Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 05. Dez. 2014 - RN 6 K 14.50089

published on 05/12/2014 00:00
Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 05. Dez. 2014 - RN 6 K 14.50089
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Gericht

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Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen die Ablehnung ihrer Asylanträge als unzulässig und die Anordnung ihrer Abschiebung nach Ungarn.

Der am ...1991 geborene Kläger zu 1) und seine am ...1991 geborene Ehefrau, die Klägerin zu 2), sind kosovarische Staatsangehörige albanischer Volks- und islamischer Religionszugehörigkeit. Sie reisten nach ihren eigenen Angaben am 22.6.2013 aus dem Kosovo über Serbien nach Ungarn, wo sie am 23.6.2013 von der Polizei verhaftet wurden. Nachdem sie ca. zwei Wochen in Ungarn in verschiedenen Asyleinrichtungen gelebt hatten, reisten die Kläger am 15.7.2013 über Österreich nach Deutschland ein. Am 22.7.2013 stellten sie Asylanträge.

Bei der Befragung zur Vorbereitung der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) gaben sie am 22.7.2013 an, dass sie am 23.6.2013 in Ungarn erkennungsdienstlich behandelt worden seien. Einwände dagegen, dass ihre Asylanträge in Ungarn geprüft würden, trugen die Kläger nicht vor, sie wollten aber nach Deutschland.

Bei der Anhörung vor dem Bundesamt am 1.8.2013 erklärte der Kläger zu 1) unter anderem, dass er vor allem wegen einer Augenkrankheit nach Deutschland gekommen sei, die im Kosovo nicht operiert werden könne. Auf seinem linken Auge befinde sich eine Schicht, durch die er nicht richtig sehen könne. Hierzu legte er Unterlagen aus den Jahren 2001 und 2002 vor, aus denen laut der Übersetzung des Bundesamts hervorgeht, dass er nach einer Herpesinfektion an einer dichten weißen Hornhautnarbe (Macula corneae) leide, die zu Beeinträchtigung des Sehvermögens, Blendungsüberempfindlichkeit und Tränenfluss führen könne.

Auf das Übernahmeersuchen des Bundesamts vom 10.12.2013 erklärten die ungarischen Behörden mit Schreiben vom 16.12.2013 ihre Zustimmung nach Art. 16 Abs. 1 c der Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18.2.2003 (sogenannte Dublin II-Verordnung).

Am 27.12.2013 teilten die Kläger dem Bundesamt durch Schreiben ihres Bevollmächtigten mit, dass die Klägerin zu 2) ein Kind erwarte und es sich um eine Risikoschwangerschaft handle. Der Kläger zu 1) leide zudem an einer komplizierten Augenkrankheit.

Mit Bescheid vom 9.4.2014 lehnte das Bundesamt die Anträge der Kläger auf Durchführung eines Asylverfahrens als unzulässig ab und ordnete ihre Abschiebung nach Ungarn an. Zur Begründung führte das Bundesamt aus, dass Ungarn aufgrund der dort bereits gestellten Asylanträge gem. Art. 16 Abs. 1 c Dublin II-Verordnung für die Behandlung der Asylanträge zuständig sei. Gründe für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts der Bundesrepublik Deutschland seien nicht ersichtlich. Das Bundesamt gehe davon aus, dass in Ungarn keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen im Sinne der Rechtsprechung des EuGH vorlägen.

Gegen diesen Bescheid, der den Klägern am 22.4.2014 zugestellt wurde, haben diese am 29.4.2014 Klage erhoben.

Auf den gleichzeitig gestellten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat das Verwaltungsgericht Regensburg mit Beschluss vom 4.6.2014 unter Hinweis auf die bei der Klägerin zu 2) bestehende Risikoschwangerschaft die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet.

In ihrer Klagebegründung verweisen die Kläger darauf, dass beim Kläger zu 1) eine größere Augenoperation bevorstehe. Diese habe nicht früher durchgeführt werden können, weil die während ihrer Schwangerschaft bettlägerige und nach der Geburt an einer Wochenbettdepression leidende Klägerin zu 2) auf die Versorgung durch den Kläger zu 1) angewiesen gewesen sei. Die erforderliche medizinische Versorgung für die komplizierte Augenkrankheit sei in Ungarn nicht gewährleistet. Außerdem sei eine Abschiebung nach Ungarn wegen der dort vorliegenden systemischen Mängel des Asylverfahrens unzulässig. In den ungarischen Flüchtlingslagern herrschten katastrophale Zustände.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid der Beklagten vom 9.4.2014 aufzuheben und ein Asylverfahren in Deutschland durchzuführen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie stellt in Frage, ob die geplante Operation akut notwendig sei. Die Gefahr einer akuten Verschlechterung ohne sofortige Operation sei nicht dargelegt worden. Der Kläger zu 1) habe, obwohl er sich seit dem 22.7.2013 in Deutschland befinde, erst für den 4.12.2014 einen ersten Augenarzttermin anberaumt.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Akten des Bundesamts, die gewechselten Schriftsätze in diesem sowie im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes unter dem Az. RN 6 S 14.50088 sowie den Inhalt der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Regensburg vom 5.12.2014 Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1) Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 9.4.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO, da die Republik Ungarn für die Durchführung ihrer Asylverfahren zuständig ist (unten a), den Klägern kein Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts durch die Bundesrepublik Deutschland zusteht (unten b) und auch die Anordnung der Abschiebung keinen rechtlichen Zweifeln begegnet (unten c).

a) Die Republik Ungarn ist gemäß § 27 a AsylVfG i. V. m. Art. 13 und 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom18.2.2003 - Dublin II-Verordnung) für die weitere Durchführung des Asylverfahrens zuständig.

Maßgeblich für die Beurteilung des vorliegenden Falles ist die Dublin II-Verordnung, da sowohl der Antrag auf internationalen Schutz als auch das Übernahmeersuchen an Ungarn vor dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind (vgl. Art. 49 Abs. 2 Verordnung Nr. 604/2013 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 26.6.2013 - Dublin III-Verordnung).

Die Voraussetzungen von Art. 13 Dublin II-Verordnung liegen vor, da die Republik Ungarn der erste EU-Mitgliedsstaat ist, in dem die Kläger einen Asylantrag gestellt haben. Wie sich aus der Bestätigung der Republik Ungarn vom 16.12.2013 ergibt, haben die Kläger am 25.6.2013 in Ungarn Asylanträge gestellt.

Gemäß Art. 16 Abs. 1 c) Dublin II-Verordnung ist die Republik Ungarn zur Wiederaufnahme der Kläger verpflichtet, da diese während der Prüfung ihres Asylantrags in Ungarn unerlaubt in deutsches Hoheitsgebiet eingereist sind.

Es besteht auch keine Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, das Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-Verordnung auszuüben, weil in Ungarn die ordnungsgemäße Durchführung des Asylverfahrens nicht gewährleistet wäre. Bei der Republik Ungarn handelt es sich als Mitgliedsstaat der EU um einen sicheren Drittstaat i. S. v. Art. 16 a Abs. 2 GG und § 26 a AsylVfG.

Insoweit geht das Gericht als Prüfungsmaßstab vom Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. hierzu grundlegend BVerfG, B. v. 15.5.1996 - 2 BvR 1938/38 - juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (Europäischer Gerichtshof - EuGH B. v. 21.12.2011 - C - 411/10, NVwZ 2012, 417) aus, wonach die Vermutung gilt, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedsstaat den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention der Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte i. S. v. Art. 6 Abs. 1 EuV entspricht.

Hierzu hat der EuGH entschieden, dass dem Unionsrecht keine unwiderlegliche Vermutung innewohne, der gemäß Art. 3 Abs. 1 Dublin II-Verordnung zuständige Mitgliedsstaat werde die Unionsgrundrechte beachten. Vielmehr obliege den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedsstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gebe, welche zu einer Gefahr für die Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedsstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtscharta) ausgesetzt zu werden (EuGH, B. v. 21.12.2011, a. a. O.).

Im Rahmen dieser Prüfung ist jedoch nicht anzunehmen, dass gegenwärtig im Fall der Republik Ungarn systemische Mängel vorliegen, die eine solche Gefahr für die Kläger begründen könnten.

Zwar gehen einige Verwaltungsgerichte in Deutschland vom Vorliegen systemischer Mängel des Asylverfahrens in Ungarn aus (vgl. VG Magdeburg, B. v. 11.4.2013 - 9 B 140/13 - juris; VG Freiburg, B. v. 28.8.2013 - A 5 K 14067/13 - juris; VG München, B. v. 23.12.2013 - M 23 S 13.31303; juris). Soweit sich diese Entscheidungen aber auf Erkenntnisquellen wie das UNHCR-Positionspapier vom 15.3.2012 beziehen, wonach in Ungarn die Unterbringungsmöglichkeiten, insbesondere bei Jugendlichen, nicht europäischem Standard entsprächen und Misshandlungen in der Haft sowie Ruhigstellung renitenter Flüchtlinge mittels Medikamenten zu beobachten seien, kann davon ausgegangen werden, dass diese Berichte durch spätere Erkenntnisquellen überholt sind. So führt der UNHCR in seinem Bericht vom Dezember 2012 aus, dass das ungarische Parlament im November 2012 umfassende Gesetzesänderungen verabschiedet habe, denen zufolge Asylbewerber nicht ohne sachliche Prüfung des Asylantrags nach Serbien oder in die Ukraine zurückgeschoben und nicht inhaftiert werden dürften, wenn sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise einreichen. Auch würden Dublin-Rückkehrer nicht inhaftiert und erhielten die Möglichkeit, ein noch nicht in der Sache geprüftes Asylverfahren zu Ende zu bringen. Dem entsprechen die Angaben von Liaison-Mitarbeitern des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge beim ungarischen Amt für Staatsbürgerschaft und Einwanderung. Auf diese Erkenntnisse stützt sich insbesondere auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (B. v. 6.8.2013 - 12 S 675/13 - juris) und kommt zum Ergebnis, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylsuchende in Ungarn nicht vorliegen. Dieser Rechtsprechung folgt das entscheidende Gericht auch weiterhin (ebenso VG Regensburg v. 17.12.2013, RN 5 S 13.30749 - juris).

Gestützt wird diese Auffassung auch durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U. v. 6.6.2013 - 2283/12), wonach aufgrund geplanter oder bereits durchgeführter Änderungen im ungarischen Recht davon auszugehen ist, dass überstellte Personen nunmehr einen hinreichenden Zugang zum Asylverfahren in Ungarn hätten.

Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus der Rechtsänderung zum 1.7.2013, wonach nun wieder Inhaftierungsgründe für Asylbewerber vorgesehen sind. Zwar haben diese Rechtsänderung und ihre Anwendung dazu geführt, dass auch in jüngerer Zeit erneut einige Verwaltungsgerichte Anhaltspunkte für das Vorliegen systemischer Mängel im Asyl- und Aufnahmeverfahren Ungarns angenommen haben (VG Düsseldorf, B. v. 16.6.2014 - 13 L 141/14.A - juris; VG Oldenburg, B. v. 18.6.2014 - 12 B 1238/14 - juris). Das Gericht folgt diesen Entscheidungen jedoch nicht.

Zwar ist in Art. 28 Abs. 1, 4 Dublin III-VO i. V. m. Art. 8 f der der Richtlinie 2013/33 EU (Aufnahmerichtlinie) bestimmt, dass Mitgliedsstaaten eine Person nicht allein deshalb in Haft nehmen dürfen, weil sie dem durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt. Anknüpfungspunkt für die Inhaftierung eines Asylantragstellers in Ungarn ist aber gerade nicht die Asylantragstellung als solche, sondern - wie im ungarischen Asylgesetz detailliert geregelt wird - die Feststellung der Identität oder Nationalität bzw. das Bestehen ernstlicher Gründe für die Annahme, der Asylsuchende werde das Asylverfahren verzögern oder vereiteln oder es bestehe Fluchtgefahr. Damit steht die Regelung in Ungarn in Einklang mit Art. 8 Abs. 3 b Aufnahmerichtlinie, dass nämlich ein Antragsteller insbesondere dann ausnahmsweise in Haft genommen werden darf, wenn Fluchtgefahr besteht.

Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus der Inhaftierungspraxis. Auch wenn nach einer Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 9.5.2014 im Zeitraum von Juli bis Dezember 2013 rund 25% aller Asylantragsteller inhaftiert wurden (zitiert nach VG Düsseldorf, B. v. 16.6.2014 a. a. O., Rdnr. 62), begründet diese Zahl allein noch keine systemischen Mängel des Asylverfahrens in Ungarn. Es erscheint nämlich angesichts der hohen Zahl an Asylbewerbern, die sich dem Asylverfahren in Ungarn entziehen und beispielsweise in Deutschland entgegen den Regelungen der Dublin II- bzw. III-Verordnung einen weiteren Asylantrag stellen, nicht ausgeschlossen, dass bei 25% aller Asylantragsteller in Ungarn tatsächlich Fluchtgefahr anzunehmen ist.

Schließlich begründet auch die Tatsache, dass nach den vorliegenden Erkenntnisquellen Dublin-Rückkehrer regelmäßig inhaftiert werden, keine andere Bewertung. Zwar entnimmt das VG Düsseldorf der Auskunft des UNHCR vom 9.5.2014, dass es hinsichtlich dieser Personengruppe an jeder individuellen Prüfung der Haftvoraussetzungen und Haftgründe zu fehlen scheine (VG Düsseldorf, B. v. 16.6.2014, a. a. O., Rdnr. 82). Dem steht aber entgegen, dass nach den Informationen des ungarischen Helsinki-Komitees vom Mai 2014 ausgeführt wird, dass weibliche Asylsuchende und asylsuchende Familien mit Kinder unter 18 Jahren - also gerade auch die Personengruppe, zu der die Kläger zählen - kaum jemals inhaftiert werden, obwohl das Gesetz dies grundsätzlich zuließe (Hungarian Helsinki Committee, Information Note on Asylum-Seekers in Detention and in Dublin Procedures in Hungary, S. 5). Zu ähnlichen Ergebnissen gelangt auch aida im National Country Report Hungary (S. 9). Dies belegt, dass ganz offenkundig zumindest eine standardisierte Einzelfallprüfung stattfindet. Da das Gericht der Auffassung ist, dass in Anbetracht der hohen Zahlen von Asylbewerbern in Ungarn an eine Einzelfallprüfung keine überzogenen Anforderungen zu stellen sind und eine solche Prüfung für die Verwaltung handhabbar bleiben muss, sind damit zumindest die rechtsstaatlichen Mindestanforderungen an eine Einzelfallprüfung erfüllt (ebenso ausführlich VG Stade, B. v. 14.7.2014 - 1 B 862/14 - juris, Rdnr.13).

Systemische Mängel ergeben sich schließlich auch nicht aus den Unterbringungs- oder Haftbedingungen in Ungarn.

Auch der im Beschluss des VG München vom 23.12.2013 zitierte aktualisierte und ergänzte Bericht von Pro Asyl „Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit“ rechtfertigt keine andere Beurteilung. Soweit hier argumentiert wird, dass davon auszugehen sei, dass die angenommenen systemischen Mängel in Ungarn deshalb noch weiter zunehmen würden, weil die vorhandenen Aufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende keinesfalls in der Lage wären, eine menschenwürdige Unterbringung für den Fall zu gewährleisten, dass ein Großteil der Asylantragsteller, die sich derzeit in anderen EU-Staaten aufhalten, zurück nach Ungarn überstellt würde, basieren solche Überlegungen auf bloßer Spekulation und sind keine Darstellung der gegenwärtigen Situation. Für eine unmittelbar bevorstehende gleichzeitige Überstellung einer so hohen Anzahl von Personen nach Ungarn gibt es auch keine realen Anhaltspunkte, so dass diese Gefahr jedenfalls nicht hinreichend konkret ist. Eine über das generell alle Staaten der Europäischen Union treffende Risiko steigender Asylbewerberzahlen hinausgehende spezifische Gefahr in Ungarn sieht das Gericht derzeit nicht.

Auch ergeben die aktuellen Auskünfte nicht, dass die Haftbedingungen in Ungarn systemisch eine unmenschliche, erniedrigende Behandlung der Dublin-Rückkehrer darstellen (vgl. hierzu VG Stade, B. v. 14.7.2014, a. a. O., Rdnr. 19). Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die Behandlung von Inhaftierten teilweise problematisch ist, jedoch stellen Fehlleistungen im Einzelfall das Konzept der normativen Vergewisserung nicht grundsätzlich in Frage.

Schließlich führt auch das Vorbringen der Kläger, das Übernahmeersuchen sei nach Art. 17 Abs. 1 Dublin II-Verordnung zu spät gestellt und Ungarn sei deshalb nicht zuständiger Staat i. S. d. Dublin II-Verordnung, zu einem abweichenden Ergebnis. Insoweit geht das Gericht in Übereinstimmung mit der überwiegenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung davon aus, dass die Dreimonatsfrist in Art. 17 Abs. 1 Dublin II-Verordnung kein subjektives Recht eines Asylantragstellers begründet (vgl. hierzu zuletzt VGH Baden-Württemberg, U. v. 16.4.2014, A 11 S 1721/13 - juris).

c) Die Abschiebungsanordnung ist rechtmäßig, weil die Voraussetzungen von § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG vorliegen.

aa) Voraussetzung hierfür ist zunächst, dass die Zustimmung des ausländischen Staates erfolgt ist und die Rücknahmefristen eingehalten sind. Beide Bedingungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Mit der Übernahmeerklärung vom 16.12.2013 hat die Republik Ungarn der Überstellung der Kläger zugestimmt, so dass diese gemäß Art. 19 Abs. 3 Dublin II-Verordnung noch möglich ist.

bb) Die Abschiebungsanordnung ist nicht aufgrund des Vorliegens inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse aufzuheben. Anders als bei der Abschiebungsandrohung darf eine Abschiebungsanordnung erst erfolgen, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann, wenn also sowohl die rechtliche als auch die tatsächliche Durchführbarkeit der Abschiebung grundsätzlich vorliegt. Wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich klargestellt hat, hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Rahmen der Abschiebungsanordnung nach § 34 a AsylVfG sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende Vollzugshindernisse zu prüfen (BayVGH, B. v. 12.3.2014 - 10 CE 14.427 - juris). Diese Rechtsprechung stimmt mit den Entscheidungen anderer Obergerichte überein (vgl. NdsOVG, U. v. 4.7.2012 - 2 LB 163/10 - juris, Rdnr. 41; OVG Berlin-Brandenburg, B. v.1.2.2012 - OVG 2 S 6.12 - juris, Rdnr. 4 ff.; OVG NRW, B. v. 30.8.2011 - 18 B 1060/11 - juris, Rdnr. 4; VGH BW, B. v. 31.5.2011 - A 11 S 1523/11 - juris, Rdnr. 4) und findet ihre Stütze im eindeutigen Gesetzeswortlaut, wonach eine Abschiebungsanordnung zulässig ist, wenn ein Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26 a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27 a AsylVfG) abgeschoben werden soll, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Auch das Verwaltungsgericht Regensburg folgt dieser Rechtsprechung (vgl. VG Regensburg, B. v. 12.4.2013 - RO 9 S 13.30112 - juris). Soweit Abschiebungshindernisse erst nach Erlass der Abschiebungsanordnung auftreten, hat das Bundesamt gegebenenfalls die Abschiebungsanordnung aufzuheben oder die Ausländerbehörde anzuweisen, von der Vollziehung der Abschiebungsanordnung abzusehen. Hierzu gehört auch die Frage der Reisefähigkeit.

Vorliegend begründen jedoch weder die vorgelegten Atteste hinsichtlich der Augenerkrankung beim Kläger zu 1) noch die eines Entwurzelungssyndroms, einer Schlafstörung und eines Angstgefühls mit Appetitlosigkeit bei der Klägerin zu 2) ernstliche Zweifel an der Reisefähigkeit der Kläger.

cc) Die genannten Erkrankungen führen auch nicht zum Vorliegen zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse.

Es ist nämlich davon auszugehen, dass Asylsuchende, die an einer Krankheit leiden, in Ungarn grundsätzlich die gleiche medizinische Behandlung wie ungarische Staatsbürger erhalten. Dies ergibt sich aus den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes, wonach auch für Dublin II-Rückkehrer eine medizinische Notfallversorgung gesichert ist (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Augsburg vom 23.5.2013, zit. in VG Augsburg, B. v. 5.12.2013, Au 7 S 13.30454 - juris, Rdnr. 28, ebenso aida, National Country Report Hungary, S. 40 f.). Auch der in Ungarn am 1.1.2013 in Kraft getretene Act LXXX of 2007 on Asylum Government Decree 301/2007 (XI.9) sieht für Asylsuchende einen Zugang zur Gesundheitsversorgung als Teil der materiellen Aufnahmebedingungen vor. Sowohl in Aufnahmeeinrichtungen als auch in Haftanstalten sind dabei Gesundheitszentren vorhanden, die mit allen notwendigen Medikamenten, auch für psychische Erkrankungen ausgestattet sind (vgl. VG Ansbach, U. v. 9.1.2014 - AN 3 K 13.30581 unter Verweis auf den Bericht des Bundesamts vom 18.9.2013). Asylsuchende sind zudem berechtigt, kostenlose Gesundheitsversorgung und insbesondere psychologische Betreuung und psychotherapeutische Behandlung in Anspruch zu nehmen, wenngleich in der Praxis die Kapazitäten eingeschränkt sind und Sprachbarrieren die Behandlung erschweren. Eine Betreuung findet aber auch durch die nichtstaatliche Cordelia Foundation statt (vgl. VG Oldenburg, B. v. 16.1.2014, 5 B 33/14 - juris, aida, a. a. O., S. 41). Insoweit hat das Gericht keine ernstlichen Zweifel, dass in Ungarn eine angemessene Behandlung der psychischen Erkrankung der Klägerin zu 2) möglich ist.

Dahingestellt bleiben kann schließlich, ob auch eine Behandlung des Augenleidens des Klägers zu 1) in Ungarn durchgeführt werden kann. Ein Abschiebungshindernis i. S.v. § 60 Abs. 7 AufenthG ist nämlich nicht schon bei jedweder Erkrankung eines Abzuschiebenden anzunehmen. Vielmehr verlangt auch die Berufung auf eine Krankheit eine extreme Gefahrenlage für den betroffenen Ausländer wie sie etwa bei einer Verschlimmerung eines schweren Leidens anzunehmen ist (vgl. Renner/Bergmann/Dienelt, Aufenthaltsgesetz, § 60, Rdnr. 54). Hiervon ist im Fall der Augenerkrankung des Klägers zu 1) nicht auszugehen. Selbst wenn man unterstellt, dass diese Erkrankung eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung für den Kläger zu 1) darstellt, zeigen doch die Tatsachen, dass der Kläger zu 1) nicht nur mehr als ein Jahrzehnt im Kosovo ohne Behandlung leben konnte, und dass er auch nach seiner Einreise nach Deutschland bis zu einem ersten Behandlungstermin die Geburt seines Kindes abwarten konnte, dass es jedenfalls an der von Art. 60 Abs. 7 AufenthG geforderten extremen Gefährdung fehlt. Der vom Kläger zu 1) vorgetragene Hinweis auf die gesundheitlichen Probleme der Klägerin zu 2) im Rahmen der Schwangerschaft überzeugt in diesem Zusammenhang schon deshalb nicht, weil der Kläger zu 1) sich schon vor oder zu Beginn der Schwangerschaft der Klägerin zu 2) um einen Untersuchungstermin hätte bemühen können.

Das Gericht verkennt im Übrigen nicht die schwierige persönliche Gesamtsituation der Kläger. Es geht jedoch davon aus, dass die Beklagte die ungarischen Behörden über die besondere Schutzbedürftigkeit, die sich im Fall einer Familie mit einem Kleinkind, dessen Mutter an einer psychischen Erkrankung leidet, ergibt, informieren und auf diese Weise eine entsprechende Behandlung sicherstellen wird.

2) Die Klage war mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG abzuweisen.

3) Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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published on 12/03/2014 00:00

Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.250,-- Euro festgesetzt. Gründe
published on 16/06/2014 00:00

Tenor Die aufschiebende Wirkung der in der Hauptsache erhobenen Klage (13 K 445/14.A) gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 20. Januar 2014 wird angeordnet. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahren
published on 16/04/2014 00:00

Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Juni 2013 (A 12 K 331/13) geändert.Die Klage wird abgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.Die Revisio
published on 11/04/2013 00:00

Gründe 1 Der Eilrechtsschutzantrag ist zulässig und begründet. 2 Der Antragsteller wendet sich mit seinem vorläufigen Rechtsschutzantrag nach § 123 VwGO gegen eine drohende Abschiebung nach Ungarn aufgrund der Bestimmungen nach der Dublin-II
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published on 16/04/2015 00:00

Tenor 1. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 24. Januar 2014 wird aufgehoben. 2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Tatbestand
published on 16/08/2016 00:00

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegu
published on 18/03/2015 00:00

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe I. Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtssch
published on 30/03/2015 00:00

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe I. Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz
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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.