfte, wegen der theoretisch zulässigen Errichtung eines weiteren Gebäudes auf dem Grundstück nicht herangezogen zu werden, schon gar nicht im Hinblick auf die tatsächlich vorgenommenen Änderungen. Vorsorglich werde die Nichtigkeit der Satzung auch im Hinblick darauf geltend gemacht, dass hier keine Regelungen zur Verjährung aufgenommen wurden. Eine den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entsprechende Regelung sei auch erst im Jahre 2014 in das KAG aufgenommen worden. Mit Schriftsatz vom 22.1.2016 wurde das bisherige Vorbringen noch vertieft. Ergänzend wurde u.a. noch ausgeführt: Selbst wenn eine Erhöhung der Vorteilslage wegen des Ausbaus der Dachgeschossfläche im Jahre 2011 eingetreten wäre und damit eine neue Ausschlussfrist hinsichtlich des neu hinzukommenden Vorteils gesondert in Gang gesetzt würde, könne dies auch allenfalls im Hinblick auf den Dachgeschossflächenausbau gelten. Wenn das gegenständliche Grundstück 1969 an den Kanal angeschlossen und damit vollumfänglich erschlossen gewesen sei, verbiete sich bereits deshalb eine Nacherhebung. Wenn die Klägerin auf dem Grundstück etwa 1970 ein weiteres Haus errichtet hätte, wären weitere Kanalgebühren nunmehr verjährt. Die Klägerin dürfe nun nicht schlechter stehen allein dadurch, dass die Errichtung eines zweiten Hauses lediglich zulässig sei und die Beklagte einen Wechsel des Abrechnungsmodus vornehmen wolle. Für den aktuellen Zustand müsse die Klägerin Vertrauensschutz haben, soweit es um die rein „zulässige“ Geschossfläche gehe. Rein vorsorglich werde mitgeteilt, dass die Fläche, um welche die Geschossfläche durch

„Erweiterung des ausgebauten über den Anbau“ erweitert worden sei, nicht 41 m², sondern nur etwa 20 m² betrage.

Es wird beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 7.11.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung … vom 24.2.2015 aufzuheben.

Für die Beklagte beantragt die Stadt …,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird zunächst auf die Gründe des Ausgangsbescheids und des Widerspruchsbescheids Bezug genommen. Ergänzend wird insbesondere noch ausgeführt: Es sei klarzustellen, dass durch den Dachgeschossausbau die Geschossfläche um 41 m² vergrößert worden sei. Diesen Ausbau habe die Beklagte zum Anlass genommen, eine weitere Beitragsschuld für den Unterschied zwischen zulässiger und bisheriger Geschossfläche geltend zu machen. Der Beitragsnacherhebung stehe die zum 1.4.2014 in Kraft getretene Ausschlussfrist des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) 1. Spiegelstrich KAG nicht entgegen. Nach dieser Regelung beginne die Ausschlussfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem die Vorteilslage eingetreten ist. Im vorliegenden Fall sei eine erstmalige Vorteilslage bereits in den 60iger Jahren mit dem Anschluss des zu dieser Zeit bereits bebauten Grundstücks an die öffentliche Entwässerungseinrichtung eingetreten. Es sei auch mit Bescheid vom 13.5.1969 nach den damaligen Satzungsbestimmungen eine Anschlussgebühr erhoben worden. Gemäß der in § 9 BGS/EWS enthaltenen Übergangsregelung werde auch für diese ehemals abgegoltene Vorteilslage kein weiterer Beitrag berechnet. Bei einer (nachträglichen) Geschossflächenerweiterung wie hier durch den Dachgeschossausbau im Jahre 2011 werde eine relevante Veränderung der Vorteilslage bewirkt, die die Ausschlussfrist hinsichtlich des neu hinzukommenden Vorteils gesondert in Gang setze. Wie und in welcher Höhe die aus der Anschlussmöglichkeit erwachsenden Vorteile im Rahmen der Beitragsbemessung sachgerecht abgegolten würden, richte sich nach dem vom kommunalen Satzungsgeber gewählten Beitragsmaßstab und Beitragssatz. Ob und in welchem Rahmen eine Beitragsergänzung oder Beitragsnacherhebung in Bezug auf den neu hinzukommenden Vorteil erfolge, folge aus den in den kommunalen Beitragssatzungen hierzu normierten Regelungen. Dass mit dem Beitragsbescheid nicht die reale Geschossflächenmehrung, sondern die Geschossflächendifferenz zur zulässigen Geschossfläche verlangt werde, sei also keine Folge der Vorteilslage, sondern Folge des in der einschlägigen BGS/EWS normierten Beitragsmaßstabs. Während die im Zeitpunkt des Anschlusses des klägerischen Grundstücks an die öffentliche Wasserversorgung geltenden Satzungsregelungen noch einmalige Gebühren in Form von Anschlussgebühren festgelegt hätten, die sich nach der Länge der die kanalisierte Straße berührende Grundstücksgrenze berechnet hätten, würden die seit der Änderungssatzung vom 26.7.1972 geltenden Satzungen, Herstellungsbeiträge vorsehen, die sich aus der Grundstücksfläche und der zulässigen Geschossfläche errechneten. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, U.v. 10.9.1997 – 23 B 95.2144) stehe es dem kommunalen Satzungsgeber auch offen, einen in einer früheren Satzung enthaltenen Abgabemaßstab durch einen anderen zu ersetzen. Ein solcher Wechsel habe zur Folge, dass grundsätzlich mit Inkrafttreten der Satzung für sämtliche beitragspflichtigen Grundstücke eine neue Beitragsschuld aus der Differenz zwischen (hier) ehemals festgelegter Anschlussgebühr und nun festgelegtem Herstellungsbeitrag entstehe. Dabei könne der Satzungsgeber auch in einer Übergangsregelung für Eigentümer von Grundstücken, die bereits nach früherem Satzungsrecht veranlagt worden seien, das Entstehen einer weiteren Beitragspflicht in Höhe der Differenz zwischen der nach bisherigem Satzungsrecht maßgeblichen Grundstücksstraßenfront und dem nun neu geltenden, zum Teil noch nicht abgegoltenen Maßstab aus Grundstücksfläche und zulässiger Geschossfläche hinausschieben. Ein solches Hinausschieben des Entstehungszeitpunktes der nachzuerhebenden Beitragspflicht berücksichtige in besonderem Maße die Interessen des Beitragsschuldners. § 9 BGS/EWS stelle eine solche Übergangsregelung dar. Dieser Regelung stehe auch der Beschluss des BVerfG vom 5.3.2013 nicht entgegen. Er untersage es, lange zurückliegende und in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten heranzuziehen. Im vorliegenden Fall des Wechsels oder der Umstellung des Abgabemaßstabs lägen aber gerade solche in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Maßstäbe nicht vor. Der Tatbestand der zulässigen Bebauung sei im Fall des klägerischen Grundstücks bisher noch nicht abgeschlossen gewesen, eine Beitragspflicht also noch nicht entstanden, denn er sei bei der erstmaligen Veranlagung nicht abgegolten worden. Dieser (Teil-)Tatbestand sei durch die getroffene Übergangsbestimmung erst mit der Vornahme einer Veränderung der baulichen Ausnutzbarkeit (Ausbau des Dachgeschosses) entstanden.

Zur Ergänzung der Sachverhaltswiedergabe wird im Übrigen auf den weiteren Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der vorgelegten Behördenakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 15.2.2016 Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 7.11.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung … vom 24.2.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die Nacherhebung eines Kanalherstellungsbeitrags ist Art. 5 KAG i.V.m. §§ 9 und 5 der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung der Stadt … vom 28.7.2009, geändert durch Satzung vom 22.12.2009 (BGS/EWS 2009). Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BGS/EWS 2009 wird Beitrag nach der Grundstücksfläche und der zulässigen Geschossfläche berechnet (Beitragsmaßstab). Nach der Übergangsregelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 BGS/EWS 2009 ist bei einem bebauten Grundstück, für welches aufgrund einer früheren (auch nichtigen) Satzung eine Anschlussgebühr / ein Beitrag erhoben worden ist, eine Beitragsnachberechnung aus der Differenz der vor dieser Erhebung vorhandenen Geschossfläche zur zulässigen Geschossfläche vorzunehmen, wenn eine Veränderung der baulichen Ausnutzung vorgenommen wird.

Im vorliegenden Fall wurde aus Anlass des Bauvorhabens „Ausbau des Dachgeschosses und Einbau einer Schleppgaube in das bestehende Wohnhaus“, für das der Klägerin mit Bescheid der Stadt … vom 2.6.2010 eine Baugenehmigung erteilt wurde und das im Jahre 2011 abgeschlossen wurde, auf der Grundlage einer Beitragsnachberechnung nach § 9 Abs. 1 BGS/EWS 2009 ein Kanalherstellungsbeitrag von 3.218,40 € nacherhoben, nachdem bereits mit Abgabebescheid vom 13.5.1969 entsprechend dem damals satzungsrechtlich vorgesehenen Frontmetermaßstab (Anliegerlänge) für das bereits damals mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück eine Anliegergebühr von 1.749 DM abgerechnet worden war. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden:

1. Bei dem in § 5 BGS/EWS 2009 verankerten Beitragsmaßstab „Grundstücksfläche und zulässige Geschossfläche“ handelt es sich um einen grundsätzlich zulässigen Beitragsmaßstab (vgl. nur Thimet, Kommunalabgaben- und Ortsrecht in Bayern, Teil IV, Art. 5 Frage 10 Nr. 2.1). Auch ist es grundsätzlich zulässig, einen Maßstabswechsel vorzunehmen. Insbesondere ist es zulässig den Maßstab von tatsächlich vorhandener Geschossfläche hin zu zulässiger Geschossfläche zu ändern. Dies verstößt weder gegen das Gleichbehandlungsgebot, noch stellt es seine unzulässige echte Rückwirkung oder eine unzulässige unechte Rückwirkung dar (vgl. Thimet, Kommunalabgaben- und Ortsrecht in Bayern, Teil IV, Art. 5 Frage 24, Nr. 5.1, S. 7).

Beim Übergang von der tatsächlichen auf die zulässige Geschossfläche wird der Nacherhebungstatbestand hinsichtlich der Differenz zwischen der tatsächlichen Geschossfläche und der zulässigen Geschossfläche mit dem Inkrafttreten des neuen Beitragsmaßstabs verwirklicht. Dadurch wird lediglich derjenige Tatbestand der zulässigen Bebauung, der bisher nicht oder noch nicht zur Gänze durch einen (Teil-)Beitrag abgegolten war, für die Zukunft zeitlich „vorgezogen“. Der Tatbestand der Verwirklichung der zulässigen Geschossfläche ist bisher noch nicht abgeschlossen gewesen, eine Beitragspflicht insoweit also noch nicht entstanden, geschweige denn abgegolten (vgl. Thimet, Kommunalabgaben- und Ortsrecht in Bayern, Teil IV Art. 5 Frage 24, Nr. 5.1, S. 8 m.w.N.). Dabei ist es möglich, die Differenz zwischen dem bereits erhobenen Beitragsanteil vorhandene Geschossfläche zur zulässigen Geschossfläche sofort mit Satzungserlass fällig zu stellen. Es ist aber auch möglich, das Entstehen des Beitrags von einer weiteren Bebauung abhängig zu machen. Bei „Altanschließern“ entsteht dann aufgrund einer entsprechenden Übergangsregelung erst dann die weitere Beitragsschuld, wenn ein unbebautes Grundstück bebaut oder bei einem bebauten Grundstück die Geschossfläche vergrößert wird. Die Nacherhebung beschränkt sich dann auf die Differenz zwischen zulässiger Geschossfläche und bereits abgegoltener tatsächlicher Geschossfläche (vgl. BayVerfGH, Entscheidung v. 8.1.2002 – Vf. 6-VII-00 – juris Rn. 65 u. 66). Dabei handelt es sich um eine altanschließerfreundliche Regelung, denn Neuanschließer werden unmittelbar in Anspruch genommen.

Vor diesem Hintergrund begegnet auch die Regelung in § 9 Abs. 1 Satz BGS/EWS 2009 und ihre Anwendung im vorliegenden Fall keinen Bedenken.

Der zum Zeitpunkt der Beitragserhebung 1969 geltenden Satzungsregelung lag zwar nicht der Beitragsmaßstab der Grundstücksfläche und der tatsächlichen Geschossfläche zugrunde. Vielmehr wurde in der maßgeblichen Satzung für die öffentliche Entwässerungseinrichtung der Stadt … vom 19.4.1967 (Entwässerungsatzung 1967) in § 32 allein auf die Grundstücksstraßenfront (Länge der die kanalisierte Straße berührenden Grundstücksgrenze) abgestellt (= sog. Frontmetermaßstab). Der reine Frontmetermaßstab ohne Kombination mit Geschossfläche ist aber ungeeignet, die durch die Anschlussmöglichkeit erlangten Vorteile sachgerecht zu bewerten und abzugelten (vgl. BayVGH, U.v. 8.8.1986 – 23 B 85 A.1358; BayVGH, U.v. vom 18.12.1987 – 23 B 86.2535; BayVGH, U.v. 4.8.1989 – 23 B 87.04065; BayVGH, U.v. vom 1.12.1989 – 23 B 88.03603). Damit war die der Beitragserhebung 1969 zugrundliegende Entwässerungssatzung 1967 (im Gebührenteil) nichtig.

Erstmals mit der Satzung zur Änderung der Satzung für die öffentliche Entwässerungseinrichtung der Stadt … vom 26.7.1972 (Entwässerungssatzung 1972) wurde dann auf den bis heute geltenden Beitragsmaßstab Grundstücksfläche und zulässige Geschossfläche umgestellt. Damit wurde dem Umstand Rechnung getragen, dass die vorherige Beitragssatzung – wegen Mängel des Beitragsmaßstabs – nichtig war. Deshalb liegt auch kein abgeschlossener Beitragstatbestand vor. Ein Maßstabswechsel kommt in erster Linie dann in Betracht, wenn von der Unwirksamkeit des bestehenden Satzungsrechts auszugehen ist. Diese Situation gibt dem Einrichtungsträger die Möglichkeit, erstmals gültiges Satzungsrecht neu zu schaffen und der Beitragsbemessung dabei einen anderen Beitragsmaßstab als in den vorherigen – unwirksamen Satzungen verankert, zu Grunde zu legen (vgl. IMS vom 21.4.2010 – IB4-1521.1-166 – GKBay 2010, Rn. 125).

Es ist nach Auffassung der Kammer rechtlich unbedenklich, die Grundsätze, die für einen Maßstabswechsel von der tatsächlichen Geschossfläche hin zur zulässigen Geschossfläche von der obergerichtlichen Rechtsprechung aufgestellt wurden, auch in der vorliegenden Fallkonstellation anzuwenden. Dies gilt insbesondere für den Umstand, dass auch nach § 9 Abs. 1 Satz 1 BGS/EWS 2009 eine Beitragsnachberechnung erst durch einen sog. Baufall (Veränderung der baulichen Ausnutzung) ausgelöst wird und dann die Berechnung des nachzuerhebenden Beitrags aus der Differenz der vor der (erstmaligen) Erhebung tatsächlich vorhandenen Geschossfläche zur zulässigen Geschossfläche erfolgt.

2. Gegen die auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Satz 1 BGS/EWS 2009 erfolgte Berechnung der Höhe des nacherhobenen Beitrags wurden Einwendungen weder erhoben (vielmehr wurde in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt, dass gegen die Beitragsberechnung als solche keine Einwände bestünden) noch sind solche sonst ersichtlich. Die vor der Erhebung 1969 (tatsächlich) vorhandene Geschossfläche wurde nach § 9 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 5 Abs. 3 Satz 6, Abs. 9 Satz 2 und 3 BGS/EWS 2009 berechnet. Danach war das Erdgeschoss mit einer Fläche von 97,22 m² (69,3 + 27,92 m²) und das Dachgeschoss mit einer ausgebauten bzw. bewohnbaren Fläche von 52,87 m² zu berücksichtigen (insgesamt 150,09 m² = 150 m²). Die zulässige Geschossfläche bestimmt sich gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 BGS/EWS 2009 grundsätzlich aus der Multiplikation der Geschossflächenzahl (= 0,75) mit der Grundstücksfläche (1.496 m²) und beträgt 1.122 m². Unter Berücksichtigung von Baugrenzen usw. ergibt sich aber nach § 5 Abs. 3 Satz 4 BGS/EWS 2009 eine erreichbare zulässige Geschossfläche von nur 690 m². Zieht man von dieser die vor der Erhebung vorhandene Geschossfläche von 150 m² ab, verbleibt eine Differenzfläche von 540 m². Der Beitrag beträgt nach § 6 BGS/EWS 2009 5,96 € pro m² Geschossfläche, so dass sich ein Nacherhebungsbeitrag von (540 m² x 5,96 € =) 3.218,40 € ergibt.

3. Auch steht der Anwendung des § 9 Abs. 1 Satz 1 BGS/EWS auf den vorliegenden Fall nicht die Ausschlussfristregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b), bb) 1. Spiegelstrich KAG entgegen.

Nach dieser zum 1.4.2014 in Kraft getretenen Regelung ist die Festsetzung eines Beitrags ohne Rücksicht auf die Entstehung der Beitragsschuld spätestens 20 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eintrat, nicht mehr zulässig. Die Regelung trägt nach Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs den in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5.3.2013 (Az. 1 BvR 2457/08) dargelegten Anforderungen, insbesondere dem Erfordernis, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen können muss, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss, hinreichend Rechnung (vgl. BayVGH, U.v.12.03.2015 – 20 B 14.1441; vgl. dazu auch den Beschluss des BVerwG vom 3.9.2015 – 9 B 39/15, mit dem die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil zurückgewiesen wurde). Nach der Übergangsvorschrift des Art. 19 Abs. 2 KAG gilt diese Regelung für Beiträge, die vor dem 1.4.2014 durch nicht bestandskräftigen Bescheid festgesetzt wurden sind, – wie hier – mit der Maßgabe, dass die Frist 30 Jahre beträgt.

Für den Beginn der 20- bzw. 30-Jahre-Frist ist maßgeblich der Eintritt der Vorteilslage. Denn der Eintritt der Vorteilslage ist für den Beitragsschuldner erkennbar, so dass er auch selbst feststellen kann, bis zu welchem Zeitpunkt er damit rechnen kann, noch zu einem Beitrag herangezogen zu werden (vgl. BVerfG B.v. 5.3.2013 – 1 BvR 2457/08). Der Begriff der Vorteilslage knüpft damit nach dem Verständnis des Bundesverfassungsgerichts an für den Bürger ohne weiteres bestimmbare rein tatsächliche Gegebenheiten an und lässt rechtliche Entstehensvoraussetzungen für die Beitragsschuld, wie etwa den vollständigen Grunderwerb, die formelle Widmung oder auch die Wirksamkeit der Beitragssatzung außen vor (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs der Staatsregierung zur Neufassung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) KAG, LT-Drs 17/370 S. 13).

Der Eintritt der Vorteilslage ist also unabhängig von den rechtlichen Entstehensvoraussetzungen des Beitrags. Es genügt grundsätzlich, wenn die Anlage insgesamt betriebsfertig ist und der Allgemeinheit zur Verfügung steht und zumindest eine Anschlussmöglichkeit besteht. Außerdem ist wohl eine Bebauung oder zumindest Bebaubarkeit des Grundstücks Voraussetzung, denn nur dann wird dem Grundstückseigentümer ein Vorteil im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG durch die Anschlussmöglichkeit an die öffentliche Einrichtung vermittelt (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.2015 – 20 ZB 14.1723 – juris Rn. 5, 6). Im vorliegenden Fall wurde das klägerische Grundstück bereits in den 1960iger Jahren mit der zu dieser Zeit bereits verwirklichten Bebauung (Wohnhaus) an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossen. Für diese Vorteilslage wurde mit Bescheid vom 13.5.1969 nach dem zu dieser Zeit angewandten Beitragsmaßstab (Entwässerungssatzung 1967) eine Gebühr erhoben.

Aus dem Begriff Vorteilslage ist jedenfalls (auch) abzuleiten, dass auf den jeweils durch die Einrichtung vermittelten Vorteil für das Grundstück abzustellen ist. Anerkannte Maßstäbe zur Abbildung des Vorteils, den eine öffentliche Einrichtung einem Grundstück vermittelt, sind Grund- und Geschossfläche. Der Vorteil, den ein bebautes Grundstück durch eine öffentliche Einrichtung hat, ist ein anderer – geringerer – Vorteil, als ein bebautes Grundstück vermittelt bekommt. Daher kann im Laufe der Zeit durch Veränderungen am Grundstück eine neue – andere – Vorteilslage eintreten, etwa wenn ein bisher unbebautes Grundstück bebaut wird oder wenn ein bebautes Grundstück eine bauliche Erweiterung erfährt (denkbar sind auch Veränderungen bei der Grundstücksgröße). Derartige tatsächliche Entwicklungen, die nach Art. 5 Abs. 2 a Satz 1 KAG Auswirkungen auf den Vorteil und damit auf die Beitragsbemessung haben, bewirken auch eine neue Vorteilslage. Der Eintritt der neuen Vorteilslage setzt aber hinsichtlich des neu hinzugekommen Vorteils (z. B. hinsichtlich der zusätzlichen, durch die Erweiterung entstandenen Geschossfläche) die Ausschlussfrist gesondert in Gang (vgl. zum Ganzen Begründung des Gesetzentwurfs der Staatsregierung zur Neufassung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) KAG, LT-Drs 17/370 S. 13). Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof geht jedenfalls bei Ergänzungsbeiträgen für die Verwirklichung zusätzlicher Geschossflächen davon aus, dass man für den Beginn der Ausschlussfrist nicht auf den erstmaligen Anschluss an die öffentliche Einrichtung abstellen darf, sondern der (zusätzliche) Vorteil, den die öffentliche Einrichtung vermittelt, erst mit der tatsächlichen Fertigstellung der betreffenden Geschossfläche vermittelt wird (vgl. BayVGH U.v. 12.3.2015 – 20 B 14.1441 – juris Rn. 26; vgl. auch BayVGH, B.v. 25.3.2015 – 20 CS 15.300).

Vorliegend wird durch die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 BGS/EWS 2009 eine Beitragsnachberechnung (zur zulässigen Geschossfläche) abhängig gemacht von einer Veränderung der baulichen Ausnutzung. Dem entsprechend wurde mit Bescheid vom 7.11.2013 eine Nacherhebung durchgeführt, weil durch den Dachgeschossausbau im Jahre 2011 nicht nur eine neue Vorteilslage im Sinne der obigen Ausführungen eingetreten ist, sondern mit dieser Veränderung der baulichen Ausnutzung im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 BGS/EWS 2009 die Voraussetzung für eine Nacherhebung, beschränkt auf die Differenz zwischen erreichbarer zulässiger Geschossfläche und der vor der Erhebung vorhandenen tatsächlichen Geschossfläche, eingetreten ist und eine entsprechende Beitragsschuld entsteht. Wenn der Einrichtungsträger den Vollzug des Maßstabswechsels an eine aktuelle Grundstücksmehrung anknüpfen darf, liegt das beitragsauslösende Ereignis aber nicht in der Vergangenheit, sondern in der Gegenwart (vgl. Thimet, Kommunalabgaben- und Ortsrecht in Bayern, Teil IV, Art. 13 Frage 8, Nr. 10.7, S. 17). Dem entsprechend wird in der Gesetzesbegründung zur Neufassung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) KAG klargestellt, dass satzungsrechtliche Übergangsregelungen, die einen Maßstabswechsel hin zum Maßstab der zulässigen Geschossfläche zum Gegenstand haben und hinsichtlich des Entstehens der Beitragsschuld auf die Vornahme baulicher Veränderungen durch den Beitragsschuldner abstellen, unberührt bleiben, da sie als reinrechtliche Aspekte den Eintritt der Vorteilslage nicht beeinflussen. Zudem – so die Gesetzesbegründung weiter – wirken derartige satzungsrechtliche Übergangsvorschriften nicht auf in der Vergangenheit abgeschlossene Beitragstatbestände ein, sondern haben lediglich die künftige bauliche Ausnutzbarkeit des Grundstücks im Blick. Das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und Belastungsvorhersehbarkeit, schützt aber (nur) davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge (zeitlich) unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können (vgl. BVerfG, B.v. 5.3.2013 – 1 BvR 2457/08). Dem folgend wird auch in der Kommentarliteratur davon ausgegangen, dass satzungsrechtliche Übergangsregelungen von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts unberührt bleiben (vgl. Thimet, Kommunalabgaben- und Ortsrecht in Bayern, Teil IV, Art. 13 Frage 8, Nr. 10.7, S. 17).

Damit kann einer Anwendbarkeit der Übergangsregelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 BGS/EWS 2009 im vorliegenden Fall nicht die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) 1. Spiegelstrich KAG normierte 20- bzw. (Art. 19 Abs. 2 KAG) 30-jährige Ausschlussfrist entgegenstehen. Etwas anderes wäre allenfalls dann zu erwägen, wenn nach dem mit der Änderungssatzung der Stadt … vom 26.7.1972 (Entwässerungssatzung 1972) vollzogenen Maßstabswechsel hin zum Beitragsmaßstab Grundstücksfläche und zulässige Geschossfläche (vgl. dort § 32 Abs. 1) über einen Zeitraum von 20 bzw. 30 Jahren hinaus satzungsrechtlich keine Übergangsregelung (im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 BGS/EWS 2009) normiert worden wäre, die den „Vollzug“ des Maßstabswechsels bis zum Eintritt des sog. Baufalls hinausschiebt. Für diesen Fall würde sich nämlich dann die Frage stellen, ob der Vorteilsempfänger nicht geltend machen könnte, dass ab 26.7.1972 eine Veranlagung nach dem geänderten Maßstab (sofort) hätte erfolgen können und daher nach Ablauf der entsprechenden Fristen des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) 1. Spiegelstrich KAG eine Beitragsnacherhebung ausgeschlossen sein müsste. Dies kann aber letztlich dahinstehen, denn eine Übergangsregelung findet sich bereits in § 34 Abs. 3 der Entwässerungssatzung 1972 und entsprechende Übergangsvorschriften finden sich dann durchgehend in allen nachfolgenden Satzungen, vgl. § 8 der Satzung zur Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die öffentliche Entwässerungseinrichtung vom 14.1.1980, § 8 der Satzung zur Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die öffentliche Entwässerungseinrichtung vom 1.10.1985, § 8 der Änderungssatzung vom 17.11.1987, § 8 der Änderungssatzung vom 22.10.1998, § 8 der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18.12.2001; § 5 Abs. 13 der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18.12.2007.

4. Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen nach § 117 Abs. 5 VwGO von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen und den Gründen des Widerspruchsbescheids der Regierung … vom 24.2.2015 (unter II. 4.) gefolgt.

Nach allem war daher die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung im Kostenpunkt war gemäß § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Gründe für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor (§ 124 a Abs. 1 VwGO).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Lastenausgleichsgesetz - LAG
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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published on 25/03/2015 00:00

Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 26.178,83 € festgesetzt. Gründe
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Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 2.537,50 Euro festgesetzt.
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Tenor I. Die Berufung wird zurückgewiesen. II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in
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Tenor 1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom
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Annotations

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.