Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 11. Okt. 2016 - RN 6 K 14.1816

published on 11/10/2016 00:00
Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 11. Okt. 2016 - RN 6 K 14.1816
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Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar; für den Beigeladenen jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Der Kläger begehrt bauaufsichtliches Einschreiten gegen eine Stützmauer und eine sich hinter der Stützmauer befindende Aufschüttung auf dem Grundstück Fl.Nr. 41/2 des Beigeladenen.

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. 41/1 der Gemarkung …, das ursprünglich mit einem inzwischen abgebrochenen Wohngebäude bebaut war und für das ihm mit Bescheid vom 18.4.2013 eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Einfamilienwohnhauses mit Garagen (Az. 40-15/2013-B) erteilt wurde. Das klägerische Grundstück grenzt in nördlicher Richtung unmittelbar an das im Eigentum des Beigeladenen stehende Grundstück Fl.Nr. 41/2 an, auf dem der Beigeladene eine Metzgerei betreibt.

Mit Formblättern vom 12.6.2009 beantragte der Beigeladene eine Baugenehmigung für die Erweiterung des bestehenden Metzgereibetriebs durch Anbau eines Sozialbaus sowie zweier Hallen, die in den Bauplänen als „Halle 1“ und „Fahrzeughalle“ bezeichnet sind. Dabei war geplant, dass das Gelände zum angrenzenden Grundstück des Klägers abfallen sollte. Das Landratsamt D. erteilte dem Beigeladenen mit Bescheid vom 5.8.2009 die beantragte Baugenehmigung (Az. 40-345/2009-B) und verlängerte sie mit Bescheiden vom 10.9.2013 und 14.8.2015 bis zum 5.8.2015 bzw. 5.8.2017. Nach Erteilung der Baugenehmigung vom 5.8.2009 errichtete der Beigeladene auf seinem Grundstück die von der Baugenehmigung erfasste „Halle 1“. Mit dem Bau der Fahrzeughalle wurde bisher nicht begonnen.

Im Zusammenhang mit dem Bau der „Halle 1“ errichtete der Kläger im Jahr 2009 entlang der Grundstücksgrenze in einem Abstand von 0,80 m zum klägerischen Anwesen die streitgegenständliche Stützmauer und nahm dahinter eine Aufschüttung vor, um die Umsetzung des genehmigten Vorhabens zu ermöglichen. Diese Stützmauer, die nicht Gegenstand der Baugenehmigung vom 5.8.2009 ist und für die der Beigeladene auch keine anderweitige Baugenehmigung besitzt, weist eine Gesamthöhe von 3,90 m über dem vorhandenen Gelände auf. Gemessen ab dem ursprünglichen Geländeverlauf beträgt die Wandhöhe 2,55 m.

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 5.9.2014 beim Landratsamt D. die Anordnung der Beseitigung dieser Stützmauer sowie der Aufschüttung hinter der Mauer. Das Landratsamt D. lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 9.10.2014 (Az. 40-66/2014-BA) ab und begründete dies damit, dass der Kläger seinen Anspruch auf Erlass einer Beseitigungsanordnung verwirkt habe. Auch sei eine konkrete Einsturzgefahr nicht erkennbar.

Der Kläger hat am 4.11.2014 Verpflichtungsklage auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Stützmauer und die hinter der Stützmauer liegende Aufschüttung erhoben. Außerdem hat er am 11.3.2015 Klage gegen die Baugenehmigung vom 5.8.2009 sowie die Verlängerung der Baugenehmigung vom 10.9.2013 (RN 6 K 15.389) und am 14.9.2015 gegen die weitere Verlängerung der Baugenehmigung vom 14.8.2015 (RN 6 K 15.1445) erhoben.

Zur Begründung seiner auf bauaufsichtliches Einschreiten gerichteten Klage trägt der Kläger vor, dass die Stützmauer zu einer Vernässung seines Grundstücks führe und nicht standsicher sei. Die fehlende Standsicherheit belege ein von ihm in Auftrag gegebenes Gutachten vom 3.11.2014. Außerdem halte die Mauer die gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen nicht ein und verletze den Kläger daher in seinen Nachbarrechten. Eine Legalisierung der Stützmauer durch Erteilung einer Baugenehmigung komme nicht in Betracht, da hinsichtlich der Abstandsflächen eine Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO nicht erteilt werden könne. Die gebotene Würdigung der nachbarlichen Interessen verbiete es, sein Grundstück mit einer völlig überdimensionierten Betonmauer zu belasten und es sowohl wirtschaftlich als auch im Hinblick auf angemessene Wohnverhältnisse zu entwerten. Schließlich habe er seinen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten nicht verwirkt, da er erst seit jüngster Zeit erkennen konnte, wie sich der Bau der Stützmauer auf sein Grundstück auswirke. Als die Stützmauer errichtet worden sei, habe sich auf dem Grundstück des Klägers nämlich noch das leer stehende Haus seiner Eltern befunden, das im Frühjahr 2014 abgebrochen worden sei. Die Problematik der Vernässung sei erst im Laufe des Jahres 2014 mit dem Beginn der Errichtung des neuen Wohnhauses zu Tage getreten. Entgegen der Auffassung des Landratsamts D. habe er im Rahmen der Abbrucharbeiten an der Stützmauer keine Abgrabung vorgenommen. Vielmehr habe sich vor den Abbrucharbeiten auf seinem Anwesen in unmittelbarer Nähe zur streitgegenständlichen Stützmauer eine Einfriedungswand befunden. Der Zwischenraum zwischen beiden Mauern sei vom Beigeladenen bis 80 cm unter die Mauerkrone der Einfriedungswand mit Rollkies aufgefüllt worden. Mit Abbruch der Einfriedungswand sei die Kiesfüllung schließlich hangabwärts in das Grundstück des Klägers hineingerutscht.

Der Kläger beantragt,

  • 1.den Bescheid des Landratsamts D. vom 9.10.2014, Az. 40-66/2014-BA, aufzuheben,

  • 2.den Beklagten zu verpflichten, innerhalb eines Monats die Beseitigung der auf dem Grundstück Fl.Nr. 41/2 der Gemarkung … errichteten Mauer sowie der Aufschüttung hinter dieser Mauer anzuordnen,

  • 3.zur Durchsetzung dieser Anordnung ein Zwangsgeld in Höhe von

30.000,-€ anzudrohen,

4. die sofortige Vollziehung dieses Bescheids anzuordnen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zwar halte die streitgegenständliche Mauer aufgrund des nur 0,80 m betragenden Abstands zum Grundstück des Klägers die gesetzlich vorgesehenen Abstandsflächen nicht ein. Dennoch habe der Kläger keinen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten nach Art. 76 BayBO, weil es an einer unzumutbaren Belastung des Klägers durch die Stützmauer fehle und das behördliche Ermessen nicht auf Null reduziert sei. Die Mauer befinde sich nämlich nördlich des Grundstücks des Klägers an einem in Richtung Norden ansteigenden Hang. Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger durch eigene Baumaßnahmen auf seinem Grundstück zu einer Zunahme des nachbarlichen Spannungsverhältnisses beigetragen habe. Darüber hinaus habe der Kläger einen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten verwirkt, weil die Mauer bereits im Jahr 2009 errichtet worden sei und aus dem nachbarlichen Gegenseitigkeits- und Gemeinschaftsverhältnis die Pflicht resultiere, Einwendungen gegen ein Bauvorhaben möglichst ungesäumt vorzutragen. Auch müsse ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten ausscheiden, weil der Kläger bisher nicht nachvollziehbar vorgetragen habe, dass aufgrund des baulichen Zustands der Stützmauer tatsächlich eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit bestehe. Zwar bescheinige das Gutachten vom 3.11.2014, dass die Stützmauer nicht standsicher sei, allerdings enthalte es keine Aussagen zum Vorliegen einer konkreten Gefahrenlage. Schließlich wäre die Anordnung der vollständigen Beseitigung der Mauer auch ermessensfehlerhaft, weil auch im Gutachten vom 3.11.2014 nur eine luftseitige Aufschüttung zur Wiederherstellung der Standsicherheit vorgeschlagen werde und der Beigeladene mit Schreiben vom 18.11.2014 angekündigt habe, die Standsicherheit der Mauer wiederherzustellen. Hinsichtlich der beantragten Androhung von Zwangsgeld sowie der Anordnung der sofortigen Vollziehung sei die Verpflichtungsklage unbegründet, da der Kläger hierauf keine subjektiv-öffentlichen Rechte ableiten könne und dementsprechend auch nicht in derartigen Rechten verletzt sein könne.

Der Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, dass im streitgegenständlichen Gebiet aufgrund der Hanglage auf allen Grundstücken eine gewisse Verschlammung bzw. Vernässung bestehe. Er habe im Abstand von circa 2,60 m zur Mauer eine Bohrung durchführen lassen, die ergeben habe, dass erst in einer Tiefe von 6,60 bis 7,00 m das natürliche Grundwasser verlaufe. Der Fuß der Mauer befinde sich hingegen in einer Tiefe von 4,20 m zur natürlichen Geländeoberfläche des Grundstücks des Beigeladenen. Das natürliche Grundwasser verlaufe damit mehr als 2,00 m unterhalb der Mauer, sodass die Stützmauer gar nicht ursächlich für die Vernässung des Grundstücks des Klägers sein könne. Der Beigeladene trägt außerdem vor, dass er hinsichtlich der Stützmauer eine statische Berechnung vom 2.1.2015 eingeholt habe, die deren Standsicherheit bestätige.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 5.10.2015 ein weiteres Gutachten vom 3.7.2015 vorgelegt, das vom Landgericht D. im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Kläger und dem Beigeladenem eingeholt worden ist.

Das Verwaltungsgericht Regensburg hat Beweis erhoben durch die Einnahme eines Augenscheins durch die damalige Berichterstatterin am 9.10.2015.

Hinsichtlich des Tatbestands im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der wechselseitig ausgetauschten Schriftsätze in den Verfahren RN 6 K 14.1816, RN 6 K 15.389 und RN 6RN 6 K 15.1445, der vorgelegten Behördenakten sowie der Niederschriften über die Einnahme des Augenscheins vom 9.10.2015 und die mündliche Verhandlung vom 11.10.2016.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Ablehnung bauaufsichtlichen Einschreitens durch das Landratsamt D. ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, weil ihm weder ein Rechtsanspruch auf das begehrte bauaufsichtliche Einschreiten noch ein Anspruch auf erneute ermessensfehlerfreie Entscheidung zusteht (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).

I.

Der Kläger kann sein Begehren nicht auf Art. 76 Satz 1 BayBO stützen, der es der Bauaufsichtsbehörde erlaubt, die teilweise oder vollständige Beseitigung einer Anlage anzuordnen, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert wird.

Die streitgegenständliche Stützmauer, die eine Gesamthöhe von 3,90 m besitzt, ist zwar formell illegal, weil gemäß Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 a) BayBO im Innenbereich nur Stützmauern bis zu einer Höhe von 2 m verfahrensfrei sind. Der Kläger hat aber weder unter dem Gesichtspunkt der Vernässung noch der Einhaltung der Abstandsflächen oder der Standsicherheit einen Rechtsanspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten bzw. auf ermessensfehlerfreie Neuverbescheidung.

1. Hinsichtlich der Frage der Vernässung sind die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 76 Satz 1 BayBO nicht erfüllt, weil der Kläger gegen eine mögliche Vernässung seines Grundstücks nicht öffentlich-rechtlich geschützt ist, sondern zur Durchsetzung seines Anliegens den Zivilrechtsweg beschreiten muss (Dirnberger, in: Simon/Busse, BayBO, Art. 66 Rn. 446).

2. Zur Begründung eines Anspruchs auf bauaufsichtliches Einschreiten nach Art. 76 Satz 1 BayBO kann sich der Kläger auch nicht auf einen Verstoß gegen Abstandsflächenrecht berufen. Die streitgegenständliche Stützmauer, die in einem Abstand von nur 0,80 m zum klägerischen Grundstück errichtet wurde, ist zwar grundsätzlich abstandsflächenpflichtig, weil Stützmauern gemäß Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 BayBO nur bis zu einer Höhe von 2 m ohne eigene Abstandsflächen zulässig sind. Allerdings kann der Kläger zur Begründung seines Antrags auf bauaufsichtliches Einschreiten nicht geltend machen, dass die Stützmauer schon den nach Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO erforderlichen Mindestabstand von drei Metern nicht einhält, weil er hinsichtlich dieses Verstoßes gegen das Abstandsflächenrecht sein materielles Abwehrrecht verwirkt hat.

Voraussetzung für die Verwirkung eines Rechts ist, dass seit der Möglichkeit seiner Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Dies ist dann der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen würde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete zudem darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt würde (Vertrauenstatbestand), und sich deshalb so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Rechtsdurchsetzung ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (BVerwG, U. v. 7.2.1974 – III C 115.71 – juris). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stehen Nachbarn zueinander in einem besonderen „nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis“, das nach Treu und Glauben von ihnen besondere Rücksichten verlangt und sie verpflichtet, durch ein zumutbares aktives Handeln wirtschaftliche Schäden des Nachbarn zu vermeiden. Daher ist es auch Pflicht des Nachbarn, nachbarliche Einwendungen ungesäumt geltend zu machen, sobald er Beeinträchtigungen durch Baumaßnahmen erkannt hat, wenn ihm nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegengehalten werden soll. Kommt ein Nachbar dieser Verpflichtung nicht nach und hält er seine Einwendungen länger als notwendig zurück, gehen seine materiell-rechtlichen Abwehrrechte verloren (BVerwG, B. v. 18.3.1988 – 4 B 50/88 – juris).

Der Kläger hat gegen den im Nachbarschaftsverhältnis zum Beigeladenen geltenden Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen, weil er sich erstmalig am 5.9.2014 und damit fast fünf Jahre nach Errichtung der Stützmauer mit seinem Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten an das Landratsamt D. gewandt hat, obwohl er bereits viel früher Kenntnis von der Existenz der Stützmauer hatte, die vom klägerischen Grundstück ohne Weiteres voll einsehbar ist. Nach dieser langen Wartezeit musste der Beigeladene, der auf der Grundlage der Stützmauer bereits die genehmigte Halle zur Erweiterung seines Metzgereibetriebs errichtet hatte, nicht mehr mit Einwendungen des Klägers gegen die Stützmauer rechnen. Dies gilt umso mehr, als der Kläger die streitgegenständliche Stützmauer in ihrer derzeitigen Ausgestaltung in die durch Bescheid vom 18.4.2014 genehmigten Baupläne für die Errichtung eines Einfamilienhauses auf seinem Grundstück aufgenommen hat.

3. Auch die vom Kläger vorgetragene fehlende Standsicherheit der Stützmauer führt nicht zum Erfolg der Klage.

Insbesondere das im Rahmen des zivilgerichtlichen Verfahrens eingeholte Sachverständigengutachten des Sachverständigen … vom 3.7.2015 lässt zwar den Schluss zu, dass die in Art. 10 BayBO formulierten Anforderungen an die Standsicherheit einer baulichen Anlage nicht erfüllt sind. Darin kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass die Gründung der Mauer nicht den anerkannten Regeln der Technik entspreche. Sie sei nicht ausreichend frosttief und auf einem nicht dränierten Schotterpaket gegründet. Aufgrund der fehlenden Frosttiefe und Dränung könne es mittelfristig zu Verformungen des Bodens unter dem Schotterpaket und im Anschluss zu Bewegungen der Mauer führen. Dadurch könne die Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit der Mauer eingeschränkt werden.

Allerdings hat ein Nachbar, der eine bauaufsichtliche Beseitigungsanordnung im Sinne des Art. 76 Satz 1 BayBO begehrt, grundsätzlich nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Eine Ermessensreduzierung auf Null und damit ein Rechtsanspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten liegt nur dann vor, wenn eine unzumutbare, auf andere Weise nicht zu beseitigende Gefahr für hochwertige Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit besteht (Dirnberger, in: Simon/Busse, BayBO, Art. 76 Rn. 490).

Der Kläger hat unter Beachtung dieser Grundsätze keinen Rechtsanspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten, weil keine Anhaltspunkte für eine konkrete Einsturzgefahr vorliegen und damit das der Behörde zustehende Ermessen nicht auf Null reduziert ist. Das Sachverständigengutachten spricht nur von einer mittelfristigen Beeinträchtigung und enthält keine Hinweise auf Anzeichen für eine Einsturzgefahr. Auch vom Kläger selbst werden keine derartigen Anzeichen, beispielsweise Verformungen der Mauer oder Rissbildungen, vorgetragen.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass über seinen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten neu entschieden wird, weil das Landratsamt D. eine ermessensfehlerfreie Ablehnungsentscheidung getroffen hat.

Steht einer Verwaltungsbehörde bei Erlass eines Verwaltungsakts Ermessen zu, so erstreckt sich die gerichtliche Überprüfung des Verwaltungsakts gemäß § 114 Satz 1 VwGO nur darauf, ob die Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.

Das Landratsamt D. hat seine mit Bescheid vom 9.10.2014 getroffene Entscheidung, von einem bauaufsichtlichen Einschreiten gegen die streitgegenständliche Stützmauer abzusehen, unter dem Gesichtspunkt der Standsicherheit damit begründet, dass eine konkrete Einsturzgefahr nicht erkennbar sei. Darüber hinaus wäre von einer eventuellen Einsturzgefahr die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht gefährdet. Darum erscheine ein bauaufsichtliches Einschreiten aus Sicherheitsgründen nicht geboten.

Unter Beachtung des Prüfungsmaßstabs des § 114 Satz 1 VwGO hat das Landratsamt damit die gesetzlichen Grenzen der Ermessensausübung gewahrt. Eine Behörde kann einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten nämlich auch ermessensfehlerfrei ablehnen, wenn die Verletzung nachbarschützender Rechte des Antragstellers nur mit einer Verletzung privater Rechte, aber nicht mit einer Beeinträchtigung öffentlicher Interessen verbunden ist und er sich in zumutbarer Weise mit Hilfe ordentlicher Gerichte gegen diese Beeinträchtigung zur Wehr setzen kann. Denn Aufgabe des verwaltungsbehördlichen Handelns ist vorrangig die Wahrung objektiver-öffentlicher Interessen, während bei einer Beeinträchtigung subjektiver Rechts vorrangig die Zivilgerichte in Anspruch zu nehmen sind (Dirnberger, in: Simon/Busse, BayBO, Art. 54 Rn. 103 f.). Im vorliegenden Fall besitzt der Kläger die Möglichkeit, gegen die von ihm behauptete Eigentumsbeeinträchtigung zivilrechtlich vorzugehen (§§ 1004, 906, 823 Abs. 2 BGB). Diese Möglichkeit hat er bereits durch Klageerhebung beim Landgericht wahrgenommen.

II.

Der Kläger kann sein Begehren auch nicht auf Art. 54 Abs. 4 BayBO stützen, der es den Bauaufsichtsbehörden erlaubt, bei bestandsgeschützten Anlagen Anforderungen zu stellen, wenn das zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit notwendig ist. Hinsichtlich des streitgegenständlichen Vorhabens fehlt es bereits an einer erheblichen Gefahr für Leben und Gesundheit, weil keine konkrete Einsturzgefahr vorliegt. Im Übrigen räumt Art. 54 Abs. 4 BayBO der Bauaufsichtsbehörde ebenso wie Art. 76 Satz 1 BayBO einen Ermessensspielraum ein (Dirnberger, in: Simon/Busse, BayBO, Art. 54 Rn. 95 f.).

III.

Die Anträge des Klägers, zusammen mit der Beseitigungsanordnung ein Zwangsgeld anzudrohen und die sofortige Vollziehung dieses Bescheids anzuordnen, haben bereits deshalb keinen Erfolg, weil der Kläger keinen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten besitzt. Im Übrigen kennt die Verwaltungsgerichtsordnung kein subjektives Recht auf Androhung eines Zwangsgelds oder auf Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts.

Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Es entsprach der Billigkeit, dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, weil dieser einen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au
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Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen. III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar; für den Beigeladen
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Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen. III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar; für den Beigeladen
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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.